Legasthenie und Musik: Wechselwirkungen?

Ich bin Legastheniker und...

  • ...habe Auswirkungen der Legasthenie aufs Musizieren bemerkt.

    Stimmen: 5 83,3%
  • ...habe bisher keine Auswirkungen bemerkt.

    Stimmen: 1 16,7%

  • Umfrageteilnehmer
    6
Ein sehr interessantes Thema. Ich bin zwar in der Hinsicht nie betreut oder behandelt worden, aber in so manchem lese ich mich schon wieder. Rechtschreibung war bei mir in der Schule nie ein Thema (Auch wenn ich hier beim posten mal gerne zu schnell bin-ich hoffe jetzt nicht), auch lesen an sich war immer normal. Aufsätze und Umschreibungen von Themen mit eigenen Worten konnte ich immer gut. Ich bin ja irgendwie ein "falscher" Linkshänder. Also ich schreibe mit rechts, werfe Bälle mit links. Tennis spiele ich mit rechts, Gitarre spiele ich mit links (Schlaghand). Verrückt. Das hat sich wohl so ergeben, als ich als Kind in den End-Siebzigern alles mit links machte oder machen wollte, meine Mutter mir dann die Dinge in die rechte Hand gab. Ob ich jetzt beidhändig bin, keine Ahnung. Was ich aber merke, z.B.: das ich vieles mehrmals lesen muß, um es zu verstehen. Ich bin da auch oft mit den Gedanken woanders. Das war schon immer so - soweit ich das noch weiß. Gerade jetzt beim Thema Theorie im Bereich der Gitarre merke ich das nochmal. Auch bei gewissen Dingen hab ich keine Gleichmäßigkeit, mal gehts besser, mal schlechter. Ob ich beim Noten lernen Probleme hätte: Vermutlich schon ! Ich würde mit Sicherheit nicht alles auf einen Blick so lesen können, wie man es notiert machen sollte. Vermutlich bin ich in der Hinsicht also auch ein wenig "belastet", was dieses Thema angeht.
 
Meine Frage stellt sich aus der Sicht eines Instrumentallehrers: Meinst du, die Eltern (oder der Schüler selbst) sollten dem Lehrer mitteilen, wenn das Kind Legasthenie hat? Siehst du Möglichkeiten, dass der Lehrer im Instrumentalunterricht auf die Legasthenie eingehen kann ohne, dass das Kind sich dumm oder abgestempelt fühlt? Denn das sollte ja auf keinen Fall passieren.

da sag ich jetzt mal ungefragt was dazu, ich finde schon, dass wie auch immer geartetes "pädagogisches Personal" (Musiklehrer, Sporttrainer, Jugendgruppenleiter, Lehrer...) über die "Spezialitäten" eines ihm anvertrauten Kindes Bescheid wissen sollte, sodass man auch besser angemessen auf das Kind reagieren kann oder zumindest weiss, warum ein Kind so oder so reagiert oder eben auch nicht. Während meiner ehrenamtlichen Tätigkeit in verschiedenen Funktionen in der Jugendarbeit einer Hilfsorganisation hab ich mehrfach erlebt, dass Gruppenleiter von den Eltern vollkommen im Dunkeln gelassen wurden und so leider auch Situationen aus dem Ruder gelaufen sind. Oft sind ja die Gruppenleiter gerade mal mit einer Schulung des Jugendrings ausgestattet und bräuchten schon hin und wieder mal einen Anhaltspunkt, warum sich bestimmte Kinder so verhalten wie sie's tun, besonders dann, wenn's ungewöhnlich ist.

Wenn sich z.B. das Notenlesen als besonders schwierig erweist, findet man als Musiklehrer sicher auch noch andere Zugänge zum Musiklernen. Ist dann die Musik zum wichtigen Bestandteil des Lebens geworden, ist vielleicht die Motivation, sich mit dem Lernen von Noten zu beschäftigen, gewachsen...

Die nächste Frage wäre dann, inwieweit die Kinder in einer solchen Gruppe darüber informiert werden sollen...
 
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Leider werd legasthenikern gerne auch mal alles mögliche angelastet......Ich kann nur abraten wenn man z b ein Kind hat das legastheniker ist oder der Verdacht besteht .Gleich zum nächst besten Arzt oder pyschologen zurennen wo das Kind dann womöglich mit Tabletten vollgestopft werd und völlig falschen Therapien /Diagnosen zu Grunde gerichtet werdet!
Eine gute, fundierte und wohlüberlegte Beratung ist (nicht nur bei Legasthenieverdacht) total wichtig. Das ganze Umfeld, also Kind, Eltern, Schule, Ärzte und Therapeuten müssen vernünftig einbezogen werden. Da gibt es natürlich viele “Fehleroptionen“ in der Behandlung und im Umgang mit einem Legastheniker.
Dennoch bin ich froh, nie mit der Diagnose Legasthenie "ausgezeichnet" worden zu sein, was -in meinem Fall- das Problem mit hoher Wahrscheinlichkeit wohl kaum gelindert hätte...
Die Diagnose ist, abhängig von Umfeld und Persönlichkeitsmerkmalen, häufig eine Quelle weiterer Probleme. Stichwort Selbstbild und Bequemlichkeit. Vielen Schüler mit Legasthenie oder auch Dyskalkulie versuchen garnicht mehr, ihre Fertigkeiten zu verbessern und Zeit zum Lernen zu investieren. Da wird “ich habe um etwas bestimmtes zu lernen einige Hürden mehr zu nehmen und versuche mit Unterstützung herauszufinden, was mir dabei hilft“ schnell ein “ich habe ja die Diagnose, dass ich es garnicht erlernen kann, also was soll ich mich bemühen?“. Wenn die Eltern das mit tragen und nicht zusammen mit den Kindern trainieren, hat man beste Voraussetzungen für eine selbsterfüllende Prophezeiung: “Vernünftig Schreiben? Das wird nichts mehr.“

Andererseits kann eine Diagnose auch der Wegbereiter für tatsächlich wirkende Hilfen sein.
Dass es auch anders geht, haben wir schon an einigen Beispielen hier gesehen. Das persönliche Umfeld und dessen Wechselwirkungen mit der psychischen und sonstigen Entwicklung spielt halt eine extrem wichtige Rolle. Es ist z.B. kontraproduktiv, wenn Eltern ausschließlich auf Nachteilsausgleich setzen, aber dabei das Vorankommen aus dem Blick verlieren. Beides hat seine Berechtigung, aber sollte im Doppelpack gesehen werden und nicht isoliert. Niemand muss ein perfekter Leser oder Schreiber werden, aber das vorhandene Potential weiter zu entfalten sollte jedem gegönnt sein.

