[Review] Folkfriends Gitarrencister (Sechs Saiten, 2. Generation)

  • Ersteller SiwashRock
  • Erstellt am
SiwashRock
SiwashRock
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
15.05.13
Registriert
07.01.12
Beiträge
60
Kekse
817
Ort
Traunstein
Cister Act II

Was es nicht so alles gibt? Folkfriends.de ist ein Internetshop für Randgruppenmusiker, und solche, die es werden wollen. Bisher hatte ich damit nicht viel zu tun, doch da sich unser Sänger dort eine Gitarrencister bestellt hat und das Saitenwechseln eine komplizierte und schwer zu erlernende Kunst ist, hatte ich sie eine Woche zur Inspektion bei mir. Bei dieser Gelegenheit konnte ich das Zupfinstrument ausgiebig testen und diesen kleinen Kommentar dazu verfassen.
Im Großen und Ganzen unterscheidet sich die Gitarrencister nicht wirklich von einer regulären Steelstring. Sie hat sechs Saiten und die übliche Mensur. Lediglich der Korpus ist oval und deutlich kleiner und sorgt somit für den speziellen Klang.

Der Teufel im Detail Korpus.jpg

Der Cister wurde eine solide Fichtendecke spendiert, die relativ regelmäßig gewachsen ist. Die Inlays am Hals sind, genau wie alle anderen Zierstreifen, sauber eingearbeitet, doch das Binding um den Korpus schlingert stellenweise sehr unregelmäßig. Die kleineren, oder auch größeren Differenzen wurden mit dunklem Laim aufgefüllt - wirklich schön ist das nicht. Wer zudem noch ordentlich abgefüllt wurde, ist der Übergang zwischen Hals und Korpus. Auch wenn diese Ausbesserungsarbeiten an den Ecken nicht sonderlich auffallen, trüben sie den Gesamteindruck ein wenig. Was noch unangenehm auffällt sind die Tuner. Auf dem ersten Blick könnte man sie für Grover halten, doch sind die Knöpfe aus Kunststoff gegossen und etwas schwammig. Es würde mich doch wundern, wenn diese nach einem Jahr noch einwandfrei funktionieren.
Aber sonst gibt es wirklich nicht viel zu meckern. Das gesamte Instrument ist matt lackiert und fühlt sich griffig an. Hier wurde wirklich sauber gearbeitet. Der Kratzer hier und die Delle dort wären nach den nächsten Auftritten sowieso im Instrument gewesen. In der Preisklasse ist dies wohl zu verschmerzen.

Lautenschläger

Ein sehr ergonomisches D hält man in der Hand, das sich fleischiger anfühlt, als es mit seinen 21mm am ersten Bund ist. Das Griffbrett ist am Sattel ca. 45mm breit und sorgt für ein gutes Platzangebot beim Fingerpicking. Was mir persönlich die Bespielbarkeit allerdings wieder etwas vermiest, sind diese ultradünnen Bunddrähte. Kaum sind die Nägel einen Tick zu lang, war es das mit der lockeren Bespielbarkeit.
Der Korpus ist etwas gewöhnungsbedürftig, da ihm die Taille fehlt. Wer im Sitzen ohne Gurt spielt, fühlt sich bei der Suche nach einer angenehmen Position oft so, als würde er versuchen zwei Tennisbälle aufeinander zu stapeln. Der Vorteil an dieser Form ist allerdings die gute Erreichbarkeit der hohen Lagen. Bis zum 17. Bund läuft das Spielen sehr reibungslos. Apropos 17. Bund: Auf der Oberseite des Griffbretts sind keine Dots eingelassen. Der Orientierung ist das nicht sonderlich zuträglich - zum Glück nutzt unser Sänger nur die ersten drei Bunde.

Topfschlagen


Leider muss ich nun ein wenig subjektiv werden, da mir die Erfahrung mit Cistern fehlt. Diese hier ist die Erste, die ich in der Hand hatte und, obwohl ich dank meiner Band des Öfteren in der mittelalterlichen Szene unterwegs sein durfte, fehlt mir auch ein wenig das Gefühl für den speziellen Klang. Aber gut, hier aus der Sicht eines Westerngitarristen:
Beim Anspielen der Cister ging mir als erstes folgendes Adjektiv durch den Kopf: Topfig. Der Korpus ist schmal, klein und oval. Das da keine großartigen Bässe entstehen ist eigentlich klar. Den typischen Body in den Tiefmitten sucht man auch vergebens, aber trotzdem hat das Instrument Substanz. Die Mitten und Höhen schimmern präsent und klingen lange. Wirklich komplex ist dieses Klangbild aber nicht.
Sie ist eher ein Instrument zu strummen. Mit einem dicken, kräftigen Plektrum wie dem V-Pick Screamer hat sie ein rundes und relativ ausgewogenes Klangbild. Beim Fingerpicking hat sich mich hingegen nicht so überzeugt, da ihr hierbei das Futter fehlt.
Habe ich schon erwähnt, dass die Cister einen Fishman Presys hat? Den hat sie, und über die PA klingt sie auch recht ordentlich. Im Bandkontext hat sie durchaus ihren eigenen Reiz, da sie das Klangbild breiter macht, aber nicht noch mehr Bässe und Tiefmitten ins Klangspektrum pumpt, die den Sound matschig machen.

