Verständnisfragen zur Raummikrofonierung

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Moin zusammen!
Bei meinen bisherigen Aufnahmen, sei es Schlagzeug, Amps oder was auch immer, habe ich stets auf ein Raummikrofon verzichtet. Zum Einen, um sie einfach zu halten, zum Anderen wegen fehlenden Know-Hows und leider knapper Experimentierzeit. Ich habe zwei Fragen zu dem Thema:

1) Durch die unterschiedlichen Distanzen zur Schallquelle entsteht ja Phasenverschiebung. Gibt es Mittel und Wege, diesen Effekt zu minimieren, oder gehört er schlichtweg zum gewünschten Klangbild von Raummikrofonierung? Ist es üblich, die Spur des Raummikros in der DAW im Nachhinein auf die der Nahaufnahme zurechtzuschieben, oder gar mit Sidechain-Kompression auf der Raumspur die Attacks des Nahsignals zu erhalten?

2) Ich habe schon in manchen Tutorial-Videos gesehen, dass mehrere Raummikros verwendet wurden. Wie geht man mit den einzelnen Raumspuren um? Gibt es auch hier einen Trick, mehrere Raummikros sinnvoll simultan zu verwenden, oder dient das meistens nur dazu, sich nach hinten raus zusätzliche Optionen frei zu halten?

Ich hätte gerne mehr Zeit, um selber zu experimentieren, aber momentan ist das bei mir leider nicht drin. Ich vermute auch, dass gerade dieses Thema noch sehr viel mehr von individuellen Klangidealen geprägt ist, als Mikrofonierung ohnehin schon, und wohl jeder frei Schnauze das Raummikro als persönliches "Klanggewürz" hinzugibt bzw. darauf verzichtet ;) Vielleicht gibt es ja aber bewährte Methoden im Zusammenhang mit Raummikrofonie.

Grüße, Moritz
 
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Also das mit der Phasenverschiebung kann man verschieden angehen. Richtig derbe Auslöschungen gibt es sowieso nur wenn es genau das selbe Signal ist. Aber es gibt natürlich auch Teilauslöschungen die man ja auch nicht so gerne haben möchte.
Die Raumspur ein paar ms verschieben und das Problem ist schon behoben. Wenn du aber jetzt den Raum genau an dieser Position behalten möchtest und da gibt es ein paar Artefakte durch die Phasenunreinheit, dann gibt es auch Plug-ins mit denen man die Phase nicht nur um 180 Grad, sondern auch kleinste Veränderungen vornehmen kann.
Tip: Phasenschweinereien entdeckt man am besten in Mono.

Mehrere Raummics würde ich benutzen wenn ich ein ausgeprägteres Stereopanorama haben will, oder wenn ich nachträglich mehr Tiefe haben möchte. Beide Herangehensweisen würden demnach auch ein anderes Mikrofonsetup erfordern.

Viel Spaß beim Recording!
 
Hallo, Moritz,

zu 1.: Präzise erkannt. Auslöschungen werden verstärkt auftreten, je mehr Mics Du einsetzt. Das bedarf tatsächlich vieler Experimentierzeit - prima geht das mit einem Helfer, der langsam das/die Mic/s verschiebt, während Du abhörst. Oder Du arbeitest tatsächlich "zu Fuß" und versuchst, durch Schieben der Raumspur möglichst guten Sound zu bekommen.

zu 2.: Da könnte man sagen, siehe 1.) ;) Entweder ist hier genau getestet, wo diese Raummics am besten klingen, oder es ist tatsächlich eine Option. Oder sogar beides...

Eine zusätzliche Raummikrofonierung steht und fällt damit, aber das wird Dir sicherlich klar sein, daß Dir auch ein gutklingender Aufnahmeraum zur Verfügung steht ;)
Ums Experimentieren wirst Du nicht herumkommen - manchmal hilft schon die Phasenumkehr im Kanal, manchmal nicht... und gerade über die Mikrofonierung bei Gitarrenamps läßt sich trefflich streiten.

Viele Grüße
Klaus
 
Bei Groß-AB-Stereofonie, das heißt Basis größer 2 Meter mit entsprechend großem Raumanteil, unterscheiden sich die Signale genug, um keine periodischen Anhebungen und Auslöschungen entstehen zu lassen. Einen Kammfilter-Effekt gibt es bei einem derart großen Mikrofonabstand nicht mehr.

Bei der Aufstellung der Mikrofone sollte man während des Vortrags des Künstlers im Raum wandern und sehr genau hinhören um die richtigne Positionen zu finden, da kann es große Unterschiede geben was Frequenzspektrum und zB Betonung bestimmter Anteile betrifft.
 
