Chromatische Läufe auf Tasten

Und nicht nur ein paar Tage. Ich über Stücke schon seit Monaten, in denen Passagen vorkommen, die ich früher (jünger und ungeduldiger) ad acta gelegt hätte.
Genau so geht es mir auch, Kurt. Inzwischen denke ich: "Abwarten und Tee trinken. Irgendwann wird es klappen." Wichtig ist für mich, nichts zu erzwingen.
 
Hallo Bernnt,

Oh ja, das ist ein Faktor, den ich kenne. Man merkt das, wenn man mit fremden Leuten auf die Bühne geht. Manche kriegen Lampenfieber und dann Probleme auf den Knöpfen oder Tasten. Dasselbe kenne ich von Akkordeonisten, die ziemlich gut spielen können. Irgendwann kommt man an den Punkt, wo man es richtig wissen möchte. Da holt man sich richtig schwere Noten. Ich erinnere mich noch an den Blick eines Tasten-Kollegen, der sich total versteifte, als er sich über Läufe eines Würthner-Stückes hermachte. Dieses sollte sich auch im Laufe der Zeit nicht legen. Irgendwie war mir unbewusst klar, dass das so nicht funktionieren kann. Ich habe mir damals vorgestellt, wie schön es wäre, diesen Lauf spielen zu können und habe mich im Vorfeld über die Schönheit der Läufe gefreut - wohlgemerkt bevor ich sie spielen konnte. Wo du das jetzt schreibst, wird mir so langsam klar, dass das absolut entscheidend war. Denn mit meiner Vorstellung schwand die Anspannung und der übertriebene Respekt. Also locker vom Hocker.

Ja, da hast du etwas wichtiges entdeckt, was mir auch völlig vorenthalten war. Jetzt, wo ich wieder einsteige, versuche ich mein ganzes Üben weg von den technischen Aspekten hin zu mehr intuitivem Spielen hinzulenken. Was aber trotz meiner Vorgehensweise in der Kampfkunstdisziplin überhaupt nicht ohne weiteres gelingt, da ich mit Akko Spielen eben noch viel zu viel Technik im Kopf habe, die mich aber letzten Endes ausbremst. (Technik ist natürlich wichtig, um es sich leicht zu machen und ökonomisch zu spielen, aber sie darf - wie ich jetzt langsam feststellen darf, auch beim Musik machen, nicht zum Selbstzweck werden.


Wo ich das lese, gehen mir viele Sachen durch den Kopf. Ich teile ein Stück in Portionen eingeteilt, die ich nacheinander geübt habe - meist nach Noten. Behält man das bei, teilt man ein Stück auf. Ich habe schon mal gemerkt, dass sich die Teile eines Stückes dann sehr unterschiedlich anfühlen können und im Extremfall nichts miteinander zu tun haben, was jeder guten Komposition natürlich widerspricht, da sie ein gefügtes Ganzes aus Teilen ist, die miteinander korrespondieren. Ich merke auch, dass diese Weise des Übens mich den Noten wohl näherbringt, aber nicht dem Stück. Freilich strebe ich an, ein Verhältnis zum Stück zu kriegen und nicht zu den Noten. Wenn es so ist, wie du schreibst, sollten die Läufe als Teil eines Stückes gesehen werden. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Läufe in den Noten nur dastehen, dass da schwierige Läufe dastehen und man vor sich ein Stück Anti-Musik liegen hat.

Genau so ist es. In der Kampfkunst verwirkliche ich das schon lange so (aber es ist nicht gerade typisch bzw Mainstream ^^). Bloß hänge ich in der Musik noch in einzelnen Bewegungsabläufen, die dann das gesamte Stück quasi kaputt machen. Im Grunde genommen sollte man - anstatt sich in einzelnen Passagen technisch zu verlieren - die Stücke so einüben, dass sie grundsätzlich erst mal laufen als Ganzes und dann mit steigendem Geschick später mehr Schwierigkeiten einbauen, die dann aber im Stück durchlaufen. Doch dazu eignen sich fertige Stücke selten, man müsste sich sich persönlich zurecht bearbeiten, damit sie frei durchlaufen können. Bloß scheint das nicht gerade üblich zu sein, sondern sogar verwerflich.

Genau. Bei den Läufen erfasse ich bewusst nur den Start- und den Zielton, nicht aber die einzelnen Töne. Die kommen von alleine. Das macht der Körper.
Ja, super! Und so wie der Körper es dann tut, ist es (zunächst) auch in Ordnung. Wenn er es nicht tut, dann ist es entweder zu schnell oder als Bewegungsablauf zu komplex zur Zeit. Dann sollte man sich nicht unbedingt zwingen, sondern sich Zeit lassen, modifizieren etc.


Das ist eine super Beobachtung. Das mit dem Unterlassen ist wichtig. Ich reflektiere meine Bewegungen bei den Läufen, entdecke, dass was nicht passt und schaue, dass ich mich dazu bringe, etwas zu unterlassen. Den Bewegungsablauf selber taste ich nicht an. Ich weiß von einer bekannten ehemaligen "Wettkampf-Akkordionistin", dass sie lange während dem Fernsehen geübt hat. Das Ziel bestand darin, den Verstand systematisch zu überfordern und vom Instrument abzulenken, dass er sich nicht in die Steuerung des Bewegungsablaufs bei schnellen Passagen mit einmischte.
Super! Ich staune! Nur sehr wenige Menschen erkennen die Kunst des Unterlassens, um dadurch auf eine Optimierung zu kommen. In der Regel denkt man, man tue zu wenig und sucht nach Möglichkeiten, mehr zu tun, um etwas zu optimieren :)

Ja, das ist mein Leid gerade. Seit dem Dezember habe ich mein kleines durch ein großes Konverter-Instrument ersetzt. Ich habe den Eindruck, ich fange wieder bei NULL an. Noch sind wir nicht per du. Gleichzeitig frage ich mich, wie die Leute es hier schaffen, so viele Instrumente gekonnt zu spielen. Ich glaube, bei mir dürfen es gerade mal zwei sein - einmal mit und einmal ohne Konverter. Und selbst da habe ich schon Schwierigkeiten, im Eifer des Gefechts die richtigen Register zu finden.

