Weshalb gibt es Akkordeons ohne Reihe verminderter Septakkorde?

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Rolfe
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Hallo liebe Akkordeonenthusiasten,

ich frage mich seit einiger Zeit, weshalb es Akkordeons gibt, die auf der Bassseite eben nicht die Reihe verminderter Septakkorde aufweisen. Das sind ja dann typischerweise die Instrumente mit 40, 60 und 80 Bässen. Eine Bassreihe hat dann fünf Knöpfe. Ein Akkordeon mit 100 Bassknöpfen ist mir noch nicht begegnet.

Folgende Gründe für die fehlende Reihe sehe ich als plausibel an (entspringen jedoch ausschließlich meiner Fantasie):
  1. Ersparnis von Gewicht
  2. Ersparnis von Material und damit Ermöglichung niedrigerer Verkaufspreise
  3. Verminderte Akkorde werden einfach nicht benötigt (zumindest in bestimmten Stilrichtungen)
  4. Verminderte Akkorde werden zwar (ab und an) benötigt, lassen sich aber gut durch andere Basstasten ersetzen
    (siehe folgende Threads: https://www.musiker-board.de/threads/verminderte-akkorde-trotz-fehlender-reihe.673102/, https://www.musiker-board.de/threads/vermind-septakkord-schummeln-ergaenzen.332773/https://www.musiker-board.de/threads/septimakkorde-im-standardbass.322044/,)
Ich habe den Eindruck, dass Akkordeons mit 80 Tasten insbesondere bei den älteren italienischen Fabrikaten (z. B. Marinucci) stark vertreten sind und dass man für solche Instrumente deutlich weniger berappen muss als für deren Pendants, die die verminderten Septakkorde aufweisen.

Es wäre klasse, wenn da jemand von euch Licht ins Dunkel bringen könnte.

Besten Dank vorab, einen musikalischen Tag euch und besten Gruß

PitFfm
 
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Folgende Gründe für die fehlende Reihe sehe ich als plausibel an (entspringen jedoch ausschließlich meiner Fantasie):
  1. Ersparnis von Gewicht
  2. Ersparnis von Material und damit Ermöglichung niedrigerer Verkaufspreise
[...]

Hallo Pit,

zum Thema Gewichtsersparnis kann vielleicht folgende Überlegung helfen:
Zusätzlich benötigte Stimmplatten/Stimmstöcke machen den Löwenanteil aus.
Ein paar zusätzliche Knöpfe mit Drahtstängchen fallen hingegen (im Wortsinne) kaum ins Gewicht.

Gedankenexperiment
Schreibe Dir mal die Töne der Dur- und Moll-Dreiklänge entlang des Quintenzirkels einzeln auf. Und denke dabei immer daran, dass sich alle Stradella-Akkorde aus den jeweils maximal 12 Tönen pro Chor zusammensetzen.
Dann wirst Du sehen, dass schon überraschend schnell alle 12 Töne benötigt werden.

Ein Akkordeon mit weniger 72 Bässen ist das Minimum, um "alle Akkorde" abdecken zu können, darüber gibt es nur Knopf-Wiederholungen zur Vermeidung großer Sprünge.
Interessant und vielleicht überraschend aber ist die Tatsache, dass auch Akkordeons mit weniger als 72 Bässen bereits einen kompletten Simmensatz mit allen 12 Tönen benötigen!

Viele Grüße
Torsten

Edit: Ich habe mal eine kleine Tabelle angehängt, die vom zentralen C ausgehehend nur jeweils zwei Stradella-Schritte weitergeht, also den Grundtonbereich D, G, C, F, Bb abdeckt.

Und dann für jeden benötigten der 12 Töne ein Kreuzchen gesetzt (generell immer die #-Schreibweisen gewählt; das ist zwar musikalisch nicht ganz korrekt aber so sind die Stimmzungen eindeutig beschrieben).
Jeweils zusammen Dur und Moll-Töne kombiniert (d. h. vier Töne pro Grundton, jeweils mit Dur- und Mollterz:

AkkordCC#DD#EFF#GG#AA#B
D-Dur/MollXXXX
G-Dur/MollXXXX
C-Dur/MollXXXX
F-Dur/MollXXXX
Bb-Dur/MollXXXX


Nur bei diesem winzigen Stradella-Umfang benötigt man bereits alle 12 Akkordtöne!
Denn Du siehst, dass in jeder Spalte mindestens ein Kreuzchen ist.

Das wäre praktisch ein 18-Bässiges Akkordeon mit nur Grundbässen mit Dur- und Moll-Akkorden (keine Septakkorde, keine Verminderten).
Das muss man sich mal vor Augen führen: nur 18 Bässe und schon alle 12 Akkordtöne benötigt! :eek:

Durch das Weglassen von verminderten Akkorden spart man also keine einzige Stimmplatte und keinen einzigen Stimmstock ein. Nur ein paar Drähtchen.

Viel wichtiger ist der Platzbedarf der Knöpfe.
Oder eben die in Frankreich beliebte Variante, lieber noch zusätzlich zu den Terzbässen (immer große Terz) auch noch Moll-Terzbässe (mit kleiner Terz) zu haben und dafür eine eigentlich überflüssige Reihe mit Sept- bzw. verminderten Akkorden einzusparen.

Warum überflüssig?
Heute (das war nicht immer so) bestehen alle Stradella-Akkorde aus drei Tönen, obwohl ein Septakkord oder verminderter Septakkord eigentlich aus vier Tönen besteht:
Man lässt jeweils die Quinte weg.
Beispiele:
Ein C7-Akkord braucht deshalb die Stimmplatten C+E+A# (die Quinte G fehlt).
Ein G°7-Akkord braucht die Stimmplatten G+A#+E (die Quinte C# fehlt).
--> Man kann mit dem quintlosen G^7 einen C7 ersetzen, dann hat man eben die Quinte des C7 dabei, aber keinen Grundton.

Es ist also problemlos möglich, die Septim-Reihe komplett einzusparen und Sept-Akkorde durch passende Verminderte ersetzen. So machen das "die Franzosen".

Wenn allerdings Verminderte fehlen, dann "fehlt" tatsächlich etwas, denn sie können nicht durch Dur-, Moll- oder Septakkorde ersetzt werden, weil sie stets eine "störende" große Terz enthalten.

Schlussfolgerung
Akkordeons ohne Verminderte geht wirklich etwas ab.
Da kann man nur spekulieren, dass sie als für Anfänger oder "einfache" Lieder unnötig eingestuft werden.

Viele Grüße
Torsten


Edit²

@Arrigo war schneller und hat sogar auch das C7/G°7-Beispiel zum Septakkord-Ersatz gewählt: :)
Bei den heutigen Akkordeonen aus Klingenthal und Russland hat das aber einen anderen Grund:
C7 = C E (G) B
G0 = G B (Cis/Des) E
C7 geschnitten mit G0 ergibt also E G B
 
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Man muss da unterscheiden:
Früher (vor oder kurz nach dem Krieg) gab es Instrumente mit weniger Bassreihen. Teilweise konnte man sich aussuchen, wieviele Bassreihen man (gegen Aufpreis) wollte.
Das hatte nur Kostengründe. Bei den niedrigen Löhnen damals war generell kein Geld da für Luxusgegenstände.
Ich denke da immer an diesen Gesellen: https://de.wikibooks.org/wiki/Traktorenlexikon:_Ritscher_N
Der entstand, weil für manche Bauern ein Lenkgetriebe und ein vierter Reifen zu teuer waren. Die Lebensgefahr war kein Hindernis.

Bei den heutigen Akkordeonen aus Klingenthal und Russland hat das aber einen anderen Grund:
C7 = C E (G) B
G0 = G B (Cis/Des) E
C7 geschnitten mit G0 ergibt also E G B
Man ersetzt also beim Septimenakkord den Grundton durch die Quinte und erhält einen verminderten Akkord auf der Dominanten (ohne Quinte), also C7 = G0.
Der Verlust ist also nicht so groß und man kommt, falls vorhanden, besser an den vorgelagerten Melodiebass.

Vielleicht braucht man auch, wie in Belgien, Serbien oder Frankreich verbreitet, drei Bassreihen für die Grundbässe, will aber keine sieben Bassreihen.

Bei den Nachkriegsitalienern muss man jedoch ausprobieren, wie das gelöst ist, also ersatzlos gar kein verminderter Akkord oder der Septimenakkord als Mix.
 
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Hallo Pit,
  1. Ersparnis von Gewicht
  2. Ersparnis von Material und damit Ermöglichung niedrigerer Verkaufspreise
  3. Verminderte Akkorde werden einfach nicht benötigt (zumindest in bestimmten Stilrichtungen)
  4. Verminderte Akkorde werden zwar (ab und an) benötigt, lassen sich aber gut durch andere Basstasten ersetzen
    (siehe folgende Threads: https://www.musiker-board.de/threads/verminderte-akkorde-trotz-fehlender-reihe.673102/, https://www.musiker-board.de/threads/vermind-septakkord-schummeln-ergaenzen.332773/https://www.musiker-board.de/threads/septimakkorde-im-standardbass.322044/,)

5. Verbesserung der haptischen Verfügbarkeit von melodischem Bass durch Entfernen einer Reihe von verminderten Septakkorden.:

Fotografia2086.jpg

VG, Vladimir
 
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  1. Ersparnis von Gewicht
  2. Ersparnis von Material und damit Ermöglichung niedrigerer Verkaufspreise
Die Zusammenhänge hat ja be-3 sehr gut erklärt.

Wenn ich mir die Instrumente ohne verminderte Akkordreihe anschaue, dann sind das so gut wie immer kompakte Instrumente (MIII Instrumente mal außen vorgelassen) Ich hab auch so ne alte Verdi II ohne verminderte Septimereihe. Und wenn ich die gegen eine spätere Baureihe hinstelle die dann bereits eine verminderte Septimereihe hat dann wirkt meine olle Verdi II richtig zierlich. Und so wirken auch mich auch andere Instrumente denen die verminderte Reihe fehlt.

Von daher habe ich die Vermutung, dass die Reihe wegelassen wurde um die Gehäusemaße kompakt zu halten, so dass das Instrumente handlicher, mobiler und "reisefreudiger " wurden.

Und wenn das gesamte Gehäuse damit kompakter wird, wird es in der Folge auch leichter, weil ganz einfach weniger Einhausungsmaterial verbaut werden muss. ... Denn früher wurde ein Akkordeon ja tatsächlich auch öfter mal mitgenommen... und Auto war da noch nicht so verbreitet.
 
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Hi Leute,

DANKE euch für eure Mühen! :cheer:

Ich hätte nie gedacht, dass die "Tastenbelegung" bei den Bässen - auch international gesehen - so differieren kann. Ich nahm - fälschlicherweise - an, das sei seit Jahr und Tag überall einheitlich.

Ja, das Gewichtsargument wird wohl entkräftet sein, @Be-3, das hast du überaus anschaulich und lehrreich hergeleitet!

Das Kostenargument scheint wohl tatsächlich nicht von der Hand zu weisen sein, @Arrigo - auch wenn mir das Fehlen einer Bassreihe geringfügig weniger gefährlich erscheint als das Weglassen eines Rades beim "Ritscher N" (wer kennt ihn nicht!?). ;)

Die Verbesserung der Haptik beim Melodiebass hatte ich als nicht Melodiebassspieler natürlich nicht auf dem Radar, @Akkordeonengel, doch dieses Argument ist absolut valide!

In der Tat, @maxito, wirken die 40er, 60er, 80er generell handlicher - absolut ein Pro bei Auswärtstouren mit dem Akko.

Tja, ob all diese Argumente eines Tages wieder zu einem Revival für diesen Akko-Typ führen werden? Die Zeit wird es zeigen...

In diesem Sinne: Ihr habt mir sehr geholfen!

Besten Dank und besten Gruß

PitFfm
 
übrigens alle russischen dreireihigen Knopfakkordeons der einfacheren Bauart haben 100 Bässe. Der einzelne oben ist der Luftknopf.
Gruß, Didilu
 

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Das ist ja auch interessant, @Didilu! Danke für Hinweis und Foto!
 
Ich spiele solch ein Instrument. Eine Weltmeister serino mit 80 Bässen. Bei meinem Repertoire konnte ich bislang Verminderte zu meiner Zufriedenheit ersetzen. Ich habe mich noch nie gefragt, welche Vorteile es haben könnte, sondern öfters mal, was mir dadurch entgeht.?

Im Moment habe ich ein Akkordeon mit 120 Bässen zum Vergleich da und obwohl ich damit klarkomme, spiele ich lieber mit meiner kleinen Kiste.

Das Erreichen der Terzbassreihe mit dem kleinen Finger ist zwar auf dem 120-Bass-Instrument möglich, aber es ist eine ganz andere Bewegung. (Da ich kleine Hände habe?) muss ich dafür die ganze Hand ein wenig nach vorne schieben. Wenn ich auf meinem 80-Bass-Instrument spiele, bleibt die Hand in der Position gleich und rutscht nur nach oben und unten. Das ist für mich viel einfacher und ich bin es einfach so gewöhnt.
 
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Ich spiele solch ein Instrument. Eine Weltmeister serino mit 80 Bässen. Bei meinem Repertoire konnte ich bislang Verminderte zu meiner Zufriedenheit ersetzen. Ich habe mich noch nie gefragt, welche Vorteile es haben könnte, sondern öfters mal, was mir dadurch entgeht.?

Danke, @Akkofant, für deinen Beitrag! Ja, ich stelle mir - nicht immer, aber immer öfter - die gleiche Frage. Von daher: Dir weiter viel Spaß mit deinem 80-Bässer!

Gruß

PitFfm
 
Ich habe mich noch nie gefragt, welche Vorteile es haben könnte, sondern öfters mal, was mir dadurch entgeht.?

Entgehen tut einem da gar nichts!


Denn, weil die Akkordbässe ja nicht aus 4 sondern nur mit 3 Tönen nachgebildet werden, kann man anstelle des Verminderten auch den Septimebass der Reihe "darunter" greifen. Somit hat man die gleiche Funktonalität - Ist nur grifftechnsich etwas anders zu greifen - ist aber kein Problem, sondern nur Gewöhnungssache.

Das mit der Gewöhnung kann natürlich zu Verspielern führen, wenn man nicht regelmäßig so spielt, sondern nur gelegentlich. Weil ja die Bassbegleitung beim Akkordeon sehr automatisiert mitläuft, läuft das Bassspiel meist auch sehr automatisch ab... Und wenn man jetzt von einem Akordoen mit 6 reihigem Standardbass auf ein 5 reihiges wechselt, dann passierts halt meist dass man ab und zu in die falsche Richtung greift, wenn man einen verminderten spielen will, bis man sich wieder dran gewöhnt hat.:redface:


Das Erreichen der Terzbassreihe mit dem kleinen Finger ist zwar auf dem 120-Bass-Instrument möglich, aber es ist eine ganz andere Bewegung. (Da ich kleine Hände habe?) muss ich dafür die ganze Hand ein wenig nach vorne schieben.

Das hängt eigentlich nicht von der Handgröße ab, sondern von der Handhaltung und Positionierung. Sonst müsste ja auch noch eine Hangröße zugeordnet werden: Bis Handschuhgröße 7 nur 5 reihigen Standardbass, für 6 reihigen Standardbass mindestends Handschuhgröße 8 und für vorgelagerten Melodiebass (9 Reihen) mindestens Handschuhgröße 13).

Der Trick besteht eigentlich darin dass man das Handgelenk etwas weiter vorschiebt und damit die Finger nicht eher flach auf die Bassknöpfe legt sondern dann eher von oben draufdrückt .. dann hat man auch mehr Freiheit wie weit der Finger reicht und dann sind auch 6 Reihen kein Problem oder das Spielen von vorgelagertem Melodiebass.
 
das Handgelenk etwas weiter vorschiebt
... genau das meinte ich.
Mit dem 80-Bässer ist das nicht notwendig.

dann sind auch 6 Reihen kein Problem oder das Spielen von vorgelagertem Melodiebass.
interessant! Bin schon länger neugierig den vorgelagerten Melodiebass zu versuchen...
... dachte aber immer, ich hätte eh zu kleine Hände dafür....

dass man das Handgelenk etwas weiter vorschiebt und damit die Finger nicht eher flach auf die Bassknöpfe legt sondern dann eher von oben draufdrückt
Habe nochmal drüber nachgedacht. Meintest Du damit, dass die Hand die ganze Zeit generell weiter vorne liegt?

Ich habe ein bisschen probiert. Es ist extrem unangenehm für mich, auf dem 120-Bässer so (mit Hand weiter vorne) die Verminderten und die 7er zu spielen, auch der Moll-Bass ist sehr unbequem.
Meine Hand muss, so dass ich alle 6 Reihen gut spielen kann, zwei verschiedene Positionen einnehmen. (Beim 80-Bässer reicht eine Position.)

Entgehen tut einem da gar nichts!
Ich bin mir da nicht so sicher. Ich stelle da klanglich schon einen Unterschied fest.

Dann müsste man sich die Frage stellen, warum gibt es überhaupt die "überflüssigen" verminderten Bässe?

Meist entscheide ich mich nicht für den 7er eins tiefer, sondern für den Moll-Akkord mit Terz-Bass eins tiefer, also z. B. c ° = cm + A
Es ist dann also gar kein verminderter Septim-Akkord sondern ein Moll6-Akkord was ich da spiele.(?) Es klingt für mich oft einfach passender.
 

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