Wie singt man Koloraturen richtig?

Primut
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Hallo,

dann auch mal von mir eine Frage in diesem Klassik-Bereich:

Hintergrund: Ich bin seit ziemlich genau zwei Jahren im (Kirchen-) Chor hängengeblieben und singe halt seitdem, habe damals aber
schon recht gute musik. Vorraussetzungen mitgebracht. Der Kantor ist recht ambitioniert und so bin ich beim Mozart-Requiem eingestiegen und jetzt steht (und stand) Händels Messias auf dem Spielplan.

Und ich musste feststellen, dass Händels Koloraturen für Laien (wie mich) ohne Gesangsunterricht und ohne entsprechende entsprechende Erfahrung nicht ansatzweise trivial sind.

Daher interessiert mich jetzt, unabhängig davon, ob ich das selbstständig umsetzen kann oder nicht, wie die richtige Technik für Koloraturgesang funktioniert.
Was ist zu beachten? Wie bekomme ich die Töne in der Geschwindigkeit noch so klar abgesetzt, dass sie nicht verschmieren und trotzdem sauber im Rhythmus bleiben? Wird das eher legato oder staccato gehalten?
Welche Übungen wären dafür hilfreich ( zb Atmung?)?
Lässt sich das überhaupt so einfach erklären oder muss man einfach solange probieren, bis es irgenwann gut klingt?

Also, ich möchte kein Profi werden, aber ich hätte es schon gerne verstanden,- und dann vielleicht wenigstens einen kleinen Teil davon umgesetzt. ;)
 
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Was ist zu beachten? Wie bekomme ich die Töne in der Geschwindigkeit noch so klar abgesetzt, dass sie nicht verschmieren und trotzdem sauber im Rhythmus bleiben?

Bekommt Ihr denn keine Anweisungen im Chor dazu?

Übe sie erst einmal langsam und jeden Ton bewusst. Es sind eigentlich immer irgendwelche Muster erkennbar, die sich wiederholen - Tonleitern, Intervalle, Arpeggien. Mach Dir gegebenenfalls "Packerln" sinnvoller Einheiten und übe von hinten her, immer stückweise.

Wenn Du die Töne, und zwar jeden einzelnen, nicht intus hast, schmiert es ziemlich sicher.

Ob legato oder staccato sollte Euch eigentlich auch der Chorleiter sagen :) Das hängt nämlich davon ab, wie das Stück interpretiert werden soll (und da ich den Messiah noch nicht gesungen oder richtig bewusst gehört habe, kann ich dazu nichts sagen). Es kann helfen, ein bisschen französisch h reinzumischen, dass man sauberer singt.

Gesangsunterricht wäre vielleicht ganz gut, da könntest Du das dann auch ansprechen.
 
Dass das ohne Übung nicht geht, ist mir schon klar und liegt ja auch in der Natur der Dinge. ;)

Ich erschließe mir die Sachen bloß gerne zuerst theoretisch, weil ich einfach effektiver übe, wenn ich das Prinzip dahinter verstanden habe.

Daher meine Frage, ob Koloraturgesang eine spezielle Technik/Art zu singen bedingt bzw. ob die Konzentration auf spezielle Techniken den Koloraturgesang erleichtert oder ob man einfach nur lange genug üben muss wie beim "normalen" Gesang, bis es passt.
Tendenziell habe ich wohl kein Problem mit den Tönen sondern eher mit der Geschwindigkeit.

Na gut, dann werd ich halt einfach "normal" weiterüben.....
 
Na gut, dann werd ich halt einfach "normal" weiterüben.....

Wobei ohne professionele Anleitung die Gefahr besteht, daß es nichts bringt oder sogar kontraproduktiv ist.
Abgesehen davon, daß nicht alle Stimmen gleich gut koloraturfähig sind - je höher und leichter eine Stimme, desto leichter tut sie sich auch mit Koloraturen.
Kannst du nicht Gesangsunterricht bei einer guten klassischen Lehrerin nehmen ? Und wenn du alleine weiterüben willst, wie gehst du es an ?
Ich habe früher ganz gute Erfahrungen mit Vaccai gemacht, kennst du das ?
 
Na ja, mir ging es in erster Linie erstmal um da theoretische Verständnis.
Ob und wie ich das anschließend umsetze, ist noch offen.
D.h. ich habe (leider erst sehr spät) schon Gefallen am Gesang (als das ursprünglichste und direkteste Instrument) gefunden und bin jetzt dabei, meine Stimme auszubauen und dabei zu entdecken und denke, dass sie durchaus Potential hat. Aber ich habe für mich noch keine direkten Ziele formuliert. Richtiger Gesangsunterricht würde sicher viel bringen, würde jedoch auch Zeit- und Geldaufwand bedeuten.
D.h. ich weiß noch gar nicht, wie gut ich letztendlich werden will (und ob ich überhaupt bei der Klassik bleibe, aber das ist ja, wie ich finde, zumindest eine gute Grundlage), derzeit reicht es mir einfach, mich schrittweise weiterzuentwickeln... ;)

...je höher und leichter eine Stimme, desto leichter tut sie sich auch mit Koloraturen.
Ah, dann bin ich als Tenor ja sogar tendenziell im Vorteil.

Ich muss zugeben, so richtig konzentriert länger am Stück zu üben schaffe ich (bisher) recht selten, hab ja auch noch diverse andere Instrumente etc...
Ja, Vaccai kenne ich, aber dazu hat mir bisher (leider) irgendwie die Zeit und die Ruhe gefehlt. Ist aber ein guter Tipp. :great:
 
Zitier mich grad mal selber aus einem anderen Thread wo es um was ähnliches ging:

Dem wäre noch beizufügen, dass gewisse Stimmen von Natur aus beweglicher sind als andere. Aber bis zu einem gewissen Grad kann jede Stimme Koloratur trainieren. In der Klassik gibt es dazu unzählige Übungen, jeder gute GL wird ein ganzes Sortiment davon haben, ansonsten gibt es zB. auch bei Vaccai spezielle Koloraturübungen.
Um Koloraturen oder auch andere Verzierungen sauber singen zu können muss man a) die Technik beherrschen und b) muss man in der Lage sein, die Töne korrekt voraus zu denken, das ist v.a. dann wichtig, wenn die Verzierung melodisch nicht ganz einfach ist, ein gewisses Mass an Gehörbildung wird also auch vorausgesetzt.

Was ich bezüglich Technik wichtig finde: gute sängerische Atmung, u.a. auch um eine Linie singen zu können ohne nach jedem dritten Takt atmen zu müssen, wobei das bei Chorkoloraturen etwas anders ist als bei solistischen, im Chor könnt ihr ja abwechselnd atmen / die richtige Körperspannung: damit "obendrauf" koloriert und verziert werden kann, brauchts gegnügend "Unterbau" / guter Stimmsitz, jedenfalls bei mir merke ich das: wenn der Sitz nicht stimmt, dann läuft die Koloratur nicht wie sie sollte.

Dann: wenn die Koloratur nur auf einen Vokal läuft (was ja oft der Fall ist): Zunge, Lippen und Unterkiefer sehr passiv (locker aber unbeweglich) lassen

Üben tue ich die Koloraturen wie moniaqua es bereits beschrieb stückweise, manchmal von hinten nach vorn, manchmal aber auch von vorn oder ich beginne in der Mitte, je nachdem wie es am besten läuft. Koloraturen ohne Text die nur auf einen Vokal sind (wie z.B. auf ein "a"), was u.U. zum schmieren verführt, zuerst stufenweise unterbrochen mit Konsonanten üben, also zB. nana, naanaa, naaaanaaaa und erst dann aaaaa. Und zu Beginn natürlich immer alles langsamer und Tempo erst steigern, wenn Töne sitzen.

Ansonsten, wenn man in den GU geht, werden, bevor man Koloratur-Literatur singt, zuerst Vokalisen gemacht um die Beweglichkeit der Stimme zu trainieren, kein seriöser GL wird dem Schüler gleich Literatur vorsetzen. Und auch bei den Vokalisen gilt: üben, üben, üben ;)

Bei dir geht es ja aber um Chorkoloraturen und da liegt der Fall noch etwas anders. Die können/dürfen nie so schnell sein, wie solistische Koloraturen, da die Leute ja auch noch exakt miteinander singen müssen. Ein guter Chorleiter wird das berücksichtigen und ein entsprechendes Tempo wählen. Lieber etwas langsamer dafür sauber!

Aber egal ob Chor oder Solo, was ich immer finde: damit eine Koloratur wirklich gut kommt, sollte sie auf jeden Fall am Ende auswendig gesungen werden können. Wenn man mit den Augen immer noch an den Noten klebt, kann es kaum was gescheites werden.


Ah, dann bin ich als Tenor ja sogar tendenziell im Vorteil.

Also mit der Stimmlage hat das im Prinzip nichts zu tun, sondern mit der Leichtigkeit der Stimme. Bei den Männerstimmen kenne ich mich zwar nicht gut aus, aber bei den Frauen ist es definitiv so, dass es ein leichter Mezzo beim Koloratursingen einfacher haben wird als ein schwerer Sopran.
 
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Hi Tonja,

vielen Dank für die hilfreichen, konkreten Tipps. :great:
Ich denke, das hilft mir schon mal weiter.

Ein guter Chorleiter wird das berücksichtigen und ein entsprechendes Tempo wählen. Lieber etwas langsamer dafür sauber!
Das sagst du so schön einfach, allerdings muss ich aus meiner (Kirchen-) Chorerfahrung feststellen, dass man das nicht so pauschal sagen kann! Natürlich ist das immer eine Gratwanderung: Fordern ohne zu überfordern. Unser Chor hat das erstaunlich gut hinbekommen, auch wenn der Bass mitunter vielleicht etwas grummelig klang und der Alt vielleicht stellenweise zu leise war. Wie auch immer.
Hab gerade nachgeschaut: die längsten Koloraturen (1/16) waren 3 1/2 Takte lang bei Tempo Andate Allegro, also ca. 98 bpm. Klar ist das ziemlich grenzwertig für einen Laienchor, aber dewegen kann man Händel doch nicht im "Laientempo" aufführen! Der Kantor hat das (neben dem normalen Üben) zusätzlich auf seine Weise gelöst: Er hat die Orchestrierung erweitert und die Chorstimmen durch passende Instrumente unterstützt.
Und bei einem 80-Personen Chor (ok, waren zwei Chöre ca. 60/20 zusammen) und zusätzlich durch die Kirchenakustik ergibt sich ja immer zwangsläufig eine gewisse Unschärfe. Der Erfolg der beiden Aufführungen hat jedenfalls die Vorgehensweise des Kantors gerechtfertigt. Für musikalisch 100%-ig perfekte Aufführungen geht man dann wohl besser zu Profichören in die Konzerthäuser.

Also mit der Stimmlage hat das im Prinzip nichts zu tun, sondern mit der Leichtigkeit der Stimme.
Ja, das hatte ich auch so verstanden. Deswegen hatte ich auch das "tendenziell" mit einem verstecktem Lächeln eingefügt. ;)
Klar, ich übe natürlich noch an einer leichten Stimme.
 
aber dewegen kann man Händel doch nicht im "Laientempo" aufführen!

Nur damit keine Missverständnisse: ein gewisses Grundtempo sollte natürlich schon eingehalten werden können, also nicht durch die Koloraturen trödeln ;), aber von "ziemlich schnell" zu "sehr schnell" oder "ausserordentlich schnell" gibts ja schon noch etwas Abstufungsmöglichkeiten.

Der Kantor hat das (neben dem normalen Üben) zusätzlich auf seine Weise gelöst: Er hat die Orchestrierung erweitert und die Chorstimmen durch passende Instrumente unterstützt.

Das finde ich eine geschickte Lösung.
Hat meine GL im Prinzip auch schon gemacht: bei Koloraturen wo ich wackelte, meine Stimme mit dem Klavier mitgespielt. Hilft schon rein psychologisch! Bei Solokoloraturen geht das dann allerdings nur beim üben. Irgendwann muss man es dort alleine hinbekommen. Aber beim Chor geht es gut, da lassen sich Instrumente einfügen ohne dass es gross auffällt.
 

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