Wann wird Musik (machen) Kunst?

  • Ersteller Der gute Fee
  • Erstellt am
Ist Kunst, bzw. eine Kunstform wie Musik, nicht einfach ein Mittel um mich auszudrücken? Eine Erweiterung meiner eigenen Kommunikationsmöglichkeiten?

Mir geht dazu folgendes durch meinen Kopf:

Der Musikmachende sendet eine (musikalische) Botschaft.
Der hörende Empfänger wertet diese Botschaft aus und wandelt sie in Informationen und/oder Emotionen um.

Das kann ich von Musik aber auch genau so auf andere künstlerische Ausdrucksformen übertragen.
Egal ob Musik, Texte, Bilder, Tanz, etc..

Ob (und wie) diese Botschaft verstanden wird ist dabei ja nicht bei jedem Menschen gleich. Der Eine versteht den schwarzen Punkt auf einer ansonsten weißen Leinwand als eine künstlerische Botschaft des Kunstschaffenden, der Andere wendet sich im wahrsten Sinne des Wortes "verständnislos" ab. Das Kunst durchaus sehr unterschiedlich verstanden wird erleben wir wir ja alle regelmäßig.

Ab wann ist Musik also Kunst?

Ich glaube jede Art sich musikalisch auszudrücken ist bereits auch ein künstlerischer Ausdruck.
Im schlimmsten Fall zumindest ein Versuch. Auch wenn die ersten ungelenken musikalischen "Botschaften" vielleicht manchmal etwas missverständlich sind , oder gar ein wenig schmerzhaft bei dem jeweiligen Empfänger ankommen.

Klänge auf einem Didgeridoo?
Free Jazz?
Volkstümliche Musik?
Helene Fischer?

Spielt das denn wirklich eine Rolle?
Wer will allgemeingültig beurteilen was Kunst ist und was nicht? Kann man das denn überhaupt?
Muss man das? ;-)
 
Besteht nicht das größte Problem, wenn man über Kunst spricht, darin, dass der Begriff ziemlich unterschiedliche Bedeutungen haben, man daher also stundenlang wunderbar aneinander vorbei reden kann? Wenn man sich z.B. mal die Mühe macht, den langen Beitrag auf der Wikipedia durchzulesen, fragt man sich hinterher ja tatsächlich, wie man über Kunst sprechen kann, ohne vorher genau festgelegt zu haben, was man darunter in einem bestimmten Rahmen konkret zu verstehen hat.

Nehmen wir mal Helene Fischer, deren Musik ich absolut nicht mag. Trotzdem würde ich die Dame ohne Zweifel als Künstlerin in dem Sinn bezeichnen, dass sie ihr Handwerk als Sängerin, Entertainerin und Medien-Kunstfigur ausgezeichnet beherrscht und das Helene-Gesamtpaket, was in diesem Fall dem Kunstwerk entspricht, ein ausgesprochen anspruchsvolles Produkt darstellt, in dem wahnsinnig viel Aufwand und Können steckt.

Wenn wir jetzt aber z.B. über "Kunst" in diesem eher "erhabenen" Sinn sprechen würden (da mag sich jetzt jeder selbst ausdenken, was er damit so alles assoziiert; das kann vom verarmten künstlerischen Genie bis zum Erzeuger vielschichtiger künstlerischer Werke gehen, deren ganze Tiefe sich nur nach Jahren intensivster Kontemplation oder mörderischer Drogenexzesse in der Fülle ausloten lässt), würde Helene Fischer mit Sicherheit und noch nicht mal im Ansatz als "Künstlerin" durchgehen, weil ihrem Werk die Vieldimensionalität, das Radikale, Neue, Unbequeme, Überraschende, Originelle, Zerquälte usw. fehlt und der "große" Gedanke hinter dem Helene-Gesamtpaket natürlich der ist, Helene möglichst populär und sie sowie weitere Nutznießer reich zu machen.

Zuletzt muss "Kunst" ja nicht unbedingt immer etwas Positives bedeuten. Wenn man sich den sogenannten Kunstmarkt, also dieses fast hermetisch abgeschlossene Biotop, das aus Schaffenden, Ausstellenden, Erklärenden und Besuchenden/Kaufenden besteht, mit all seinen Trends und Wallungen so ansieht und dabei feststellt, dass man kaum objektiv begründen kann, was genau irgendeinen zur Zeit angesagten Künstler so toll macht, dann stellt sich doch manchmal die Frage, ob "Kunst" in diesem Zusammenhang nichts als eine leere Worthülse oder aller höchstens noch Absichtserklärung ist. "Moderne Kunst" gilt ja vielen Menschen nicht von ungefähr als Schimpfwort, weil man darunter Banalitäten versteht, die von selbsternannten Sachverständigen in den Rang von Kunstwerken erhoben wird, ohne dass überzeugend dargelegt werden kann, weshalb eigentlich: "Aha. Ein gelbes Quadrat auf grünem Grund. Schnell die Kennermiene aufgesetzt, in angemessener Versunkenheit bis 100 zählen und dann ab zu dem schief angenagelten Spiegelei dahinten".

Und jetzt mal die Frage: Fährt man angesichts dieser Schwierigkeiten nicht vielleicht besser, wenn man Wort einfach mal ein bisschen tiefer hängt oder ganz darauf verzichtet? Oder haben wir alle irgendwo im Hinterkopf die Vorstellung, dass wir das, was uns persönlich irgendwie besonders bewegt und was wir toll oder verehrungswürdig finden, dadurch veredeln können oder müssen, dass wir ihm das Etikett "Kunst" aufkleben? Ich finde z.B., dass die Beatles eine Menge geiler Songs geschrieben haben (als Alt-Punkrocker ist das schon ein extrem glorreiches Kompliment und kommt auch von Herzen), aber ... hm ... muss ich die Jungs deswegen wirklich zu "Künstlern" verklären? Nicht, dass ich mich dagegen sperren würde, sie rein der Konvention halber so zu bezeichnen, darum geht es nicht, aber jetzt mal, nur angenommen, eine ernste Diskussion darüber führen, ob die Beatles so vom Künstlerischen her etwa mit Mozart oder so zu vergleichen wären? Käme mir, mal ehrlich gesagt, reichlich unfruchtbar und langweilig vor.
 
Au weia, da haste ein Fass aufgemacht.
Es gibt sicher irgendwo eine Definition, was Kunst ist, aber dafür sind wir nicht hier:D. Kunst muss nicht von Können kommen, eher Kunsthandwerk. Bei Kunst war das vielleicht früher so. Es geht eher, wie schon erwähnt, um Abstraktion. Oder die Idee. Z.B: Es gibt oder gab mal ein Werk von Joseph Boys (über das man natürlich trefflich streiten kann), da lagen ein paar Stecken auf dem Boden und waren mit Filzmatten zugedeckt. Das ganze hieß dann "Schnee" oder so. Ein paar Stecken sammeln und ein bisschen Filz darüber legen hätte ich auch gekonnt, aber Boys ist auf die Idee gekommen, so das sanfte Abdecken der klaren Konturen und damit das Verschwinden der Konturen durch Schnee zu beschreiben/darzustellen.
Für Kunsthandwerk, sagen wir Töpfern, muss man Fähigkeiten erwerben, braucht aber keine besonderen Ideen. Manche Kunst braucht natürlich beides. Malen muss man jahrelang üben, um überhaupt was gescheites hinzukriegen. Und dann noch das hinzukriegen, was man im Kopf hat, könnte man dann vielleicht wieder als Kunst bezeichnen, abmalen aber wohl noch nicht.
Das könnte man jetzt wieder auf's Musizieren übertragen, wenn man wollte, vielleeicht isses aber dann doch nicht so einfach?!

Das ist wiederum nur eine Interpretation meinerseits und keine Kunst;)

Ist dann abstrakte Musik Kunst nur weil sie abstrahiert oder auf einer Idee basiert, aber keinem gefällt?
Oder bei Filmen: sind MontyPython-Filme Kunst oder nur Klamauk? Oder waren sie früher Kunst und heute...tja, was?
Überdauert Kunst die Zeit? Dann muss sie ja jemand bewahren, bei der Musik also hören. Zeitlose Musikkunst ist dann also das, was soviele hören, dass es die Chance hat zu überdauern (nicht im Archiv, sondern im Bewusstsein der Menschen). Dann also doch die "anspruchsvolle" Popmusik. Für Elise, Die kleine Nachtmusik, die Kirchenlieder, die schon seit Jahrhunderten gesungen werden, die üblichen Kinderlieder, Mein kleiner Grüner Kaktus, die großen Elvis-Lieder, Stairway to Heaven, oder ist das noch zu jung um das Überdauern zu beurteilen

So und jetzt seid nett zu mir:fear:

Edit schreibt: Ich hab das Werk von Boys gefunden, es heißt "Schneefall"
 
Dann muss sie ja jemand bewahren, bei der Musik also hören. Zeitlose Musikkunst ist dann also das, was soviele hören, dass es die Chance hat zu überdauern

Ist es überhaupt notwendig, die Rezeption und Reichweite eines Werkes in den Kunstbegriff einzubauen? Ich finde so Aussagen wie "Kunst überdauert Zeit" ziemlich tröge und eher banal, "erfolgreiche" Kunst überdauert sicher zumindest ein paar Jahrzehnte, aber kennt jemand noch die Kunst von sagen wir mal 4000BC, abgesehen von dem, was wir auf frühzeitlichen Müllhalden eher zufällig gefunden haben? Ist etwas, was jemand in seinem Keller produziert und nie jemandem zeigt, aus Schüchternheit vielleicht, keine Kunst, weil es nie jemand als solche wahrgenommen hat? Da denke ich das der "Wille zur Kunst" zählt, das Vorhaben, etwas zu schaffen was den Horizont erweitern kann und über das Alltäglich/Banale hinausgeht.
 
Kunst ist beherrschtes Handwerk mit einem Extra an Kreativität und Sinnhaftigkeit/Aussage.

Kunst ist streitbar.

Ich habe letztens erst mit einem Kompositionsstudenten gesprochen, der mir erzählt hat, dass er auf einem Festival für Neue Musik war. Auch wenn jeder ein paar Kleckse auf ein Papier klecksen kann, auch wenn jeder aus irgendwelchen Klängen Neue Musik puzzlen kann. Man merkt, gerade, wenn man sich in der Kunstart auskennt, ob da mehr hintersteckt an handwerklichem Können und an Kreativität und Sinnhaftigkeit. Zumindest war so seine Aussage, dass man schlechte Kompositionen Neuer Musik durchaus erkennen kann. Auch darstellende Kunst, wie zum Beispiel das hier schon genannte "Schneefall" von Boys ist beherrschtes Handwerk: Da steckt aller Wahrscheinlichkeit nach eine hohe Abstraktionsgabe und ein philosophisch durchdachter Grundgedanke hinter.

Auch eine Fernsehshow ist für mich Kunst: Die Macher beherrschen ein Handwerk (Spannungsfaden aufbauen, Organisieren, Farbkonzepte, BÜhnengestaltung, etc.) und die kreative Zusammenstellung dieser Handwerkselemente geschieht in der Vision, damit Zuschauer zu begeistern... Nichts anderes ist eine Oper zum Beispiel, die wir wohl definitiv als Kunst einordnen würden.

Helene Fischer hat natürlich ein ganzes Team hinter sich, aber kann ein Team etwa keine Kunst schaffen? Der Punkt, an dem man sich stören kann, ist, dass einige Popstars zum Genie erhoben werden, indem das Team dahinter und das Handwerk verschwiegen werden. Trotzdem ist es für mich Kunst. Und ja, die Popkultur ist streitbar, aber das ist nichts schlechtes. So oft in der Geschichte wurden Werke oder Künstler, über die wir heute uns einig sind, dass sie genial sind, verschrien, ausgebuht oder haben einfach nichts verdienen können mit ihrer Kunst. Meint ihr nicht, dass in 100 oder 200 Jahren die Menschen auch anders über die heutige Kunst denken werden?

Letztlich ist der Trend unter Musikern doch momentan ein wenig, die Anzahl der Akkorde als Qualitätsmerkmal zu sehen. Nur warum sehen wir nicht den Zulauf an Fans als Qualitätsmerkmal? Oder die Anzahl und Komplexität der elektrischen Sounds?
 
Ich stimme mit dir überein. Für mich ist diese Art Musik einfach mit das unterirdischste was der Mensch in der Musik schaffen konnte.
Aber dennoch, es kann nicht jeder und damit ist es auch eine Kunst, oder?
Es geht hier wohl mehr um musikalische Kunst und nicht um wirtschaftliche. ;)
 
Mir fällt auf, dass zu der Fragestellung dieses Threads immer wieder die Schwammigkeit hineinstreut, die durch den inflationären alltäglichen und umgangssprachlichen Gebrauch des Wortes "Kunst" diesen Begriff zu einem immer bedeutungsschwächeren, banalen Begriff gemacht hat, ja, fast schon zu einer Art "Unwort".
Man muss nur einmal "Die Kunst des" als Suchbegriff eingeben, dann wird schnell klar, was ich meine: https://www.google.com/search?q=die+Kunst+des&ie=utf-8&oe=utf-8&client=firefox-b
Da springen einem jede Menge Möchtegern-Ratgeber entgegen und ganz oben findet sich sogar ein Buch mit dem Titel "Die Kunst des Furzens"! Ich kenne dieses Buch nicht, es mag eine Verballhornung über die inflationäre Verwendung des Begriffs "Kunst" sein, vielleicht auch ernst gemeint sein und damit selber zu dieser Inflation beitragen. Ich weiß es nicht, aber es zeigt mir, wie sinnvoll die in der Philosophie übliche Vorgehensweise ist, erst mal Begriffe zu klären, über die man reden und sich austauschen will.

Wenn man sich nicht wie auch immer um eine Abgrenzung zur umgangssprachlichen Bedeutung von "Kunst" bemüht, dann ist eine Diskussion darüber müßig, denn dann kann wirklich alles, aber auch alles buchstäblich bis zum Furz zur "Kunst" erklärt werden und sowieso zählt nur die private Meinung, wo jeder nur seine Auffassung zählen lässt. Muss man aber dann auch alles nicht mehr vertiefen.

Für mich bleibt es jedoch bei dem "Dahinter" wie ich es in meinem ersten Beitrag geschrieben hatte und wie es @JoshOcean gut auf den Punkt gebracht hat:
"Metaebene" trifft es genau und bei einer Show von Helene Fischer fehlt mir eben diese Metaebene.
Ich kann mühelos anerkennen, dass es sich bei Helene Fischer, ihrer Show und aller an der Produktion beteiligten Personen um Profis handelt, meist auch um hervorragende Profis. Ich sehe und anerkenne auch Helene Fischer selber als Voll-Profi! Solche Shows zu stemmen ist eine große Leistung zu der ich nicht im Ansatz fähig wäre. Ich gönne ihr auch ihre nicht unerheblichen Einkünfte (über die es einen anderen Thread gibt), Fischer ist sozusagen ein Unternehmen, wie es auch André Rieu oder Florian Silbereisen im Prinzip sind.
Es ist auch schön (meine ich ganz ehrlich!), wenn sie und die erwähnten Kollegen viele Menschen mit ihrer Musik und ihrer Arbeit Freude machen. Auf meiner ´Wellenlänge´ liegt keiner dieser drei, aber das ist egal, denn wozu sollte ich auch ein Maßstab sein?

Aber eine Metaebene gibt es bei keinem dieser drei Showleute und Entertainer. Viele Menschen haben auch kein weiteres Bedürfnis nach einer Metaebene, oder doch nur ab und zu mal und ansonsten reichen ihnen die Produkte von Fischer, Rieu, Silbereisen und co.

Ich sehe auch die Zuordnung von "Kunst" oder "nicht Kunst" nicht als ein Werturteil, warum auch. Ich suche halt immer nach diesem "mehr" von dem ich selber nicht immer weiß, was es ist, es allenfalls erahne und irgendwie fühle. Andere Menschen sollen und müssen das eben für sich entscheiden.

Da ich Rieu erwähnte, erlaube ich mir noch eine Spitze: Seine Art, "Klassiker" zu verarbeiten, um nicht zu sagen verwursten, geben ein anschauliches Beispiel dafür, wie man im Handumdrehen aus Kunst Kitsch machen kann.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Was Kunst ist, bestimmen die Kritiker. Am Ende läuft jede Diskussion über das Wesen der Kunst darauf hinaus. Alles im Kanon ist Kunst, was der Kanon nicht enthält ist auch keine Kunst. Das zeigen die Beispiele Helene Fischer und Modern Talking doch am besten: Klar kann man "Kunst" hier als "große Leistung" (nicht i.S.v. Anstrengung, sondern Erfolg) definieren, aber dann ist auch ein Startupunternehmer ein Künstler, sobald sein Produkt millionenfachen Absatz findet. Ganz allgemein ist Kunst ähnlich wie Spiel alles, was nicht unmittelbar Überleben und Fortpflanzung ist. Der Unterschied zwischen Kunst und Spiel ist das Publikum. Ohne Publikum gibt es keine Kunst. In dieser allgemeinen Definition ist auch ein Drachenlord Kunst, der jeden Tag ein paar Stunden vor laufender Kamera auf seinem Sofa gar nichts tut. Er ist halt weniger der Künstler als vielmehr das Kunstwerk, das von Trollen und Bullys allmählich in Form gehauen wird. Ist Kunst wenn es sich selbst transzendiert? Das hängt von der Rezeption ab. Helene Fischer und Modern Talking sind oberflächlich natürlich dümmliche Waren, die halt nicht wehtun dürfen. Nun existiert aber eine Subkultur des Trash: Noch die dümmsten Poptralalas cool finden, zwar mit Bruch, aber eben gerade nicht ironisch. Trashkultur mag die absolute Reduktion auf das Wesen von Pop, zelebriert es bis ins letzte und will jeden Anflug von Bedeutung militant abwehren, weil beabsichtigte Bedeutung im Pop nie etwas anderes sein kann als ein reines Lippenbekenntnis, das der Sprecher zwar selbst glaubt, aber das auch nur weil er gar nicht merkt dass er einfach nur den stumpfen Ernst fetischisiert. Man weiß wie hohl es ist und feiert es dafür die einzige ehrliche Art von Pop, vielleicht sogar Musik und Kunst überhaupt zu sein. Trashkultur verkehrt die Kunst in sich selbst und demonstriert, dass alle Kunst ausschließlich vom Publikum abhängt. Und Achtung: Damit ist nicht gemeint dass sie beliebig ist oder Geschmackssache, sondern dass sie sich nicht selbst transzendieren kann. Kunst transzendiert erst in der Rezeptionskultur, also gerade nicht beim Einzelnen, sondern in der Diskussion über sie.
 
Was Kunst ist, bestimmen die Kritiker
Wirklich? Das möchte ich mal anzweifeln ... Was Kunst ist bestimmen imho diejenigen, die sie kaufen/"konsumieren" bzw. goutieren ...

Ich kann eine Kritik als Hilfestellung/Richtlinie nehmen, aber im Endeffekt entscheide ich doch für mich, ob etwas (für mich!) Kunst ist oder nicht.
 
Für mich ist Kunst etwas, worüber man sich Gedanken gemacht hat, was nicht einfach herzustellen/produzieren/zu schaffen ist und was einen „tieferen Sinn" erfüllt oder vermittelt. Letzteres zu umschreiben fällt mir besonders schwer. Spontan würde ich es beschreiben mit, dass es die Grenzen von etwas technisch/körperlich/gedanklich Machbaren aufzeigt und ggf. ausreizt, oder eben eine klassische Botschaft (Message) auf eine wie auch immer geartete Weise vermittelt. (Man müsste es noch etwas ausfüllen, denn so ist jeder Krankenpfleger ein Künstler.)

Was mir aber tatsächlich wichtig ist, ist dass es einen gewissen handwerklichen Anspruch hat. Ich kann es z.B. nicht verstehen wie man z.B. einfach nur Basaltblöcke in einen Raum legt (https://www.tate.org.uk/art/artworks/beuys-the-end-of-the-twentieth-century-t05855) oder eine Leinwand einfach nur blau anmalt, einen weißen Strich in der Mitte frei lässt (https://www.schnatterente.net/alltag/44-millionen-euro-fuer-viel-blau-mit-wenig-weiss#), und dass dann Kunst sein soll und dafür ggf. noch Unsummen an Geld dafür bekommt. Da frag ich mich, wo da der Anspruch ist. Aber gut, Kunst soll ja nicht immer rational sein.

Musik (die oben genannten Ansprüchen genügt) fällt für mich eigentlich jedes Mal unter Kunst. Jedoch ist es mein Problem, dass die Musik die heutzutage im Mainstreamradio keinen künstlerischen Hauptgedanken, sondern nur noch einen ökonomischen Gedanken hat. Der Begriff Musikindustrie kommt ja nicht von ungefähr. Songs werden nur geschrieben, um Profit zu machen. Insofern halte ich da die Debatte, ob gewisse Künstler noch Kunst machen für gerechtfertigt.
 
Wirklich? Das möchte ich mal anzweifeln ... Was Kunst ist bestimmen imho diejenigen, die sie kaufen/"konsumieren" bzw. goutieren ...

