Vibrato - wie viel davon ist genug?

  • Ersteller Gast153634
  • Erstellt am
G
Gast153634
Inaktiv
Zuletzt hier
08.07.22
Registriert
29.04.10
Beiträge
168
Kekse
113
Ich hab mal eine generelle Frage zum Thema Vibrato - ich bin gerade dabei ein Cello-Stück auf meinem Instrument zu üben, Bach's Arioso und hab mir dazu auch viele Beispiele angehört, die von Kids, Amateuren bis hin zur Cello-Professorin Rachel Xu.

Hier ist das Vibrato wirklich in jeder "längeren" Note drin


Das Kid hier nutzt das Vibrato deutlich sparsamer


mein Lehrer letztes Jahr (ich hab ein Jahr lang in der Mongolei Pferdekopfgeige studiert) meinte zu dem Thema "sorgsam dosiert einsetzen".

Ich persönlich empfinde das "dauervibrato" wie in dem ersten Clip eher als störend.... was sagen die hiesigen Klassik-Musiker dazu? Was lehrt man hierzulande?
 
Eigenschaft
 
Hi codeguru,

zunächst lernt man mühsam ein schönes Vibrato (die verschiedenen Techniken sind, wenn man sie zerlegt, recht komplex),
um sich dann für die Barockmusik das vibrieren unter Krämpfen wieder verkneifen zu dürfen. :D

Ich war mal in einem Barock-Seminar. Da war Vibrato tabu!
(das ist vielleicht mal ein blödes Gefühl, am Anfang..)

Es gibt Interpreten die können hervorragend romantische Sachen spielen und bei Bach klingt es fürchterlich.
(z.B. Anne Sophie Mutter)

Tief schwingendes Dauervibrato finde ich geschmacklos. (..und bei Bach gleich zweimal!)
Nach meiner Auffassung ist weniger mehr.
Soweit ich das weiß, wird der zurückhaltende Einsatz des Vibratos auch von vielen Lehrern propagiert.


cheers, fiddle
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Jepp, grade im Barock hat auch nach meinem Wissen und musikalischen Gefühl Vibrato nur wenig zu suchen und sollte dezent eingesetzt werden.

Lies dazu mal die Geigenschule von Leopold Mozart, der regt sich auch über zu viel Vibrato auf :)
 
Danke für die Antworten... also lag ich wohl relativ richtig, mein Pferdekopfgeigenlehrer mit dem Namen Munkhbat auch - und viele der von Bach geschaffenen Werke waren ja ursprünglich Kirchenmusik für Orgel und Chor...
Nun versteh ich erst recht nicht warum die Frau Xu ihr Spiel als Referenz für Schüler betrachtet, zumal greift sie öfters mal daneben, was man zwar dem Kid verzeihen mag aber nicht der Cello-Lehrerin...
 
Welcher Lehrer hier was als Referenz bezeichnet, ist immer sein/ihr Bier.
Die kurzen Schnipsel, die ich von Frau Xu hören konnte, haben mich auch nicht überzeugt. (Proffessorin :rolleyes:)

Eine Referenz des Barocken Stils, aus meiner Sicht, ist Guidon Kremer auf der Geige.
Sowas können nicht viele.

cheers, fiddle
 
Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen. Dauervibrato ist sozusagen "out". :D

Gerhard Mantel hat übrigens in einem seiner überaus erschöpfenden Bücher auch entsprechendes dazu geschrieben.

Für mich persönlich ist Vibrato schlicht das, was es eben ist: Die Möglichkeit einer Verzierung. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Ähnlich wie ein Triller, ein Praller oder ein Vorschlag eingesetzt wird. Überlegt und gezielt auf einem Ton, den ich akzentuieren möchten.

Außerdem gibt das Vibrato (in gewissem Sinne) uns Spielern die Möglichkeit innerhalb eines Stückes einen zusätzlich Spannungsmoment aufzubauen (abgesehen von den Spannungen, die sowieso aufgrund von z.B. Dynamik, Taktwechsel, intonatorischer Spielräume etc. vorhanden sind).

Also, auch meine Meinung: Weniger ist mehr! :great:
 
Hi,

genauso bei mir.
Vibrato ist schön, aber nur, wenn nicht das ganze Stück durchgezittert wird ;)
Auch mein Lehrer hat gemeint: "Weniger ist hier mehr".

MfG
 
Warum hat das Vibrato im Barock nichts zu suchen?
 
Kurzversion:

Vibrato wurde im Barok als "Pfuscherei" angesehen und als unschön empfunden. Erst in der Romantik wurde es immer breiter verwendet und somit Gesellschaftsfähig. Als dann die ersten Tonaufnahmen gemacht wurden, brauchte man Vibrato, um technische und klangliche Unzulänglichkeiten zu überdecken...
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Das Spiel des Mädchens gefällt mir, weil sie die Töne normal anspielt und erst später im Tonverlauf mit dem Vibrato beginnt. Jedenfalls im Verhältnis zum Spiel der Dame darüber.
 
Nun meine Meinung dazu: Es ist eine Frage der Interpretation. Ich finde es interessant zu wissen, wie in der Barockzeit, in der Romantik und anderen Zeiten gespielt wurde. Auf meine Interpretation hat das aber keine sonderlich große Auswirkung. Hinzu kommt bei Bach daß er vieles weit über seiner Zeit hinaus komponiert hat, so daß man ihn schon fast nicht mehr als Barockkomponist ansehen sollte. Spontan gefällt mir die Aufnahme vom Kind besser, ohne daß ich jetzt auf das Vibrato besonders geachtet habe.

Bei jeden Stück, das man erarbeitet, sollte man aus aktueller Sicht versuchen, das zu erfassen, was der Komponist gemeint haben könnte. Von Spielmoden, die in einer bestimmten Musikepoche eine Rollte gespielt habe, sollte man sich dabei keineswegs beeinflussen lassen. Ich habe so meinen eigenen Stil (oder auch Stiefel ;) ) entwickelt, der mir (und anscheinend auch vielen anderen) gut gefällt. Ich bin nicht unbedingt ein Freund des schlanken Klanges, sondern einer, der das intensive Musikspiel vorzieht. Kremer ist da sicher ein herrausragendes Beispiel, andere sind Pinchas Zukerman, Gilles Apap, Julia Fischer, George Enescu, Nathan Milstein - da wir aber bei den Cellisten sind wohl passender Jaqueline du Pre, Pablo Casals, Sol Gabetta, Mischa Maisky. Mir gefallen inbesondere die Musiker, die sich nicht an bestimmte Regeln halten, wie man Komponist x und Komponistin y zu spielen hat.

(Links sind anspruchsvolle Bach-Beispielaufnahmen - nur als kleine Referenz, bei der man die Nuancen im Vibratospiel hören kann).

Das Vibrato ist ein Stilmittel des Streicherklangs - ein sehr typisches - es sollte eingesetzt werden und zwar gezielt und ganz bewußt. Die Hauptschwierigkeit ist dabei, die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten auf den Streichinstrumenten mit dem Vibrato überzeugend zu verknüpfen, bspw. ein großes Vibrato bei dramatischen oder herausragenden Stellen, dann kann es wieder ganz schwach sein bei intimen oder zerbrechlichen Teilen in der Musik. Du kannst Dich auch an Gesangsstimmen orientieren. Für mich ist ein typischer Streichersound ohne Vibrato nicht denkbar - das Instrument klingt sonst für mich tot (deswegen ist das auch ein typ. Effekt, wenn solch eine Emotion ausgedrückt werden wil).
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer

Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben