Das Lautstärke-Problem ergibt sich automatisch, wenn das Publikum sich aus der älteren Generation rekrutiert.
Das ist weder Schuld der Zuhörer noch der Musiker und auch nicht allein psychologisch, sondern zu einem Gutteil physiologisch.
So ungefähr ab 50 wird das Gehör empfindlicher, für Senioren im Rentenalter ist ein Schlag auf die Snare, ( den der Gitarrist dann doch gerne etwas lauter auf dem Monitor hätte

) nicht nur unangenehm, sondern richtig schmerzhaft. Insbesondere die harten, höhenreichen Impulse von Schlagzeug und E-Gitarre fühlen sich an, als würde man einen Eispickel ins Ohr gerammt bekommen.
Die Beschwerden des Publikums - älteren Publikums - sind also meistens berechtigt.
Als Mucker wies man aber auch, daß genau dieser Attack die Musik treibt und für die rhythmische Orientierung notwendig ist, gleichzeitig Drummer und E-Gitaristen bestimmte Lautstärken brauchen, um hörbar zu sein und gut zu spielen.
Ich bin fein raus, ich spiel ( genau aus diesem Grund ) in einer Akustik-Band, da ist das kein Problem - im Gegenteil kommen viele zu uns, weil sie genau diesen "Wohlfühlfaktor" in der Lautstärke zu schätzen wissen. Wir können mit Cajon und Akustikgitarren Vollgas geben, das Publikum wird aber nicht weggebrettert.
In meiner Bluesrock-Band haben wir das Problem nach wie vor: älteres Publikum will eigentlich Rock'n'Roll hören, aber bitte nich so dolle. Da muss klar sein, daß der Drummer das Level vorgibt. Wir spielen mit kleinen Amps, die wir vom Publikum weg richten und abnehmen. So können wir die fiesen Impulse mit Hilfe der PA etwas wegbügeln. Wir haben das Problem weitgehend entschärfen können.
Was ich aber beobachtet habe: es gibt nie Beschwerden von Zuschauer, die unseretwegen kommen und Eintritt bezahlen. Es ist immer die "Laufkundschaft" oder der Kneipen-Stammgast, der beim Soundcheck schon am Tresen hockt und mault, weil er nicht mehr den Wirt volltexten kann.
Anyway:
Im Fall einer Gospelgruppe, deren Gesangspegel nach meiner Erfahrung auch nicht zu unterschätzen ist, wenn alle sich richtig reinhängen, kommen die Faktoren natürlich zusammen: "umsonst", Laufkundschaft und alle schon ein wenig älter.
Es gibt m.E. mehrere gute Wege, das Problem zu anzugehen, auch wenn man es nie ganz beseitigen kann.
Den Zuhörern im Vorwege zu kommunizieren, daß es laut wird, ist ein guter Anfang - ich würde es aber anders lösen.
Zunächst mal:
Das Busch-Zitat muß weg!!! ( ja: drei Ausrufezeichen )
AUF KEINEN FALL dürft ihr in eurer Aussendarstellung eure eigene Musik als "störend" bezeichnen! Mehr Selbstabwertung geht gar nicht. Ironie? ...Spässle gemacht? Sorry, das funktioniert nicht! Was ihr stattdessen macht: ihr sät Vorbehalte, wo vorher gar keine waren und SCHAFFT den Störfaktor erst, den ihr eigentlich weghaben wollt.
"Priming"(klick mich) ist ein Trick, den jeder ausgebildete Verkäufer beherrschen sollte - ihr wendet diesen Effekt gegen euch.
Auch das "bitte haben sie Verständnis" ist keine gute Idee. Sowas steht an Baustellen, wenn man mal wieder stundenlang im Urlaubsstau steht. Ist das eine Assoziation, die Spaß ankündigt? Ein Hinweisschild, das so richtig Bock macht, die nächsten 15 Kilometer zu geniessen?
Wer sich rechtfertig, klagt sich an, heisst es. Ihr kündigt ausdrücklich an, daß ihr ein Problem habt, daß ihr es nicht in den Griff bekommt, und daß euer Scheitern zu Lasten des Zuhörers gehen wird. Und - mit dem Verweis auf die musikalische Autorität W. Busch - daß euch das egal ist, weil: war schon immer so.
Kein Wunder, daß die Zuhörer auf euren Mixer losgehen, wenn ihr sie so provoziert.

