REVIEW PRS Starla X

EAROSonic
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PRS Starla X

Im Board veröffentlichte ich bereits ein Review meiner PRS SC245. Einer Gitarre, die mir sehr am Herzen liegt. Dies ist auch der Grund, weswegen ich mich nach einer zweiten PRS umschaute. Da zum damaligen Zeitpunkt die Beschaffung einer Singlecut schon recht schwierig war, würde es mit der Zeit nicht einfacher werden, sollte/konnte/durfte sich PRS Nr. 2 schon von der SC245 unterscheiden. Gesetzt war wieder die Korpusform: Singlecut (mit den Custom-Modellen komme ich nicht ganz so gut zurecht). Des Weiteren sollte das neue Modell auch nicht den finanziellen Rahmen sprengen.

Und welches Modell lag hier wohl am nächsten? Die Starla, Starla X bzw. Starla S2. Erstgenannte liegt preislich neu nicht allzu weit von einer SC entfernt, weswegen sie schon einmal aus dem Ranking fiel. Die S2 wäre eine interessante Alternative, da in meiner für dieses Modell bevorzugten Farbe Antique White und mit Birds erhältlich. Allerdings ist die S2 nur mit einem Bigsby-Trem erhältlich. Dies war für mich ein KO-Kriterium. Blieb letztendlich nur noch die Starla X. Die Beschränkung auf nur dieses Modell gestaltete die Suche nicht einfacher.

Bei der Starla X wurden im Gegensatz zur Starla bzw. S2 andere Hölzer für Hals und Korpus verwendet. Hier kam für den Hals Sipo-Mahagoni und für den Korpus Obeche (Abachi) zum Einsatz. Bei Obeche handelt es sich um eine Pflanzenart aus der Familie der Malvengewächse, welches in Afrika beheimatet ist. Bei meiner Recherche zu Obeche stieß ich natürlich auf die Wikipedia-Seite und dort stand unter Ökologie, dass z.B. das deutsche Bundesamt für Naturschutz von der Verwendung des Holzes abrät, da der Abbau nach einem 2007 veröffentlichen Bericht durch planmäßige Ausbeutung und Entnahme der wertvollsten Bäume erfolgt. Auch Greenpeace sieht die Verwendung von Obeche als kritisch an, „da dieses nicht mit einem Umweltzertifikat erhältlich ist und mit größter Wahrscheinlichkeit aus Urwaldzerstörung und Raubbau stammt.“ Keine guten Voraussetzungen für ein beruhigtes Gitarristengewissen!

Auch wenn die Musikindustrie nur kleine Mengen an Holz benötigt und auch ein Umdenken stattfindet (z.B. bei Gibson: Richlite statt Ebenholz), haben wir alle noch dem Verstoß seitens Gibson mit dem zugeschnittenen indischen Palisander und die hitzigen Debatten in Bezug auf die illegale Einfuhr von Rio-Palisander vor Augen. Ich denke, wir sind uns einig, dass keine noch so gute oder teure Gitarre die Vernichtung einer bedrohten Spezies rechtfertigt und so hoffe ich doch stark, dass eine weltweit agierende und erfolgreiche Firma wie PRS an dieser Stelle mit gutem Beispiel vorangeht. Wie war das: Protestsongs gegen Umweltzerstörung auf einer Gitarre mit Rio-Palisandergriffbrett zum Besten geben?!


Fakten:
Meine Starla wurde 2010 gefertigt. Der Korpus wurde in Sepia Burst lackiert, einem Farbton der einen natürlich an alte Fotos und deren verblichener Optik erinnert. Speziell in den helleren Bereichen scheint nicht viel Farbe aufgebracht worden zu sein, erscheint Obeche doch auf vielen Abbildungen im Internet von Natur aus in diesem Farbton. Des Weiteren zeigt sich die Oberfläche frei von Maserungen jeglicher Art. Obeche ist diesbezüglich ein unscheinbares Holz und somit für mich fast schon wie gemacht für eine solch einfach gehaltene Gitarre. Das Ziel von PRS lautete bei der Mira X und Starla X zwar Abstriche bei der Optik zu machen, bei der Qualität allerdings nicht. Soll mir recht sein!

Des Weiteren kamen bei ihr die outputstärkeren Pickups der Mira X zum Einsatz. Dafür muss man bei ihr auf Coilsplitting verzichten. Als kleines Novum wurde die Starla X nicht mit der von PRS bestens bekannten Wraparound aus Alu bestückt, sondern mit einer klassischen Bridge-Stoptailpiece-Kombination á la Les Paul ausgestattet. Im Gegensatz zu den meisten PRSi trägt die Starla X auch ein großes Pickguard, auf dem alle elektrischen Komponenten untergebracht wurden. Dafür ist die Rückseite komplett frei von Ausfräsungen. Die gesamte Elektrik findet unter dem Pickguard, das eine recht ausladende Abmessung aufweist, Platz. So sind alle Komponenten á la Strat von vorne zugänglich. In diesem Zusammenhang kenne ich nur ein Foto einer S2 Starla und hier waren die Ausfräsungen recht großzügig gehalten.

Was gleich auffällt, ist das enorme Gewicht der Starla, nämlich deutlich leichter, als die SC, da auch die Korpusstärke um einiges unter der der SC liegt. Auch muss man bei der Starla auf die schön ausgeformte Deckenwölbung verzichten, sie bietet lediglich die abgeschrägte Armauflage, die wir in so ähnlicher Form von der Strat her kennen.

Auch hier bei der günstigeren PRS ist die Verarbeitung über jeden Zweifel erhaben. Eine PRS, die nix taugt, wird gleich zersägt. Eine zweite Wahl, wie es das mal bei Gibson gab, sucht man bei PRS vergebens. Die Lackierung rund um die Gitarre ist perfekt und spiegelglatt ausgeführt. Zudem hatte ich auch noch das Glück, an ein 4 Jahre altes Exemplar zu geraten, das nahezu dem Neuzustand entspricht. Der Vorbesitzer hat es gehegt und gepflegt, nach jedem Spiel brav in seinen Koffer zurückgelegt und das sieht man ihm an. Nur wenige minimale Kratzer liesen sich auf der Decke finden, die man allerdings ohne weiteres auspolieren könnte. Die Bünde wurden akkurat abgerichtet, kein Grat stört beim Lagenwechsel. Ein ungemein wichtiger Aspekt für stressfreies und freudiges Spiel!


Sound:
Ohne Strom angespielt fällt bereits die hohe Lautstärker, als auch die Balance der einzelnen Saiten zueinander auf. Hier gibt es keine Ausreißer, keine Saite dominiert eine andere. Ihr Grundton liegt in den oberen Mitten, steuerbar die durch Anschlagsintensität und die Plektronhaltung, zart hauchend oder böse fauchend. Im Gegensatz zur SC245 klingt sie etwas hohler und flacher. Ein Umstand, der sich clean gespielt vielleicht etwas suboptimal auswirkt, im verzerrten Bereich jedoch für ein Mehr an Toneschärfe und Biss sorgt.

An den Amp angeschlossen und mit dem Tone einer Les Paul im Ohr muss ich konsternieren, dass auch diese PRS eindeutig moderner klingt. So zeigt sich der Steg-Pickup im Bassbereich etwas zurückhaltender, greift dafür jedoch mit giftigeren Höhen an. Er klingt sehr angriffslustig und auch ungezügelter im Vergleich zur SC245. Er beißt deutlich mehr. Durch das Zurückdrehen lässt er sich schön „entgiften“. Für mich hört sich das durchsetzungsfähiger gegenüber einer Les Paul an. Der Neck-PU dagegen kann nicht so viel Wärme, wie der der 245er transportieren. Dagegen habe ich bei der Starla X das Gefühl, dass die Töne gegenüber der SC schnellster stehen. Dies bedingt die geringere Korpusmaße, durch die die Schwingungen hindurch müssen. Die schöne Dreidimensionalität der SC-Pickups können beide jedoch nicht erreichen.

Im Gegensatz zur SC245 weist die Starla nur je ein Volume- und Tonepoti für beiden Humbucker auf. Dies war der einzige Punkt, der bei mir in Bezug auf die Starla X etwas Skepsis aufkommen ließ. Bei meiner damaligen SE Singlecut konnte ich keinen wirklich überzeugenden Tone in der Zwischenstellung erzielen. Und der ist mir neben dem Bridgetone der Zweitwichtigste. Erstaunlicherweise verhielt sich die Starla X hier anders. Lediglich die tiefe E-Saite zeigt im Mischbetrieb nicht die Basstiefe, die ihr normalerweise zusteht. An der Stelle brachte auch der Test mit einer Gibson ABR keine Verbesserung, es scheinen sich diverse Frequenzen gegenseitig auszulöschen. Hier gilt es, einen besseren Kompromiss zwischen beiden Pickups zu finden oder damit leben zu lernen. Auch eine stärker dimensionierte E-Saite brachte hier keine Verbesserung und war an und für sich auch nicht zu erwarten.

Bescheinigte ich bereits meinen PRS SE-Modellen beste Verarbeitungs- und Klangqualitäten (diese wird durch unzählige Threads und Posts allem Orten bestätigt), so toppt die PRS diese „Hürde“ eindeutig. Der Sound ist so wunderbar facettenreich und dreidimensional, wie man es sich nur wünschen kann und erreicht damit ca. 95 % gegenüber der SC. Es hat den Anschein, dass egal mit welchen Ampeinstellungen man die PRS füttert, sie immer ihr Optimum abgibt. War ich früher einmal skeptisch, ob PRS überhaupt Pickups bauen kann, bin ich nun restlos von ihnen überzeugt. Wer solch solide und handwerklich hochstehend Gitarren produziert, meistert auch die Herstellung von Pickups. Später einmal könnte ich mir einen Test mit Bare Knuckle Nailbomb/Warpig vorstellen. Die habe ich quasi noch zur freien Verfügung zu Hause.


Doch ein Pickups-Modd:
Für meine Gibson Les Paul beschaffte ich mir o.g. Set Bare Knuckle Nailbomb-Neck und auf Grund des Namens das Interesse weckende Warpig für die Bridgeposition. Nun sieht so ein Warpig mit seinen 12 Polpieces zwar nicht klassisch aus, aber ich wollte mal mit meiner eigenen Konfession brechen und so schraubte ich beide erwartungsvoll in die Les Paul (Anmerkung: die normalerweise bei den Starla-Modellen verwandten Pickups weisen ebenfalls sechs Polpieces und sechs Polstifte auf). Mit dem Nailbomb-Neck funktioniert sie bestens. Ein schöner, etwas staubtrockener Tone gab sie zum Besten, sehr fett und kompakt, könnte man lassen. Jedoch als Fehlgriff stellte sich das Warpig heraus. Ich hatte es mir bereits durch das Diagramm auf der BK-Homepage gedacht, dass ein so stark auf Bass fokussierter Pickup Gift für eine Les Paul sein muss! Und was soll ich sagen, genauso kam es dann auch! Außer Bass war von der Les Paul nichts mehr zu hören, da nutzen auch 12 verstellbaren Polpieces nicht. Egal, was & wie ich drehte, dem basslastigen Grundtone war nicht beizukommen.

In die Starls X verpflanzt eine ganz andere Welt. Nailbomb und Warpig ergänzen sich hier auf das Beste. Weiter oben beschrieb ich, dass der Starly X an der Bridge etwas an Bass verloren geht und genau dies fängt das Warping auf. Kein Dröhnen, kein Matsch - vielmehr alles, wie es sein soll. Die Bare Knuckle klingen in ihr im Frequenzgang etwas enger, die Randbereiche sind gegenüber den Stock-PU´s nicht so deutlich hörbar, dafür kommt der Tone aus der Mitte und zwar gewaltig. Die kritische Mittelstellung beider Pickups stellen nun überhaupt kein Problem mehr da, die defizitäre Bassarmut der tiefen E-Saite bleibt jedoch bestehen. Da kann man wohl (vorerst) nix machen. In Summe wird die Starla X durch die beiden Bare Knuckle eindeutig aufgewertet und drückt nun ein ordentliches Pfund heraus. Die bleiben schön, wo sie sind!


Resümee:
Eine PRS für einen unverschämt günstigen Preis, ohne Zierrat, ohne 10 Top, gar ohne Top, aus nicht klassischen Hölzern, Arbeitstier, Underdog und dennoch lässt es PRS nicht an der Qualität mangeln. Hier fühlt man sich auch dem Musiker verpflichtet, der eine originale PRS spielen möchte, jedoch nicht in der Lage ist, 2 – 3K € hierfür auszugeben. Wenn ich bedenke, dass ich für sie weniger, als die Hälfte meiner SC245 gezahlt habe und welchen Spaß sie bereitet, kann man PRS nur gratulieren und sich bedanken, dass sie ein solches Instrument auf die Beine gestellt haben! Auch wenn es die X-Modelle vielleicht nicht mehr oder nicht mehr lange geben sollte, so wird sie bestimmt in den S2-Modellen einen würdigen Nachfolger finden. Bei ihr kommt auch wieder der klassische Holzmix zum Tragen. Somit stellen die X-Variante vielleicht eine kleine illustre Runde und/oder die Basis für PRS zukünftige Suche nach alternativen Materialien im Gitarrenbau dar.

Ein paar Fotos meiner Starla X, die noch vom Verkäufer stammen und sie dementsprechend noch nicht mit den Bare Knuckle zeigen:









Mit Bare Knuckle & Klebe-Bird´s:



Interessantes:
Bei der Starla X ist nun auch ein Faber-Kit verbaut, allerdings Bolzen mit metrischem Gewinde!
 
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Reaktionen: 6 Benutzer
Sehr gutes Review! :);-)
Die Farbe gefällt mir echt gut.
 

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