In wie weit das Musizieren betroffen ist oder sogar helfen kann bei einer durch self fulfilling prophecy geprägten Persönlichkeit (“das kann ich eh nicht lernen, egal wie sehr ich mich anstrenge“ oder “ohne meine Tabletten kann ich mich garnicht regulieren, also versuche ich es auch nicht“) positive Entwicklungen zu gehen, weiß ich natürlich nicht. Ich beschreibe diese Facette dieses Komplexes für den Fall, dass jemandem Erfahrungen dazu einfallen ;).
Ich bin mir aber sicher, dass “erfolgreiches“ Musizieren das Ego und andere Entwicklungsbereiche im positiven Sinne beflügeln kann und Selbstvertrauen erzeugt.
 
Oder wenn mein gitarrenlehrer sagt Spiel mal einen Ton hoch Greif ich oftmals den tieferen Ton .Ich kann aber nicht sicher sagen ob das eher am linkshänder oder legastheniker sein liegt.

Ich habe da gerade noch etwas gefunden, wo ich an Dich denken musste: Hier wird unter anderem Verwechslung von links und rechts oder auch über und unter als mögliches Merkmal einer Legasthenie genannt. Auch Begriffe wie hoch und tief gehören ja in diese Kategorie. Zumal sie sehr abstrus sind. Oft brauchen Kinder im Musikunterricht (für uns Erwachsene erstaunlich) lange, diese Begriffe zu lernen, weil sie im musikalischen Sinn dem räumlichen hoch und tief nicht zwingend entsprechen. Bei einem Cello z.B. (und mit etwas Kopfdrehung auch bei der Gitarre) wird der Ton tiefer, wenn man räumlich sieht, wie sich die Hand nach oben bewegt. Oft sagen Kinder dann in Anlehnung an die Handbewegung, der Ton würde höher werden.

Damit korreliert das vielleicht auch ein wenig mit dem, was wir hier schon mal hatten, dass bestimmte Begriffe schwerer zu dem dazugehörigen Phänomen zugeordnet werden.

Ist nur so ein Gedanke von mir, ich würde es jetzt nicht beschwören. Linkshändigkeit kann da natürlich auch mit reinspielen.
 
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Ich habe da gerade noch etwas gefunden, wo ich an Dich denken musste: Hier wird unter anderem Verwechslung von links und rechts oder auch über und unter als mögliches Merkmal einer Legasthenie genannt. Auch Begriffe wie hoch und tief gehören ja in diese Kategorie. Zumal sie sehr abstrus sind. Oft brauchen Kinder im Musikunterricht (für uns Erwachsene erstaunlich) lange, diese Begriffe zu lernen, weil sie im musikalischen Sinn dem räumlichen hoch und tief nicht zwingend entsprechen. Bei einem Cello z.B. (und mit etwas Kopfdrehung auch bei der Gitarre) wird der Ton tiefer, wenn man räumlich sieht, wie sich die Hand nach oben bewegt. Oft sagen Kinder dann in Anlehnung an die Handbewegung, der Ton würde höher werden.

Damit korreliert das vielleicht auch ein wenig mit dem, was wir hier schon mal hatten, dass bestimmte Begriffe schwerer zu dem dazugehörigen Phänomen zugeordnet werden.

Ist nur so ein Gedanke von mir, ich würde es jetzt nicht beschwören. Linkshändigkeit kann da natürlich auch mit reinspielen.


Kann schon sein es heißt auch das legasthenie oftmals eine rechts /linksschwäche mitbringt
 
Vorweg:
- ich bin Legastheniker
- ich bin mir nicht sicher, ob es die Legasthenie gibt oder ob mit Legasthenie nur ein Symtom benannt wird.

Anfang des zweiten Schuljahres war ich bei meiner Großmutter zu Besuch; sie fragte mich: "Lütting schreibt ihr auch Diktate?" "Ja, Großmutter" "Hast du auch immer Null Fehler?" "Nein, nie unter 27", soll ich geantwortet haben, wie sie mir später mal erzählte.

Deutschunterricht in der ersten Oberstufenklasse: Der Deutschlehrer erscheint in Begleitung des Direktors "Nehmen Sie mal ihre Lesebücher raus, Seite 248." Kommen Sie mal vor!" Ich überfliege die Überschrift und den ersten Vers und beginne halbwegs flüssig vorzulesen. Ich schaue ins Buch - noch fünf weitere Verse! Mir geht durch den Kopf, willst du dich hier weiter vorführen lassen. Ich mache eine kurze Pause und sage dann mit fester Stimme: "Ich werde nicht weiter vorlesen und überhaupt, ich werde nie wieder vorlesen." Ich klappe das Buch zu, setze mich auf meinen Platz und habe in der Schule nie wieder vorgelesen.

Abitur: Mein Deutschlehrer läd mich zu sich nach hause ein, um mit mir alle Rechtschreibfehler aus meinem Abituraufsatz zu tilgen. Er wollte mir keine 5 geben, denn mit 5 im Fach Deutsch konnte man damals nicht das Abitur bestehen. So hatte ich dann das beste Zeugnis von allen in meiner Klasse.