image.jpgFazit

Es ist ein interessantes Teil mit eigenem Charakter. Eher ein Instrument zur Begleitung, das über keinen Klang verfügt, den ich alleine im Raum stehen lassen würde. Für 500 Euro bekommt man schon eine ordentliche Westerngitarre, die nicht weniger kann (eher im Gegenteil) und sich vielseitig einsetzen lässt. Mein Abschlusssatz lautet daher: Wer's braucht.

Hier der Link zu Folkfriends mit Video:
http://folkfriends.com/shop/showproddtl.php?item=3767&grp=44
 
Eigenschaft
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 14 Benutzer
Danke für das Review :great:

Zunächst dachte ich, die hätten einen Gitarrenhals an eine Bouzouki gemacht, aber der Korpus ist doch deutlich größer, was ich erst im Video von Folkfriends sehen konnte.
So groß, dass im Sitzen wohl auch kein Gurt hilfreich wäre.

Nach Cistern wurde schon häufiger im Bereich "Mandoline, Ukulele, Banjo etc." gefragt und dort musste ich meistens erklären, dass es sich dabei eigentlich um einen Überbegriff für allerlei Saiteninstrumente handelt.
Folkfriends hat den Begriff irgendwie für sich neu entdeckt und setzt ihn für seine unterschiedlichen Kreationen ein. Bei der Bouzouki-Cister wäre eigentlich der Begriff Irish-Bouzouki logischer.

Bei der Gitarren-Cister wäre noch interessant, ein DADGAD-Tuning zu probieren, wenn das Ding grob für Celtic-Style eingesetzt wird. ;)
 
Schönes review, danke. Ich habe es mal in die sammlung integriert. Es ist schon spannend, solche instrumente am und jenseits des "tellerrands" kennen zu lernen :)

Gruss, Ben
 
Tolles Review zu einem interessanten Instrument!:great:
 
Spiele auch schon länger Irish Bouzouki, oder versuche es zumindest. Habe dabei ein Roundbackmodell von celticstar.
Bei nem Konzert habe ich mit dem Bouzoukispieler einer anderen Band gesprochen, der die Irish Bouzouki von Folkfriends gespielt hat. Überrascht war ich dabei, weil er sagte, dass er eigentlich ne Irish Bouzouki eines Gitarrenbauers habe, aber bei Livegigs mit Amp oder PA. seie die von Folkfriends auch gut genug...

Wie gut genau würdest du jetzt den Tonabnehmer einschätzen?

Die Gitarrencistern von FF sind mir auch schon aufgefallen, aber wenn müsste es schon fast die 12-Saiter sein.
Vom Klang her müsste man die Gitarrencister schon eher mit einer Irish Bouzouki vergleichen, als mit ner normalen Steelstring.

Aber auf alle Fälle ein Dankeschön für die Review
 
Die Gitarrencistern von FF sind mir auch schon aufgefallen, aber wenn müsste es schon fast die 12-Saiter sein.
Vom Klang her müsste man die Gitarrencister schon eher mit einer Irish Bouzouki vergleichen, als mit ner normalen Steelstring.
Die Frage habe ich mir auch gestellt.
Beim ungläubigen Blick auf die enorme Größe des Instruments im Video dann aber doch nicht. :gruebel:
Als 6-Saiter würde ich es eher mit einer Gitarre in DADGAD gestimmt vergleichen.
Für Solos fänd ich so ein Ding zu unhandlich, da bevorzuge ich kleinere Instrumente, zumindest wenn es so etwas wie Irish Tunes geht, die sehr schnell gespielt werden.

