Registererweiterung im Bassteil Cantulia Sonatina

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Salut,

aufgrund der erfolgreichen Klangverstärkung im Bassteil durch Anbringen eines Klangreflexionsbleches ergab sich das Problem, daß nun im 2-chörigen Spiel im Diskant 8"+16" der Bass zu dominat klingt. Bei den Cantulia Sonatinas gibt es leider nur zwei Register im 4 chörigen Bass, ein damaliges Konkurrenzmodell, die Hohner Lucia hat derer drei. Hohner wußte schon warum.
Das eine Register im Bass ist natürlich 4 chörig, das zweite wählbare nur zweichörig. Der tiefste Chor als auch der Zweithöchste ist dabei abgeschaltet. Der Klang in diesem Register ist absolut unspielbar, es quäkt nur unausgeglichen vor sich hin, zudem ist der Oktavsprung extrem deutlich und störend zu hören.
Ziel war also die Registrierung so zu ändern, daß auch bei zweichörigem Spiel im Diskant ein ausgewogener Klang vorhanden ist. Auf folgendem Bild ist die original gekoppelte Registermechanik stimmstockseitig zu sehen:

Zu erkennen ist die Welle mit den zwei angeschweißten Hebeln welche in die Registerschieber eingreifen. Eine einfache Lösung meines Problems wäre natürlich den Hebel, welcher das Verschließen und Öffnen des Chores steuert, außer Betrieb zu setzen. Man könnte ihn nach oben biegend aus dem Registerschieber aushaken und dann den Registerschieber irgendwie in offener Position fixieren. Doch m.E. keine sehr elegante Lösung, wenn auch schnell durchführbar und funktional.
Meine Lösung ist nun zwar etwas komplizierter, doch bietet sie vielfältigere Möglichkeiten. Ich habe nun 4 Registriermöglichkeiten:
Ich habe den einen angeschweißten Hebel von der Welle entfernt. Nun benötige ich einen neuen Hebel, welcher unabhängig von dem fest auf der Welle fixierten, in der Lage ist den Schieber zu steuern. Der neue auf der Welle drehbar gelagerte Hebel besteht aus einer auf Maß gedrehten Buchse mit einem hart eingelötetem Hebel in den gleichen Maßen wie der vorher entfernte. Dieser neue Hebel passt saugend auf die Welle und wird seitlich durch jeweils einen Stellring begrenzt. Um den neuen Hebel anzusteuern benötigt es einen kleinen Hebelmechanismus und eine Durchführung nach draußen.
Da wir uns hier im Druckraum befinden muß die Durchführung zur Außenseite des Akkordeons möglichst luftdicht sein. Ein geschlachtetes Transivox Akkordeon gab den Teillespender für die Schraubbuchse mit seiner nahezu spielfreien Führung für eine 2mm Achse. Original im Transivox waren 9 dieser Durchführungen der Registermechanik verbaut. Also sollte der Druckverlust durch eine solche Durchführung erträglich sein.

Hier nun mit provisorisch montiertem Mechanismus und ohne die Stimmstöcke zur Kontrolle der Positionen des Registerschiebers, Stellung Offen, der Registermechanismus wird in der Offen-Stellung fixiert durch die Rastfeder wleche aus einer anderen geschlachteten Sonatina, genauso wie die Anschlagschraube, stammt:

Stellung geschlossen, die Betätigungsstange nach außen wird einfach auf die Länge gekürzt, daß die richtige Stellung erzielt wird:

Nun alles ordentlich moniert, mit kürzeren passenden Schrauben, die Muttern mit Schraubensicherung /Loctite eingesetzt, damit die Muttern so fixiert werden können daß ein geringes Spiel vorhanden ist und sie sich dennoch nicht lösen. Stellung "Geschlossen"

Stellung "Offen", wie man erkennt habe ich auch noch an der Durchführung des Gestänges nach Außen eine Gummikappe angebracht, welche zusätzlich Druckverlust verhindert.

Der Betätigungsknopf war vorher übrigens eine italienische Diskantverdeckschraube. Ich habe sie des Gewindes beraubt, mittig eine 2mm-Sacklochbohrung angebracht und seitlich, zur Fixierung des Knopfes auf dem Gestänge, ein M2 Gewinde für eine Madenschraube angebracht. Der Draht des Gestänges war ehedem eine 2mm VA-Fahrradspeiche, die Gummikappe die Endkappe einer Schutzblechstrebe.
Da ich ja noch weitere Sonatinas im Bestand habe, habe ich direkt eine Kleinserie von 3 Sets angefertigt, denn die Hauptarbeit besteht natürlich im Maß nehmen und Überdenken der Konstruktion, sowie der Suche nach den richtigen Rohteilen.


