ich glaube man muss unterscheiden, wie weit fortgeschritten man als gitarrist ist. wenn harmonielehre, anschlagstechniken, fingertechnik, noten- oder tabulaturlesen noch probleme machen, ist nachspielen ein adäquates mittel um zu üben. ausserdem ist nachspielen, wenn man es möglichst genau machen will, oder eine schöne interpretation dazu machen möchte, höchst anspruchsvoll. auch kann es als ideensammlung ganz interessant sein.
allerdings denke ich, dass nachspielen bei fortgeschrittenen nur in einem ersten schritt noch sinn macht. viel wichtiger ist zu erkennen, was genau die spielweise eines beliebig gewählten gitarristen ausmacht. ich mach mal ein beispiel:
ich möchte gerne so was wie "little wing" spielen, es aber nicht kopieren. ich schau mir die struktur an, effekte, wie macht hendrix die übergänge etc. und komponiere dann ein eigenes lied, das mit "little wing" nur im charakter übereinstimmt, ansonsten hat es eine total andere melodie, andere harmonien, andere rhytmen und übergänge, ja sogar eine andere struktur - und trotzdem tönt es nach hendrix mit einer persönlichen note meinerseits.
um das zu machen kann man sich selbstverständlich "little wing" bis ins detail zu gemühte führen und note für note analysieren oder es einfach ein paar mal hören und auf dieser basis was anderes draus machen.
wichtig finde ich überigens auch, wie einige vorredner schon angemerkt haben, über den eigenen tellerrand zu schauen um sich seines spiels bewusst zu werden. dazu mögliche fragen: wie baut herbie hancock am piano ein solo auf? was macht wayne shorter oder coltrane am saxofon und wie unterscheiden sie sich? warum wirken bachs orgelkonzerte so wuchtig? was finde ich speziell an jimmy pages solo in stairways to heaven? wie ist die harmonik eines ravi shankar-stückes? kann ich teile davon für mich verwenden? wie sind die geigen in einem türkischen volkslied arrangiert? wie die gesangslinie von natasha atlas (arab. sängerin) etc. pp.
das tolle daran ist, dass man selten 1:1 kopieren kann und man sich überlegen muss, wie man bspw drei geigen mit nur einer gitarre adäquat representieren kann oder heisse fusions machen kann zwischen bspw. rock und arabischer musik.
dies soll kein must-do-advice sein sondern stellt lediglich meine arbeitsweise dar, mit welcher ich ausgesprochen gute erfahrungen gemacht habe. zudem schult sie die vielfältigkeit eines jeden gitarristen (oder anderen instumentalisten, resp. sängers) und ist denke ich über aller fortschrittsstufen anwendbar.