Schallwandler, die kritischsten Komponenten der PA

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Die kritischsten Elemente in der Übertragungskette sind die Schallwandler, und das sind die Lautsprecher und die Mikrofone. Alle anderen Glieder der weiteren Übertragungskette sind auch wichtig, aber wenn die Schallwandler nichts taugen kann man mit dem Rest nicht mehr viel gewinnen.

Es gibt viele Anfragen zu diesem Thema und regelmäßig die gleichen Antworten. Daher als Einstiegslektüre diese kleine Abhandlung.

Ich habe diesen FAQ-Thread in mehrere Beiträge gegliedert, um auf die Einzelstellen (Lautsprecher, Mikrofone, Irrtümer) leichter verlinken zu können.

Viel Spaß bei der Lektüre
Christoph
 
Eigenschaft
 
Die Lautsprecher sollen den gesamten Frequenzgang ohne Verzerrungen übertragen. Sie müssen die Summe aller Signale übertragen. Außerdem sollen sie einen hohen Wirkungsgrad haben und einen hohen Schalldruck erzeugen. All das zu erreichen ist nicht einfach und erfordert einigen Aufwand. Daher sind gute Lautsprecher recht teuer.
Bei den Verzerrungen unterscheidet man lineare Verzerrungen und nichtlinerare Verzerrungen.

Lineare Verzerrungen sind Unebenheiten im Frequenzgang. Bestimmte Töne werden leiser oder lauter widergegeben als andere. Starke Resonanzen erhöhen die Gefahr von Rückkopplungen.
Gerade bei Monitorlautsprechern, die nahe beim Mikrofon stehen (müssen) ist ein linearer Frequenzgang unabdingbar.
Ein besonders kritischer Bereich ist der Übergangsbereich von Frequenzweichen. Hier spielt die Phasenlage eine Rolle, die sich unter anderem auch in einem unebenen Frequenzgang spiegeln kann. Im Übergangsbereich tragen ja 2 Lautsprecher zum Schall bei, und wenn dort die Überlagerung nicht optimal ist, gibt das dort einen sehr unebenen Frequenzgang.
Zu den linearen Verzerrungen zählt auch der Abfall am oberen und unteren Frequenzbereich.

Nichtlineare Verzerrungen treten auf, wenn Lautsprecher soweit ausgelenkt werden, daß sich beispielsweise Membranen verformen, oder die Schwingspule nicht mehr ganz im Magnetfeld des Luftspalts befindet. Die Folge von nichtlinearen Verzerrungen ist eine Intermodulation. Dabei werden neue Frequenzen erzeugt, die vorher nicht im Signal waren. Bei einem PA Summensignal wird dadurch der Klang matschiger, unverständlicher und undurchsichtiger.
Wird über den Lautsprecher nur ein Instrument übertragen (Gitarrenverstärker) ist das nicht so kritisch. Das ist der Grund, warum PA Boxen für den gleichen Schallpegel ein Vielfaches an Leistung benötigen. Und das ist auch der Grund, warum gute PA Lautsprecher teuer sind.
Unter die nichtlinearen Verzerrungen fällt auch das Clipping von übersteuerten Endstufen oder Zwischenstufen (beispielsweise im Mischpult).

Neue Materialien wie beispielsweise Neodym Magneten mit einer sehr hohen magnetischen Feldstärke bei gleichzeitig geringen Abmessungen und Gewicht machen leichtere Konstruktionen möglich. Gleichzeitig ist sogar ein hoher Wirkungsgrad möglich.
Daneben setzen sich inzwischen bei Aktivboxen Digitalendstufen mit Schaltnetzteil durch, die ebenfalls eine kleinere und leichtere Bauform ermöglichen. Es werden kleinere Transformatoren benötigt und durch die geringere Verlustleistung entfallen große Kühlkörper und Lüfter.
Der Vorteil von Aktivboxen ist, daß keine zusätzlichen Amp Racks geschleppt werden müssen, und daß die aktive Elektronik bessere Frequenzweichen ermöglicht, Frequenzgang kompensieren kann und jeden Lautsprecher getrennt schützen kann.

