Alles andere macht hier keinen Sinn, weil ich mich nur darüber ärgere, wenn komplette Anfänger hier Urteile abgeben und sich aufpusten, als hätten sie gerade Rach 3 aufgeführt.
Ich verstehe Deinen Frust über die Diskrepanz zwischen Werbeversprechen und Wirklichkeit. Ich verstehe auch Deinen Frust bezüglich der Vorstellungen die ein Neuling auf einem Gebiet hat, wenn man sie mit der Erfahrung eines langjährigen Insiders vergleicht.
Das ist nicht nur beim Klavier/Digitalpiano Kauf so, sondern überall im Leben. Richtig ist: "Das Bessere ist der Feind des Guten".
In unserer modernen Welt leiden wir unter dem Luxus der schier unbegrenzten Auswahl. Und ich schreibe absichtlich "leiden". Im Gegensatz zur gängigen Markt Theorie ist ab einem gewissen Punkt ein Mehr an Auswahl kein Gewinn mehr. Weder für den Kunden noch für den Hersteller.
Die meisten Dinge lassen sich nur sehr schwer oder sehr langsam wirklich verbessern. Der Druck, sich vom Mitbewerb irgendwie unterscheiden zu müssen produziert daher viele winzige Änderungen, die im Marketing zu Sensationen aufgeblasen werden. Mit jeweils neuen Begriffen für praktisch identische Neuerungen die man sich schützen lassen kann. Seit nunmehr 110 Jahren bekommen wir etwa jährlich "das beste Persil aller Zeiten". Eines das nun endlich Ei-, Blut-, Kakao- und Grasflecken beim ersten Waschgang rückstandslos entfernt - was leider die letzte Version schon versprochen, aber eben nicht gehalten hat.
Als Interessent mit naturgemäß begrenzten Ressourcen muss man nun durch den Dschungel der völlig überzogenen Versprechen und sich für eines der vielen in der Praxis ununterscheidbaren Produkten entscheiden. Immer in der Angst, man hätte etwas "Besseres" bekommen können.
Ein Digital Piano klingt also für den Fachmann mit feinen Ohren und langjähriger Erfahung nicht exakt so wie ein Original Flügel X. Es fühlt sich auch nicht genau so an. Die Frage ist doch: Macht es für mich als Käufer einen
relevanten Unterschied und kann ich diesen im Rahmen meiner begrenzten Ressourcen noch erkennbar verkleinern?
Es ist das Problem zu erkennen: "wann ist es für den beabsichtigten Zweck gut genug". Ich glaube nicht, dass es für die meisten Such und Kauf Anfragen hier zielführend ist, zu viel mit den Welt besten und teuersten Flügeln zu vergleichen. Instrumente, die die meisten ihr Leben lang vermutlich nicht einmal zu Gesicht bekommen. Von der Möglichkeit, selbst darauf zu spielen und dieses Instrument, "weil besser", mal eben so ins Wohnzimmer zu stellen, ganz zu schweigen.
Wenn ein Student mit geringem Einkommen sich ein Auto finanzieren möchte, sind Diskussionen darüber, ob der neue Lexus gegenüber dem Vorjahresmodell mehr Komfort bietet, wenig sinnvoll. Zu meckern, dass in der "Micra" Klasse weder der Sound noch das Fahrgefühl eines Jaguar S-Type aufkommt, ist ebenfalls wenig hilfreich. Eine ganze Generation ist mit dem VW Käfer vollauf glücklich gewesen und hatte nicht das Gefühl, man hätte ihnen etwas wesentliches im Leben unterschlagen.
Das neue Yamaha/Kawai/Roland/... spielt sich also entgegen der Werbeversprechen nicht genau so wie ein Steinway/Bösendorfer/Blüthner/...? Das ist doch nicht wirklich überraschend. Da mir aber im Gegensatz zu einigen Wenigen der direkte Vergleich fehlt, schmerzt mich diese Diskrepanz nur intellektuell. Für mein pianistisches Vorankommen wird das in den nächsten 100 Jahren keinen begrenzenden Faktor darstellen. Es werden mir auch nicht gleich die Ohren abfaulen, wenn der Klang im Abgang leichte Mängel gegenüber dem Superflügel hat, schon mangels Vergleichsmöglichkeit. Wenn mein Spiel nicht so klingt wie auf der CD von Horowitz, liegt's sicher nicht daran. Und ich möchte wetten, dass ich damit nicht die Minderheit darstelle.
Man muss es einfach mal gut genug sein lassen. Zufrieden mit dem was man schon hat oder was man sich leisten kann und nicht nach dem schielen was andere möglicherweise haben könnten. Wenn man immer mit dem Besten vergleicht muss man zwangsläufig von allem anderen enttäuscht sein. Man übersieht dann gerne, wie gut die alternative tatsächlich ist, wenn man immer nur die Differnz nach oben betrachtet. Das Problem haben wir aber nicht nur beim Klavier Kauf, sondern ganz allgemein wenn wir unsere Lebenssituation mit "anderen" vergleichen. Etwas neues und besseres kann man suchen, wenn man feststellt, dass man mit dem Aktuellen im Vorankommen erkennbar behindert wird und genug Kleingeld da ist, einen wesentlichen Verbesserungsfaktor zu kaufen.