Ich habe das auch gerade mit der etwas dickeren M3- Morino mit viel schmäleren Tasten und mehr Luft im Balg etc.
Mir tut allerdings der Wechsel zwischen Instrumenten komischerweise gut. Ich vermute, weil ich dadurch gezwungen, mich flexibler zu bewegen und dadurch Fehler viel stärker auffallen und verbessert werden können, als wenn ich nur an ein Instrument gewönt bin und mich da leichter in stereotype Muster verstricken kann. Das ist vielleicht ähnlich, wie wenn ich immer nur mit der selben Partnerin tanze oder mit dem gleichen Übungspartner trainiere -> Ich werde einseitig und bemerke meine Gewohnheiten nicht mehr.

Zum Chromatischen Lauf:

Ich übe das nun jeden Tag ein wenig und stelle fest, dass durch das non-stress-Training und das sich Zeit lassen, die bislang total ungewohnte Bewegung sich selbst immer mehr optimiert.

Beispielsweise möchte nun der Unterarm beim Abwärtslaufen auch eine leichte Pendelbewegung nach Innen-außen machen, die mir bis dato völlig fremd war. Aber nur, weil ich es zulasse und entspanne.

Spannend :)
 
Hallloo zusammen,
vielleicht findet ihr hier noch ein paar interessante Sachen, denn so oder so ähnlich wurde vieles schon diskutiert:

Schnelle Passagen einüben

Üben ohne Ton

Koordination rechte und linke Hand verbessern

Würde gern auch mein Senf dazu geben, hab leider gerade nicht die Zeit dazu.
Bei folgendem Zitat, welches nicht mehr wirklich etwas mit der Umsetzung eines chromatischen Laufs auf Tasten zu tun hat, fielen mir die oben stehende allgemeineren Links ein. Man findet sicher noch viel mehr dazu.


Bloß hänge ich in der Musik noch in einzelnen Bewegungsabläufen, die dann das gesamte Stück quasi kaputt machen. Im Grunde genommen sollte man - anstatt sich in einzelnen Passagen technisch zu verlieren - die Stücke so einüben, dass sie grundsätzlich erst mal laufen als Ganzes und dann mit steigendem Geschick später mehr Schwierigkeiten einbauen, die dann aber im Stück durchlaufen. Doch dazu eignen sich fertige Stücke selten, man müsste sich sich persönlich zurecht bearbeiten, damit sie frei durchlaufen können. Bloß scheint das nicht gerade üblich zu sein, sondern sogar verwerflich.
 
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Würde gern auch mein Senf dazu geben, hab leider gerade nicht die Zeit dazu.
Endlich meldest du dich hier zu Wort, @Klangbutter. Ich warte schon die ganze Zeit darauf. Mich würde interessieren, wie du an der Hochschule vorgehst, wenn die Leute die wirklichen Knaller spielen wollen. Du hast einmal angedeutet, dass einer deiner Schüler sich um die "Lonely Harmonica" gekümmert hat. Auch vermute ich, dass du selber mit einem Schüler über diverse Würthner-Sachen oder über herausfordernde Franck Angelis-Stücke "gestolpert" bist. Was tust du mit deinem Schüler? Wie gehst du vor? Und warum scheitern sie an manchem? Deine Antworten auf diese Fragen würde mich in diesem Zusammenhang brennend interessieren.
 
Dazu hatte ich mal "Lerntypen" anhand von einem David Popper Stück vorgestellt.

Im Groben ging es darum, persönliche Lernmethoden herauszufinden um Blockaden zu lösen.
Fingersatz, Zusammenspiel, Rhytmusempfinden, Schwerpunkte ausnutzen ... es ist so vielschichtig.
Mir fehlt wirklich die Zeit hier eine umfassende Abhandlung zu schreiben. Ich glaube sogar, das geht nicht wirklich.
Von chromatischen Tastenleitern habe ich sowieso keine Ahnung. (Hab mal gehört, dass es drei Fingersätze gibt, der chinesische beruht auf 3x4 Fingern. Hab die Details aber vergessen)

Bei den Popper-Beispielen ging es auch darum, wie man zu flüssigem Spiel kommt.
A) Erst langsam dann schnell - klar... das ist ein Weg!
B) Erst links dann rechts dann zusammen. Ein anderer Weg.
C) Eine Hand im Tempo, dann stückweise Fragmente gleich im Tempo hinzufügen ... ein dritter Weg - aber kein Holzweg :)
D) ...
E) ...

Die Methode C) ist im Grunde das, was @Malineck meinte.
Daran ist nichts verwerflich, man muss es ja nicht notieren, sondern kann und sollte beim Üben frei mit dem Material umgehen, also aus der Musik heraus Technik bzw. Konzentrationsübungen machen, die an die persönlichen Schwierigkeiten angepasst sind. (besser als jedes Technik-Buch)

Das ist tägliches Brot und eine sehr kreative Aufgabe ... böse gesagt, für Czerny sogar ein Lebenswerk :)

Das Stück in die Bestandteile zerlegen, von allen Seiten beleuchten, variieren und wieder zusammensetzen.
Dadurch entsteht Virtuosität, was nicht allein Schnellspielen bedeutet.
Geschwindigkeit ist nur das, was am Ende unter anderem womöglich am meisten auffällt.
 
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