So nun wieder zum Wesentlichen:
Voller Erfolg. Dreichörig im Bass, ohne den tiefsten Chor bringt einen sehr ausgewogenen Klang welcher gut zum zweichörigen Spiel im Diskant passt, der Oktavsprung ist unauffällig. Wenn ich Tutti im Bass haben will kann ich wie gewohnt mit der linken Hand beim Spiel noch den tiefsten Chor dazu schalten oder auch wieder wegnehmen.
Vielleicht kann der Eine oder Andere ja Inspirierung für eine eigene Abänderung der Registermechanik gewinnen. Siehe auch mein Registerumbau an meinem ital. Soprani Paolo/Marinucci im entsprechenden Thread.

Liebe Grüße

Roland
 
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Hallo Roland,

ich bin sehr beeindruckt von dem handwerklichen Geschick und dem Sachverstand ,
mit dem Du Deine Cantulia aufgearbeitet hast. Ich muß leider gestehen, daß ich um diese Instrumente bisher einen großen Bogen gemacht habe,
da sie mit den eingeklebten Stimmplatten sehr arbeitsintensiv in der Restaurierung zu seien scheinen.
Leider hatte ich bisher auch nicht mal das Vergnügen eine zu hören oder gar selbst zu spielen.
Daß es sich bei Cantulia um eine weit unterschätze Marke handelt war mir dagegen schon klar...
Vielleicht wäre es Dir ja möglich uns ein Klangbeispiel Deiner aufgepimpten Sonatina hochzuladen ?

Gruss,

Ludger
 
Salut Ludger,

vielen Dank für die Blumen. Das mit den geklebten Stimmplatten scheint erst mal lästig zu sein, doch so schlimm ist es gar nicht da der von Cantulia verwendete Kleber (soll Helmithin sein) recht haltbar ist und in der Regel keine Probleme bereitet. Ganz im Gegensatz dazu der Kleber der von Hohner bei manchen Lucias verwendet wurde und im Laufe der Jahre !weicher! wird, so daß die Stimmplatten "wandern" können.
Beim Neu-Ventilieren und Säubern der Stimmzungen muß man freilich hinterrücks durch die Kanzellenöffnung arbeiten, da hilft eine Pinzette, feiner Glasfaserstift und Q-Tip. Doch andererseits muß man danach auch nicht neu Einwachsen, was ja auch nicht jedermanns Sache ist. Ich jedenfalls habe mich an diese Arbeitsweise gewöhnt. Es ist auch möglich daß gerade die geklebte recht feste Verbindung Anteil am Klang hat. Ich vermute, daß eine Wachsverbindung schwingungsdämpfender ist als der Kleber. Und daß eine möglichst gute Verbindung zwischen Stimmplatte und Stimmstock sinnvoll ist, ist bekannt.
Ich will gar nicht sagen daß Cantulias weit unterschätzt sind, es handelt sich definitiv nicht um "bessere" Instrumente. Ich würde sie in "Untere Mittelklasse" einstufen, vielleicht mit Verdis der Zeit vergleichbar. Die Stimmzungen sind eindeutig recht einfacher Qualität. Im Innern zeigen die Gehäuse daß hier dilletantische Schreinerarbeit verherrschte. Seit der Umgestaltung der Modellreihe durch einen Designer stimmte wenigstens das Äußere mit seinen schön fließenden Linien. Ein interessantes und sinnreiches Détail ist die Lagerung der Tatstatur, welche genauso servicefreundlich wie die der Lucia ist.
Aber letzendlich zählt der Klang eines Instrumentes und der ist m.E. ganz passabel. Dies ist jedoch ein Faktor welcher sehr subjektiv ist, da jeder ein anderes Klangideal hat.
Meine Cantulias zeigen eher was man aus mittelmäßigen Akkordeons herausholen kann, wenn man einfach alles nur so sorgfältig einrichtet und justiert wie es in hochpreisigen Instrumenten üblich ist. Doch auch schon in den 50igern hätte sich dieser Aufwand nicht gerechnet. Das wurde aber sicherlich auch bei den übrigen Herstellern von Instrumenten der gleichen Preisklasse nicht anders gehandhabt. Letztendlich war Cantulia ein lästiger Konkurrent der "agressiven" Firma Hohner, so daß diese wie schon oft vorher von ihr praktiziert, diesen einfach aufkaufte und wenige Monate später dicht machte.
Ich verstehe, daß ein Tondokument sinnvoll wäre um den Forumsteilnehmern einen Klangeindruck zu vermitteln. Ich habe sogar so eines dieser recht guten digitalen Aufnahmegeräte, doch mit den Feinheiten der Aufnahmetechnik habe ich mich noch nicht beschäftigt und weiß zudem nicht wie Tondokument eingestellt werden können.
In einem Cantulia-Sonatina Thread werde ich demnächst die gesamte Sonatina-Baureihe vorstellen und auf ihre Spezifika eingehen.

Liebe Grüße

Roland
 

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