Viel später: Ich war ein paar Jahre Vorsitzender eines Hauptpersonalrats und hatte in den Sitzungen auch Schriftstücke des Ministeriums zu verlesen; das ging halbwegs, wenn ich sie vorher hatte durchgelesen können. Es kam aber vor, dass Schriftstücke während der Sitzung hereingereicht wurden und ich wusste, wenn ich sie vorlese, dann wissen die Kollegen, worum es geht, nur ich nicht; ich war durchs Vorlesen so absorbiert, dass ich selbst nichts behielt. Ich hatte mir dann dadurch geholfen, dass ich einen Kollegen bat, das Vorlesen zu übernehmen.

Musik: Ich kann ausgezeichnet sauber intonieren, hatte aber immer Schwierigkeiten beim Rhythmus. Ich habe zwei Jahrzehnte Renaissance Musik auf historischen Blasinstrumenten gemacht. Kürzlich erhielt ich von einem Bekannten eine Tonbandaufnahme, die er vor über 30 Jahren von einem unserer Konzerte gemacht hatte. Ich spielte vor allem Bassdulzian dem Vorläufer vom Fagott. Bei diesem Instrument musste ich die Höhe fast jeden Tones mit dem Ansatz neu intonieren. Als ich die Aufnahme nach so langer Zeit hörte, war ich doch sehr erstaunt, wie gut mir das damals gelungen war. Allerdings hatte ich dann Schwierigkeiten mit einem lockeren Ansatz, als ich mit 50 anfing, Fagott zu lernen.

Ich habe dann zusammen mit Klarinetten klassische Musik gespielt. Es zeigte sich dann, dass ich Schwierigkeiten im Notenlesen bekam, wenn die Stimme zu bewegt wurde; für kurze Passagen reichte die Konzentration, bei längeren konnte ich überfordert sein.

Für theoretische Überlegungen um mir das Erfassen von Akkorden im Notenbild zu erleichtern, habe ich zu der Notationssoftware Lilypond einen Dialekt entwickelt, in dem aus dem Notenbild die exakten Intervalle unmittelbar ablesbar sind.
https://meyerich.pythonanywhere.com/QuintGen

Üben übt! das gilt auch fürs Lesen. Aber wenn ich etwas lese, habe ich nebenbei viel Zeit für nebenher laufende Gedanken. Ich lese so langsam, dass ich meistens die Untertitel bei Fernsehfilmen nicht zuende lesen kann.

Ich habe Schwierigkeiten mit der Zuordnung der Begriffe Rechts und Links; ich habe da gewissermaßen eine symmetrische Veranlagung: ich schreibe mit der rechten Hand aber ich grabe im Garten ich wie ein Linkshänder.
Ich kann beim Tanzen alle Figuren rechts wie links tanzen und auch spontan die Hand zum Führen wechseln.

Im Taichi hatte ich mal Schwierigkeiten einen Bewegungsablauf zu erfassen, wie ihn meine Lehrerin vormachte und kommentierte; erst als ich nicht mehr auf sie hörte und mich nicht mehr auf rechts und links einließ sondern mir das Oben und Unten im Bewegungsablauf merkte, konnte ich die Figur erfassen und nachmachen.

Mich ärgert es immer wieder, wenn Pädagogen behaupten, sie könnten die Leseschwäche beheben. Ich lese jeden Tag und verstehe auch, was ich lese, aber es braucht immer seine Zeit und die wird leider nicht kürzer.
 
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Legasthenie scheint tatsächlich kein so klar umrissener Begriff zu sein, sondern taucht in vielen verschiedenen Formen auf. Dass, was du beschreibst, klingt hochinteressant und passt sehr gut auf das, was in Büchern auch drin steht.

Interessant finde ich auch, dass du tatsächlich Probleme beim Notenlesen festzustellen meinst. Das war ja auch das, was ich irgendwie erwartet hätte. Bisher habe ich aber kaum Hinweise gefunden, dass das tatsächlich irgendwann mal nachgewiesen wurde.
Der Link zu deiner Notation mit Intervallen funktioniert bei mir nicht. Würde mich aber interessieren, wie das dann aussieht... Falls du das mal zeigen oder erklären magst.

Mich ärgert es immer wieder, wenn Pädagogen behaupten, sie könnten die Leseschwäche beheben. Ich lese jeden Tag und verstehe auch, was ich lese, aber es braucht immer seine Zeit und die wird leider nicht kürzer
Beheben ist vielleicht ein zu starkes Wort. In den Therapiebüchern, die ich bis jetzt angeguckt habe (sind aber bis jetzt nur zwei), wird davon ausgegangen, dass Legastheniker sich andere Arten erschlossen haben, Texte zu entschlüsseln, die nicht immer so schnell gehen, wie die, die geübte Normalleser nutzen. Da gilt, wie du ja auch selbst schreibst: Üben übt. Man versucht, mit diesen Menschen (meist ja Kindern) die Methode zu lernen, wie andere lesen. Legastheniker, die das nicht lernen, umgehen entweder Lesesituationen oder verbessern ihre aufwändige Methode und werden damit schneller.

Ich bin an dem Thema auf jeden Fall noch dran und werde darüber aller Wahrscheinlichkeit nach meine Bachelor-Arbeit schreiben. Dafür werde ich euch dann irgendwann auch noch mal anfragen, um ein paar Erfahrungsberichte von "Betroffenen" zu sammeln.

@ahorn_net : Ich bin übrigens im Preetzer Krankenhaus geboren und in der Region groß geworden. Grüße in die Heimat :tongue:
 
Hallo ihr Lieben,

mein Projekt hat sich ausgeweitet und wird demnächst in meiner Bachelor-Arbeit münden. Neben meiner Literaturrecherche, die erstaunlich viel ergeben hat, soll dazu eine kleine Umfrage gemacht werden, an der alle musikalischen Legastheniker/innen und legasthenen Musiker/innen gerne teilnehmen dürfen!

Gerne teile ich auch die Informationen, die ich bisher aus der Literatur herausgefunden habe. Die meisten Originalquellen sind Englisch, ich teile sie gerne per PN, wenn ihr Interesse an bestimmten Themenfeldern habt. Wenn meine Bachelor-Arbeit fertig ist (das ist aber erst gegen Ende 2019 geplant), werde ich diese auch definitiv online stellen und hier verlinken.

