Meine Ziele:
- Stücke sofort vom Blatt spielen lernen
- Spieltechnik verbessern
- (für mich) anspruchsvolle Stücke wie von Chopin erlernen
- Das lernen von Skalen zur Improvisation im Bandgefüge
- Freies Begleiten von Songs mit Akkorden (nicht nur starr die Dreiklänge spielen)
Das sind tolle Ziele, ich kann alles gut nachvollziehen.
Ich würde die auf einen Zeithorizont von 5-10 Jahren realistisch sehen. Je nach Schwierigkeitsgrad natürlich.
Aus eigener Erfahrung und auch aus allem, was ich so über Lernen weiß, würde ich Dir empfehlen, diese Fernziele jetzt in kleinere realistischere Schritte aufzuteilen.
Was davon willst Du in einem Jahr können?
Was davon in drei Monaten und in vier Wochen?
Dann findest Du auch viel leichter heraus, was Du konkret üben musst, um diese kurzfristigen Ziele zu erreichen und kannst auch konkret jemanden fragen.
Noch ein paar Worte zu den einzelnen Zielen.
Ziel 1: Blattspiel
Das kann man immer üben. Langsam und immer kurz unter der Leistungsgrenze.
Also wenn es schwer fällt, dann erstmal nur die Hände einzeln und einstimmige übersichtliche Stücke. Und laangsam!
An den nächsten Tagen dann das gleiche Stück. Erkennst Du Dinge wieder? Gehen sie jetzt besser? Versuch zu verstehen, was für Elemente da auftauchen, Akkorde, Tonleitern, typische Abfolgen.
Im Grunde geht es ums schnelle Erkennen von Strukturen und das in eine automatische Bewegung von Hand, Finger usw. umzusetzen.
Das lernt man auch beim Üben nach Noten, beim Erlernen von Stücken.
Gezielter kann man es angehen, wenn man typische Muster erkennen und spielen lernt.
Also klassische Stücke bewusst üben (sich klar machen, was da passiert harmonisch), Tonleitern, Theorie, Kadenzen - das hilft alles extrem beim Blattspiel.
Natürlich dann nicht nur am Klavier, sondern immer nach Noten.
Man liest dann irgendwann nicht mehr einzelne Noten, sondern Akkorde oder ganze Kadenzen. Wie beim Autofahren, wo Du auch nicht mehr an jedes Schild und jede Hand- und Fußbewegung einzeln denken musst. Deshalb sind manche überschaubar strukturierten Stücke dann auch sehr leicht vom Blatt. Bei Bach dagegen geht es immer mal woanders lang als man erwartet - tricky.
Ziel 2:
Technik verbessern.
Das ist so unkonkret, dass es kein Ziel ist, sondern eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Das macht man eigentlich immer.
Versuch mal konkreter, wo es bei Dir aktuell hakt - Tonleitern, Arpeggien, Stride Bass, Akkorde links, ....
Man kann sowas wie Czerny Etüden oder Hanon als allgemeine Technikübungen rannehmen.
Bei mir war immer am Anfang der Stunde eine Tonart dran mit Tonleiter (re, li, zusammen parallel und spiegelbildlich, oder in Terzen, dann die Akkorde, in Umkehrungen, als Arpeggien usw.) - das ist prima zum Einspielen und hilft Dir auch fürs Improvisieren.
Aber eigentlich ist Technik ja nur die Fähigkeit, das was man spielen will, am Klavier umzusetzen. Eine Czerny-Etüde oder eine Tonleiter wird sich kein Publikum anhören, das sind nur Trockenübungen.
Man kann also auch viel "Technik" an den konkreten Stücken arbeiten, die man übt (Chopin, Boogiewoogie, Impro-Patterns usw.)
Also auch hier, brich es mal runter auf konkrete Ziele.
Ziel 3:
Chopin
Das hängt mit Ziel 2 gut zusammen. Fang vielleicht mit einem Walzer oder einer Mazurka an. Oder ein leichteres Prelude. Hier würde ich eine Konsultation mit einem Lehrer wirklich empfehlen, um sich nicht falsche Dinge anzuüben.
Locker, langsam usw., das weißt Du ja alles.
Bei vielen Walzern kann man auch den Mittelteil weglassen. Oder Du spielst mal nur den Anfang von den Balladen. Die Nocturnes sind dann auch spielbar, aber da ist links oft nicht so einfach.
Mit Chopin kann man sich ein Leben lang beschäftigen. Ich denke, in 5-10 Jahren wäre auch die Etüde 5 machbar.
Aber erstmal wirklich was überschaubares, was Du auch in ein paar Monaten hinkriegst.
Eine Auswahl gibt es zB
hier, wenn Du kein Geld hast, kannst Du Dir die Noten für die einzelnen Stücke aus einer Bibo o.ä. besorgen.
Ziel 4, 5
Skalen und Improvisieren
Ich denke, für einen Einsteiger ins Improvisieren sind Akkorde erstmal wichtiger als Skalen. Je nach Stil natürlich.
Aber Du musst erstmal wissen, welche Töne hat C7, F#m7, D7#11.
Rechts, links die Standardvoicings.
Dann kann man Umspielungen, Durchgangstöne und chromatisches Anspielen dazunehmen, und da kommst Du automatisch auf Skalen. Weißt aber schon, welche Töne mehr oder weniger Spannung haben und warum.
Das würde ich in dieser Reihenfolge Akkorde --> Skalen angehen.
Freies Begleiten ist im Prinzip nichts anderes als Improvisieren ohne Melodie, die spielt Dein Solist.
Auch da musst Du die Akkorde draufhaben, nicht die Skalen.
Und natürlich Rhythmus.
Viel hören, wie gute Musiker begleiten. Ganz wenig? Nur auf 2 und 4? oder ist es mehr ein Miteinander zwischen Solist und Begleiter?
Auch da ist mal eine Stunde hin und wieder bei einem guten Lehrer extrem hilfreich.
Ja, es kostet Geld - aber es spart Dir Wochen bis Monate, weil Du dann genau das üben kannst, was Dich voran bringt und nicht irgendein Video, was sich youtube-Guru XY ausgedacht hat.
"DESHALB kommst Du beim Improvisieren nicht voran" und ähnliche Titel suggerieren, dass er Dich kennt, gehört hat und weiß, was bei Dir grade klemmt.
Klar, es gibt viele gute Sachen auf yt oder in Kursen. Aber niemand von denen hört Dich, arbeitet mit Dir, gibt dir die vielen kleinen Hinweise.
Gerade bei "nicht nur starr die Dreiklänge spielen" kann Dir ein Lehrer in 15 min richtig viel mitgeben.
Ich denke auch, man kann viel mit online Zeugs machen, wenn man weiß, wie man übt und diszipliniert ist. Aber ein Lehrer von Zeit zu Zeit ist wirklich entscheidend, wenn man vorankommen will.
Da kann die Stunde dann auch mal etwas teurer sein.
Gern kannst Du auch Deine Ziele hier reinschreiben und wir quatschen drüber.
Was Kurse angeht, scheint mir Piano with Johnny Deine Themen außer Klassik gut abzudecken.
Klassik ist nochmal ne andere Nummer. Da kommt es noch mehr auf die Technik an, und das würde ich auf jeden Fall nicht komplett ohne Lehrer angehen.
Wieviel Erfahrung und welches Level hast Du denn so ungefähr, was waren Deine letzten Stücke?
EDIT: Fehler korrigiert