Ok, damit sehe ich schon etwas klarer :)
 
da es noch nicht richtig so auf den Punkt gekommen ist möchte ich es verständlich erklären: von den Basics hast du einmal das Schlagzeug stehen, vom Snare-Mikro ausgehend 1m Abstand dann kommen die Overheads, sowie 4m Abstand und dann deine Raummikros.
Das soll heißen, das Signal von der Snare ist durch die Schallausbreitungsgeschwindigkeit eine gewisse Zeit später bei deinen Overheads. Wissen wir, dass der Schall im Medium Luft bei 20°C vereinfacht 3ms für jeden Meter braucht, dann ist dir klar, dass deine Snare 3ms später auf deiner Overhead-Spur aufgezeichnet ist. Auf den Raummikros hast du eine Verzögerung von 12ms.
Jetzt entsteht nicht unbedingt genau das Problem, das ein Tontechniker als Phasenauslöschen versteht im Sinne von Snare Mikro oben und unten --> Mikrokapseln bewegen sich zueinander entgegengesetzt --> Auslöschung, sondern wir haben unter Umständen einen Wellenberg der durch zeitliche Umstände rein zufällig auf ein Wellentaal des durch das andere Mikro verpätete Signal trifft. Der Effekt bleibt, wir haben eine frequenzbedingte Phasenauslöschung. That's it.

Diese ist zwar klanglich lange nicht so schlimm wie das Beispiel mit der Top/Buttom Abnahme der Snare, aber es führt von dem eben genannten Aspekt der Auslöschen noch zu einem ganz anderen Punkt, der maximale Punch einer Trommel ist nicht wirklich vorhanden. Wenn du die Snare schlägst und dir die Aufnahme ganz nah herangezoomt anschaust, dann siehst du, dass die ersten Schwingungen einen sehr hohen Pegel haben der dann brachial abfällt. Das ist der sog. Attack/Transientenbereich. Und jetzt mach folgendes und scrolle zur Overhead-Spur runter: wo ist hier das "Abbild" der Snare? Nicht da!?, achso ja, scroll, scoll, 3ms später. ;)
Wären diese beiden Signale nun zeitlich korrekt in Phase, so wären die beiden Transienten direkt untereinander, würden ihren Punch summieren, und das hörst du.

Jetzt zum Punkt was man dagegen machen kann: du kannst die zeitliche Verzögerung der einzelnen Mikrofone korrigieren. Das geht mit
A) Ausmessen der Mikrofon- zu Schallquellen-Distanz, Berechnung nach x ms und dann Spur mit einem Delay verzögern, oder
B) du zoomst ganz nah in deine Spuren hinein und schiebst von Hand die Signale perfekt untereinander.
C) du lässt das alles und bist nicht so kleinig..

Ich lege hier Wert drauf und wende fast in jeder Aufnahme Methode B an und kann euch sagen: probierts mal, man wird klanglich eine Besserung hören!
 
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Danke für den Beitrag, über diese Dinge hatte ich mir auch schon öfters Gedanken gemacht und durch Unwissen die Finger davon gelassen.

A) Ausmessen der Mikrofon- zu Schallquellen-Distanz, Berechnung nach x ms und dann Spur mit einem Delay verzögern, oder
B) du zoomst ganz nah in deine Spuren hinein und schiebst von Hand die Signale perfekt untereinander.
C) du lässt das alles und bist nicht so kleinig..

Danke hierfür!:)
 
Jetzt zum Punkt was man dagegen machen kann:

Alles richtig und richtig beschrieben.

Aber:
Ich stelle ja ein Raummikrofon auf, um einen Raumeindruck zu erzeugen.
Je nach Raum (Reflektionen etc.) habe ich dann ein anderes Signal.
Also wird das auch zu Auslöschungen führen, wenn ich es zeitlich wieder exakt übereinander schiebe.

C) du lässt das alles und bist nicht so kleinig..

Dieser Ansatz geht schon in die richtige Richtung - noch besser:

Du schaltest ganz kritisch Deine Ohren an. Schon 10 cm in der Position eines Raummikrofons können eine Veränderung bewirken - und am besten merkt man das, wenn man eine Aufnahme mit etwas Distanz anhört.
Also heute verschiedene Positionierungen aufnehmen/ausprobieren und dokumentieren (wichtig) und morgen noch mal in Ruhe durchhören und bewerten.

Clemens
 
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Man merkt, dass Vill Harmonix wahrscheinlich
a) seine Brötchen in diesem Bereich verdient und/oder
b) viele Jahre an Erfahrung hat...
Wie, glaubt ihr, haben wir das früher gemacht? In's Band reingezoomt?:rofl: 2"-Band dann spurenweise aufgeschlitzt und millisekundengenau geschnitten und geklebt?
Ach so, ich vergass - guter Sound ist eine ganz neue Erfindung, der Drumsound auf beispielweise AC/DC's Back in Black ist ja aber auch sowas von phasey und schlecht...

Im Ernst: Wozu habt ihr Ohren? Vergesst doch diese visuellen Möglichkeiten mal, Musik wird gehört, nicht angeschaut!
Erzählt Leuten wie Tony Platt, Andy Johns(RIP) oder George Martin mal was von Mikroabständen ausmessen - ich befürchte, ihr würdet ab diesem Moment nicht mehr besonders ernst genommen.
Den Meterstab könnt ih prima brauchen, um die Höhe des Mikros über der Markierung am Boden zu dokumentieren. Da wo es gut klang. Und ja es ist wahr: Je mehr Mikros im Spiel sind umso schwerer wird es. Übrigens sind 10cm schon eine recht grobe Einheit - schon 2cm können einen gewaltigen Unterschied machen.
Generell gilt: je weiter das Raummikro entfernt ist, umso unkritischer wird es wegen der Phasenlage.
 

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