Ich poste hier jetzt einfach mal meinen Werbetext, den ich auch über Mail verbreite. Werbt gerne weiter, wenn ihr Kontakt zu Musikschulen, Legasthenieverbänden oder einzelnen Betroffenen, etc. habt. Ich habe den Werbetext mit allen möglichen Anreden ausformuliert, wenn ihr mir sagt, wohin ihr weiterleiten sollt, bekommt ihr eine Mailvorlage für Copy@Paste per PN.

_____________

Liebe legasthenen Musiker/innen, liebe musikalische Legastheniker/innen,

für meine Bachelorarbeit am Institut für Musik der Hochschule Osnabrück suche ich Schüler/innen (ab 14 Jahre), Studenten und Profimusiker, die eine Legasthenie haben und musizieren und bereit wären, an einer Umfrage teilzunehmen.

Die Umfrage ist online zu finden unter

www.musik-legasthenie-umfrage.de

Sie ist selbstverständlich anonym und in etwa 20 Minuten zu beantworten. Erfragt werden der persönliche musikalische Lernlebenslauf und Erfahrungen mit Notenschrift und Legasthenie. Dafür sollten die Teilnehmenden seit mindestens drei Jahren ein Instrument lernen.

Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr diese Anfrage weiterleiten könnten an eure (legasthenen) Schüler/innen, Studierende, Kolleginnen und Kollegen und andere Kontakte, die weitere legasthene Musiker/innen kennen könnten. Solltest Du selbst betroffen sein, würde ich mich über Deine Teilnahme selbstverständlich freuen.

Weiter unten finden Sie noch einen kleinen Informationstext zu meiner Arbeit. Für weitere Informationen meldet euch gerne bei mir:
annika.sabrowski@hs-osnabrueck.de oder per PN im Forum

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit,
Annika Sabrowski



Just a bunch of dots on the page“



…So beschreibt ein musikalisch begabter Legastheniker seine Sicht auf die Notenschrift. Er hat Gesang und Klavier gelernt, doch wegen seiner Frustration das Musiklernen aufgegeben. Da er große Probleme beim Notenlesen hatte, musste ihm sein Lehrer die Stücke, die er lernen wollte, immer wieder vorspielen, doch er konnte die Melodien nicht über einen längeren Zeitraum im Gedächtnis behalten.

Kommen legasthene Kinder und Erwachsene in den Instrumentalunterricht, trifft eine Lehrkraft, die im Lesen geübt ist, auf ein nicht unbedingt offensichtliches Problemfeld. Viele Legastheniker/innen scheinen gute Fähigkeiten entwickelt zu haben, musikalische Schwierigkeiten zu kompensieren und können teilweise ihr eigenes Musiklernen nur schlecht beschreiben, daher können Probleme unter Umständen lange versteckt bleiben. Zudem ist, auch wenn es erkennbare Gemeinsamkeiten (fast) aller legasthenen Musizierenden zu geben scheint, jeder Mensch einzigartig mit seinen Stärken und Schwächen.

Im schulischen Alltag ist die Legasthenie längst angekommen, doch ihre Auswirkungen auf den Instrumentalunterricht im Allgemeinen oder das Notenlesen im Speziellen, sind wissenschaftlich kaum untersucht und fast ausnahmslos in englischsprachigen Quellen beschrieben, obwohl einzelne Betroffene von großen Auswirkungen berichten.

Ich wünsche mir, mit meiner Arbeit einen Beitrag zu leisten, Informationen so zur Verfügung zu stellen, dass Lehrkräfte und legasthene Menschen Zugang zu diesem Thema finden können und sich darauf einlassen, ihren persönlichen Weg des Musizierens zu suchen, anstatt sich durch die Lese- und Rechtschreibschwäche die Freude an der Musik verderben zu lassen. Dazu bitte ich alle musizierenden Legastheniker/innen und alle legasthenen Musiker/innen mit ihren persönlichen Erfahrungen die Forschung zu bereichern.
 
Just a bunch of dots on the page“



…So beschreibt ein musikalisch begabter Legastheniker seine Sicht auf die Notenschrift. Er hat Gesang und Klavier gelernt, doch wegen seiner Frustration das Musiklernen aufgegeben. Da er große Probleme beim Notenlesen hatte, musste ihm sein Lehrer die Stücke, die er lernen wollte, immer wieder vorspielen, doch er konnte die Melodien nicht über einen längeren Zeitraum im Gedächtnis behalten.

Kommen legasthene Kinder und Erwachsene in den Instrumentalunterricht, trifft eine Lehrkraft, die im Lesen geübt ist, auf ein nicht unbedingt offensichtliches Problemfeld. Viele Legastheniker/innen scheinen gute Fähigkeiten entwickelt zu haben, musikalische Schwierigkeiten zu kompensieren und können teilweise ihr eigenes Musiklernen nur schlecht beschreiben, daher können Probleme unter Umständen lange versteckt bleiben. Zudem ist, auch wenn es erkennbare Gemeinsamkeiten (fast) aller legasthenen Musizierenden zu geben scheint, jeder Mensch einzigartig mit seinen Stärken und Schwächen.

Im schulischen Alltag ist die Legasthenie längst angekommen, doch ihre Auswirkungen auf den Instrumentalunterricht im Allgemeinen oder das Notenlesen im Speziellen, sind wissenschaftlich kaum untersucht und fast ausnahmslos in englischsprachigen Quellen beschrieben, obwohl einzelne Betroffene von großen Auswirkungen berichten.

Ich wünsche mir, mit meiner Arbeit einen Beitrag zu leisten, Informationen so zur Verfügung zu stellen, dass Lehrkräfte und legasthene Menschen Zugang zu diesem Thema finden können und sich darauf einlassen, ihren persönlichen Weg des Musizierens zu suchen, anstatt sich durch die Lese- und Rechtschreibschwäche die Freude an der Musik verderben zu lassen. Dazu bitte ich alle musizierenden Legastheniker/innen und alle legasthenen Musiker/innen mit ihren persönlichen Erfahrungen die Forschung zu bereichern
Gute Einleitung in die Thematik :great:.
Ich wünsche dir viel Erfolg und rege Beteiligung :).
 
Herzlichen Dank, das freut mich sehr :D
 
Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Die Umfrage läuft noch, wer helfen will, kann den Link gerne an befreundete Musiker weiterleiten :tongue:

Ich habe schon einige hoch interessante Ergebnisse, aber je mehr teilnehmen, desto aussagekräftiger wirds natürlich.

Herzlichen Dank,

Annino
 
Die Arbeit ist geschrieben, bewertet und jetzt online zu lesen und zwar hier:


Für alle, die nicht die ganze Arbeit lesen wollen gibt es dort auch eine Kurzfassung mit praktischen Tipps.

Die Arbeit ist geschrieben aus verschiedener englischsprachiger Literatur, der Online-Umfrage und einigen ausführlichen Interviews, die ihr im Anhang auch in voller Länge nachlesen könnt. Es geht darum, wie sich Legasthenie auf das Musizieren auswirken kann, wie individuell die Auswirkungen sind und wie legastheniebezogenen Problemen im Instrumentalunterricht begegnet werden kann.

Viel Spaß beim Lesen wünsche ich euch und freue mich natürlich über Rückmeldungen, entweder hier im Thread oder auf meiner Seite.

Viele Grüße,
Annino
 
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Hallo zusammen,

ich finde dieses Thema auch sehr interessant - habe es gerade mal quergelesen. Hier ist immer nur von "Legasthenie" in Verbindung mit dem Musizieren zu lesen.

Ich gehöre da zu dem anderen Extrem - in der Schule sowohl in Rechtschreibung, wie auch in Ausdruck, Aufsatz usw. fast ausschließlich Einser eingefahren. Bis heute habe ich große Freude am Schreiben und in den meisten Fällen fehlerfrei, wenn man von der neuen deutschen Rechtschreibung mal absieht. Für mich war diese Umstellung schon alleine ein Verbrechen an der deutschen Sprache, aber da gehen die Meinungen ja deutlich auseinander. Auch Fremdsprachen lerne ich leicht.

Mein Problem liegt aber auf der anderen Seite: die Mathematik ! Ist mir seit der ersten Klasse bis heute ein Graus, weswegen man sich die Schulnoten hier ausmalen kann ...

Ich habe für mich festgestellt, dass gerade Menschen, die mathematisch gut sind, auch weniger Probleme mit dem Notenlesen haben und der Koordination, diese auf dem Instrument abzubilden. Mein Bruder beispielsweise ist mathematisch sehr gut und er hat auch keine Probleme, die Noten direkt vom Blatt aufs Klavier zu spielen.
Im Laufe der Jahre habe ich immer wieder Leute kennengelernt, die ein Instrument spielen und die habe ich dann auch immer gefragt, ob sie auch nach Noten spielen und wie sie mit dem Notenlesen zurechtkommen. Wenn sie gesagt hatten: "gut" oder "kein Problem", war dann die nächste Frage, ob sie besser/lieber schreiben oder rechnen können/wollen. Bei fast allen dieser Leute habe ich zu hören bekommen, dass sie mit Mathematik keine Probleme hätten, mit der Rechtschreibung aber schon eher.

In der Schule sagte man mir immer, ich wäre zu faul zum Lernen - schließlich sei Mathematik logisch. Das ist zwar richtig, aber das heißt doch nicht, dass jeder alles begreifen muss, nur weil es "logisch" ist ? Legasthenie kannten die Lehrer schon, aber in meinem Fall war es immer "Faulheit" - ich behauptete immer, ich sei ein mathematischer Legastheniker. So konnte ich mir so manchen Vogel zeigen lassen.

Ich spiele Gitarre seit ich zwölf Jahre alt bin, erst nur Akkordbegleitung (ich denke, so fängt jeder mal an), dann aber fing ich an zu Improvisieren. Und hier lag genau mein Ding. Das Improvisieren ist eine Sache, die ich ganz gut kann und die mir auch am besten gefällt. Noten auf der Gitarre sind mir zu umständlich und auch diese Pattern begreife ich nicht. Mathematik ist zweifelsfrei logisch - Notenlesen auch. Sprache ist eher abstrakter, man kann sich schöpferisch betätigen (es soll ja Leute geben, die Bücher schreiben...) und beim Improvisieren kann ich auch meine abstrakten Gedanken in Töne umsetzen. Beim Notenlesen geht das wieder nach festen Regeln, ähnlich wie in der Mathematik und hier habe zumindest ich dann auch wieder meine Probleme.

Vor ein paar Jahren fing ich dann an, Klavier zu lernen - und ja - meine Fortschritte sind nicht gerade berauschend (vielleicht liegt es ja nun auch am Alter). Da das Klavier aber aus Gitarren-Sicht nur eine "einzige lange Saite" mit 88 Bünden hat, erscheint mir die Koordination hier einfacher, als auf der Gitarre mit ihren 6 Saiten und den nicht immer gleichen Tönen auf den Bünden. Dennoch habe ich immer und immer wieder Probleme, die kleinen Pünktchen zu benennen. Habe ich einmal die Note, finde ich den Ton dann auf der Klaviatur recht schnell, aber den muss ich erst einmal haben ...
Wenn ich ein Stück nach Noten einlerne, taste ich mich Note für Note weiter, immer ein Blatt mit den benannten Noten nebendran und lerne das dann auswendig. Und wenn man mir Noten von einem Stück vorlegt, das ich komplett auswendig spielen kann, dann sehe ich nur Pünktchen, die mir allerdings nichts sagen.

