Alternative Musik-Notation

Die Punkte über den Zahlen zeigen die Töne der 2. Oktave an und die Punkte unter den Zahlen zeigen analog die Töne des unter der Kernoktave liegenden Tonleiterabschnittes an.
Ich hatte die Punkte über oder unter der Note so verstanden, daß sie sich relativ auf die Oktave der vorangehenden Note beziehen. D.h.: Kein Punkt, kein Wechsel der Oktave.

normanschmidt.net schrieb:
The very first musical example (in the key of G) found in Rousseau's published works shows how to use dots to move from one octave to the one directly above or below.

1622122966471.png
http://normanschmidt.net/rousseau/

Viele Grüße,
McCoy
 
@McCoy
Ja. Du hast völlig recht. Meine Korrektur/EDIT und Dein Posting haben sich überschnitten.
Inzwischen habe ich Deine Lesart verstanden. Bei der Handhabung der Punkte unterscheidet sich Rousseaus Notation von der Chinesischen Notation.

Viele Grüße
Lisa
 
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In der Antike war Musik übrigens der Mathematik, nicht der Kunst zugeordnet.
 
Und deshalb: Von mir aus Schwamm drüber.
Wunderbar - dann ist ja der Frieden wieder hergestellt. :great:


Was bedeuten die Buchstaben am Anfang jeder Zeile (a, b, c und d)?
Da sieht man auch Buchstaben am Zeilenanfang. Eine Interpretation dieser Buchstaben habe ich noch nicht entdeckt.

Ich habe Rousseaus "Dissertation sur la Musique moderne" mittlerweile endlich gefunden (bei IMSLP, Lisas Link hätte ich früher brauchen können).
Sie versteckt sich in den "Traités sur la musique" und auf mehreren hundert Seiten breitet sich Rousseau persönlich über seine moderne Notationsform aus.
Das ist der Schlüssel zum Rätsel!

Die Buchstaben am Anfang jeder Zeile...
... zeigen jeweils die aktuelle Oktavlage (!) an.
a bedeutet die tiefste Oktave des "claviers" und die folgenden Buchstaben b, c, d usw. jeweils eine Oktave höher.
Das heißt: bei einem Zeilenwechsel wird per Buchstabe a, b, c, ... die aktuelle Oktavlage, die sich auf "unpunktierte" Ziffern bezieht, angegeben.

@McCoy
Deshalb bin ich der Meinung, Deine Version ist insgesamt eine Oktave zu tief.

Hier meine Version er ersten beiden Zeilen (mit Original-Zeilenumbrüchen mitten im Takt):

1622129003216.png


Das x-Kreuzchen scheint dem alten + (Pralltriller...?) zu entsprechen.
Und am Ende er zweiten Zeile wird's haarig - was soll das c-ähnliche Ding, auch zu Beginn der 3. Zeile direkt nach der ersten 5 und das "d." ganz am Ende?
Wie schreibt Rousseau eigentlich Wiederholungen?

Nun ja, die Primärliteratur liegt ja jetzt vor, ist nur alles etwas breitgetreten und wenig übersichtlich. Erkenntnisse werden sich schon noch einstellen.

Die Kommata und Punkte zwischen den Zahlen sind wohl Pausen? Aber welche? Ich kriege die Taktart nicht heraus. Kreis ist wahrscheinlich auch eine Pause?

Ja: die Kommata teilen den Takt in gleiche Abschnitte ein und der Kreis (die Ziffer 0 in Mediävalziffern bzw. "old style figures" mit Unter- und Oberlängen) stellt eine Pause dar.
Der Punkt nach einer "Notenziffer" verlängert diese - ich habe deshalb in diesen Fällen halbe Noten geschrieben. Also das, was Du als Viertelpausen interpretiert hast, sind wohl eher Verlängerungen der vorangehenden Note, die aber auftrund der Komma-Taktaufteilung innerhalb des nächsten "Abschnitts" fallen.
Die 0 wäre eine Pause, kommt aber in diesem Stück nicht vor, denn das, was in Zeile 2 fast wie eine Null aussieht, ist eine kaputte 6 - aber so hast Du das ja auch gelesen.



Vielleicht kannst Du ja den französichen Originaltext lesen:
Hätte ich Deinen Hinweis früher gesehen, hätte ich nicht so lange gesucht...


Bei der Handhabung der Punkte unterscheidet sich Rousseaus Notation von der Chinesischen Notation.
Genau. Bei Rousseau gelten die Punkte auf für die nachfolgenden Noten und bezeichnen immer einen Oktavwechsel nach oben bzw. unten (also relativ und keine absolute Oktavlage).


Viele Grüße
Torsten
 
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am Ende er zweiten Zeile wird's haarig - was soll das c-ähnliche Ding, auch zu Beginn der 3. Zeile direkt nach der ersten 5 und das "d." ganz am Ende?
Wie schreibt Rousseau eigentlich Wiederholungen?
Da mein Französisch nur sehr rudimentär ist, rate ich jetzt einfach mal nur.
Die Buchstaben am Zeilenende interpretiere ich als Orientierungshilfe in den Oktavlagen.
Zeile 2 startet in der d- Oktave (4. Oktave) Im ersten vollständigen Takt wechselt man zur c-Oktave. Im dritten vollständigen Takt wechselt man wieder eine Oktave nach oben in die d-Oktave und mit der 7 im letzten Takt wieder eine Oktave nach unten; also in die c-Oktave.
Das passt zu Reihe 4, der ein c vorangestellt ist. Warum dann auch noch hinter der ersten Ziffer 5 ein c steht, erschließt sich mir nicht. Im Verlauf der Reihe wechselt man eine Oktave nach oben, wieder runter und wieder rauf und befindet sich somit am Ende der 4. Reihe wieder in der d-Oktave.
Dem entspricht das vor die Reihe 5 gestellte d.
Am Ende der 5. Reihe befindet man sich wieder in der c-Oktave.
Dem entspricht das vor die Reihe 6 gestellte c.
In der 6. Reihe wechselt man mehrmals zwischen der c- und der d-Oktave.
Am Ende landet man dann mit dem letzten Ton in der d-Oktave. Dem entspricht das ans Ende gesetzte d.
Nun steht aber nicht an jedem Zeilenende der Oktav-Buchstabe. Deshalb nehme ich an, dass Oktav-Buchstaben am Zeilenende eine Art Zäsur darstellen bzw. das Ende eines Sinnabschnittes.
Damit das alles nachvollziehbar bleibt, zeige ich das Notenzitat hier noch einmal an:
image004.jpg


Bleibt die Frage nach dem Symbol am Ende der 2. Reihe.
Es wäre durchaus möglich, dass das ein Wiederholungszeichen ist.
Für mich sieht das aus, als würde das eine geschweifte Klammer über 2 senkrechten Strichen (Symbol für 2 Reihen) sein. Das würde dann bedeuten, dass die 2 zuvor gespielten Reihen wiederholt werden.
Vielleicht findet sich dafür in der französischen Erklärung eine Bestätigung.

Ich bin gespannt!

Gruß
Lisa :thumb_twiddle:
 
Zuletzt bearbeitet:
Da mein Französisch nur sehr rudimentär ist, rate ich jetzt einfach mal nur.
Die Buchstaben am Zeilenende interpretiere ich als Orientierungshilfe in den Oktavlagen.

Vor allem ist es schwierig, in dem strukturlosen Endlos-Geschwafel (Entschuldigung, aber es ist so!) überhaupt etwas zu finden (bzw. wiederzufinden)...


Bleibt die Frage nach dem Symbol am Ende der 2. Reihe.
Es wäre durchaus möglich, dass das ein Wiederholungszeichen ist.
[...]
Vielleicht findet sich dafür in der französischen Erklärung eine Bestätigung.

Die Orientierungshilfe stimmt und es hat etwas mit Wiederholungen zu tun: Dieses undefinierbare Zeichen am Ende von Takt ist eine Wiederholungs-Sprungmarke.

Auf Seite 102f. in Deinem Link werden Wiederholungen erklärt:

1622149662931.png


Rot eingekringelt habe ich übrigens den seltenen Fall eines "Fliegenkopfes", d. h. ein Buchstabe, der versehentlich auf dem Kopf gesetzt wurde.

Inhaltlich geht es da um folgendes - und das erklärt auch die sonderbaren zusätzlich eingestreuten Buchstaben:

RAMEAU - Dissertation sur la Musique moderne - Seite 102f schrieb:
Es ist außerdem zu beachten, den Oktavbuchstaben nach jeder ersten und letzten Note von Wiederholungen und Rondos zu setzen, damit man von dort ausgehend immer sicher wissen kann, ob an- oder abzusteigen ist, wenn man wiederholt oder wieder anfängt. All dies wird durch das folgende Beispiel klarer, wobei die Markierung [eigentümliches Zeichen] ein Wiederholungszeichen darstellt.

["Noten"-Beispiel]

Der Buchstabe b, den Sie nach der letzten Note des ersten Teils sehen, zeigt Ihnen, dass um eine Sexte angestiegen werden muss, um wieder am mi des Anfangs anzukommen, da es der übergeordneten Oktave c angehört. Und der Buchstabe c, den Sie jeweils nach der ersten und letzten Note des zweiten Teils sehen, zeigt Ihnen, dass alle beide der selben Oktave angehören und dass folglich um eine Quinte angestiegen werden muss, um vom Ende wieder zum Anfang der Wiederholung zu kommen.


Warum dann auch noch hinter der ersten Ziffer 5 ein c steht, erschließt sich mir nicht. Im Verlauf der Reihe wechselt man eine Oktave nach oben, wieder runter und wieder rauf und befindet sich somit am Ende der 4. Reihe wieder in der d-Oktave.

Siehe Rousseaus "wunderbare" Erklärung oben:
Hinter der ersten Ziffer 5 steht ein c, weil es die "premiere note de la seconde partie", also die erste Note des zweiten Teils, ist.
das c hinter der 7. zeigt, dass man von der "7 der c-Oktave" zur "3 der d-Oktave" kommen muss, also von der 7 aus eine Quarte höher zur 3 des Anfangs muss.

Ebenso steht entsprechend nach der letzten Ziffer des zweiten Teils (ganz am Ende) der Oktavbuchstabe d, weil man sich am Ende in der d-Oktave befindet und somit "ganz leicht" erkennen kann, ob und wie man die Oktavlage anpassen muss, wenn es irgendwo weitergeht...


Rousseau bestätigt also den Verdacht.
Ich kann aber nicht umhin, unser althergebrachtes Notensystem übersichtlicher zu finden (vielleicht bin ich auf voreingenommen oder betriebsblind).

Viele Grüße
Torsten
 
Vor allem ist es schwierig, in dem strukturlosen Endlos-Geschwafel (Entschuldigung, aber es ist so!) überhaupt etwas zu finden (bzw. wiederzufinden)...
Ich finde die Notation von Rousseau etwa so übersichtlich, wie Lilypond-Code. Den würde ich auch nicht vom Blatt spielen wollen.
 
den seltenen Fall eines "Fliegenkopfes"
Witzigerweise steht das Signe de Reprise im Wort-Text spiegelverkehrt zum selben Zeichen im Noten-Zahlen-Text. Ob das wohl Absicht ist? Und ist dieses seltsame 7-ähnliche Symbol nach dem b in der zweiten Reihe dann das Signe de Rondeaux?

Aber auch bei mir: Intuitiv finde ich das System nicht. Wahrscheinlich kommt man mit ein paar Jahren Übung da ganz gut rein. Trotzdem ist es so, daß das Zeichen in Rousseaus "Noten"-Text ja eine Zahl repräsentiert, diese Zahl dann wiederum einem Ton zugeordnet ist. Es ist also ein gedanklicher Umweg über die Zahl nötig. Das Notensymbol in unserem gebräuchlichen Notensystem dagegen repräsentiert direkt den Ton, ohne Umweg. Ich glaube, daß es das ist, was unser Notensystem so intuitiv macht.

Viele Grüße,
McCoy
 
Das x-Kreuzchen scheint dem alten + (Pralltriller...?) zu entsprechen.

x = + dürfte nach der Erstausgabe der Originalkomposition (Rameau: Dardanus, III. Akt, Szene 3: "Une Phrigienne" [Menuet], Paris 1739) die korrekte Lesart sein.

Dein Notenbeispiel beruht offenkundig auf der Rameau-Ausgabe von Vincent d'Indy (Gesamtausgabe Bd. 10, 1905), der im Gegensatz zur Erstausgabe für + das Pralltriller-Zeichen verwendet - so auch über dem g in Takt 6, das in der Rousseau-Übertragung kein Verzierungszeichen aufweist.

Nach Rameau ist das Pralltriller-Symbol als "cadence" zu spielen (Verzierungstabelle in: Pièces de clavecin [1724]). Rousseau hingegen verwendet im "Dictionnaire" (1768, Planche B: Agrémens) für den kadenzierenden Triller (cadence pleine) das Pluszeichen (+), das dann als x in seiner Ziffern-Übertragung jeweils über dem Leitton der Dominante erscheint.

Ich kann aber nicht umhin, unser althergebrachtes Notensystem übersichtlicher zu finden ...

Zu diesem Schluss kommt auch der Autor eines mehrteiligen Artikels über Ziffernnotationen im allgemeinen und Rousseaus System im speziellen, erschienen 1828 in der "Allgemeinen Schulzeitung" - wobei der Artikel sogar eine durchaus brauchbare, einigermaßen knapp gehaltene Zusammenfassung der wesentlichen "Eigenthümlichkeiten" darstellt:
 

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