Bei Lautsprechern gilt ziemlich gut die Faustformel:
Klanggüte * Maximallautstärke / Gewicht = Preis
 
Mikrofone sind ebenso kritisch. Sie sollen den Nutzschall möglichst unverfälscht einfangen, den Rest aber nach Möglichkeit nicht übertragen. Den Klang der Stimme oder des Instruments sollen sie möglichst vorteilhaft rüberbringen.
Dummerweise gibt es keine Soundsauger, auch wenn manche Sänger das offensichtlich erwarten ;)
Gegenüber den Lautsprechern haben sie den kleinen Vorteil, daß sie im PA-Bereich nur eine Schallquelle übertragen müssen. Und es gibt Spezialisten, die für einen bestimmten Anwendungsfall gezüchtet sind und einen bestimmten Anteil des Schalls bevorzugen (Richtung, Frequenzbereich). Durch den Einsatz von speziell für einen Einsatz gezüchteten Mikrofonen läßt sich unter Umständen selbst unter schwierigen Bedingungen ein gutes Ergebnis erzielen.

Nah und Fern
Es gibt ganz grob 2 sehr verschiedene Kategorien von Mikrofonen:
  • Gesangsmikrofone für unmittelbare Nahbesprechung (meist sind das dynamische Mikrofone, inzwischen auch immer öfter Kondensatormikrofone) und
  • welche, die für größeren Abstand gebaut sind (Overheads etc. das sind meistens - aber nicht immer - Kleinmembran-Kondensatormikrofone).
Wenn man die falsche Kategorie verwendet, klappt es gar nicht, koppelt extrem und klingt bescheiden.
Mikrofone für Nahbesprechung haben meist auch ein Körperschallfilter, das mechanische Erschütterung dämpft mit eingebaut. Bei den Mikrofonen für größeren Abstand wird meist eine externe Aufhängung (Spinne) verwendet, wenn es nötig ist.

Ich habe Missbrauch in beide Richtungen schon erlebt:
Abnahme von Chören mit Nahbesprechungsmikrofonen (ständiger Hang zur Rückkopplung, und dünner Baß)
Nahbesprechung von Lavalier- oder Rednerpultmikrofonen (Übersteuerung, Pop-Laute unverständlicher Brei, viel zu baßlastig)

Ein Tip für Sänger: Mikrofon passend zur Stimme kaufen
Gesangsmikrofone für Nahbesprechung haben praktisch immer einen färbenden Frequenzgang. Durch geschickte Auswahl kann das den Klang der Stimme deutlich verbessern. Man hat sozusagen den optimierten Equalizer schon mit eingebaut.
Übrigens gilt nicht immer: teurer ist besser. Ein passendes Mittelklassemikrofon kann die eigene Stimme mitunter besser aufhübschen als ein neutrales High End Mikrofon.

Ein Tontechniker mit einer großen Anlage und wechselnden Interpreten bevorzugt sicher ein möglichst neutrales Mikrofon (bzw. lauter gleiche Typen) und stellt den gewünschten Klang am parametrischen Equalizer seines Super-Mischpult-Kanals ein.
Der Einzelkämpfer und PA Anfänger mit kleiner Anlage fährt mit einem passenden persönlichen Mikrofon meist besser.

Eine riesige Sammlung von Tips zum Thema Mikrofone findet sich übrigens im gesonderten Mikrofon-Forum, dessen Lektüre ich wärmstens empfehle.
Zum Einstieg in den FAQ: https://www.musiker-board.de/faq-wo...ne-einige-grundlagenbegriffe.html#post1311574
 
Irrtum 1:
Ich fange mit etwas billigem an und rüste später mal auf

Es gibt tatsächlich schon für 150 Euro Komplettanlagen mit Powermixer und 2 Boxen. Diese Anlagen haben durchaus ihre Berechtigung. Aber eher für Kindergärten, Schulen, bei denen es auch darauf ankommt, daß da keine hohen Investitionen herumstehen und daß alles einfach aufzubauen und zu bedienen ist.

Für ernsthafte Musikwiedergabe (und bei hohen Lautstärken) sind sie ungeeignet. Auch ein Einsteiger ist gut beraten, mit einem Mindestmaß an Qualität einzusteigen.

Aufrüsten von zu schlechtem Material heißt wegwerfen oder mit Verlust verkaufen. Im englischsprachigen Raum heißt das "fork lift upgrade" (mit dem Gabelstabler wird alles weggekarrt ;)). Was am ehesten geht ist Aufrüsten von klein nach groß. Aus den ersten PA-Aktivboxen mit guter Qualität (und Monitorschrägen) werden später in einer größeren Anlage gute Bühnenmonitore.