Ich kann eine Kritik als Hilfestellung/Richtlinie nehmen, aber im Endeffekt entscheide ich doch für mich, ob etwas (für mich!) Kunst ist oder nicht.

Mit "Kritiker" meinte ich nicht professionelle Kritiker, sondern eine ganz bewusst nicht näher bestimmte Community, die über Kunst diskutiert. Anders gesagt: Kunst ist, worüber gestritten wird.
 
Ich kann eine Kritik als Hilfestellung/Richtlinie nehmen, aber im Endeffekt entscheide ich doch für mich, ob etwas (für mich!) Kunst ist oder nicht.
Das mag sein - spätestens aber wenn man die Kunstförderung betrachtet, liegt dem nicht ein subjektives Empfinden zugrunde, sondern gesellschaftlich zu dieser Zeit geltende Begriffe und Konzepte von Kunst, Kriterien für Kunst und für die Unterscheidung von Kunst und Nicht-Kunst. Auch diese halten eine Bandbreite an Diskussionen, unterschiedlichen Positionen etc. offen - dennoch kann man von einem geltenden Kunstbegriff zu einer gegebenen Zeit in einer gegebenen Kultur sprechen.

Dieser ist nicht rein subjektiv beim Betrachtenden und auch nicht bei den Kaufenden verortet.
Und mit diesem Begriff wird über den Fluss von nicht unerheblichen Mitteln für die Förderung von Kunstschaffenden und Kunstwerken entschieden.

Das mag für einen selbst alles völlig unerheblich sein - es ist dennoch ein Aspekt der Frage, wann Musik machen zur Kunst wird oder als Kunst gilt.

x-Riff
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Mit "Kritiker" meinte ich nicht professionelle Kritiker, sondern eine ganz bewusst nicht näher bestimmte Community, die über Kunst diskutiert. Anders gesagt: Kunst ist, worüber gestritten wird.
Damit fiele Kunst heraus, über die niemand mehr streitet ... Ist dann die Mona Lisa keine Kunst mehr?
Und: nicht alles, worüber gestritten wird, ist Kunst ...

Aber der Aspekt ist berechtigt: Ist ein Kunstwerk ohne jegliche Wirkung Kunst?
Zumindest im modernen Kunstbegriff wird nach einer gesellschaftlichen Wirkung gefragt, danach, ob Kunst Fragen aufwirft, Gängiges in Frage stellt, provokant ist, herausfordert ... im ganz allgemeinen Sinne "etwas mit dem Betrachter macht".
In diesem allgemeinen Sinne trifft dies, glaube ich, auch auf die vormoderne Kunst zu. Hier wird der Blick gelenkt, wird auf Erklärungen (da fasse ich mal Mythen, Götter und Glauben mit rein) verwiesen, wird Bedeutung geliefert, Emotion hervorgerufen und gelenkt: kein Madonnenbild, kein Jesus am Kreuz, kein Siegerdenkmal oder Denkmal überhaupt ohne das Bemühen, Sinn und Bedeutung zu vermitteln, mit Hilfe der Kunst und des künstlerischen Ausdrucks.
Auch ein Stillleben wimmelt nur so vor Symbolen - dass wir heute in der Regel dazu Hilfe brauchen, um sie zu entschlüsseln, spricht nicht gegen die Stillleben, sondern für die Zeit- und Kulturbegrenztheit von Kunst bzw. davon, dass es einen Betrachter braucht, der die Werkzeuge zum Verstehen des Gemeinten mitbringt oder sich darum bemüht.

x-Riff
 
Da in diesem Thread öfter Helene Fischer erwähnt wurde, auch von mir, hier ein Link zu der heute erschienenen Rezension aus der "SZ" über die "Helene Fischer Show", die gestern am ersten Weihnachtstag wieder einmal in üppiger Aufmachung zur besten Sendezeit durch den Äther gejagt wurde: https://www.sueddeutsche.de/medien/helene-fischer-show-zdf-rezension-1.4262989
Ich finde, er beleuchtet ganz gut vor allem einige der entscheidenden Details, die so eine Show zu einem - zweifellos "perfekten" - kommerziellen Ereignis machen, dem aber jegliche künstlerische Tiefe fehlt.

