Musik studiert, aber kein Berufsmusiker geworden?

Bjoerni
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Hallo Forum,

als Berufsmusiker braucht man kein Hochschulstudium, es reicht, wenn man das Publikum mit Musik unterhalten kann - als Liedermacher, Sänger oder Instrumentalist kann man mit Musik sein Auskommen auch ohne Hochschulabschluß bis ins Rentenalter sichern, mancher wird mit seiner Filmmusik sogar zum Oscar-Gewinner und Millionär - wie z.B. Hans Zimmer mit seiner Filmmusik König der Löwen.

So denke ich mir, daß ein Absolvent der Musikhochschule bessere Möglichkeiten hätte, sich als Berufsmusiker zu etablieren, zumal die größten Hürden (über 10-15 oder gar 20 Jahre tägliches stundenlanges Üben, Verzicht auf Freizeit, Wettbewerbe, Prüfungen ...) erfolgreich genommen wurden. Und es überrascht mich immer wieder, wie viele studierte Musiker dann doch in einem anderen Beruf, der mit Musik nichts zu tun hat, landen. Warum? :unsure:
Jetzt, nachdem die ganzen Pflichten erfüllt sind und endlich ein freies kreatives Leben beginnen kann, warum werfen viele die Flinte ins Korn und fangen etwas ganz anderes an?

Ich will nicht spekulieren, deshalb frage ich Euch, die ein Musikstudium absolviert haben, und dann doch keine Berufsmusiker geworden sind, warum?
  • Welche Gründe hattet Ihr, Musik zu studieren?
  • Welche Gründe hattet Ihr, den Beruf Musiker abzuwerfen und auf einen anderen umzusteigen?

Gruß, Bjoern
 
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vielfach geschrieben, nochmals wiederholt...

Ich habe klass. Schlagwerk studiert und anschließend noch Maschinenbau und dann recht schnell auch die Firma übernommen von Vater/Großvater.

Mein Vater hat mir das Musikstudium "gegönnt", aber es war klar, einer muß die Firma übernehmen - meine Geschwister waren dazu völlig untalentiert.
Meine drei Geschwister haben ebenfalls Musik studiert (Gesang+Klavier/Gesang+Gitarre/Gesang+Cello) und bis zur Pension/Tod als Berufsmusiker gearbeitet.
Meine beiden Schwester konnten trotz Festanstellung bei einem bekannten dt. Opernchor nur durch Klavier- bzw. Gitarrenunterricht einigermaßen sorgenfrei leben. Mein Bruder hat eine gesangliche Nische gefunden und hat als Freelancer relativ komfortabel gelebt.

Ich habe ein Leben lang hochklassig und ziemlich viel Musik gemacht, hatte aber nie den Zwang, davon leben zu müssen.

Aber man muß bedenken, es war eine "andere Zeit", ich bin Jahrgang 1950, meine Geschwister sind älter.
 
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... weil für viele ein freies kreatives Leben nicht zuletzt von einer gehörigen Portion Glück abhängt.

Mein aktueller Geigenlehrer (ähnliches Alter wie @WilliamBasie) hat nie formal Violine studiert, aber bis zu seiner Pensionierung in einem öffentlich finanzierten Berufsorchester gespielt. Seine Frau hat zwar Violine u. Viola studiert, aber mit einer Festanstellung hat es nie geklappt. Sie hat sich recht bald beruflich umorientiert, macht Musik nur noch als Hobby.

Musik kann einer der schönsten Studiengänge sein, ist aber noch lange keine Garantie, im Berufsleben auch Fuß zu fassen. Zudem hat sich die Zahl der Orchester mittlerweile deutlich reduziert. Gab es 1992 noch 168 öffentlich finanzierte Berufsorchester, seitdem wurden 39 davon aufgelöst oder fusionert, die Zahl der Planstellen ist um knapp 20% zurückgegangen.
 
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@WilliamBasie
Ich danke Dir für Deine ungewöhnlich interessante Geschichte. :great:

Ja, damals waren ganz andere Zeiten, ich bin drei Jahre älter als Du, und weiß, daß für unsere Generation ein Studium gar nicht so selbstverständlich war, wie es heute der Fall ist. Um so erfreulicher finde ich, daß Du Deine Musikliebe auf Deine Art leben durftest.

@Amateurdiva
Damals, vor 50-60 Jahren, war es in Deutschland deutlich leichter, eine Stelle in einem Orchester zu bekommen, als heute, zumindest für die männlichen Musiker. Frauen konnten vielleicht noch auf eine Stelle in einem Opernchor hoffen, aber in den Orchestern sah man sie nur vereinzelt, bei den Berliner Philharmonikern gab es lange, lange (bis in die 1980er) keine Frau.

Gruß, Bjoern
 
Ich habe zwar nicht studiert, melde mich aber auch kurz zum Startbeitrag:

Ich bin mir nicht sicher, ob das Berufsmusikertum in einem Orchester als....
freies kreatives Leben
... durchgehen kann. Hast Du mal mit Orchestermusikern gesprochen, ob die das so sehen? Oder doch eher auch nur als einen Job mit vielen Terminen und schwierigen Arbeitszeiten, um mit Hilfe seines Talents Essen auf den Tisch zu bringen? Nicht jeder schafft es bis zum Star-Solisten - und bleibt es bis zum Ruhestand.

Genauso dürfte es sich in allem Musikstilen verhalten. Wenn... man eine Durchbruch schafft, kann das schnell viel einbringen. Aber die Allerwenigsten halten sich dann dauerhaft "oben".

PS: Wir waren auch ein musikalischer Haushalt. Ich (Jahrgang 1963) spiele seit ich 6 war. Meine Mutter war am Konservatorium, Kirchenmusik, hätte ein Beruf werden können - dann kamen die Kinder. So war das auch damals.
 
Oder doch eher auch nur als einen Job mit vielen Terminen und schwierigen Arbeitszeiten, um mit Hilfe seines Talents Essen auf den Tisch zu bringen? Nicht jeder schafft es bis zum Star-Solisten
Die meisten Orchestermusiker-innen, die ich kenne, wollen gar keine Star-Solisten werden, machen aber ihre Arbeit gern.
Viel hängt vom Chef und von der Atmosphäre im Kollegium ab. Da gibt es die ganze Spannweite.

"Frei und kreativ" machen einige noch Musik nebenbei. Also Kammermusik, Folk-Klezmer-usw Bands, wechselnde Besetzungen oder Soloprojekte. Und Unterrichten natürlich.

Welche Gründe hattet Ihr, den Beruf Musiker abzuwerfen und auf einen anderen umzusteigen?
Ich habe nur bis zum Vordiplom studiert und dann aufgehört. Ich war nicht so gut, wie ich hätte sein wollen, deshalb habe ich meine Aussichten auf eine erfüllende Arbeit als Musiker eher schlecht eingeschätzt, und ich hatte zu wenig Traute, mich nochmal außerhalb meines direkten Hauptfachs umzuschauen. War im Rückblick auch OK so, nebenberuflich Musik ist bis zu einem gewissen Grad gut möglich.
Besser als Musiker zu sein und nebenberuflich 8 Wochenstunden Zahnarzt, Automechaniker oder Staatsanwalt zu machen ;)
 
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@MucCowboy
Persönlich kenne ich nur Einzelfälle, und auch die nur flüchtig. Darunter ist ein Cellist aus Ukraine (lebt schon lange in Deutschland), der eine feste Stelle in einem regionalen Orchester hat, die er sehr schätzt. Ob nun Brahms, Mozart, Bach oder Weihnachtslieder - er ist immer mit ganzem Herzen dabei, und er ist glücklich und dankbar, daß er mit der Musik (das Einzige, was er wirklich gut kann) seine Familie ernähren kann. Er nannte es: Daß er seiner Familie etwas bieten kann. Daraus habe ich verstanden, daß er mit seiner Arbeit und mit seinem Gehalt zufrieden ist.
Für ihn bedeutet Freiheit, beruflich in einem Ensemble Cello zu spielen, auf das Repertoire ist er nicht so festgelegt, er spielt das, was die Menschen hören wollen - sie zahlen den Eintritt, er unterhält sie mit seinem Können.

Nun weiß ich nicht, wie sich deutsche Musikstudenten ihr späteres Berufsleben vorstellen, da wird es wohl kein einheitliches Bild geben.

Ich habe nur bis zum Vordiplom studiert und dann aufgehört.

Das passiert auch anderen Studenten (Techniker, Naturwissenschaftler), daß sie erst im Studium merken, daß der eingeschlagene Weg nicht dahin führt, was sie für sich geplant hatten. Manchmal kann man leicht ausweichen, manchmal muß man einen neuen Anfang wagen.

nebenberuflich Musik ist bis zu einem gewissen Grad gut möglich.

Du bist aber noch am Instrument, oder?

Es hat mich schockiert, als ich über eine junge Frau (heute ist sie etwa 35 Jahre alt und hat keine Kinder) erfahren mußte, daß sie nach dem erfolgreichen Abschluß der Musikhochschule das Instrument abgelegt hat und arbeitet in der Verwaltung irgendeiner Musik-fördernden Institution. :unsure: Sicherlich bringt sie in den Job fundierte Musikkenntnisse und Erfahrungen, aber sie hatte seit ihrem 5. Lebensjahr jeden Tag 4 Stunden (vor den Wettbewerben auch 6 Stunden) geübt, dann Musikgymnasium, erfolgreich bei JuMu-Wettbewerben, Musikhochschule und dann - keine Berufsmusikerin? Kein Instrument mehr?

Als promovierter Chemiker wird man auch nicht überall mit offenen Armen und sechsstelligem Jahresgehalt erwartet, man muß in seinem Curriculum Vitae schon einiges vorweisen und oft auch noch die eine oder andere Kröte schlucken, aber mit einer so sehr einseitigen Ausbildung (ausschließlich Musikschulen) wie bei dieser jungen Frau, sind die Ausweichmöglichkeiten sehr begrenzt. ¯\_(ツ)_/¯

Gruß, Bjoern
 
Es hat mich schockiert
Ich arbeite bei einer mittelständischen IT-Beratungsfirma und unter meinen Kolleginnen und Kollegen sind oder waren mehrere, die zuvor Musik studiert und teilweise auch in entsprechenden Berufen gearbeitet haben. Ich schätze die alle als kompetente Kollegen. Die haben alle unterschiedliche und gute Gründe, weshalb sie nicht mit Musik ihren Lebensunterhalt verdienen.

Nimm an, jemand hat Philosophie studiert oder Altphilologie. Bist du dann auch schockiert, so jemand anschließend fachfremd arbeitet?
 
keine Berufsmusikerin? Kein Instrument mehr?
Das erste ist voll verständlich. Das zweite nicht.

Das passiert auch anderen Studenten
Danke für Deinen Trost. Für mich fühle es sich damals wie eine Befreiung an, ich habe ein Jahr lang kaum gespielt.
Dann ergab sich das ein oder andere und ich mache ziemlich viel Musik. Insgesamt hat sich das Studium schon gelohnt, ich habe da viel gelernt, was mir sehr genützt hat. Ich hätte damals vielleicht etwas weniger darauf hören sollen, was die Dozenten und Profs wollten und mehr überlegen, was ich selber will.
 
Moin,

in meinem (Schul-) Freundeskreis gibt es einen klassischen Musikbeamten und einen freiberuflichen Jazzer. Nach allem, was ich von den beiden mitbekomme, sind das sehr schöne, aber auch sehr fordernde Berufe.

Und nein, das schwerste hat man wohl nach dem Studium noch nicht geschafft: um im Orchester aufgenommen zu werden, ist wieder ein Vorspiel erforderlich. Wechseln, wenn's dann doch nicht gefällt (aus Gründen abseits der Musik)? Schwierig bis unmöglich, denn es müsste erneut vorgespielt werden, und den Stunt im fortgeschrittenen Alter noch zu schaffen, muss wohl ein ziemlicher Alptraum sein. Als Risiken warten Berufskrankheiten wie Schwerhörigkeit, Gelenkverschleiß, Rückenprobleme. Hinzu kommt, dass es immer weniger Orchester und mithin Planstellen gibt. Seit Beginn der 90er ist die Anzahl der Planstellen um fast 20% zurückgegangen. (Die Stabilisierung der letzten Jahre kann täuschen: zu leicht lässt sich im Kulturbereich der Rotstift ansetzen.) Die Zahl der AbsolventInnen ist jedoch seit 2002 um 50% gestiegen. Nicht eben ein einfaches Umfeld für die Jobsuche.

Und als Freischaffende/r? Musst du dich neben der eigentlichen Musik "nebenbei" (sprich: die meiste Zeit) um so lustige Dinge wie Werbung, Steuern, Logistik und ähnliches kümmern.

Ich bin jedes Mal froh, viel zu faul zu sein, um mir jemals ein Instrument zum Vorspiel draufzuschaffen - geschweige denn zwei! Ein day job ohne Musik ist in vielerlei Hinsicht die bessere Wahl für mich.

Insofern kann ich jede und jeden verstehen, der/die nach dem Studium einen völlig anderen Weg einschlägt.

Beste Grüße
Markus
 
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Gegendarstellung:
Abitur 1989, dann 1 Jahr Grundwehrdienst in der Bundeswehr.
Musikalisch und mit Mathe begabt.
Drumcomputer und Anfänge an DAWs schienen schon den Drummer aus Fleisch und Blut Anfang der 90iger aufs Abstellgleis zu hieven.
Banklehre gemacht, über die Jahre in einem Fachbereich spezialisiert.
Ich verdiene wahrscheinlich wesentlich mehr in dem Job, als ein "Profi-Drummer" und kann Musikmachen ohne psychischen Stress im Hinterkopf ausüben.

Habe mir darüber hinaus auch diverse Recordingfähigkeiten angeeignet. :tongue:
 
Natürlich gibt es viele Argumente, es genau so zu machen, wenn man die Wahl hat und mehrere Talente.
Fakt ist aber auch, dass man mit Job und evtl Familie musikalisch wohl nicht über ein gewisses Level hinauskommt, weil einfach die Zeit fehlt. Auch zeitlich ist es mit Tourneen, Proben ua schwierig.
Wer wirklich mit ganzem Herzen Musik machen will, wäre unglücklich, als Bankberater täglich 8h abzusitzen.
 
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Nimm an, jemand hat Philosophie studiert oder Altphilologie. Bist du dann auch schockiert, so jemand anschließend fachfremd arbeitet?

Nein, es kommt schon recht häufig vor, daß jemand "umschult" und den Beruf wechselt. Das aber meine ich nicht. Ich versuche es etwas näher zu erklären.

Manche Kinder wissen schon mit 8 Jahren: Ich werde ein Tierarzt. Sie leben eine ganz "normale" Kindheit - Schule und Freizeit (Hobbys, Sport, "ein bißchen" Musikschule) und verbringen ihre Zeit auf mehreren Gebieten, wo sie ihre Fähigkeiten spielerisch und mit Spaß entdecken und vertiefen. Kurz vor dem Abi wählen sie dann ihren Wunschberuf und das entsprechende Studium oder eine Berufsschule. Nur wenige der Kinder werden dann ihren Kindheitstraum realisieren, weil sie ihre Interessen in den letzten 10 Jahren auf andere Wege brachten: Tiermedizin ist jetzt für den Jugendlichen nicht so interessant wie Maschinenbau, und dementsprechend wird auch das Studium und der Beruf gewählt. Kein Problem, denn die Freizeittätigkeiten waren über die 10 Jahre breit gestreut, und in die "Investition" in die Tiermedizin hält sich in grenzen.

Wenn sich aber ein Kind mit 5-6 Jahren auf ein Musikinstrument festlegt, 4-5 Stunden täglich an dem Instrument verbringt, die Schule ist auch auf Musik ausgerichtet und nach dem Abi wird es die Musikhochschule, dann hat dieses Kind seine ganze Kindheit und Jugend (15-20 Jahre seines bisherigen Lebens!) dem Musikstudium gewidmet. Die Investition in den Musik-Beruf war extrem hoch, als daß man einfach sagen könnte: Eigentlich will ich lieber Architektur studieren.
Auf der anderen Seite weiß ich nicht, welche Chancen ein Jugendlicher hätte, Berufsmusiker zu werden (sagen wir: Violine in einem Orchester), wenn er mit der Violine erst nach dem Abi beginnt. Vielleicht ist es dann zu spät, um die Spielstärke zu erreichen, die in einem Orchester verlangt wird.

Mit anderen Worten: Der Tierarzt/Maschinenbauer wählt seinen Berufsweg (Studium an der Uni) mit 18-19 Jahren, der Musiker muß bereits im Kindesalter viel Zeit und Arbeit in die Musik investieren, ohne zu wissen, ob er später diesen Beruf wird ausüben wollen. ¯\_(ツ)_/¯

Dann ergab sich das ein oder andere und ich mache ziemlich viel Musik.
:great:
Insgesamt hat sich das Studium schon gelohnt, ich habe da viel gelernt, was mir sehr genützt hat. Ich hätte damals vielleicht etwas weniger darauf hören sollen, was die Dozenten und Profs wollten und mehr überlegen, was ich selber will.

Du hast Deinen Weg gesucht und gefunden. Nicht jeder Weg verläuft geradlinig, aber die Erfahrungen, die Du auf Deinem Weg gemacht hast, lassen Dich heute Teile des Weges anders bewerten. Manchmal muß man von einem Wunsch zu dem nächsten gehen, bis man seinen wahren Willen findet.


Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Nach dem Abi (wenn man schon "Erwachsen" ist) werden die Berufswünsche gut realisierbar.

@Tone Poet
Endlich jemand, der Tacheles redet.:great:

Deine Beschreibung der Problematik der Berufsmusiker finde ich sehr plastisch, und auch wenn über vieles von dem, was Du schilderst, wenig oder gar nicht in der breiten Öffentlichkeit gesprochen wird, klingt Deine Schilderung sehr glaubwürdig und auch für mich (nur ein spät eingestiegener Hobbymusiker) gut nachvollziehbar, obwohl mir das in der Dimension gar nicht so bekannt/bewußt war.

Vielen Dank für Deinen Beitrag.

Gruß, Bjoern
 
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wenn er mit der Violine erst nach dem Abi beginnt. Vielleicht ist es dann zu spät, um die Spielstärke zu erreichen, die in einem Orchester verlangt wird.
Bei Geige klassisch sicherlich.
Manche Instrumente oder Gesang kann man vielleicht auch später anfangen. Aber nach dem Abi wird es schon knapp.

der Musiker muß bereits im Kindesalter viel Zeit und Arbeit in die Musik investieren, ohne zu wissen, ob er später diesen Beruf wird ausüben wollen.
Man macht das ja nicht primär, um Berufsmusiker zu werden, sondern weil es Spaß macht, weil die Eltern es wollen usw.
Ähnlich wie beim Sport.
Ich würde auch niemandem empfehlen, Profi-Musiker (Turner, Handballer ...) zu werden, der es nicht unbedingt will.
 
der Musiker muß bereits im Kindesalter viel Zeit und Arbeit in die Musik investieren, ohne zu wissen, ob er später diesen Beruf wird ausüben wollen.
Nö, müssen tut niemand irgendwas. Und kein Mensch wird mit fünf oder sechs Jahren "entscheiden", ob er oder sie künftig seinen Lebensunterhalt mit X oder Y verdienen kann oder will. Man tut es, weil es Spaß macht, oder die Eltern gern möchten, dass man ein Instrument lernt.



Was mich an solchen Fäden immer erstaunt, ist die Romantisierung, die ein TE dem Beruf des Musikers zuschreibt, weil "da muss man ja ganz viel studieren, lernen und üben". Es ist gerade so, als würde man dort etwas magisches können. Das ist es nicht. Es ist ein Handwerk, das man erlernt und bei dem man direkt theoretisches Wissen mit praktischer Erfahrung verknüpfen kann/muss.

Ganz ehrlich, ich bin heute noch unendlich glücklich und dankbar, dass ich bereits sehr früh in meiner "musikalischen Karriere" in einem Gitarrenladen arbeiten durfte. Dort hatte ich tagtäglich mit Berufsmusikern zu tun (und natürlich auch allen anderen Musikbegeisterten). Dieses Tagesgeschäft und meine eigene Erfahrung haben mich gerade noch rechtzeitig - man könnte sagen kurz vor knapp - dazu gebracht, Wirtschaftswissenschaften zu studieren, anstatt mein berufliches Heil in der Musik zu suchen.

Als Musiker in einem Orchester (oder auch einer Band oder als Sessionmusiker) bist Du in genau der selben Position, wie der Bauzeichner, Chemikant, Ingenieur oder Businesskasper: Du musst abliefern. Jeden Tag in gleicher Art und Güte. Vielleicht macht Dir der Job Spaß, trotzdem hast Du eine immer wiederkehrende Lieferverpflichtung. Und was das "viele lernen und üben angeht": Jeder kann mit einer Lehre als Koch problemlos irgendwo als Koch anfangen. Um ein Spitzenkoch zu werden (sowas wie die 1. Geige im Orchester), braucht es da schon erheblich mehr Hingabe und Aufopferung. Von einem Bocuse, der selber ansagt (also sowas wie Frau Mutter und Herr Garrett) wollen wir da noch gar nicht im Ansatz sprechen, wie man sich schinden und permanent investieren muss. Ich hatte Gelegenheit, mit Holger Stromberg und Tim Raue bevor sie ihren jeweiligen Durchbruch hatten, häufiger zu sprechen. Diese Ausbildungsmühlen sind körperlich und geistig absolute Höchstanforderungen und auch hier wird nicht jeder ein Star.

Persönlich finde ich am Beruf des Musikers mit Diplom und Konservatorium o.ä. wenig Romantisches - zumindest nicht mehr, als an jedem anderen Berufsbild. Es ist wie überall im Leben: Wenn Du nichts zur Party mitbringst, was nicht auch jeder andere mit dem Background mitbringt, bist Du nicht mehr als Schütze Arsch im letzten Glied. An den siebten Kartoffelsalat erinnert sich kein Schwein. An das geile Aioli, das sonst keiner mitbringt, alle.

Warum bin ich selbst so froh, NICHT Musiker geworden zu sein (ein Musikstudium hätte an meiner Ausgangslage nichts verändert)?
  1. Im Laden habe ich permanent aus allererster Hand mitbekommen, wie auch hervorragende Musiker immer von der Hand in den Mund leben und ein Großteil sich mit dem "morgen schreib' ich einen Hit" selber eine unerreichbare Karotte vor die Nase gehalten hat.
  2. Das Leistungsniveau allein im Großraum Frankfurt und Umgebung war in den 80ern so unfassbar gut, dass ich mir keine Illusionen gemacht habe, mehr als den x-ten Kartoffelsalat auf der Pfanne zu haben - aus einer Familie von Kaufleuten stammend, war das für mich dann ein no-brainer.
Das war in keiner Weise ein "Aufgeben", sondern lediglich die nüchterne Abwägung von Chancen und Risiken. Die Romantik habe ich mir im Leben immer für das andere Geschlecht bzw. später die Familie aufgehoben und aus anderen Lebensbereichen vollständig herausgehalten.
 
Grund: Tippsies
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P.S.: Banken und Versicherungen suchen aktuell wg. des Problems ausscheidende Babyboomer auch gerne Quereinsteiger.
 
Was mich an solchen Fäden immer erstaunt, ist die Romantisierung, die ein TE dem Beruf des Musikers zuschreibt

Von Romantisierung kann keine Rede sein, ich sehe den Musikerberuf als harte Arbeit, und die Vorbereitung auf diesen Beruf ist bereits in der Kindheit mit harter Arbeit und Disziplin verbunden. Das kann dem Kind Spaß machen - Spaß und Freude stelle ich gar nicht in Frage.
Was in mir aber Fragen aufwirft ist die hohe Investition an Zeit und Arbeit in einen Beruf, von dem man nicht weiß, ob man ihn am Ende ausüben will.

Man tut es, weil es Spaß macht, oder die Eltern gern möchten, dass man ein Instrument lernt.

Über diesen Satz muß ich etwas intensiver nachdenken.

Ganz ehrlich, ich bin heute noch unendlich glücklich und dankbar, dass ich bereits sehr früh in meiner "musikalischen Karriere" in einem Gitarrenladen arbeiten durfte. Dort hatte ich tagtäglich mit Berufsmusikern zu tun (und natürlich auch allen anderen Musikbegeisterten). Dieses Tagesgeschäft und meine eigene Erfahrung haben mich gerade noch rechtzeitig - man könnte sagen kurz vor knapp - dazu gebracht, Wirtschaftswissenschaften zu studieren, anstatt mein berufliches Heil in der Musik zu suchen.

Genau das meine ich - bevor man die Berufswahl trifft, den Beruf (und seine Schattenseiten) erstmal beschnuppern, Erfahrungen sammeln und dann größere Investitionen (mehrjähriges Studium, Praktikum, Auslandsreisen ...) tätigen.

Gruß, Bjoern
 
die Vorbereitung auf diesen Beruf ist bereits in der Kindheit mit harter Arbeit und Disziplin verbunden
Wie kommst Du denn darauf? Du lernst ein Instrument oder mehrere und dazu nach und nach den theoretischen Unterbau und die Konzepte, hast Unterricht, ... fertig ist der Lack. Dann studierst Du - wenn Du magst. Meine Güte, mein erster Gitarrenleher studierte klassische Gitarre in Frankfurt und kam aus keinem musikalischen Elternhaus, sondern eher einem wirtschaftlich nicht gut gestellten. Der lernte ganz stinknormal Gitarre ohne Stress und hatte Lust, das zu seinem Beruf zu machen. Also studierte er. Da war nix mit entbehrungsreichem Leben auf Grund von 24/7-Üben.

Was Du eventuell meinst, sind überambitionierte Eltern, die versuchen, ihren mutmaßlich hochbegabten Nachwuchs dahin zu peitschen.

Was in mir aber Fragen aufwirft ist die hohe Investition an Zeit und Arbeit in einen Beruf, von dem man nicht weiß, ob man ihn am Ende ausüben will.
Wieso meinst Du, dass man sich hier mehr kasteien müsste, als jemand, der mathematisch interessiert ist und z.B. Maschinenbau oder Physik studieren möchte. In jedem Fall/Beruf kann man feststellen, dass man gerade auf dem vollkommen falschen Pferd sitzt und dann macht man etwas anderes. Ich komme aus dem Asset Management. Viele erfolgreiche Portfolioexperten kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen und sind erst im zweiten Schritt Finanzanalysten. Da habe ich Geologen, Philosophen, Juristen und jede Menge andere Studienabschlüsse - teils mit Promotion - erlebt, die dann in einen komplett anderen Bereich gegangen sind. Ganz nebenbei: Auslandsreisen sind für so ziemlich jedes Berufsbild möglich, um Erfahrungen zu sammeln. Handwerker unterziehen sich immer noch der wunderbaren Tradition der "Walz".
 
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Was in mir aber Fragen aufwirft ist die hohe Investition an Zeit und Arbeit in einen Beruf, von dem man nicht weiß, ob man ihn am Ende ausüben will.
Du investierst ja nicht in einen Beruf, sondern in Wissen und Können, Persönlichkeitsentwicklung, usw.

Was ich alleine durch die Musik an coolen Leuten kennengelernt habe, die ich sonst nicht kennen würde, lohnt fast schon das Zeit-Investment ;)

Andere Kinder gehen zum Fußball, Handball, manche bauen Modelleisenbahnen ... Irgendwas muss man sowieso mit seiner Zeit machen.
Musik ist halt was, wo man wirklich über viele Jahre immer was dazulernen kann und sich weiterentwickeln. Noch dazu hat man mit einer musikalischen Bildung auch mehr Freude beim Musik-Hören.
(Allerdings kann ich manche Musik auch nicht mehr hören ...) Man kann im Chor singen, in Bands spielen. Immer wenn ich in eine neue Stadt gezogen bin, habe ich mich erstmal musikalisch umgeschaut und da eigentlich immer Leute kennengelernt. Chöre sind manchmal auch Partnervermittlungen, kann auch ganz hilfreich sein (ähnlich wie Tanzclubs, Tennisverein). 😇

In einen Beruf investiert man erst, wenn man wirklich studiert. Und auch dann würde ich sagen, wenn es Freude macht, warum nicht? Heutzutage ist man doch nicht festgelegt.
Ich kenne zB einen Bläser, der jetzt Logopäde ist. Ein anderer ist Erzieher geworden. Alle ganz zufrieden, glaube ich,.
 
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