Die "heilige Taktmitte"

turko
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Mich würde interessieren: Wie handhabt Ihr die (scheinbar) heilige Kuh der Taktmitte ?

Ich frage das als einer, der ganz bewußt und oft mal dagegen verstößt, weil mit dieses Gebot in vielen Fällen unsinnig und überhaupt nicht hilfreich erscheint.
Bei rhythmisch kniffligen Stellen entscheide ich mich gerne und immer für jene Variante, die mit weniger Zeichen auskommt, weil ich das für übersichtlicher halte,
vor allem für Lesende, die nicht so 100 %ig sattelfest im Notenlesen sind.

Also zum Beispiel:
Taktmitte.jpg

Ich würde der ersten Variante hier den Vorzug geben, da um eine Note und einen Bogen sparsamer, und damit leichter les- und erfaßbar.
Nach Notationskonvention scheint das aber ein NOGO zu sein ...

Wie handhabt Ihr das ?

LG
Thomas
 
Eigenschaft
 
Ganz klar 2. Version, sowohl schreibender als auch lesender Weise. Das ist zwar aufwändiger zu notieren, aber beim schnellen Lesen sehe ich sofort den Off-Beat und wie alles zum Takt steht. In der ersten Variante müsste ich zuerst nachdenken.
 
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+1 für @chris_kah von meiner Seite.

Auch ich finde Variante 2 viel klarer zu lesen.
Variante 1 bringt mich schnell ins Stolpern. Weniger Zeichen sind da für mich eher kontraproduktiv.
 
Gerade weniger im Notenlesen erfahrenen Musikern tut man m.E. einen Gefallen, wenn man Konventionen einhält. Das linke Notenbeispiel lädt die zum rhythmischen Schwimmen ein, das rechte lässt die Synkope und die Taktmitte unmittelbar erkennen - wenn man viel mit Metronom übt, klickt es da innerlich vielleicht schon beim Lesen an der richtigen Stelle.

Das Berklee Lehrbuch sieht das auch wie Chris:
synkope2.jpg
Quelle: Jonathan Feist, Berklee Contemporary Music Notation, S. 7

Gruß Claus
 
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Variante 2
 
OK, ich kann mich zwar weiterhin damit nicht anfreunden, muß aber wohl zur Kenntnis nehmen, daß wohl ich der Geisterfahrer bin ...

Danke für Euer Feedback !

LG
Thomas
 
Ich bin auch absolut bei Variante 2. Man erkennt und erfasst den Rhythmus viel leichter.
Bei Variante 1 stolpert man und denkt erstmal, dass da ein Schreibfehler sein muß.
 
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Ich meine, V1 (Punktierte Viertel, Viertel, ...) ab und zu mal bei irgendwelchem Ehtno-Zeugs gesehen zu haben, allerdings mit ungeraden Takarten (7/8, 9/8 etc,)
Da gehört es auch hin, sonst fällt mir auch nur V2 ein.
 
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Ich würde Fassung 1 bevorzugen. Beides ist zwar das gleiche, aber beim zweiten wird das ganze doch mit dem Haltebogen alles sehr verkompliziert.

Ich selbst halte es bei meinen Noten so:
Es sollte vom Grundsatz primär gut und einfach lesbar sein. Kein Musiker will Noten spielen die er bevor er anfangen kann erst einmal studieren muss um zu wissen was er tun soll. Vor allem wenn jemand vom Blatt spielt ist es sehr nett vom Komponisten wenn schnell und leicht nachvollziehbar ist. Dann halte ich mich auch mal nicht an die geschriebenen Gesetze und mache es primär leicht lesbar. Ausnahme ist wenn ich Noten veröffentliche, dann sollten diese natürlich den Regeln komplett entsprechen. Das würde dich aber nicht daran hindern eine vereinfachte Fassung anzubieten :)
 
In dem Fall hier für mich klar Version 2.

Ich stehe auch oft vor dem gleichen Problem (ich schreibe öfters mal Tabs, aber mit Notenhälsen und sonstigen Musikzeichen).
Ob korrekt oder vereinfacht, das entscheide ich im Einzelfall ... aber in den meisten Fällen finde ich nach längerem Überlegen dann doch die korrekte Version besser lesbar.

Wenn jemand so wenig Notenlesen kann, dass er z. B. die Bedeutung von Notenwerten und Bögen nicht kennt, dann nützen ihm die Noten sowieso nichts, egal ob vereinfacht oder korrekt ;)
 
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Der erste Takt auf der linken Seite ist eine - nicht nur in der Musikethnologie - übliche und daher korrekte Notationsart eines Clave cubano (3+3+2 Achtel) - allerdings nur, wenn ein Notenleser aus dem Kontext schließen kann, dass ein solcher tatsächlich impliziert ist. Also ein typischer Fall, in dem Lesefähigkeit und stilistisches Vorwissen zusammenkommen müssen - mit einer "Einsparung von Notationszeichen" hat das also nichts zu tun.
Die rechte Schreibweise ist hingegen eine korrekt notierte "europäische" Synkope in einem binären Takt (2+2+2+2 Achtel).
Der entscheidende Unterschied: Der Clave wird innerhalb seines angestammten kulturellen Umfelds nicht als Synkope empfunden, sondern als metrisches Basispattern. Dies drückt die linke Notation aus. "Sincopado" wäre hier z.B. eine simple Viertelfolge, weil diese dann gegen das 3+3+2-Pattern läuft.

Die gruppierende Balkung ist wahrscheinlich aus der Praxis der Lautentabulatur entstanden (s. Riemann 1878: Geschichte der Notenschrift), bei der Rhythmen linear über der Saitentabulatur standen, in diastematischer Notation taucht sie um 1510 angeblich erstmals in Frankreich auf (s. David/Lussy 1882: Histoire de la notation musicale).
Als Verweis auf die jeweils zugrunde liegende Unterteilung (zwei- oder dreizeitig) richtet sie sich zunächst immer nach dem metrischen Bezugswert, daher werden z.B. beim 3/8, 6/8 usw. jeweils Achtel-Dreiergruppen verbalkt.
Demnach müssten beim 2/4, 3/4 oder 4/4 jeweils zwei Achtel zusammengebalkt werden. Hier kommen aber noch andere Kriterien ins Spiel, wie die Taktarten-Theorie des ausgehenden 18. Jahrhunderts, die Schlagtechnik, oder notensatztechnische und ästhetische Aspekte, auf deren Grundlage 2/4 und 3/4 analog zum 3/8 komplett verbalkt werden können.
Da z.B. 4/4 als zusammengesetzte Taktart gilt (2/4 + 2/4) kommt es hier zur 4+4-Verbalkung bei durchgehenden Achteln.

Dann halte ich mich auch mal nicht an die geschriebenen Gesetze und mache es primär leicht lesbar.

Die Notationsregeln beruhen auf elementaren musikalischen Grundsätzen und den Intentionen des Komponisten, und dienen deren leichter Erfassung - daher sind sie auch leicht lesbar, sofern man die zugrunde liegenden musikalischen Regeln und Absichten erkennt. Das linke Notenbeispiel ist ebenso leicht lesbar, wie das rechte - sofern man sinnerfassend lesen kann!
 
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Das linke Notenbeispiel ist ebenso leicht lesbar, wie das rechte
Ich kann dir da nicht widersprechen. Es ist eben für mich persönlich immer angenehmer wenn man es so einfach wie möglich hält. Im ersten Beispiel finde ich es klar geschrieben was gemeint ist. Im zweiten Beispiel zwar auch, aber es ist eben durch den Haltebogen ein weiteres Zeichen zusätzlich was man beachten muss. Von daher gefällt mir die Version 1 mit dem eingesparten Zeichen welches dort nicht zwingend notwendig ist. 8 Zeichen zu lesen vs. 9 Zeichen.

Natürlich kommt es stark darauf an wie es weitergeht im Stück. Ideal wäre natürlich eine ähnliche Darstellung in allen Takten, nicht einmal so und dann anders.
 
Von daher gefällt mir die Version 1 mit dem eingesparten Zeichen welches dort nicht zwingend notwendig ist. 8 Zeichen zu lesen vs. 9 Zeichen.

Beim Lesen (und in der Sprache) kommt es nicht auf "eingesparte Zeichen" an, sondern auf Unmissverständlichkeit, d.h. geringe Übertragungsverluste im Kommunikationskanal, was bisweilen sogar nur durch Redundanz, d.h. ein Mehr an Zeichen zu bewerkstelligen ist.
Die Überbindung im rechten Beispiel ist zwingend notwendig, wenn die Botschaft "synkopischer 3-3-2-Rhythmus über einem Vierermetrum" lauten soll. Links ist die Botschaft ebenfalls eindeutig: "Rhythmus ohne "Sincopado" über einem 3-3-2-Metrum".
 
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Daß so etwas in der Latin-Musik üblich(er) ist, ist mir schon bewußt.
Aber ich meinte es ganz neutral, ohne besonderen Stilzusammenhang.

Thomas
 
Aber ich meinte es ganz neutral, ohne besonderen Stilzusammenhang.

Es gibt keine stilistisch neutrale Notierung. Selbst eine reine Onset-Rasternotation (dein Beispiel: x . . x . x x . ) oder eine Distanz-Notation "3-2-1-2", oder binäres 1-0-0-1-0-1-1-0 implizieren "irgendetwas" - und sei es eine scheinbare "analytische Neutralität". Der eine erkennt hier eine Synkope, der andere eine Clave-Figur, und zwar - unabhängig von der Notationsart - primär am Kontext und entsprechend seiner individuellen Enkulturation.
Im Zweifelsfall entscheiden die regelgeleiteten Lesegewohnheiten der "leitkulturell dominanten" CWMN (hier also das rechte Beispiel).
 
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Es gibt keine stilistisch neutrale Notierung
Doch. Nämlich automatisch dann, wenn ich davon ausgehen muß, der die Notenleser weder wissen, was die Clave ist, noch, was eine Taktmitte, ein Metrum oder ein Puls ist. Die Chöre sind voll mit solchen Menschen.

Thomas
 
Ich glaube man wird es niemals wirklich allen recht machen können. Es gibt wohl immer jemanden der es gerne anders hätte oder anders machen würde oder etwas interpretiert was nicht gemeint ist :)

Ich habe auch das Gefühl es macht jeder irgendwie so wie er möchte. Ein Lied von mehreren Setzern ergeben sehr unterschiedliche Notenbilder, auch wenn es das selbe ist. Viel schlimmer ist es dann wenn in einem Takt etwas nicht aufgeht. Leider sieht man es hin und wieder das irgendwo ein Takt nicht vollständig ausgefüllt ist. So was sollte natürlich nicht passieren.
 
korrekte Notationsart eines Clave cubano (3+3+2 Achtel)
Das kam mir auch noch. Oder wahlweise 3+2+3 Achtel (aber ungebräuchlicher).

Weil es mehrfach angeklungen ist: die "einfachere" Schreibweise sieht eventuell sogar schöner aus, aber beim schnellen Lesen hat die Variante 2 die für mich sofort ersichtliche weitere Information, wie der Notenanfang zum durchlaufenden Takt steht.

Ich bin gerade dabei, mich durch einen Berg Noten (Begleitung eines Chors) zu wühlen und mir das drauf zu schaffen, und da finde ich gerade diese Zusatzinfo extrem wichtig.
Da muss nämlich bei der Gitarrenbegleitung auch manchmal der Offbeat zusammen mit dem Rest kommen.

... die Notenleser weder wissen, ...

dann ist es natürlich völlig egal, aber es soll Menschen geben, die durchaus gut Noten lesen können, und denen sollte man die wichtige Information nicht vorenthalten.

Ich hatte mal mit einem Chorarrangement eines Laien zu tun, der den Auftakt (4) auf die 1 geschoben hat, quasi das ganze Stück um eine Viertel nach hinten. Die gesamte Info über die "schwere" 1 war damit dahin und das war beim Erlernen sehr mühsam.
 
Leider sieht man es hin und wieder das irgendwo ein Takt nicht vollständig ausgefüllt ist. So was sollte natürlich nicht passieren.
Nein, das sollte es wohl nicht. Aber das ist dann wenigstens eindeutig ein Fehler, und nicht weiter intepretationsbedürftig ... :)
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... aber es soll Menschen geben, die durchaus gut Noten lesen können, und denen sollte man die wichtige Information nicht vorenthalten.
Ein interessanter Punkt, der sich da bei gemischtem Publikum (= Chor) auftut:
Sollen die Noten eigentlich besser lesbar sein für das Fachpersonal, oder für die blutigen Laien ?

Thomas
 

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