Dass dann beim Bassschlüssel nochmal alles wieder 2 Noten tiefer ist und dann noch die Vorzeichen, die man sich dann oft über mehrere Zeilen merken merken muss, trägt auch nicht gerade zur Begrifflichkeit bei ... Und wenn ich dann im Fernsehen diese Berufsmusiker sehe, die da frei weg die schwersten Lieder vom Blatt spielen, denke ich immer: was müssen das für Genies sein. Ich habe mir auch mal ein Buch gekauft: "Die Kunst des Musizierens" von Renate Klöppel und Eckart Altenmüller. Darin beleuchten die die Reaktionen des Gehirns und das Training, besser denken zu können und die Lernfähigkeit zu steigern - finde ich sehr interessant auch in diesem Zusammenhang. Hier wird beschrieben, wie das kindliche Erlernen der Musik die Hirnbereiche fördert.

Ich weiß nicht, ob diese Problematik hier auch schon mal diskutiert wurde oder ob diese Sichtweise jemanden hier überhaupt interessiert, aber ich wollte bei diesem Thema auch mal meine Erlebnisse schildern - vielleicht gibt es ja Leute unter Euch, die das auch so erleben (müssen) wie ich.

Viele Grüße !
Wolfgang
 
Hallo PapaWolf,

also eine "Mathelegasthenie" nennt man Dyskalkulie. Und auch diese kann sich auf das Notenlesen auswirken, dazu gibt es Studien, falls es dich interessiert. Wie ich in meiner Arbeit erkläre, sind Lernprozesse immer mit Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung verbunden. Wenn dort einzelne Bereiche betroffen sind, kann sich das sowohl auf Mathe als auch aufs Lesen auswirken (zum Beispiel wenn es ums Erkennen von Symbolen dreht), oder aber nur auf eins von beiden (auditive Verarbeitung von Silben hat mit Mathe weniger zu tun). Irgendwo in diesem Komplex können dann eben auch Probleme mit Noten auftreten, aber es kann Notenlesen auch gar nicht betreffen.

Dass Mathe logisch ist, trifft wohl insbesondere auf die Schulmathematik zu. Ich bin da keine Expertin - ich behaupte jetzt einfach mal. Allerdings kommt es auch da stark auf das Entwicklungsalter drauf an und wenn gar nicht das logische Verstehen eingeschränkt ist, sondern die Vorstellung von Mengen, dann bringt dieser Hinweis, dass das doch logisch ist auch nichts. Verstehst du, was ich sagen will? Solche Lernprozesse sind einfach hochkomplex, dass sollte man nicht unterschätzen. Die Experimente von Piaget sind da zum Beispiel interessant wie spät Kinder erst lernen, ein Volumen zu betrachten, zum Beispiel. Für uns total "logisch", aber auch wir haben mal sehr lange gebraucht, das zu verstehen. Für Erwachsene dann diese Probleme: Wie stelle ich mir eigentlich eine Million vor? Das geht nämlich an sich nicht, sondern wir fassen es in etwas anderes zusammen. Zum Beispiel eine Million Tennisbälle füllen den und den Raum oder von einer Million kann ich x Autos kaufen oder eine Million ist einfach sehr sehr viel.

Dyskalkulie kann also auch das Musizieren betreffen, ähnlich wie Legasthenie. Und Mathe ist nicht gerade das einfachste Fach. Da bist du auf keinen Fall alleine.

Und wenn ich dann im Fernsehen diese Berufsmusiker sehe, die da frei weg die schwersten Lieder vom Blatt spielen, denke ich immer: was müssen das für Genies sein.
Nein, das sind keine Genies. Das ist jahrelange Übung und Arbeit. Du hast ja mit Sicherheit auch deine Begabungen genutzt und arbeitest jetzt in einem Bereich, den du kannst, aber gewiss nicht jeder andere. Weil du ihn erlernt hast.

Ich habe mir auch mal ein Buch gekauft: "Die Kunst des Musizierens" von Renate Klöppel und Eckart Altenmüller. Darin beleuchten die die Reaktionen des Gehirns und das Training, besser denken zu können und die Lernfähigkeit zu steigern - finde ich sehr interessant auch in diesem Zusammenhang.
Das Buch kenne ich nicht, aber die Autoren sind auf jeden Fall Fachleute. Notenlesen ist aber kein Zwang in der Musik und wenn dir das improvisieren so viel mehr bringt, dann fühle dich gut damit. Lernfähigkeit steigern hat auch nicht so viel mit "besser denken" zu tun. Wer mit Logik gut umgehen kann, ist noch lange nicht schlau. Da würde ich mir nicht einreden lassen, dumm zu sein, sondern lieber die eigenen Begabungen nutzen. Was meinst du, wie viele Mathematiker dich um deine Kreativität beneiden und deine Möglichkeiten, dich auszudrücken.
 
Hallo Annino,

hab vielen Dank für Deine Erläuterungen auch zu meiner Problematik - es ist schön, auch mal solche Betrachtungsweisen zu hören. Sicher ist Notenlesen kein Zwang, aber schon der Wunsch, etwas Klassisches richtig nachzuspielen, führt mich unweigerlich wieder zu den Noten und so wurstele ich mich am Klavier mehr oder minder erfolgreich durch. Da ich im Grunde zur Gitarre seit vielen einen intensiven Draht habe, ist das Klavier eher fremd, wenn es darum geht, spontan etwas zu spielen. Beim Klavier muss ich mich auch anstrengen - die Gitarre kann ich mir nochmal eben vor dem Zubettgehen nehmen und etwas rauszaubern - das ist gewachsen.
Aber wie auch immer, Musik machen bringt Freude und ich denke, wir alle tun es gerade deshalb.

Nochmals danke für Deine Einschätzung !
 
Hallo! Ich bin Legasthenikerin und Musikerin. Ich studiere gerade Musikerziehung (hauptfach Pop-Gesang) und bin zu diesem Forum durch das Team von "barrierefrei studieren" an meiner Universität gekommen, wo ich mich gemeldet hatte, weil ich afgrund der Legasthenie starke schwierigkeiten vor allem im Klavierunterricht gekriegt habe.

Hier ein paar von den Sachen, die ich über die Jahre gemerkt habe, die mir schwerfallen und anderen Menschen keine Probleme dabei haben (und ich muss sagen, meine Lehrer sind immer verwirrt wenn ich ihnen sagen, dass ich solche Schwierigkeiten habe, denn sie mich meistens für eher begabt halten).

1) Ich kann extrem schlecht Blattspielen und Blattlesen! Das ist für mich eine richtig größe Hürde und habe Probleme damit auch wenn ich den Stück schon öfters gespielt habe und sogar gut kenne. Ich lerne die Stücke sehr schnell auswendig und erst ab den Zeitpunkt wo sie komplett im Kopf sind, kann ich diese durchgehend flüssig spielen. Das "überall einsteigen" funktioniert bei mir nur, wenn ich mich davor intensiv damit beschäftigt habe bei jedem Takt anzufangen und die Musik (halt wie der Takt klingt) und die Position vom Takt in dem Blatt meiner Noten auswendig kann. Wenn mir jemand aber eine andere Ausgabe gibt, wo der Takt dann doch wo anders liegt, bin ich wieder komplett verloren.

2) Zur Thematik des Gemeinsamspielen beider Hände kann ich mich nur anschließen. Ich spiele schon seit 12 Jahre Klavier und kann schon sehr schwierige Stücke spielen (zum Beispiel den 2. Estampe von Debussy), und trotzdem, wenn ich ein Stück neulerne, kann ich zwar die getrennte Hände mühelos spielen, aber wenn sie gemeinsam gespielt werden sollen, dann ist es so, als ob ich den ganzen Prozess von Vorne beginnen muss.

3) Zu Notenlesen und die richtige Note im Notenpapier finden: Ich tue mich sehr schwer damit, wenn ich zum Beispiel von Violinschlüssel plötzlich auf Bassschlüssel wechseln muss. Natürlich ist auch das ein Teil meiner Schwierigkeit mit Blattlesen, denn da muss ich beides sogar gleichzeitig machen... Auch die Lagenwechsel in Instrumente fallen mir schwer. Ich spiele Barrocke Blockflöte und kann mich erinnern wie schwer es war, als ich zur Sopran-Flöte die Alt-Flöte dazunahm. Ich habe sowohl dafür, als auch als ich Bassschlüssel lernte jeweils einen home-made Memory-Spiel hergestellt um die Neue Lage/neue Notenbilder zu lernen und habe diesen Monate gespielt, bis es endlich besser wurde. Trotzdem muss ich, wenn ich Blockflöte spiele nochimmer vor dem Stück mich beruhigen und denken "Ich spiele jetzt Sopran/Alt" damit ich irgendwie in diese Lage gedanklich drinnen bin.

4) Akkorde in den Noten für Klavier zu lesen hat lange gebraucht, denn ich musste mehrere Töne gleichzeitig lesen und so auf mehrere Melodie-Linien achten. Mittlerweile habe ich die Strategie, wenn ich ein Stück spiele mit mehere Akkorde, dass ich beim lernen des Stückes immer eine Akkordanalyse mache, um mir schneller merken zu können welche Akkorde wan kommen und leichter wissen welche Töne da gezeichnet sein müssen, wenn ich dann das Stück nach Noten lese. Andererseit war das Lernen von Leadsheets nie ein Problem, denn ich wusste welche Noten welche Akkorde entsprachen und ich musste dann diese einfach am Klavier spielen. Ich gebe Gesangunterricht und da begleite ich immer meine Schüler am Klavier und lerne deswegen jede Woche fast neue Lieder am Klavier, dennoch sind alle aus Leadsheets und das geht wunderbar.

5) Modulationen und viele Vorzeichen haben mich immer Probleme verursacht. Viele Vorzeichen bedeuten eine Änderung der Bilder, die ich mal als Noten lernte. Wenn bei den Vorzeichen der Tonart 3 Kreuze gibt, dann heißt es dass beim ganzen Stück zum Beispiel jeder "f" eigentlich ein "fis" ist. Dennoch ist das Kreuz nicht vor den "fis" in den Noten gezeichnet, sondern ganz am Anfang der Zeile. Es ist eine Änderung des Bilds dass ich mir mal gemerkt habe, ohne direkt daran erinnert zu werden, dass diese Änderung existiert. Prinzipiell hat jeder dieses Problem, aber für mich war das noch schlimmer, denn ich habe mich für jeden Takt so sehr konzentrieren müssen, dass zu dem Zeitpunkt dass der "fis" kommt, ich schon vergessen habe, dass es ein "fis" sein soll. Modulationen sind eine Stufe schwieriger, denn ich habe den ganzen Stück daran denken müssen dass es einen fis gab und mittlerweile habe ich es endlich im Kopft, dass jeden mal wo ich ein "f" sehe, ist es ein "fis". Plötzlich moduliert das Stück und diese "Regel" in meinem Kopf ist nicht mehr gültig. Jetzt muss ich mich daran konzentrieren doch KEIN "fis" zu spielen. Und wenn es noch dazu eine Modulation von Kreuze auf Bs ist, dann ist es noch schlimmer, weil dann muss ich mich nicht nur merken welche Töne einen Vorzeichen haben, sondern noch dazu muss ich mir merken dass es keinen Kreuz ist, sondern ein B...

6) Ich habe mir immer die Fingersätze gemerkt, weil für mich war es einfacher eine Zeile mit Nummern zu lesen, als ein Bild mit mehrere Linien (wo ich sowieso immer Probleme hatte zu erkennen ob das die 2. oder 3. Linie war), wo Kugelchen, die alle gleich ausschauen, mit sagten was für einen Ton das war. Ich habe mir die Position der Hand gemerkt und dann die FIngersätze gelesen. Das war viel leichter!

Zu den Positiven:

1) Ich habe einen unglaublichen Verständniss der Verläufe Melodien, weil diese mir immer Anhaltspunkte in den Noten gegeben haben, wo eine Phrase beginnt und endet.

2) Ich habe ein tolles Gedächtniss entwickelt durch das Auswendiglernen der Stücke.