Es ist Mode geworden, dass mehr oder weniger jeder für sich reklamiert, rein subjektiv darüber zu entscheiden, was Kunst sei und was nicht. Das kann ich auch insofern nachvollziehen, als dass erstens Kunst sich heutzutage immer breiter auffächert und es keinen zumindest mehrheitlich gültigen allgemeinen Kanon darüber gibt wie in vergangenen Zeiten. Außerdem kann sowieso nur jeder für sich selber entscheiden, was ihn berührt und was nicht. Nur ist es unzulässig, daraus ohne weitere, tiefergehende Begründung quasi eine allgemeine Norm abzuleiten. Der persönliche Geschmack ist eben - persönlich.
Es wird wohl so bleiben, wie es immer schon war: der zeitliche Abstand wird das endgültige Urteil fällen, was bleibt, weil es etwas in der Tiefe des Menschen angesprochen hat und immer noch anspricht, und was vergessen ist, weil es nur stets an der Oberfläche blieb und nicht in die Tiefe der menschlichen Seele eindringen konnte.
 
Schade, dass hier keine kekse oder wenigstens "gefällt mir" vergeben werden können. Aber der eine oder andere formuliert hier Aussagen, die ich sofort unterschreiben würde. Leider kann ich nicht so schön formulieren, wie das hier getan wird
 
Ui, hab den Thread hier eben erst entdeckt und finde das recht spannend. Wenngleich ich es hasse, wenn sich aus mehr oder weniger knappen Fragen irgendwann komplett zer-diskutierte 500-Antworten-Monster entwickeln, und die Fragestellung birgt da ein gewisses Gefahrenpotential. Aber noch ist das Thema ja recht frisch, da passt auch noch ein Löffelchen von meinem Senf drauf. :D
/intro ende

Die Frage an sich lautet ja, wann ist Musik machen Kunst?
Also könnte die Antwort darauf zugeschnitten lauten: wenn die handwerklichen Fähigkeiten des Musik schaffenden Künstlers ihn so weit über oder zumindest abseits des "üblichen" Rahmens der Masse platzieren, dass die Besonderheit seines Schaffens sich auch nicht mehr an deren Massstäben misst. Hier gilt aber auch wie in jeder anderen Form von Kunst, dass diese Massstäbe nicht zwangsläufig über, sondern eben auch einfach abseits der Masse liegen können, also "eigene Wege" gehen, ohne dass dafür überdurchschnittliches Können gefordert wäre. Und bevor mir gleich jemand wegen dieser Aussage ins Knie beisst führe ich mal namenlose Beispiele an wie die ersten Bilder, bei denen der Maler nicht gemalt, sondern Farbe auf die Leinwand gekleckert/geschleudert hat. Oder Fotografen, die zuerst aus Versehen eine Fotoplatte doppelt belichtet haben, bis sie darauf gekommen sind, dass man sich diesen Effekt auch zunutze machen kann. Sowas hatte nie mit überdurchschnittlichem Können zu tun und wurde dennoch Kunst. Beim Musikmachen sind einem da allerdings doch deutlich engere Grenzen gesetzt, der Free Jazz wurde ja bereits erfunden, Grunge und Glitch/Dubstep ebenfalls. Wer es da heute noch durch reine Originalität schafft eigene Massstäbe zu setzen, dem wird man früher oder später das Prädikat "Künstler" schätzungsweise ohne größere Bauchschmerzen zusprechen können.

Die Frage die hier aber mehr und mehr in diesen Thread hineininterpretiert wird ist ja die, ab wann Musik Kunst wird. Also nicht das handwerkliche. Und da wird das Eis verdammt glatt...
1. Die Geschmäcker sind verschieden.
2. Kunst definiert sich nicht über erzielbaren Gewinn.
3. Du Kunst es aa ned besser!
;)
 
also "eigene Wege" gehen, ohne dass dafür überdurchschnittliches Können gefordert wäre. Und bevor mir gleich jemand wegen dieser Aussage ins Knie beisst führe ich mal namenlose Beispiele an wie die ersten Bilder, bei denen der Maler nicht gemalt, sondern Farbe auf die Leinwand gekleckert/geschleudert hat. Oder Fotografen, die zuerst aus Versehen eine Fotoplatte doppelt belichtet haben, bis sie darauf gekommen sind, dass man sich diesen Effekt auch zunutze machen kann. Sowas hatte nie mit überdurchschnittlichem Können zu tun und wurde dennoch Kunst.
Weil es gerade so gut passt:
Das gibt es und gibt es immer wieder. Was dabei aber meist nicht gesehen wird, ist:
Wenn das einem Künstler passiert und nicht irgendeinem XYZ in seinem Hobbykeller, dann nimmt der nicht das erste Ding, was aus diesem Zufall entstanden ist, sondern ein/e Kunstschaffende/r setzt sich hin und untersucht das Phänomen, experimentiert mit unterschiedlichen Überlagerungen von Belichtungen, mit unterschiedlichen Belichtungszeiten, mit diversen Motiven und Objekten, mit unterschiedlichen Trägern und Materialien - in diesem Beispiel Fotopapier, von dem es sehr viele unterschiedliche gibt, welche die gleichen Motive und Licht/Schattenverhältnisse sehr unterschiedlich wiedergeben, überlegt sich, wie das Ganze als auszustellendes Objekt funktionieren könnte oder ob andere Konzepte (Performance, interagierendes Objekt etc.) passender sind etc.