Ich denke Folkfriends hat es mit den Instrumenten auch gar nicht auf die Irish-Scene abgesehen.
Mit dem ausgegrabenen Überbegriff Cister wird voll die Mittelalter-Scene bedient.
Ein einfacher Rundkorpus in verschiedenen Größen und mit verschiedene Hälsen und Stimmungen, da ist für jeden etwas dabei, das ist glaub der Gag.
Ob es so ein Instument früher einmal gab ist dabei nicht wichtig, so genau weiß das eh keiner.
Aber nicht, dass ich missverstanden werde:
Ich will mich da nicht drüber lustig machen, im Gegenteil, bei solchen Experimenten kommen Instrumente mit neuen Klangrichtungen heraus, machmal müssen die bekannten Pfade einfach verlassen werden.
So etwas lässt sich natürlich mit dem Mittelalter leicht machen, weil eben keiner weiß, was es damals alles an lauten/cisterartigen Teilen gab.
 
hab jetzt den Video nicht mehr speziell angeschaut, da ich dachte das Klangbild noch von früher einschätzen zu können.
Habe das jetzt nochmals nachgeholt, und der Video ist ja auch neu, haben die da etwa ein neues Modell?
Mit dem Videoklang hat es definitiv mehr Tiefmitten als meine Bouzouki. So geht der Klang ja wirklich mehr in Richtung Westerngitarre.

hab jetzt nochmals nach dem alten Video gesucht: http://www.youtube.com/watch?v=RHDi2xcGDV4


Damals klang das ganze wirklich noch eher Irish Bouzouki. Naja vielleicht liegt es ja auch an den Aufnahmen, oder dass er auf den alten Aufnahmen halt mehr offene Akkorde und Leersaiten angespielt hat.

Ja vielen Orts wird's dann ja auch Mittel alternative Musik genannt, oder halt wirklich Mittelaltermucke (wenn es nicht authentisch sein muss ^^).
Ich habe meine Irish Bouzouki ja selber auch in einer solchen Band gespielt, und jede zweite "Mittelalterband" spielt eine Irish Bouzouki, obwahl die ja erst in den 70ern des vergangenen Jahrhunderts "erfunden" wurde.
Ähnlich ist's ja mit den ganzen Marktsäcken, wie sie auch in vielen MA Rockbands gespielt haben. Das sind ja auch quasi Neuerfindungen aus dem Ende des letzten Jahrhunderts und hats ziemlich sicher in solcher Form im MA nie gegeben.

Bin wie du jedenfalls auch froh darüber dass da mal was Neues/Altes kommt, um mal einen anderen Klang in die Ohren zu kriegen.
 
Ja vielen Orts wird's dann ja auch Mittel alternative Musik genannt, oder halt wirklich Mittelaltermucke (wenn es nicht authentisch sein muss ^^).
Ja, die Mittelalterscene spielt gerne Wunschwelt, wie sie das Mittelalter gerne in ihrer Phantasie gehabt hätten. :p
Mit dem historischen Nachspielen einer alten Zeit hat das wenig zu tun, vielleicht wäre das auch zu langweilig.
Ich hab da früher gerne drüber gelästert, mache ich aber nicht mehr so, die Leute sollen machen was ihnen Spaß macht. ;)

Saiteninstrumente (wohl mit Darmsaiten) waren sicher eher in heimischen Stuben zu finden, vermutlich auch nicht bei armen Leuten.
Wenn Bauern einmal was zu lachen und feiern hatten, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass da Duddelsäcke und Trommeln zum Einsatz kamen, um laut genug zu sein.
In den Gemälden von Pieter Bruegel (Die Bauernhochzeit, 1568) ist eigentlich schon nicht mehr Mittelalter, aber da spielen sie auch noch ... natürlich Dudelsäcke ...
 
Erst einmal: vieln Dank für das Review! Sehr interessant.

Zu diesen Instrumenten: ich denke, das sind die Nachfolger jener "Gitarrenlauten", die ich in den 70er Jahren kannte. Damals historisierte man in der "Folk-Szene" mit Gitarren, die einen Korpus hatten, der einer Laute ähnlich war. Das gefiel damals.
Heute ist es in Teilen der Mittelalterszene eben so, dass Gitarrespieler ihre Instrumente auf Mittelalterfesten spielen wollen - und da sieht eine normale Gitarre nun mal deplatziert aus. So eine Gitarre mit anderem Korpus passt dann besser.

Persönlich bin ich kein Freund dieser Gitarrenmutanten. Ich spiele Mittelalter- und Renaissancemusik lieber auf einer Ukulele, oder einer normalen Gitarre ohne A-Saite und mit der E-Saite auf D gestimmt als Bordun, oder auf der Mandoline, sowie gerne auch auf meiner "Dommel", einem historisierenden neuen Instrument mit vier oktavierten Doppelsaiten in DADA.
 
Hallo schoscho!

Danke für das Feedback. Da wir uns in der Band ja auch zu den (Pseudo-)Mittelalterlichen zählen, dachte ich auch schon daran, vereinzelt mit der Ukulele zu arbeiten. Hast du irgendwo ein Soundsample, um zu hören wie das klingen kann?
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben