Vorab sei gesagt, dass ich den Programmierern solcher selbstlernender Software, aber auch den Hardware-Entwicklern durchaus eine gehörige Portion Respekt
entgegen bringe. Was allerdings auch damit zu tun hat, dass ich von Programmieren keine Ahnung und irgendwie auch keinen Zugang habe.
Da ich - leider - auch kein gutes Namen- und Personen-/Gesichter-Gedächtnis habe, ´beneide´ ich diesbezüglich ein wenig Speicherfähigkeiten der Computer und die strukturellen Leistungen von Gesichtserkennungssoftware. Allerdings sind im heutigen Zeitalter der superschnellen Rechner und leistungsfähigen Algorithmen solche Berechnungen von Strukturen sowieso längst eine Domäne der digitalen Welt geworden, man denke nur an die "Erkennung" und (Re-)Konstruktion von Persönlichkeitsprofilen für Werbezwecke, wie sie (nicht nur) Google permanent betreibt.
Keinen Respekt habe ich vor dem Hype, der mit solchen Aktionen oft verbunden ist nach dem Motto "Wow! Der Computer kann jetzt auch genauso gut komponieren wie der "größte Titan der Musikgeschichte". Der Computer kann einfach alles!"
Auf das Ergebnis der KI-"Komposition" bzw. "Vollendung" einer 10. Sinfonie von Beethoven aus dessen hinterlassenen Skizzen dazu bin ich allerdings kaum neugierig.
Was könnte denn der Erkenntnisgewinn dieser computergenerierten "Vollendung" sein? Dass KI in der Lage ist, typische Strukturen Beethoven´scher Werke zu erkennen und aus den Rudimenten der Skizzen ein Werk zu generieren, das bestenfalls typisch wie Beethoven klingt.
Für die Computerwelt ist das sicher bedeutungsvoll und eine durchaus sinnvolle Spielwiese zur Weiterentwicklung der KI. Für die Musikwelt aber vergleichsweise unbedeutend. Denn der Frage, wie denn eine 10 Sinfonie von Beethoven wirklich geklungen hätte kommen die Rekonstruktionsversuche in keiner Weise näher, eine wirkliche Antwort auf dies Frage können sie sowieso nicht geben.
Beethoven war ein sehr selbstkritischer Komponist und es ist bekannt, dass er im Schaffensprozess eines Werkes immer wieder Veränderungen vorgenommen hat. Er hat auch ganze Sätze, die schon fertig komponiert waren, wieder heraus genommen und neu komponiert. Deshalb ist möglicherweise gar nicht klar, wie relevant die hinterlassenen Skizzen für Beethoven selber waren und was daraus schließlich im fertigen Werk übrig geblieben wäre.
Diese Skizzen weiter zu denken und zu einer Sinfonie auszuarbeiten im Stile Beethovens ist sicher eine tolle Kompositionsübung und gewiss eine Herausforderung. Im Ergebnis aber weder sonderlich aussagekräftig in Bezug auf die Absichten Beethovens (allenfalls in Bezug zum "Bearbeiter"), noch eine Bereicherung für die Musikwelt.
Auf die Ergebnisse dieser KI-Rekonstruktion/Komposition bin ich jedenfalls nicht sonderlich gespannt wie schon gesagt.
Hinzu kommt, dass Beethoven einen ausgeprägten Personalstil hatte. "Typisch Beethoven" zu schreiben, auch ohne vorliegende Skizzen und mit eigenen, nachempfundenen Ideen, ist zwar keineswegs banal, aber auch keine allzu große Kunst für den Kenner und Könner. Die zahlreichen Gasshauer-Variationen "im Stile von X Y Z" zeigen, dass solche Aufgaben von etlichen Komponisten und Arrangeuren quasi als eine Art kompositorische Fingerübung gut zu meistern war.