3) Ich habe zwar kein absolutes Gehör, aber ich kann mir Klänge und Töne irsinnig gut merken, weil das mein Einhaltspunkt immer war um zu wissen ob ich gerade das richtige spiele.

4) Mein Verständnis über Harmonielehre ist extrem gut, weil ich die Stücke durchanalysiere um sie überhaupt lernen zu können.

5) Ich merke mir Mustern bei Fingersätzen viel schneller, weil ich sie mit als Bilder merke, die mir dann helfen die Stücke auswendig zu lernen.

6) Ich lerne die Stücke viel schneller auswendig und bid dadurch nicht abhängig von den Noten.

7) Ich habe mehrere Strategien entwickelt um Stücke zu lernen und über mögliche Probleme hinweg zu kommen.

8) Ich habe eine besondere Stärke an Rhythmuslesen entwickelt, weil der Rythmus die eine Sache war, die ich schnell ohne viel nachzudenken lesen konnte (Rhythmus ist nur auf eine Ebene, abhängig von der Form der Figur und nicht von der Position derselbe auf der y-Achse). Heutzutage spiele ich Rhythmen sogar genauer als manche Klavierlehrer.

Tipps für Lehrer:

1) wenn ihr merkt, dass euer Schüler die Stücke viel schneller lernt, wenn ich kleine Passagen vorspielt (wo sie die Fingersätze und Töne sehen und hören können), als wenn ihr ihnen bietet es vom Blatt zu spielen, dann hat der SchülerIn entweder noch Probleme mit der Notation, oder vielleicht ist er/sie auch LegasthenikerIn. ;)

2) Gibt den Schülern nicht zu viele Stücke gleichzeitig zum lernen.

3) Wartet bis der Schüler ein Stück von vorne bis hinten spielen kann, bevor ihr ein neues Stück gibt.

4) Wenn der Schüler bei eine bestimmte Stelle lange Zeit scheitert, fragt nach was das Problem ist und versucht es mit ihm/ihr zu erarbeiten. Bei mir lag es oft an entweder zu viele Noten gleichzeitig, schnelle Modulationen, zu viele Vorzeichen oder Schlüssel-Wechsel.

5) Übt mit den Schülern die Skalas durch, dass sie lernen genau welche Vorzeichen jede Skala hat (und macht es so, dass ihr sicher sein könnt, dass sie nicht einfach den Fingersatz gemerkt haben)

6) Macht mit den Schülern eine gescheite Rhythmusmethode durch, sodass sie eine Stärke im Rhythmus finden und sich beim Notenlesen nur noch auf die Noten selber konzentrieren können, ohne zusätzlich auf dem Rhythmus aufzupassen.

Im allgemeinen:

Ich weiß das klingt für Leute die keine solche Schwierigkeiten haben ganz verrückt und man könnte denken, dass ich sicher ur schlecht spiele, denn wie kann jemand mit hohem Niveau am Klavier nochimmer mit solche Probleme kämpfen, aber das ist mein Leben. Ich kann euch versichern, dass ich gut spiele, denn ich habe bei der Zulassungsprüfung an einer sehr renomierten Musikuniversität fast voller Punktezahl am Klavierteil gekriegt. Man kann auch ein toller Musiker sein und solche Probleme haben. Ich war zum Beispiel die beste Zulassungsprüfung meines Jahrganges. Deswegen bitte ich euch darum nicht an eure Schüler aufzugeben, wenn solche Schwierigkeiten auftauchen und hört auf sie! Wenn sie eure Hilfe brauchen und motiviert sind, sucht Wege sie zu unterstützen, denn sie könnten großartige Musiker werden, aber sie brauchen Strategien um das zu schaffen. Ich hoffe meine Erfahrungen und Kommentare sind hilfreich für euch!
 
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Liebe fatimag,
danke für deine Schilderung, ich denke schon, dass sie für einige hilfreich sein kann. Insbesondere deinen letzten Absatz kann ich nur tausend mal unterstreichen: Legasthenie und andere Schwächen haben nichts mit der allgemeinen Intelligenz oder gar Musikalität zu tun!
 
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Ich habe diesen Beitrag leider erst jetzt gefunden und mit großem Interesse gelesen.
Ich studiere gerade integrative Lerntherapie, da ich zwei Kinder mit Legasthenie und auch Dyskalkulie habe und auch selbst wohl in Bereichen betroffen bin. Es vererbt sich sehr gut.
Wir musizieren alle in der Familie, aber meine Kinder haben aufgrund ihrer Legasthenie extreme Schwierigkeiten Notenlesen und Uhrzeitlesen zu lernen.
Instrumente mit einer Notation, wie die Klarinette, gehen sehr gut:
Sie merken sich mehr, welcher Punkt führt zu welchem Griff auf dem Instrument, der Name der Note ist aber oft unbekannt.
Klavier ist ziemlich schwierig, weil es fast unverständlich ist, dass die Note im Bassschlüssel anders heißt, als der gleiche Punkt im Violinschlüssel. Meine kleine Tochter meinte lange, dass sie ganz andere Noten auf der Klarinette lernt, als am Klavier. Vielleicht liegt es aber am Gehör, da sie eine b-Klarinette hat und somit die Töne ja unterschiedlich zum Klavier klingen.
Ich suche jemand, der sich zutraut, mit einem legasthenen Kind im Klavierunterricht auf unkonventionelle Art zu arbeiten. Wir ziehen gerade um in den Karlsruher Raum. Heutzutage geht ja auch viel über digitalen Unterricht, aber das ist am Klavier recht schwierig, wie wir letztes Jahr feststellen mussten.
Auf jeden Fall kann man auch mit Legasthenie gut musizieren. Man muss nur die Gebrauchsanleitung des eigenen Gehirns erst lernen und sich nicht von Außen beeinflussen oder unter Druck setzen lassen. Jeder muss seinen individuellen Weg finden.
Ich habe zum Beispiel erst durch meine Kinder und deren Beobachtung herausgefunden, dass ich selbst in Bildern denke und jetzt nach 40 Jahren den Schlüssel zu meinem Gehirn und besserem Lernen gefunden.
 
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