Artikel: Betaville, 07.01.12, Kulturbahnhof, Jena

TomBom
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Mit Natalie Hünig, Benjamin Mährlein, Mathias Znidarec.

Textfassung und Regie: Jonas Zipf
Musik: Lenard Gimpel
Raum: Samuel Hof

Weißt Du wie dunkel dunkel wirklich ist? Anders, als wenn nachts die Laternen die Sonne ablösen. Anders, als würdest Du zum Schlafen gehen dein Zimmer abdunkeln. Und anders als nachts auf dem Feld, denn da hast Du noch den Mond und die Sterne. Schließ die Augen, halte sie dir richtig zu und warte. Warte bis alles Nachflimmern des Tages vergangen ist, bis deine Augen die letzten Lichtreflexe aufgegeben haben. Willkommen im Dunkel. Hier kann man Theater machen, Dunkeltheater.

In Anlehnung an den Film Blade Runner hat das Theaterhaus Jena zusammen mit dem O-Team, strohlinka e.V. und dem Jenaer Blindenverein ein Live-Hörspiel produziert. Auf der Erde macht eine atomare Katastrophe das Leben unschön, also flieht der Großteil der Menschheit auf einen anderen Planeten. Zurück bleiben Unormale, Menschen, die an der Erde hängen, Menschen, die den Test, ein Mensch zu sein, nicht bestehen, Androiden. Es ist nicht mehr viel los. Hier macht Rick Deckart Jagd auf Menschen, die keine sind, und Gerät in Schwierigkeiten.

Die Zuschauer werden in eine kleinen Gruppen durch verwinkelte Gänge an ihre Plätze geführt. Nach fünf Metern kein Licht mehr, ich orientiere mich an der Schulter des Vordermanns, der hinter mir an meiner. Ich versuche, mir den Weg einzuprägen, die Orientierung zu behalten - sinnlos. Ein paar Biegungen, Stufen und Vorhänge später schießt mir das Wort Vertrauen in den Kopf. Dass ich dem Bereich der Aufführung näher komme, merke ich nur am lauter werdenden Gemurmel der bereits Anwesenden. Dann etwas Erleichterung, der Sitzplatz ist erreicht. Verwirrt bewege ich meinen Kopf, versuche vergeblich einen Blick auf irgendetwas zu erhaschen. Ich weiß nur, dass ich zwischen zwei weiteren Zuschauern sitze. Es dauert eine Weile bis der Raum gefüllt ist. Langsam werden Musik und Soundcollagen eingeblendet und plötzlich sprechen direkt hinter mir Schauspieler ihre ersten Worte. Ich habe sie nicht einmal kommen hören. Und so geht es weiter. Wie sich die Darsteller bewegen, ist nur an durch die Ortung ihrer Stimmen auszumachen. Diese wandern durch das Publikum, verschwinden in Nachbarräumen, hallen durch die angrenzenden Gänge. Anfangs bin ich zu sehr, damit beschäftigt, mich auf die Situation einzustellen, als dass ich mich auf das Stück konzentrieren kann. Immer wieder denke ich, dass etwas mit meinen Augen nicht stimmt. Ich sehe Blitze, Lichtflecken oder bilde mir das nur ein. Es dauert lange, bis ich mich an die Dunkelheit gewöhnt habe. Doch ganz dunkel ist es nicht. Die Neonröhren strahlen ihr letztes Glimmen aus. Ein Orientierungspunkt. Doch auch der verschwindet als gegen Ende der Raum vernebelt wird. Schwarzabgleich. Als dann in den Nebel Licht gestrahlt wird, sind diese diffusen Schwaden zu viel für meine Augen. Machte es vorher keinen Unterschied, ob sie offen oder geschlossen waren, schließe ich sie nun reflexartig. Probeweises Öffnen fühlt sich fremd an, Sehen fühlt sich fremd an. So fremd, dass ich einige Minuten brauche, um den Raum wahrzunehmen und die Menschen, die neben mir und gegenüber sitzen. Ich sehe sie zum ersten Mal. Vorher waren da nur Stimmen.

Benommen gehe ich die nun beleuchteten Gänge hinaus. Der Weg scheint kürzer als beim Hereinführen. Ich kann ihn überhaupt ansehen und er sieht anders aus als er sich zuvor anfühlte. Draußen ist die Nacht hell.

Diese Aufführung ist anders als ein aufgeführtes Hörspiel, sie ist auch anders als das Hörspiel abends aus dem Kopfhörer. Vielleicht ist der beste Surround der echte, der beste Hall der eines echten Raumes. Das Hören wird zum wichtigsten Sinn und lässt einen alles andere vergessen.

Weitere Termine am 01.02., 02.02., 21.03. und 23.03. jeweils 20 Uhr im Kulturbahnhof.
 
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