Die Tür macht den Raum

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Hallo Kreativlinge!

nach dem eher leichtfüßigen Boogaloo hab ich mich jetzt mal an etwas "tiefsinnigerem" versucht, ohne belehrend oder zu direkt wirken zu wollen. Ich bin mir nicht sicher, ob der Text evtl. "zu pauschal" ist, oder genau das richtige Maß, damit "jeder seins" in den Text hinein interpretieren kann. Wie immer bitte ich um unbarmherzige Kritik und Meinung. Danke vorab! Hier isser:


Die Tür macht den Raum

Zittere, mein schönes Kind!
Fallen kann man nur von oben.
Du schwingst dich auf, zu neuen Höhen
dorthin, wo falsche Götter toben.

Sieh nur hin, mein blindes Kind!
All das wird dir nie gehören.
Du glaubst, du regierst dein Reich?
Du stehst im Weg,
du wirst nur stören.

Du stolperst durch das Leben anderer,
trägst das Büßerhemd verkehrt herum.
Was du sagst will keiner hören.
Der Bote geht längst kopflos um.

Die Tür
macht erst den Raum zum Raum.
Der Schmetterling,
träumt dich.
Du bist der Traum.

Das Spiel spielt dich.
Du hast verloren.
Deine Perfektion...
unausgegoren.

Die Tür
macht erst den Raum zum Raum.
Dass du entkommst,
das glaube ich kaum.

Bleib nur hier,
mein schönes Kind!
Von hier aus geht es nirgends hin.
Du schwingst dich auf, zu neuen Höhen,
suchst nach dem Lebenssinn.

Mach deine Pläne,
schönes Kind,
während dir das Leben
durch die Finger rinnt,
dich der Pfeil der Zeit durchbohrt,
dein dunkles Herz auf Rache sinnt.

Von Geburt an
für das Grab geboren.
Nichts zu gewinnen
und doch verloren.

Und nur das schwärzeste Schaf
bleibt ungeschoren.

Die Tür
macht erst den Raum zum Raum.
Der Schmetterling,
träumt dich.
Du bist der Traum.

Das Spiel spielt dich.
Du hast verloren.
Deine Perfektion...
unausgegoren.

Die Tür
macht erst den Raum zum Raum.
Dass du entkommst,
das glaube ich kaum.
 
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Mit Zitaten von Laotse und Dschuang Dse. Liegt wohl gerade in der Luft, auch "dont go to the Internet" (woran ich immer noch arbeite) ist voller taoistischer Anspielungen, die aber als solche nicht verstanden wurden. Trotzdem versucht´s man halt immer wieder, mal mit Worten, mal mit Liedern...

Der Text ist ja eine Warnung davor, zu hoch zu fliegen, um nicht zu tief zu fallen. Ein wenig störe ich mich an der paternalistischen Haltung des Erzählers gegenüber dem "Kind". Vielleicht fehlt eine Gegenüberstellung, also etwa : Du arbeitest hart für deinen Erfolg, und bald hast du es geschafft, aber zittere, mein schönes Kind, fallen kann man nur von oben.

Ab "Die Tür macht erst den Raum zum Raum" stimmt der Text für mich.. Die Strophen davor, naja, etwas hart. "Du wirst nur stören" klingt fast schon nach Mißgunst.

Also, mein gnadenloses Verdikt ist zweigeteilt: Der erste Teil ist dann doch etwas zu belehrend, vielleicht auch in der Aussage schon zu konkret. Steig nicht hoch, weil man dann fallen kann. Das ist auch nicht wirklich taoistisch gedacht. Es müßte doch heißen: Steig nicht höher als der Weg dich trägt. Es ist ja nicht schlecht, oben zu sein, es ist nur schlecht, oben sein zu wollen. Die Warnung gilt nicht dem Erfolg, sondern dem Ehrgeiz.
Den zweiten Teil finde ich dann sehr gelungen, weil da die Aussagen auch treffender sind.

Letztendlich mußt du ja selber wissen, wie das Lied für dich richtig ist. Auch der erste Teil funktioniert, aber vielleicht schlummert ja noch eine Überarbeitung in Dir, die einige Kanten glättet, ohne das rohe Holz zu sehr behauen zu wollen ...
 
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Ich nehme zwei Stimmen wahr:
  • die Stimme der Erziehenden, vom Ziel und in Wahrheit nicht fördernden, sondern beeinträchtigenden, die Ängste und Zweifel mehrenden und damit die Freiheit dessen, der noch aufwächst, mindernden Personen (das könnte auch glatt ein Chor sein), die später dann so etwas wie ein Über-Ich bilden und sich dann innerhalb der Person als quasi-eigenständige Instanz finden.
  • Die mutmachende, einen Weg, zumindest eine Möglichkeit des Nicht-Scheiterns, der Selbstbehauptung (die möglicherweise damit einhergeht, den Weg jenseits des Alles oder Nichts bzw. des Siegens oder Verlierens zu wählen, statt dem übermächtig Vorgegebenen nachzugehen) beinhaltet, in der Passage mit "Die Tür macht erst den Raum zum Raum ..."
Die im Songtext angesprochene Person ist quasi unterschiedlichen Einflüsterungen oder inneren Stimmen ausgesetzt, die sie beeinflussen wollen. Wie sie sich entscheidet, bleibt offen - ebenso wie konkrete Beschreibungen: zur Situation, der Person (Alter, Geschlecht, Status ...) etc. Muss auch nicht sein - erhöht eher die Möglichkeit der Hörenden, diese Leerstellen mit der eignen Phantasie zu füllen. Die Situation, zwischen Baum und Borke zu stehen, umlagert zu sein von Einflüsterungen etc. - das kennt wohl jede/r. Und reicht wohl auch.

Für die Umsetzung ergeben sich mehrere Möglichkeiten, was das Ganze eher spannend macht, finde ich.

x-Riff
 
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. Ich bin mir nicht sicher, ob der Text evtl. "zu pauschal" ist, oder genau das richtige Maß

Es ist auf jeden Fall ein Text, den zu lesen mir vom Anfang bis zum Schluss so viel Spaß gemacht hat, dass ich mir um die Botschaft erstmal gar nicht so viele Gedanken gemacht habe.. Der Text ist gespickt mit Kleinoden, die mich direkt angesprochen haben. Der Gedanke an "pauschal" wäre mir schon deshalb nie in den Sinn gekommen. Denn zunächst einmal ist mMn ein sehr gelungenes Wörterwerk. Und das sollte doch schon mehr als nur die halbe Miete sein.

EDIT: Ein winzige Idee hätte ich nach mehrfachem Lesen. Mir gefällt das Motiv mit dem "... Kind" sehr. Wir haben dreimal das schöne Kind, einmal das blinde Kind. Vielleicht könnte das Kind insgesamt vier Attribute haben.

So oder so ein klasse Text.

....
 
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Die Tür
macht erst den Raum zum Raum.
Das hat bei mir noch nachgearbeitet. Ich habe mal meine Laotse Übersetzungen herausgesucht, die alle mit der Stelle zu kämpfen haben. Die Tür macht erst den Raum zum Raum trifft den Punkt sehr elegant.

Meine vorliegenden Übersetzungen:

Man meißelt Tür und Fenster aus zur Wohnung.
Eben dort wo nichts ist, ist der Wohnung Brauchbarkeit (Günther Debon)

Man gräbt Türen und Fenster, damit die Kammer werde
In ihrem Nichts besteht der Kammer Werk (Richard Wilhelm)

Durch Aushöhlen von Türen und Fenstern macht man Häuser
Auf ihrem Nichts beruht des Hauses Brauchbarkeit (Erwin Rousselle)

Cut doors and windows to make a room
Where the room isnt, theres room for you (Ursula Le Guin)

To cut open the door and window to make a room
when it is empty, there is the usage of the room (Dr Yang, Jwing-Ming)


All diese Übersetzungen leiden an einer Umständlichkeit, die in der obigen Paraphrasierung geschickt gelöst ist.
Ein sehr schöner Gedanke jedenfalls, danke dafür!
 
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Hallo Vincent Stone,

Donnerwetter! Danke für die recherchierten Übersetzungen. Ich wusste, ehrlich gesagt, gar nicht, dass das philosofisch so gebräuchlich ist.

Mir fiel diese Umschreibung spontan ein, als ich den Twist im Drehbuch eines befreundeten Regiesseurs umschreiben wollte. Ein ähnlicher Twist wie am Ende von David Finchers "SEVEN". Da hab ich dann spontan in die Antwort-Mail geschrieben; "Das harte Ende des Drehbuchs kommt unerwartet, ist aber die Tür, die den Raum erst zum Raum macht.

Wenig später dachte ich dran, das zum Titel für einen Text zu machen, den ich dann, spontan als "Stream of Conscience" geschrieben hab.

Danke für die Übersetzungen!

lg
 
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