Auch wenn ein Objekt in einem Museum recht unscheinbar aussehen mag, steht dahinter in der Regel eine mehrjährige Beschäftigung mit solchen Fragen. Und gerade wenn ein Künstler oder eine Künstlerin Dinge "in Serie" produziert, wie etwa Warhol, dann hat es doch viel Arbeit, Experimentierfreude und Engagement gekostet, bis das so funktioniert und ankommt.

Ich habe einen Künstler gekannt, der sich Jahre mit Sand auseinandergesetzt hat: Experimentiert, wie verschiedener Sand mit verschiedenen Farben, Pigmenten und Quarzen reagiert, welche Trägermaterialien geeignet sind, damit Sand darauf auftragbar ist, welche Haltbarkeit damit verbunden ist (wann sie unter welchen Einflüssen verfärben beispielsweise) etc. Neben der Zeit, die er dafür aufgebracht hat, braucht er einen Raum, Materialien (die durchaus nicht billig sind, selbst wenn man nicht mit Gold, Bronze, Leinwand etc. arbeitet), muss von irgendwas leben etc. - bis dann mal etwas herauskommt, das künstlerischen Ansprüchen genügt und nicht irgendwas ist, das man auf einem Flohmarkt für 20 - 50 € verscherbelt.

Wie viele Hobbybands spielen wie viele Jahre in wie vielen Kellern unter Einsatz von wie viel Equipment und auf wievielen Bühnen mit wie viel Einsatz und Engagement, ehe mal eine davon ein One-Hit-Wonder landet?

Wer mal reinschauen will, kann gerne mal die Autobiographie von Pattie Smith lesen (habe sie auf englisch gelesen und kenne deshalb den deutschen Titel nicht), die neben vielem anderen auch schildert, wie sie und ihr Freund (beide gelangten später zu Ruhm und Anerkennung) als Kunstschaffende (sie war nicht nur Musikerin) versuchten, ihren Weg zu machen.

Die manchmal vorhandene Vorstellung: da kleckst jemand was vor sich hin, stellt es einen Tag später in ein Museum und ein dritter behauptet mal schlank, dass das Kunst sei, worauf das auf dem Kunstmarkt abgeht wie Schmitz Katze ist eine liebgewonnene Vorstellung ähnlich der von Dagobert Duck, der täglich in seinem Gold badet.
Dieses Bild prägt sich ein, weil es so schön ist und tatsächlich ein Körnchen Wahrheit enthält. Aber mit der Realität sollte man es nicht verwechseln.

x-Riff
 
Zuletzt bearbeitet:
Für mich ist Kunst weniger das Ergebnis, als vielmehr der Prozess. Ich empfinde mich dann als künstlerisch tätig, wenn ich beim Musizieren ein klares Gefühl davon habe, was im Moment gerade das Richtige ist, und mein Spiel von diesem inneren Maßstab leiten lasse.

Wenn ich diesen Prozess bei Anderen spüren kann, empfinde ich ihr Tun oder ihr Werk als Kunst. Da das Werk vom Künstler losgelöst nicht immer zu einem klaren Eindruck bei mir sorgt, ist es für mich relativ müßig, anhand von ihm allein über Kunst zu sprechen.

Das Schöne an diesem Kunstbegriff ist für mich, dass ich ihn in allen Lebensbereichen wiederfinde.
 
Kunstgenuss Begegnungserfahrung
da steckt eine Menge drin - denn zur Begegnung braucht es zwei ... und einem Wollen der Begegnung, einer Bereitschaft zur Begegnung, die mitunter Anstrengung sein mag ...
 

Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben