Goodbye Pork Pie Hat - Wie HÖREN ?!

turko
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Ein Grüß Gott an die werte Kollegenschaft,

ich bin unlänst wieder auf den thematisierten Song gestoßen, und dabei hat sich mir eine Frage aufgedrängt, die ich Euch unbedingt stellen muß:

Dieser Song soll ja wohl ein Blues sein (was das Harmonieschema angeht), aber ich persönlich kann den Blues dahinter nicht mehr HÖREN bzw. SPÜREN ! Ich meine, bei allen anderen "fortgeschrittenen" Bluesvarianten (Parker Blues, Bluesette, ...) habe ich überhaupt kein Problem damit, das als Bluesvatiante zu identifizieren und zu spüren, und ich weiß in jedem Moment, wo wir gerade sind ... von der Form her.

Aber bei Goodbye Porkypie Hat versagt mein Gespür völlig.

Dabei habe ich keinerlei Probleme, das Formgefühl zu behalten, wenn ich den Song halt mit seiner (eigenen) harmonischen Struktur als eigenen Song höre und spiele. Nur, wenn ich versuche, den Blues/das Bluesschema dahinter zu hören und zu spüren, komme ich ins Trudeln ...

Ich habe das ein wenig anylsiert, und bin (für mich) draufgekommen, daß die Takte 5-8 für mich die sind, die für mein Ohr irgendwie "ganz wo anders hinzielen", als ein "normaler" Blues ...

Meine Frage ist nun nicht die nach der harmonischen Analyse der Nummer, sondern ganz einfach die, ob es da anderen ähnlich wie mir ergeht, oder ob ich da halt einfach ein persönliches Gespür-Defizit habe, mit dem ich mich abfinden muß ...

Würde mich über "Erfahrungsberichte" freuen !

LG, Thomas
 
Eigenschaft
 
Hallo Thomas,

Dieser Song soll ja wohl ein Blues sein (was das Harmonieschema angeht)

Du schreibst "soll"... kannst Du spezifizieren, wer das so ausdrücklich gesagt hat?

Grundsätzlich wäre ich bei Mingus als Komponist natürlich schon mal per se drauf gefaßt, daß ich es mit relativ abgefahrenen Spielarten eines bestimmten Genre (in dem Fall Blues-angehauchtes) zu tun habe. (Nimm - noch ein anderes, moderateres Beispiel - z.B. das, was harmonisch ab Takt 9 bei "Nostalgia in Times Square" passiert. ;) )

ich weiß in jedem Moment, wo wir gerade sind ... von der Form her.

In der Hinsicht ist Pork Pie Hat ab Takt 5 schon eine besondere Preislage und reichlich individuell :gruebel: die Form verinnerlicht man wahrscheinlich erst nach oftmaligem Durchspielen. (Ich hab es lang nicht mehr gespielt - käme auf nen Versuch an, wie gut ich mich drin zurechtfände :rolleyes: )

Nur, wenn ich versuche, den Blues/das Bluesschema dahinter zu hören und zu spüren, komme ich ins Trudeln ...

Stichwort Individualität: Ich würde alles an gewohntem Formgefühl, was mit typischem 12taktigem Blues zu tun hat, bei Pork Pie Hat "abschalten". Siehe oben. Wie Du schon selbst schreibst:

Ich habe das ein wenig anylsiert, und bin (für mich) draufgekommen, daß die Takte 5-8 für mich die sind, die für mein Ohr irgendwie "ganz wo anders hinzielen", als ein "normaler" Blues ...

Evtl. ist der Bluesigkeitsgrad ;) mit abhängig von der jeweiligen Aufnahme, aber wenn ich mal die klassische auf "Mingus Ah Um" nehme, steckt für mich das Bluesige mehr in der Tonalität des Themas drin (wo nach Takt 5 immer wieder Blueselemente auftauchen, aber halt - so kommt's mir vor - fragmentarisch) - und natürlich in der ganzen Stimmung des Stücks.
Bei Stanley Clarkes Version mit Wayne Shorter aus den späten 80ern (LP "If this bass could only talk") ist das schon einen Tick weniger ausgeprägt (würde ich sagen).

oder ob ich da halt einfach ein persönliches Gespür-Defizit habe, mit dem ich mich abfinden muß ...

Ich glaube, nein. WENN Du das schon so hart ausdrücken willst (was ich nicht tun würde), bezöge sich das allenfalls auf das spezielle Stück Pork Pie Hat. Aber nicht im Sinne von grundsätzlichen Gespür-Defiziten, sondern was das Reinhören in dieses spezielle Stück angeht. Es ist zu individuell, als daß man da mit normalen Fühl-Mustern weit käme. Je öfter Du das durchspielst, umso mehr dürftest Du Dich reinfühlen, bis es Dir irgendwann total logisch vorkommt.:great: Also nicht die Flinte ins Korn usw.!

Zum Vergleich: Herbie Hancocks "Dolphin Dance" ist auch so ein Ding, bei dem man mit normalem Formgefühl etc. nicht so ganz weit kommt, aber je öfter man es hört, desto logischer und sinniger kommt es einem vor... ;)

Michael
 
ich glaube auch, daß der Blues in diesem Stück keine technische Angelegenheit ist, sondern eine Emotion, eine Gefühlssache.

Das kommt besonders bei Vocal-Versionen zum tragen, da gibt es einige, bei denen würde ich nie auf die Idee kommen, daß im formellen der Blues nicht wirklich astrein vertreten ist.
 
Muss es denn ein Blues sein? Im Wesentlichen hängts wohl davon ab, was der jeweilige Interpret daraus macht. Ich mag das Stück nicht mal unbedingt bluesig, sondern spiele lieber von einer Harmonie zur nächsten. Da bekommt das Stück natürlich einen ganz anderen Charakter, als wenn jemand typische F-Blues-Licks verwendet, was natürlich auch geht.

Die Form ist wirklich tricky, wahrscheinlich auch wegen dem Tempo und damit verbunden Rhythmuswechseln (z.B. Double Time). Da hilft wohl nur spielen und hören bis mans drin hat. Wie ein bockiges Pferd, dass einen zunächst ständig abwirft und - im Fall von Dolphin Dance - noch gewaltig in den Hintern tritt. :D In Soviet Russia, the song plays you ... ;)
 
Hallo Michael,

zuerst mal DANKE für Deinen Kommentar !

Du schreibst "soll"... kannst Du spezifizieren, wer das so ausdrücklich gesagt hat?
Michael

Ja. SIKORA in seiner Harmoniebibel. Und er versucht auch, das irgendwie abzuleiten, mit unendlichen Ketten von Substitutionen und Substitutionen von Substitutionen oder so ...
soweit ist es eigentlich auch verständlich, aber mir geht es nicht ums VERSTEHEN, sondern ums EMPFINDEN ...


(Nimm - noch ein anderes, moderateres Beispiel - z.B. das, was harmonisch ab Takt 9 bei "Nostalgia in Times Square" passiert. ;) )

Kenn´ ich nicht, aber DANKE für den Tip. Das werde ich mir mal zu Gemüte führen ...


die Form verinnerlicht man wahrscheinlich erst nach oftmaligem Durchspielen.

Nun, wie ich auszudrücken versucht habe, mein Problem ist nicht die Form an sich, die ich ganz gut (als ganz eigene Song-Form halt) fühlen kann und mich darin auch zu Hause fühle.
Mein spezifisches Problem ist, diese Form als eine Variante der Bluesform empfinden zu können, bzw. eben, das NICHT zu können ... mir kommt die ganze Sache ja durchaus logisch und stimmig vor ... nur halt nicht als Blues ...

Ich würde alles an gewohntem Formgefühl, was mit typischem 12taktigem Blues zu tun hat, bei Pork Pie Hat "abschalten".

Ja, das funktioniert. Nur ... kann es der Sinn sein, bei einem Blues das Bluesformgefühl abschalten zu müssen ... ? "Selbst" bei "Bluesette" muß ich das nicht tun ...

... steckt für mich das Bluesige mehr in der Tonalität des Themas drin

Ja, das ist unbestritten.

LG, Thomas
 
ich glaube auch, daß der Blues in diesem Stück keine technische Angelegenheit ist, sondern eine Emotion, eine Gefühlssache.

Naja, eigentlich sehe ich das auch so ... aber wenn jemand (kompetenter) behauptet, es SEI von der Form her ein Blues, dann will ich ihn auch hören können ... :)

LG, Thomas
 
Muss es denn ein Blues sein?

Nein, von mir aus eben nicht. Aber wenn wer, der sich auskennt, behauptet, es wäre einer, dann habe ich das Bedürfnis und den Ehrgeiz, den auch hören können zu wollen ... aber da tun sich stellenweise ganz arge Spannungen in mir auf, zwischen der Songform und der Bluesform ... und die nagen an mir ...


Die Form ist wirklich tricky ... da hilft wohl nur spielen und hören bis mans drin hat. Wie ein bockiges Pferd, dass einen zunächst ständig abwirft und - im Fall von Dolphin Dance - noch gewaltig in den Hintern tritt. :D In Soviet Russia, the song plays you ... ;)

Das "drin-haben" wäre weniger das Problem ... mehr das es ALS BLUESVARIANTE AKZEPTIEREN ... zu Dlphin Dance kann ich leider nix sagen ... das kenne ich nur sehr sehr marginal ... aber das ist ein Anreiz, das mal etwas näher zu betrachten ...

LG, Thomas
 
Jetzt bin ich mal ketzerisch: Für mein Empfinden ist Pork Pie Hat zwar ein bluesumwabertes, -eingenebeltes oder sonstwie Stück (s.o.), bei dem man also offenbar mit intensiven Untersuchungen Bluesverwandtschaft des Harmonieschemas nachweisen kann.
Schön.
Abgehakt.
Denn weiter bringt mich das ehrlich gesagt nicht. Ich bin kein Profi und nehme mir das deshalb raus. :) Wenn Sikora oder Miles Davis oder meinetwegen sogar Mingus selbst die Verbindung herstellt oder hergestellt hätte, würde ich das unter "eine mögliche Herangehensweise, aber möglicherweise nicht die einzige" verbuchen.

Ich selber wäre nicht drauf gekommen, das Stück über das wenige hinaus sonderlich mit Blues in Verbindung zu bringen und werde es voraussichtlich auch nicht tun, wenn ich es das nächste Mal spiele. In dem Sinne würde ich sagen, soll jeder nach seiner Facon usw. - und wenn man Probleme hat, das Stück als Bluesvariante zu akzeptieren, sollte man sich auch nicht gezwungen fühlen, das zu tun :)

Michael
 
In dem Sinne würde ich sagen, soll jeder nach seiner Facon usw. - und wenn man Probleme hat, das Stück als Bluesvariante zu akzeptieren, sollte man sich auch nicht gezwungen fühlen, das zu tun :)
Michael

Zuerst DANKE für Deine Antwort.

Ja, das stimmt sicher. Ich hatte auch nie ein Problem mit der Nummer, bis ich hörte (eigentlich gelesen) habe, es sei eigentlich ein Blues ... von der Form her. Und dann kam sofort die Gedankenkette "oh Mist, wenn andere das als Blues hören können, dann sollte ich es doch eigentlich auch können ... warum KANN ich das nicht ?" Naja, an DEM knabbere ich halt ... und es hat mich einfach interessiert, ob andere da ähnliche Sorgen haben ... aber scheinbar nicht.

Gut. Werde ich lernen (müssen), damit zu leben ... :) Soll nichts Schlimmeres passieren ...

LG, Thomas
 
aber ich persönlich kann den Blues dahinter nicht mehr HÖREN bzw. SPÜREN !

Hi,

zwei der wichtigsten Merkmale eines Blues sind zum einen die 12-taktige Form und zum anderen der im 5. Takt stattfindende Wechsel zur Subdominante. Erfüllt ein Stück diese beiden Kritierien, hat es gute Chancen als Blues bezeichnet zu werden.

Goodbye Pork Pie Hat erfüllt beides.

Ich habe mir erlaubt die Originalmelodie des Stückes mit den regulären Moll-Blueschanges zu unterlegen. -> Goodbye Pork Pie Hat PDF
Vielleicht hilft's. ;)
 
Hi Cudo,

danke vielmals für Deine Mühe, aber es hilft NICHT. Das selbe habe ich auch schon probiert. Es hilft zwar, zu VERSTEHEN, was da passiert, aber so richrtig EMPFINDEN kann ich es nicht. Irgendwas an der Melodieführung läßt mich im Kopf dauernd andere/falsche Harmonien hören bzw. erwarten. Ich will´s jetzt auch nicht "zu Tode reden" ... aber 2 Passagen irritieren mich besonders ... :

Erstens Takt 5/6: Da liegt in jedem "normalen" (tschuldigung ...) Blues die Harmonie der Subdominante, auch wenn div. Substitutionen verwendet werden, "ruhig und stabil" da. An dieser Stelle hat für mich die Melodieführung aber so einen "Drang" hin zur Dominante (durch die konsequente motivische Führung an dieser Stelle), daß mich das extrem "verwirrt".

Zweitens Takt 9: Der ist "normalerweise" ein extrem "spannungsreicher" Takt, der die dann folgende Dominante irgendwie vorbereitet. Hier gibt´s jedoch "nur" die motivische Wiederholung von 2 Takten zuvor. Und das irritiert mich schon wieder ...

Wie gesagt ... natürlich "paßt" das alles irgendwie und die Nummer ist genial. Auch um zu demonstrieren, wo einen die Bluesform hinführen kann.

Aber beim Hören/Spielen der Nummer verliere ich die eigentliche Bluesform schon aus den Augen bzw. aus den Ohren ...

Danke trotzdem für die Mühe, Cudo.

LG, Thomas
 

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