Chopin Nocturne aus "The Pianist"

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Welche Fassungen gäbe es denn noch oder wurde hier einfach an manchen Stellen improvisiert?

Diese "Nocturne" (in Anführungszeichen, weil diese Einordnung nicht von Chopin stammt, sondern von seiner Schwerster) ist erst postum veröffentlicht worden und es gibt eine "frühe Ausgabe (Fassung nach der Eigenschrift)" und eine "endgültige" Fassung.

Der erste große Unterschied (na ja) besteht in der Diskussion, ob die linke Hand in Takt 8 nun tatsächlich mit fis oder nicht doch lieber mit dis (so spielt es Szpilman auch) beginnen soll.
Ansonsten liegen die kleinen Abweichungen vor allem in den Verzierungen, die Chopin persönlich eventuell auch vor Vortrag zu Vortrag leicht variiert hat.
Da Szpilman auswendig spielt, wie er das Stück wohl sein Leben lang gespielt hat, mag sich da auch seine persönliche Interpretation mit hineingemischt haben. Warum auch nicht.

Er beginn aber auch Takt 16 in der linken Hand mit einem dis, obwohl alle Versionen, die ich durchgeschaut habe, hier eindeutig ein fis haben.

Meine Vermutung ist also: Freies Spiel aus dem Gedächtnis.

Die Abweichungen ab Takt 35 (mit/ohne rechter Hand) weisen daraufhin, dass sich Szpilman wohl and den späteren Ausgaben orientiert hat.

Ich würde die Abweichungen zwischen den veröffentlichten Varianten aber als weniger tragisch ansehen, den berührenden Vortrag von Szpilman machen ganz andere Dinge aus.

Viele Grüße
Torsten
 
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Jan Ekier geht in seiner Ausgabe in der Urtext Edition von Schott / Universal Edition von vier Quellen aus. Dabei wird grundsätzlich unterschieden in eine frühere und eine spätere Fassung.

  1. [Aut 1]: Die frühere Fassung ist in einer Autograph-Reinschrift erhalten. Es sollte sich um diesen Autographen handeln.


  2. [Aut 2] Daneben gab es eine Autograph-Reinschrift der späteren endgültigen Fassung, die allerdings verschollen ist.

    Von Aut2 wurden zwei Kopien angefertigt.

  3. Die erste von Ludwika Jedrzejewicz, die selbst wiederum verlorengegangen ist, von der aber wiederum eine exakte Kopie existiert.

  4. Die zweite wurde von Oskar Kolberg angefertigt und wird in der Öffentlichen Bibliothek von St. Petersburg aufbewahrt.

Von der Kolberg-Kopie gibt es wiederum einige weitere Kopien, die sich aber immer weiter von Aut 2 entfernen und nicht mehr als originalgetreu gelten.

Nun muß man sich klarmachen, daß es früher keine Kopiergeräte oder Scanner, geschweige denn das Internet gab. Wenn man so ein Stück in Noten haben wollte, mußte man eine Ausgabe in Buchform kaufen, oder, wenn man z.B. auf dem Land wohnte und keine Buchhandlung erreichbar war, das Stück abschreiben. Dabei sind Fehler passiert und durchaus auch mal willkürliche Änderungen eingeflossen, weil jemand z.B. meinte, das Stück anders spielen zu müssen. Da hat man dann auch durchaus mal eine eigene, unautorisierte Version in Druck gegeben. Ich denke z.B. an Franz Liszt, der in seiner Ausgabe der Schubert-Impromptus manche Änderungen eingefügt hat, die bis heute ungekennzeichnet in vielen Ausgaben enthalten sind.

Szpilman hat das Stück ja mindestens seit 1939 gespielt, und auch damals war die Quellenlage bei weitem nicht so gesichert wie heute. Ich habe selbst noch so ein paar Vorkriegsnoten aus der Verwandschaft geerbt, und da ist vieles nicht so ganz wissenschaftlich exakt, wie wir das heute gewohnt sind. Wer weiß, aus welcher Ausgabe Szpilman das Stück gelernt hat? Vielleicht hat er es auch nur nach Gehör von einem anderen Pianisten oder von seinem Lehrer gelernt. Und bei all dem kommt dann eben durchaus eine gewisse Variantionsbreite des Notentextes zur Erscheinung.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Ich danke für euren Sachverstand!

Ja, ein paar der kleinen Unterschiede verschiedener Noten sind mir bereits aufgefallen (dis/fis, oder der eventuelle Zweiklang kurze Zeit später bei "Gis sus 4" in Takt 11)


Der erste große Unterschied (na ja) besteht in der Diskussion, ob die linke Hand in Takt 8 nun tatsächlich mit fis oder nicht doch lieber mit dis (so spielt es Szpilman auch) beginnen soll.
Szpilman scheint in der Tat für Verwirrung zu sorgen - er spielt dort tatsächlich ein fis in der linken Hand! ;) Das ist schon der erste Grund, warum ich diese Fassung bevorzuge.

Besonders markant find ich bei seinem Spiel das e in Takt 32 in der Melodie (1:46 im Clip). Das habe ich noch in keiner anderen Ausgabe so gefunden und dachte, es wäre eine mehr oder weniger offizielle Notenfassung bisher an mir vorbeigegangen.

Dann bleibt mir wohl nur noch die Hoffnung, die späteren Fassungen aufzuspüren.

Die Idee von McCoy, dass Szpilman es eventuell unwissentlich aus einer (stark) abgewandelten oder fehlerhaften Fassung gelernt hat, ist mir noch gar nicht gekommen. 💡 Ich dachte, virtuose Pianisten gingen da wissenschaftlich heran und wüssten genau, was sie da spielen und warum, aber man muss es wohl im historischen Kontext sehen.

LG
 
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