Wenn du das richig erkannte "psychologische Problem" suchst: da ist es.
Okay, Gemecker mal beiseite und zur Lösung:
Ja, stellt ein Plakat auf, um das Publikum einzustimmen. Das ist eine gute Idee. Aber: Die Botschaft an das Publikum muss eine positive sein. Energie, Power, Lebensfreude. "Öffnen Sie sich für ein beeindruckendes Erlebnis." Hier trifft sie die volle Wucht des Glaubens! Halle-LUH- JAAAAH!!!
Dann wissen die Leute auch: gleich geht's zur Sache - aber die Einstellung dazu ist eine andere, auch bei Euch. So wird Priming aktiv angewendet.
Aus dem gleichen Grund würde ich auch auf keinen Fall einen Gehörschutz
ungefragt anbieten. Trotzdem ist es eine coole Idee, sowas dabei zu haben. Ich komme gleich drauf, wie man den evtl. geschickt präsentiert.
Zweiter Vorschlag:
Man kann ein Gehör an Lautstärken gewöhnen. Nach meiner Erfahrung bringt es sehr viel, wenn man beim Gig nicht gleich Vollgas gibt, sondern langsam hochfährt. Es spricht nix dagegen, mit soften Nummern anzufangen, oder die ersten Stücke ohne Band zu bringen und die lauten Instrumente erst nach ca. einer Viertelstunde zu präsentieren. Falls ihr das schon macht: beibehalten!
Auch gut: "Konservenmusik" vor dem Gig, die in der Intensität bis zum Auftrittsbeginn langsam anzieht. Kann man vielleicht sogar als Teil der Show betrachten und mit einer festen Playlist entsprechend vorbereiten.
Drittens:
Ich kenne weder eure PA noch den Tonmeister - du schreibst ja, daß das Profiniveau hat, insofern sind die Hinweise evtl. überflüssig. Trotzdem, für andere Mitlesende ohne große Mittel:
Die PA darf auf keinen Fall unterdimensioniert sein. Lieber zu groß! Die richtig unangenehmen, schmerzenden Töne sind clippende Höhen. Die müssen beim Mix für älteres Publikum
um jeden Preis vermieden werden. Imo ist es deswegen auch unabdingbar, Limiter einzusetzen, um Pegelspitzen (Snare!) zu dämpfen.
Man darf auf keinen Fall vergessen: Es liegt nicht an der Lautstärke an sich, sondern an dem wesentlich empfindlicheren Gehör älterer Menschen, das mit Schmerzen auf Klänge reagiert, die jüngere Hörer völlig unbeeindruckt lassen. Es ist eine bewusste Entscheidung, den Mix darauf abzustellen: geringere Dynamik, mehr Headroom, weniger Höhen, vor allem aber: jede Form von Clipping sorgfältigst vermeiden. Dann wird auch eine gehobene Lautstärke deutlich erträglicher. Ich gehe jede Wette ein, daß der Toningenieur von Helene Fischer sowas bei seiner Arbeit berücksichtigt
Zuletzt:
Das Ohropax. Klasse Idee, aber (wg. Priming, s.o.) auf keinen Fall von sich aus und stilschweigend anbieten. Das geht ziemlich sicher nach hinten los.
Besser ist, wenn der Chorleiter das im laufenden Konzert anlassbezogen(!) anbietet. Soll heissen: wenn jemand zur Bühne kommt und sich beschwert, dann muss die Not schon sehr groß sein. Störungen haben Vorrang (Seminarleiter-Weisheit

) also muß man das bewusst aufnehmen. Dann nicht mit dem/derjenigen debattieren, sondern anhören und danach das gesamte Publikum ansprechen. Wäre ich Chorleiter, würde ich für diesen akuten Notfall einen Text vorbereiten und als Moderation lernen, der ungefähr so klingt:
"Ich höre gerade, daß einigen unter Ihnen die Lautstärke zu schaffen macht. Für solche Fälle halten wir am Mischpult ( Eingang, Bühnenrand) Gehörschutz bereit, der die Lautstärke für sie angenehmer macht. Wenn Sie ein empfindliches Gehör haben, scheuen Sie sich nicht, unseren Mischer anzusprechen (sich einen davon zu nehmen), das ist umsonst. Dann können wir weiter mit vollem Herzen für sie singen und sie haben auch Freude daran.
Kurzes Nicken zum "Beschwerdeführer" und danken für den Hinweis. Applaus.

... und weiter geht's.
Ich würde damit relativ offensiv umgehen, also den Anlass regelrecht suchen - evtl. ein Zeichen vom Mixer, daß er eine Rückmeldung bekommen hat, aufnehmen, oder mal schaun, ob jemand im Publikum sich sichtbar die Ohren zuhält (aber immerhin nicht rausgeht!) und das dann aufgreifen. Um es auf die Spitze zu treiben: Man kann auch präventiv einfach mal so sagen: "Ich höre grade von unserem Mischer......", wenn man noch nix gehört hat.

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Nach meiner Erfahrung wirkt so etwas souverän und sympathisch und das Thema ist dann wirklich erledigt. Im Gegensatz zu eurem Plakat signalisiert das: Ihr seid uns NICHT egal!
Wer das ganz konsequent macht, gibt mit dem Gehörschutz gleichzeitig Werbematerial aus. Beschwerdemanagement ist Kundenbindung.
Ich würde nicht damit rechnen, daß auch mit all diesem Maßnahmen nicht trotzdem noch jemand kommt und mault - aber ich bin mir sicher, daß es deutlich seltener wird. Und ihr könnt sagen, ihr habt nicht kapituliert, sondern alles getan, was möglich ist, um eurem Publikum entgegenzukommen.
Ich hoffe, ich konnte helfen und ihr findet das umsetzbar. Falls ja, würde ich mich irgendwann mal über eine Rückmeldung freuen.