Die Orgel ist tot, es lebe die Orgel ...

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Prelude: ganz sicher ist das für viele Kracks Eulen nach Athen gepostet, aber vielleicht für den ein oder anderen doch nicht sooo bekannt ...

Angeregt durch Threads der jüngsten Vergangenheit - Orla, Ringway (hallo?) - und dem Katzenjammer 'die Orgel ist tot'...
Ja, die Orgel ist tot - die Italiener sind lang addio, Roland hat die Sparte unlängst gesushiet, Die Drei Stimmgabeln Websteite ist blank wie eine Reisnudel ... und klar, "die Chinesen" kopieren eh das letzte (die alten Kopierer, die!)

Aber dann doch ein bisserl gegoogelt - Neugier, weil, who the fuck is Ringway? Und siehe da, es kommt Erstaunliches zum Vorschein.

Intermezzo: eine Ahnung, daß man mit der biedernen Heimorgel auch anders kann als Tanzkaffee und Schmonzunkellieder gab's schon 'damals', als 'wir' ein 'semiklassisches' Stück mit sieben Orgeln aufführten. Das hatte da gar nix mehr mit Robert-Stolz-Walzer und Besame-Mucho zu tun... (es war die Zeit der Ab- und Hinwendung zu tagesaktueller Popmucke und den ersten, zärtlich ausgestreckten Fingern nach Jazz - zum Entzücken der Mädelz und größtem Verdruß der Eltern angesichts der 'negermusikalischen Revolte' gegen den patrimatriarchalischen, aus dem "Geschenk" selbstverstehend abgeleiteten Musizierauftrag zur Bespassung von Alte-Tanten-Geburtstagen)

Zurück ins 21. Jahrtausend, ins Web: Ringway. Nach ein bisserl Suchen findet man eine chinesische Webseite auf Chinesisch - und zwar rein Chinesisch (merkwürdig - wollen die Alten Kopierer denn nicht den westlichen Markt mit billigen Kopien fluten *grübel* ?).

Klickt man auf der Site blindfliegend herum, findet man, neben Orgeln, Keys und Digitalpianos, "International Organ competition". Na sowas - so ein Sowas ist bestimmt gejutubt ... und Ju tubt ganz Erstaunliches ans Tageslicht - diese Chinesen - diese Chinesen?

Wie gesagt, die Stimmgabeln haben nichts mehr auf ihrer Website - präzise: der europäischen Website. Denn in anderswo schaut's anders aus: Yamaha "Asia", Japan, China, Indonesien, Korea, Singapur, usw usw listen "Electones" in voller Pracht. In Japan stehen sie sogar oben, an erster Stelle, vor den Keyboards, den Piaggeros, den Workstations, den Synthies - und eine Spaßgesellschaft hippen Jungvolks tanzt und hüpft auf der Rooftop Party um hippe Jungorgler und deren "Electone STAGEA" EDM Maschine. Es gibt sogar ein jährliches Electone Festival.

Keyboard killed the organ star - gilt das etwa nur "im Westen"? Kann es sein, daß der Untergang nicht nur des Keyboards Schuld war, sondern - eine (stigmatisierte) Verkleisterung der "Heimorgel" mit dem Musikgenre bestimmter Altersgruppen - die Orgel im Dornröschenschlaf von verböhmtem Schlager und gewersiten Henry-Maske-Medleys (resp. Superbowl-Bejingling outre-Atlantique) den Sprung zur Moderne, zur Jugend, verschnarchte ?
Ziehen uns Eingestaubten junge, unbekümmerte "Asiaten" mal wieder das graue Fell über die Ohren?
Interessant in dem Zusammenhang: Ringway bietet zwei Klang-Varianten: für den West-Export, mit, wie es die Handvoll Importeure betont, auf den westlichen Musikgeschmack abgestimmtem (Käse)klang - von Orla - und ihr eigenes Material.

So, hoffe niemand fühlt sich von den süffisanten Saitenhieben auf den Schweller getreten :) Hier also "Heimorgel" unter Fingern und Füßen (klassisch) ausgebildeter Musiker:

Electone freak out:




Fusion geht auch:




Beethovens Zweite (5 Orgeln, Singapore Conversatory)




Das hier ist verdammt gut:




Und Madame Qi Zhang ist tatsächlich am Shanghai Konservatorium im Fach "Eletronische Orgel" ausgebildete Organistin:

 
Eigenschaft
 
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Ringway ist doch ein alter Hut der vor über 10 Jahren hier mal
diskutiert wurde
https://www.musiker-board.de/threads/ringway-orgel.420804/

Bezüglich der chinesischen Interpreten und ihrem Können ( ohne Zweifel)
auf der Orgel muß man doch schon einige Fakten im Hinterkopf haben,
wenn hier Vergleiche herangezogen werden.

Hier bei uns basiert vieles oft genug auf reinem Hobby bzw Freizeitbeschäftigung.
In Fernost wird schon im Kleinkindalter selektiert und staatlich massivst gefördert.
Manche sprechen hier bereits von Drill ........

Bezüglich Yamaha muß man sich allerdings schon fragen warum ein
europäischer Markt nicht mehr so bedient wird wie einst ( sogar mit Yamaha
Orgelschulen die von George Fleury verfaßt wurden )
AUch Roland hat seine Produktion an Orgeln vor einiger Zeit eingestellt,
Man kann zwar Orgeln aus dem Fernost Markt hier beziehen, es ist aber weit
aus schwieriger geworden.
 
Naja - "Lean Production" kommt ja aus Fernost - damit lassen sich in den o.a. Fällen jede Menge Orchestermusiker einsparen... :D
 
FFFreddy, was willst Du uns mit Deinem Text sagen...?
Die gedrillten Kinder find ich nicht nachahmenswert !
Die Musik auch eher nicht !
Heimorgeln hat mich schon als Kind der Heimorgelzeit abgeschreckt.
Ich wollte schon damals lieber eine M100 mit Leslie als das heimische Klavier.
 
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Naja - "Lean Production" kommt ja aus Fernost - damit lassen sich in den o.a. Fällen jede Menge Orchestermusiker einsparen... :D
Viele Firmen hierzulande lassen ja auch in Fernost produzieren um kostengünstig
zu sein. Dürfte damit wohl klar sein daß dann hier Arbeitskräfte eingespart werden.

@AchimK : Wenn hier so viele Beispiele in Vids gezeigt werden, wo Jugendliche
solche Leistungen abliefern ist das sicherlich nicht irgendwelchen Talenten zuzuordnen,
sondern das Ergebnis von " Übungen " . Mir kann niemand erzählen daß Jugendliche in dem Alter "begriffen" haben was mit der vorgetragenen Musik bezweckt wird und wie
sie artikuliert wird. Obendrein unterscheidet sich fernöstliche Musik
gravierend von westlicher Musikrichtung.
Die lernen nur stur auswendig und geben das mit "eingepauktem Timing " wieder.
Schon zu DDR Zeiten haben die Machthaber in Ostberlin verstanden, daß man mit sportlichen Höchstleistungen einer Welt die Überlegenheit deren Systems vorführen konnte.
 
Ringway ist doch ein alter Hut

"Prelude: ganz sicher ist das für viele Kracks Eulen nach Athen gepostet, aber vielleicht für den ein oder anderen doch nicht sooo bekannt ..."

oder: wer lesen kann ist klar im Vorteil :tongue:

Ach Leuts, waer das schoen, einfach ueber Mucke an sich zu sprechen, ohne dass bei der blossen Erwaehung bestimmter Worte pawlowsches Politmoralisieren einsetzt ...

Na, wer wusste z.B., dass eine von diesen seelenlosen Musik-Robotern, Frau Zhang (aus dem damals quasibritischen Shanghai) ein Werk fuer elektronische Orgel geschrieben hat - Symphony in the Teapot - spaeter arrangiert fuer St. Eustache? (finde leider keine Aufnahme)

P.S. gut, dass der kleine Mozart (und Konsorten) des net gewusst haben, dass er keinen blassen Schimmer von 'wahrer Musik' gehabt haben konnte :D
 
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Viele Firmen hierzulande lassen ja auch in Fernost produzieren um kostengünstig
zu sein. Dürfte damit wohl klar sein daß dann hier Arbeitskräfte eingespart werden.

@AchimK : Wenn hier so viele Beispiele in Vids gezeigt werden, wo Jugendliche
solche Leistungen abliefern ist das sicherlich nicht irgendwelchen Talenten zuzuordnen,
sondern das Ergebnis von " Übungen " . Mir kann niemand erzählen daß Jugendliche in dem Alter "begriffen" haben was mit der vorgetragenen Musik bezweckt wird und wie
sie artikuliert wird.
Die gedrillten Kinder find ich nicht nachahmenswert !
Die Musik auch eher nicht !
Verstehe Deinen Einwand nicht, was anderes heißt dann "gedrillt" ...?
 
die Frage ist doch: was können diese "Orgeln" heute, was ein Yamaha Montage 88 oder Korg Kronos 88 nicht auch kann. 1973 war das beim GX-1 Synth noch anders: Stevie Wonder, Keith Emerson oder Benny Anderson hatte so eine Maschine und haben Platten damit eingespielt und sie sogar Live (ELP) benutzt.
Wer ist denn bereit für eine WERSI bis zu 40.000 Ocken zu zahlen, wo nur noch ein PC werkelt, wenn ich da richtig informiert bin.
Also Orgel = Hammond Original oder Klon mit Röhrenleslie, noch ein bischen A+E-Piano und evtl. einige fette Minimoog und Mellotron Sounds reichen mir völlig aus.
:juhuu: :opa:
 
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Für mich kommt und kam schon immer nur ein Instrument in Frage
was ich auch selbst reparieren kann.
Im Übrigen habe ich mir meine Instrumente alle selber gebaut
angefangen 1969 mit einem Dr Böhm DnT Bausatz.
Schon 1974 dann mein erstes Eigenprojekt wo ich nur Manuale,
Pedal und Zugriegel bei Böhm gekauft habe. Der Rest Eigenleistung.
Bei der nachfolgenden Helios ist Wersi auch nicht reich geworden,
da ich nur Manuale, Pedal , Gehäuse , Verharfung und Fußschweller
gekauft habe. Alles andere an Platinen wurde selbst gefertigt und auch die
Kabelbäume selbst ausgebunden. Auch meine vor einigen Jahren erneut
gebaute Helios ist mit restaurierten Teilen sowie selbstgestrickten Komponten
incl des eingebauten Hammond Clones HX 3.5 aufgebaut worden.
Wen es interessiert, Baubericht dort :
http://forum.keyboardpartner.de/viewtopic.php?t=809

Klar gibt es Leute für die Geld keine Rolle spielt und sich für 40000 Öcken
ein Spielzeug gönnen. Oft genug werden solche Orgeln jedoch angeschafft
um anderen zu imponieren - nicht weil man über soviel Fähigkeiten verfügt
daß es schon sowas ausgewachsenes sein muß.

Die Frage was solche Orgeln können ist heute sehr leicht zu beantworten:
WENIGER als ein modernes Keyboard
Der einzige Vorteil ist man hat zwei Manuale und ein Pedal.

Ideen ein modernes Keyboard wie seinerzeit den TYROS auf Orgel umzubauen
hat es einige gegeben und das mit Erfolg !

Wirklich wichtig ist doch nur daß man selbst mit dem was man hat zufrieden ist.
 
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Ich denke auch die klassische E-Orgel ist und bleibt bis auf wenige Ausnahmen tot. Gleichzeitig gibt es eben z.B die neuen Wersi Orgeln die vom Aufbau ja quasi das Erbe abtreten. Mehrere Manuale, Vollpedal und endlose Module für E-Or gel, Synthesizer, Orchester und so weiter. Wobei ich mir nicht sicher bin was die E-Or Gel ursprünglich sein sollte. Ich kann mir da am ehesten eine elektronische Nachbildung einer Kino/Theaterorgel vorstellen.
 
Da sollte man doch erstmal klären bzw genau definieren
was denn eine KLASSISCHE E ORGEL ist.

Geht man in der Geschichte der Orgel zurück sind die Anfänge eines Instrumentes
Orgel eindeutig in der Sakralen Welt zu finden.
Die Tonerzeugung des Instrumentes Orgel beruht hier auf dem Prinzip der Flöte.
Der dazu erforderliche Orgelwind wird mechanisch erzeugt und über die Tastatur auf die einzelnen Eintonpfeifen verteilt.

Bei der E Orgel werden die Töne vorwiegend durch elektronische Schaltungen (Generatoren) erzeugt und die Verteilung der Töne erfolgt hier über elektrische Kontakte.
Die so erzeugten Töne werden dann einem Verstärker zugeführt, der die elektronischen Schwingungen per Lautsprecher in hörbaren Schall umsetzt.

Damit beschränkt sich die Definition " klassische E Orgel " allein nur auf
die Tonerzeugung.
Voraussetzung, daß es eine E Orgel überhaupt gibt ist hier die Erfindung des
Lautsprechers, der elektrische Schwingungen in Schall zu wandeln erst ermöglicht.
Dies ist wie bekannt jedoch sehr eng mit der Erfindung des Telefons verknüpft und
die ersten öffentlichen Vorführungen des Telefons begannen um 1860

Die Krux ist bei der Betrachtung von modernen E Orgeln nun leider so,
daß ein Teilaspekt der klassischen E Orgel immer Bestandteil einer
modernen E Orgel sein und bleiben wird. In dem Moment wo man diesen
Teilaspekt eleminiert ist auch eine moderne E Orgel TOT.
Das genannte Relikt ist nunmal der Wandler der elektrische Signale überhaupt erst hörbar macht : der Lautsprecher

Beschränkt man sich in der Diskussion über das Instrument Orgel nur auf die Klangfarben stellt man fest, daß der Begriff Orgel hier völlig fehl am Platze ist.
Eine moderne Orgel kann jede Art von Klang erzeugen egal ob man es
als Geräusch definiert oder als bestimmten Sound mit Wiedererkennungswert.
Die Tonerzeugungsverfahren strecken sich da von Oszillatoren, reiner Sample Technik über Klangsynthese bis zu einer reinen Softwarelösung.
Noch in den 70er Jahren gab es an Musikhochschulen keinen Studiengang zum Thema
Orgel , eben weil dieses Instrument mit dem Namen Orgel nicht eindeutig definiert war.
Welches Instrument sollte denn hier eine moderne E Orgel ersetzen ?
Sakrale Musik - kein Problem
gängige Naturinstrumente auch kein Problem
Streichinstrumente auch keines etc
Im Grunde stellt also eine Orgel so etwas wie ein Orchester dar.

Treibt man es auf die Spitze an Möglichkeiten sind hier so gut
wie keine Grenzen mehr gesetzt.
Einzige Bedingung dabei bleibt jedoch :
Man muß sie auch noch spielen können und gelernt haben sie zu beherrschen





https://www.derbund.ch/kultur/pop-und-jazz/der-punk-der-koenigin/story/23240387

Auffällig bei diesem Carpenter Instrument :
Es hat keinen Bildschirm , nur von Hand/Fuß zu betätigende Schalter.
Es hat weder eine Begleitautomatik noch andere Spielhilfen, wie man sie
in heutigen noch erhältlichen E Orgeln findet.

Die angesprochenen Kino / Theater Orgeln sind im Grunde genauso ein
Spezialfall wie die Hammond Orgel in amerikanischen Gottesdiensten.

In den Anfänge des Kinos /Stummfilm gab es Musiker die das Filmbild musikalisch untermalten. Um auch alle möglichen Geräusche beim Film zu imitieren
wurden diese Theater / Kino Orgeln um diese Geräusch Effekte erweitert.
Der übliche stark Vibrato betonte Klangeindruck ist jedoch den Hörgewohnheiten
des Publikums geschuldet.. Heute ist es ein typisches Merkmal einer Theaterorgel
oder dessen Sound.
 
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Damit beschränkt sich die Definition " klassische E Orgel " allein nur auf
die Tonerzeugung.
Wobei ich persönlich sehe eher die Spieltechnik als Merkmal einer Orgel. Also die Möglichkeit mehrerer Manuale und vor allem einem Pedal. Wie der Ton dann erzeugt wird ist zumindest für mich eher nicht relevant als Spieler, sondern nur das es sich eben spielen lässt wie eine Orgel. Zugegeben gibt es da natürlich auch Unterschiede. Eine E-Orgel spiele ich mit dem Pedal anders als auf einer Kino oder Kirchenorgel. Zumindest macht ein virtuoses Pedalspiel auf einem Stummelpedal wenig Freude, auch wenn es grundsätzlich ja geht.

Auffällig bei diesem Carpenter Instrument :
Es hat keinen Bildschirm , nur von Hand/Fuß zu betätigende Schalter.
Es hat weder eine Begleitautomatik noch andere Spielhilfen, wie man sie
in heutigen noch erhältlichen E Orgeln findet.
Ich würde das ganze schon eher in die Kategorie Sakralorgel einordnen, unabhängig vom Klang. Auch moderne Spieltische haben ja dort in der Regel kein Display (Ausnahmen gibt es), der gemeine Orgelspieler bevorzugt Knöpfe, Schalter und Züge sowie andere mechanische Steuermöglichkeiten. Weil es eben den Alltag an einer Orgel am besten abbildet.
 
Ich habe bei der Auswahl der Carpenter Videos bewußt auf solche
mit modernen Klängen geachtet.
Bei reinen Sakral Klängen kann diese Orgel mit ALLEM was es weltweit an Instrumenten
gibt mehr als locker mithalten. Diese Eigenschaft zählte zum Pflichtenheft des Entwicklungskonzeptes.

Ein Viurtuoses Pedalspiel ist auch auf einem 13 Tasten Pedal möglich, sofern man sich
ind der richtigen Tonart dafür bewegt.Der Kompromiß der seit einigen Jahren
verwendet wird sind 17 oder 18 Tasten Pedale.
Das reine Spielgefühl beim Stummelpedal unterscheidet sich jedoch gravierend
von dem eines Vollpedals. Wer einmal Vollpedal gespielt hat möchte es eigentlich nicht
mehr missen.
 
Es ist ziemlich genau wie eingangs beschrieben.

Hier im Westen hat die Orgel eigentlich nur nostalgischen Wert. Das heißt, wenn man hier im MuBo von "Orgel" spricht, meint das meistens Hammond B3 + Leslie 122. Wenn man etwas anderes meint, muß man das schon explizit sagen. Je nachdem, in welchen Kreisen man sich bewegt, ist der musikalische Goldstandard dann entweder der Jon Lord der 70er, der Jimmy Smith der 50er oder der Klaus Wunderlich der 60er.

Jüngere Leute kennen eh nur Hammond im Bandkontext und sehen das als retro, aber cool an. Ambitionen, eine echte Tonradorgel unter die Hände zu bekommen, haben sie nicht, weil sie nie eine echte Hammond gespielt haben; denen reicht das Clonewheel oder gar das VSTi.

Die gesamte restliche Orgelszene im Westen versucht krampfhaft, irgendwie die 70er Jahre bis in alle Ewigkeit zu konservieren, und zwar möglichst unverändert, und feiert fast auch nur die Helden von damals. Bloß nichts modernisieren, bloß keine progressiven Elemente, nicht mal das, was der junge Orgelnachwuchs in den 80ern gemacht hat (z. B. die damalige Popmusik auf japanischen Orgeln nachspielen).

Mitte der 2000er entstand hierzulande um ein Forum herum ja eine kleine, aber lebhafte Analogorgelszene. Da war es anfangs im Grunde piepegal, woher eine Orgel kam. Das war eine Zeit, in der einem von eBay her für einen Euro genau die Orgeln nachgeschmissen wurden, die man in den späten 70ern oder frühen 80ern angeschmachtet hat. Nun konnte man sich den Traum erfüllen von der Farfisa Maharani, der Farfisa Pergamon, der Yamaha D-85 oder der Elka X-705, um 1980 die Oberklasse-Alleinunterhalterorgel überhaupt. Das heißt, hier und da war auch Digitaltechnik erlaubt. So manch ein Akteur gehörte damals noch der Generation X an und hatte selbst schon in jungen Jahren, aber eben recht spät mit Orgelspielen angefangen. In dieser Zeit entstanden viele regelrechte Orgelsammlungen.

Gegen Ende des Jahrzehnts ging es dann los, daß die Szene überrollt wurde von Herrschaften, die schon erwachsen waren, als Franz Lambert den Sieg der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 1974 mit seiner umgebauten Wersi Galaxis begleitete. Da wurde es dann richtig konservativ: Ab den 2010ern wurde alles, was nicht Hammond-Tonradorgel, Wersi bis einschließlich Weltraumorgeln oder Dr. Böhm bis einschließlich nT war, als grausig klingender Sperrmüll abqualifiziert und mitunter sogar Leute dafür beleidigt, daß sie andere Vorlieben hatten. Besagtes Forum, dessen Gründer sich längst zurückgezogen hatte (der konnte das wahrscheinlich selbst nicht mehr ertragen, und die User der ersten Stunde waren eh alle weg), war auf der technischen Seite zu einem reinen Hammond-, Wersi- und Dr.-Böhm-Supportforum geworden.

Musikalisch sah es ähnlich aus: Jimmy Smith und vor allem Klaus Wunderlich über alles. Auch die anderen E-Orgel-Helden der damaligen Zeit wie Lambert oder Ady Zehnpfennig ließ man durchgehen. Als Orgler durfte man aber auch nur die Arrangements dieser Herren nachspielen. Alles mußte so sein und so bleiben, wie die 70er Jahre waren bzw. man die 70er gern gehabt hätte. Mit mindestens einer Wersi Helios oder Dr. Böhm DnT, natürlich mit zwei 61er Manualen und Vollpedal, im Wohnzimmer oder im Partykeller, auf der Lambert- und Wunderlich-Arrangements nachgespielt wurden. Das heißt, einige Leute in der Szene waren alt genug, daß sie damals in den 70ern womöglich tatsächlich eine Wersi oder Dr. Böhm ihr eigen genannt haben können. Aber wie gesagt, es waren eh überwiegend ganz frühe Baby Boomers oder älter.

Jegliche Modernisierungsversuche schlugen fehl bis darauf, daß das Forum irgendwann auch zur Support-Anlaufstelle für die digitalen Wersi-DX- und -CD-Serien wurde. Wenn man nicht 70er-Jahre-oldschoolig E-orgelte, wurde darüber die Nase gerümpft. Nein, es müssen unbedingt die Arrangements von damals sein. Unverändert. Ach ja, und es muß auch so registriert werden, wie Leute, die von Hammond kamen, in den 70ern Analogorgeln registriert haben: Sinus über alles. Für viele ist selbst die Nutzung eines Rhythmusgeräts verpönt, weil Wunderlich ja auch keins benutzt hat (weil eine Hammond B3 keins hat, ebensowenig wie Register, die nicht angenäherter Sinus sind).

In anderen orgelaffinen Ländern, vor allem dem UK und den USA, sah und sieht es nicht viel anders aus. Die Amis brauchen noch sehr viel mehr als wir die Vollorgel mit 61er Manualen und Vollpedal, aber unsere Wersi und Böhm heißen bei denen Baldwin, Wurlitzer und ganz besonders Lowrey mit viel Spieltischbeleuchtung, Wurzelholzfurnier und marmorierten Schalterkappen mit golden hinterlegter Beschriftung. Die Briten lebten viel mehr vom Import, da sind die Marken nicht so wichtig, aber alt genug muß die Orgel sein, und entsprechend alt sind auch die Orgler.

Das heißt, generell ist die Orgel ein ziemliches Alte-Leute-Instrument. Klar haben auch Kinder das Orgelspiel gelernt, aber das waren eher die uncoolen Kids. Und deren Zielgruppe zu Hause waren Onkels, Tanten, Großeltern und ähnliche Leute mit schon in den 70er oder 80er Jahren hoffnungslos konservativen Musikgeschmäckern. Denen ging das Herz auf, wenn man den "Schneewalzer", "La Paloma", die "Capri-Fischer" und dergleichen darbot. Mit spielerischem Können konnte man protzen, indem man immer neue Geschwindigkeitsrekorde bei Wunderlichs Samba-Arrangement von "Tico Tico" aufstellte. Wer sich richtig cool vorkam, versuchte sich an Jazz (= von Glenn Miller über Frank Sinatra bis noch mehr Glenn Miller, aber keine Spur von Jimmy Smith), aber Oma und Opa durfte man mit solcher Negermusik nicht kommen. Geschweige denn mit dem, was man selbst aus dem Popradio rausgehört hat.

Die heutigen Orgler sind fast schon ihre eigene Zielgruppe von vor über 40 Jahren geworden. Frisches Blut war in der Szene nie gefragt und nie gewollt. Neuzugänge durften im Grunde auf keinen Fall weit unterm Altersdurchschnitt liegen, denn zu junge Leute hätten nicht die richtige Attitüde und nicht die richtigen Vorbilder gehabt. Schon wer als Generation-X-er mit den pop-e-orgel-Heften aufgewachsen ist, darf da eigentlich nicht mitspielen, zumal die das Spiel mit Begleitautomatik (Sakrileg!1!!) förderten und auf Akkordsymbole statt ausnotierter Hand-und-Fußbegleitung setzten. Noch jüngere Geburtenjahrgänge sind mit der elektronischen Orgel eh nie in Berührung gekommen.

Das lag allerdings auch daran, daß die elektronische Orgel immer Schwierigkeiten hatte, sich von den 70ern zu lösen. Sie hatte einen Spagat zu bewältigen zwischen einerseits technologischer Modernisierung und andererseits der Befriedigung der Bedürfnisse derjenigen, die schon in den 70ern Orgel gespielt haben. Der einstige hiesige Marktführer Farfisa kam trotz guter Tendenzen technologisch nicht mehr hinterher, versank angesichts japanischer Orgeln in der Bedeutungslosigkeit und wurde Mitte der 80er von Bontempi geschluckt. Elka ging zugrunde am Versuch, japanoide moderne Orgeln mit FM-Klangerzeugern von Yamaha zu bauen. Wersi und Böhm blieben nur dank ihrer Endorser einigermaßen relevant, sind aber seit den 80ern beide mehrfach pleitegegangen. Lowrey hat sich schon in den 80ern von Einsteigermodellen verabschiedet und nur noch protzig-kitschige Oberklassemodelle gebaut, weil die Marke bei ihrer Zielgruppe für genau das stand.

Interessant ist hier jetzt der Blick nach Japan. Unterhalb der Preisklassen von Wersi und Böhm hat ja ab Anfang der 80er Technics die technologische Dominanz übernommen, und etwas später zog Yamaha nach als einziger Hersteller, der auf FM-Technik setzte (wobei meine Generation eigentlich eher auf Samples schwor). Beide gingen auch gut bei ambitionierten Einsteigern, verloren diese aber bald ans Keyboard. In Entertainerkreisen spielte eh fast nur noch Technics eine Rolle, bis Ende der 80er selbst die größte transportable Orgel erstmals von einem Keyboard überflügelt wurde.

Bei Technics fielen die Spieltische ab Mitte der 80er schon recht progressiv aus, aber vor allem in der Oberklasse gab's immer noch die traditionellen Heimorgeln mit Furniergehäusen. Das heißt, Technics lebte ja zu einem erheblichen Teil vom Export, und in gewissen Ländern, das wußten sie, konnten sie mit solchen Spieltischen erst gar nicht antreten und bauten das Design von 1983 mit bunten Schalterkappen und holzbraunen Paneelen lustig weiter. Als es mit transportablen Orgeln vorbei war und das Keyboard endgültig übernahm, blieb Technics eh nur eine gesetzte, konservative Kundschaft für die Orgeln. Die letzte Technics-Orgel, die SX-G100, war ein Lowrey-Stilimitat.

Um die Zeit, wo Technics aufhörte, tauchte auf einmal Roland mit Heimorgeln auf. Das Design der Orgeln sprach meines Erachtens Bände: Es steckte zwar moderne Entertainerkeyboard-Technik in den Orgeln, aber selbst die Bedienelemente sollten an die Wippschalter der 70er erinnern.

Wirklich progressiv war eigentlich nur Yamaha. Nicht nur hatten die schon in den späten 60ern verwegene Konzertorgeldesigns, sondern in den 80ern wurden sie richtig experimentierfreudig und erfanden im Grunde das Orgelgehäuse mehrfach neu. Okay, einerseits hatten sie weiterhin die altbackenen Heimorgeln etwa der FE-, FS-, und FX-Reihen für konservativere Kunden vor allem in Übersee. Aber andererseits gab's die Modelle mit H am Anfang, die absolut nicht mehr nach klassischen Heimorgeln aussahen. Praktischerweise konnten sich diese Orgeln zum Transport schön klein machen, machten aber auch aufgebaut eine gute Figur. Ich spreche da gern von "Jugendzimmerorgeln".

Mehr noch als die Konkurrenz hatte Yamaha aber den Inlandsmarkt im Blick. Und da sorgten sie dafür, daß die Orgel eben kein Alte-Leute-Instrument wurde. Wie gesagt, das ging schon in den 80ern mit neuen Gehäuseformen bis in die Einstiegsklasse los. Aber Yamaha hatte immer auch eigene Orgelschulen und eine mächtige Publicity-Maschinerie. Eine Zeitlang fuhren auch sie wie gesagt zweigleisig mit "guten alten" Heimorgeln für eine konservativere Kundschaft und progressiveren Designs für Jüngere, von denen sicherlich nicht wenige freiwillig zur Orgel gefunden haben.

Letztlich ist in Japan aber die klassische Heimorgel ausgestorben. Die Märkte in Übersee waren mehr und mehr gesättigt, weil die Zielgruppe der Holzfurniermonster allmählich wegstarb ohne Nachwuchs. Auch deshalb hat Roland den Orgelbau wieder gänzlich eingestellt. Denn jüngere Zielgruppen werden komplett von Yamaha abgedeckt, das allerdings erfolgreich, wie man an der Stagea sieht: Diese Orgeln sehen absolut nicht mehr wie das aus, was sich irgendjemand hierzulande unter einer Orgel vorstellen könnte. Deswegen ist auch das Experiment gescheitert, die Stagea zu exportieren. In Japan ist sie aber weiterhin erfolgreich, weil sie da ihre Zielgruppe hat.

Noch etwas: Ich bin ja der Ansicht, daß Mambo Kurt unterm Strich das Image der elektronischen Orgel hierzulande nur noch mehr geschädigt hat. Bevor er auftauchte, war die Vorstellung der meisten Leute von einer "Orgel" eine röhrende, gurgelnde, kreischende Hammond-Tonradorgel unter den Händen eines Jon Lord oder Keith Emerson. Derweil hat die Analogorgelszene versucht, die 70er mit ihren Wersis und Böhms und Lambert- und Wunderlich-Arrangements neu zu etablieren.

Und dann kam dieser Vogel daher mit einer japanischen Orgel (für viele Orgelkenner war das ja noch mehr pfui als eine italienische) und persiflierte gnadenlos, wie Alleinunterhalter damals tatsächlich waren. Sowohl die, die unter "Orgel" Jon Lord auf Hammond verstanden, als auch die, die unter "Orgel" Franz Lambert auf Wersi verstanden, hatten total die damals außerhalb der großen Metropolen allgegenwärtigen Alleinunterhalter der Kreisklasse verdrängt, die mit Elkas und Hohners herumzogen, ebenso die reinen Heimorgler, die aber auch immer mal wieder ihre Verwandt- und Bekanntschaft zu bespaßen gedachten.

Die spielten eben keine Wunderlich- oder Lambert-Arrangements, weil a) sie das nicht konnten, b) sie dafür gar nicht das Equipment hatten und c) ihr Publikum nicht nur so etwas hören wollte, sondern auch Sachen, die im Radio liefen, oder irgendwelche alten Gassenhauer. Da gab es aber selten vorgekaute Arrangements von großen Namen, also mußte man zur Eigeninitiative greifen.

Natürlich nutzte man die Orgel auch voll aus; man spielte sie nicht so asketisch wie ein Klaus Wunderlich, sondern man nutzte alle Register, alle Effekte und auch das Rhythmusgerät. Das war allerdings ausgelegt auf Tanztee und war für moderne Radiomusik nur bedingt geeignet, so daß man da experimentieren und Kompromisse machen oder gar kreativ werden mußte. Wer nichts anderes an Livemusik kannte, fand das unterhaltsam. Wer einen weiteren musikalischen Horizont hatte, fand das eher zum Fremdschämen. Entsprechend schnell verschwand dieses Phänomen nicht nur (auch weil die Instrumente leistungsfähiger wurden), sondern die Allgemeinheit hat es fast komplett verdrängt...

...nur um dann von Mambo Kurt ziemlich rüde wieder daran erinnert zu werden, was denn jetzt eigentlich an der Heimorgel/der elektronischen Orgel so scheiße war.


Martman
 
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Der Thread wird langsam richtig interessant 👍.

Ich habe eigentlich ein unverkrampftes Verhältnis zur Orgel in ihren verschiedenen Ausführungen. Ich habe sie eher von außen mitbekommen, weil ich meinen Großvater in den 80er/90er Jahren sowohl als Kirchenorganisten als auch als Tanzmusiker mit seiner Kapelle erlebt habe. Und als Akkordeonisten und Klavierlehrer… Im Elterhaus herrschte klassisches Klavier vor. Zum Glück bin ich auch spät genug geboren, um die Klassiker der Rockorgel zwar zu schätzen, aber nicht als den heiligen Gral betrachten zu müssen (genau wie bei den Gitarristen und ihrem Equipment)…

Andererseits verstehe ich jetzt auch besser, warum der Keyboarder unserer Sol/Funk-Band immer entrüstet von sich gewiesen hat, ein „Orschler“ zu sein, obwohl er die auch auf seiner Workstation ganz passabel drauf hatte…

Merke, Nostalgiker bzw. Puristen scheinen bei den Instrumenten, die am Anfang der elektrischen/elektronischen Musik standen, besonders ausgeprägt vorhanden zu sein…

Gruß,
glombi
 
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Die Tonradorgel lebt nach längerem Winterschlaf wieder: Raphael Wressnig, Simon Oslender, Martin Meixner, Sjoerd Hammond etc.
alles junge, wilde Hammondorganisten...
Rock, Jazz, Funk, Blues etc. läuft heute per Clonewheel aus praktikablen Gründen, der Sound orientiert sich aber an den "Alten" wie Keith, Jon, Greg beim Rock, Jimmy beim Jazz und den unzähligen Gospel und Blues Organisten aus US.
 
Barbara Dennerlein...
 
Barbara Dennerlein ist schon gut >50, sie hat sehr jung angefangen, war aber nie eine "Wilde" mit OD oder gar Distortion. Erst in den letzten 10 Jahren höre ich Anklänge an ein bißchen OD, was beim Transitorleslie von Hohner auch nicht so einfach ist...
Konzertkritik hier - http://www.antarktis-arktis.de/Barbara_Dennerlein.htm
 
alles junge, wilde Hammondorganisten...
sehr 'jung & wild' find ich das aber nicht.
Sound orientiert sich aber an den "Alten"
weil deswegen.
Recht biederes Easy-Listening fuer gutbuergerliches Wohlfuehl-Publikum. Alles super, keine 'Kritik' - mag ich ja auch. 'Neues' aber ist da nicht, noch nicht mal 'altes Neues' a la Emerson.
Die letzte 'Neutoenerin', zumindest unter den 'bekannten', war die Dennerlein, und das ist auch schon wieder ewig her, und Klopfe, weil sie sich nicht anhoert wie der 211te Smith-Klon, mit dem 25473ten Orgelstueck, das sich 'wie Smith' anhoert, hat sie fast bis in die Neuzeit bekommen.
Stimmt - 'jung & wild' im Sinne von Messerstechen, Abfackeln und extatischem Rumgehampel war sie nicht. Eher die sanfte Evolutioniererin - die, im Rahmen des traditionellen Jazz bleibend, die Orgel klangfarblich und rhythmisch mehr erweitert hat, als die meisten ueberhaupt erahnen.
 
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