Irrtum 2:
Auf die Monitore kommt es nicht so an, Hauptsache da kommt was raus.

Billige Monitore haben oft einen schrecklichen Frequenzgang mit Resonanzen. Abgesehen davon, daß man sich eben dadurch nicht selber natürlich hört, sorgen die Resonanzen dafür, daß es schneller zu Rückkopplungen kommt.
Schon bevor es richtig koppelt, wird der Frequenzgang bei diesen Frequenzen stark verbogen (Resonanzspitzen) so daß es sich oft blechern anhört, und das kommt dann auch über die Front-Lautsprecher, und wenn die noch so gut sind.

Irrtum 3:
Ich kann meine Billiganlage nachträglich mit Kompressoren, Equalizern und Feedback-Destroyern zur Superanlage machen.

Alle diese Helferlein verbiegen den Frequenzgang zusätzlich. Jedes weitere Gerät in der Kette trägt zum Rauschen bei. Und diese Helferlein müssen erst einmal kompetent bedient werden. Meist erreicht man nur eine Verschlimmbesserung. Natürlich sieht ein gut gefülltes Rack wichtig aus, aber es erhöht in jedem Fall den Aufwand. Und das alles muß natürlich auch transportiert und verkabelt werden.

Ich will diese Helferlein übrigens nicht generell in Frage stellen, aber wenn schon der Grundsound davon wesentlich abhängt, dann ist etwas total verkehrt.

Besser ist eine Anlage, die von sich aus schon einen guten Klang bringt, am besten schon in Neutralposition, ohne an Klangregelungen schrauben zu müssen.

Die Anlage wird kleiner, leichter zu bedienen, aufzubauen ... ist weniger anfällig gegen Störungen. Wenn der Sound auf Anhieb gut ist, macht es mehr Spaß.
 
Noch mal was zu den nicht linearen Verzerrungen:
Jeder Lautsprecher produziert harmonische und unharmonische Verzerrungen, je nach Lautstärke steigen auch die Verzerrungen an, natürlich aber im Verhältnis stärker.
Harmonische Verzerrungen (K2) sind nicht schlimm, können zB. zu einem wärmeren Klangbild Beitragen, erst die Unharmonischen (K3) sind uns unangenehm,
klingen aufdringlich, verzerrt und machen Aua im Ohr.

Um so besser der Lautsprecher um so weniger K3 (Unharmonische) weist er bei hohen Pegeln auf. Der Frequenzgang kann noch so gerade sein bei der Billigbox,
wenn die K3 Verzerrungen zu stark sind, wird die Kiste niemals klingen und uns nur auf den Wecker gehen.
Aber auch ein guter Lautsprecher weist in bestimmten Bereichen mehr oder weniger K3 auf, somit kann auch ein guter Lautsprecher falsch getrennt oder eingesetzt grausam klingen.

Vorsicht bei THD-Verzerrungs-Angaben (Zb. für Max-Pegel Angaben)! THD setzt sich zusammen aus allen Verzerrungswerten.
Somit kann eine Box einen Hohen THD-Verzerrungswert haben, obwohl K3 recht niedrig und nur K2 (welcher nicht schlimm ist) hoch liegt, genau so kann es aber auch andersrum sein!

Merke:
Oft klingt eine Box recht laut, ist sie aber gar nicht wirklich, sondern tut uns dank ihren hohen (K3) Verzerrungen einfach nur in den Ohren weh.
Eine gute Box erkennt ihr daran, dass es euch nicht laut vorkommt und ihr erst merkt wie laut es wirklich ist, wenn ihr eurem Gegenüber in's Ohrt schreien müsst.
 
Hallöchen,

prinzipiell schon richtig, nur sind K2 trotzdem Verzerrungen, die dem Signal unkontrolliert etwas zufügen, was da erstmal nicht hingehört.
Mischt man die kontrolliert und bewußt über ein Effektgerät o.ä. zu, ist das ok - bei Lautsprecher-K2 aber spätestens bei der Verwendung von Mikrofonen wegen der Erhöhung der Feedbackanfälligkeit nicht mehr recht mit Schönklang zu entschuldigen.

Reine Instrumentensysteme nutzen traditionell exzessiv den Klirr wie alle anderen Lautsprecherfehler auch zum Sound-Design, dort ist K2 dann tatsächlich ein oft bewußt "gezüchtetes" Merkmal...

Ciao, Deschek
 

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