Hilfe bei Deutung einer Akkordfolge: Eric Johnson - Manhattan (solo)

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Hallo,

ich bin letztens über ein Solo gestoßen, dessen Akkordfolge ich gerne etwas mehr verstehen würde.
Das Stück ist in Eb-Moll geschrieben und die für mich interessante Akkordolge sieht so aus:

Code:
Ebm7 - C7#9|Gb7(13) - Abj7 - Dj7/b5

Ebm7 - Cm7b5|Gb7(13) - Abj7(9) - Dj7/b5

Ebm7 - C7#9|Gb7(13) - Fm7 - Bj7

Ebm7 - C7#9|Gb7(13) - Abj7(13) - Bj7

Was ich bisher verstehe und was noch relativ einfach zu erkennen ist:


  • die Folge beginnt immer auf der Tonika
  • die Kombination aus C7 und Gb7 ist eine Tritonussubstitution
  • bei der dritten Wiederholung verharrt das Solo kurz auf der II. Stufe (Fm7)

Korrigiert mich, wenn das schon nicht stimmen sollte.
Was mich jetzt interessiert:


  • wie ist der C7-Akkord harmonietechnisch zu begründen? Ich meine, er klingt irgendwie geil an der Stelle, aber ich kann mir nicht erklären warum.
  • das selbe gilt für Abj7, Dj7 und letztlich auch Bj7. Dort, wo sie platziert sind klingen sie für mich sehr logisch, aber lassen sich diese Akkorde aus irgend einer Tonleiter her begründen?

Ich will einfach besser verstehen, wie man auf so etwas kommt. :gruebel:
Desweiteren sehe ich hier gerade in einem nicht weit entfernten Thread, dass ich mir mal Frank Sikoras Jazz-Harmonielehre reinziehen sollte.

Bin gespannt auf eure Antworten.

Liebe Grüße,
Oli
 
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Woher sind die Akkorde? Wenn ich mit den Cover-Versionen auf YouTube vergleiche, wo die Akkorde gut zu hören sind, stimmen sie nicht (bzw. sind unlogisch aufgeschrieben).

Ich höre so:
Code:
| Ebm7   | C7alt  Gb7  | Fm9        | Bb7alt   |
| Ebm7   | C7alt  Gb7  | Fm9  Bmaj7 | Bb7alt   |
| Ebm7   | C7alt  Gb7  | Fm9        | Bmaj7    |
| Ebm7   | C7alt  Gb7  | Fm9        | Db7sus   |

Da dort, wo bei dir Abmaj7 steht, noch das F im Baß ist, ergibt sich Fm9. Hier kann man die Akkordverwandtschaft noch erkennen. Extremer ist es beim Dmaj7b5. Mit Bb im Baß ergibt sich Bb7alt (oder ausführlich Bb7#9b13)

Mit korrekten Akkordsymbolen kann man die harmonischen Zusammenhänge richtig erkennen.

C7alt ist Tritonussubstitut von Gb7. Beide Dominanten leiten zum einen nach Bmaj7 (enharmonisch richtig müßte es Cbmaj7 heißen). Das ist die bVI-Stufe der Tonart. Sie leiten aber genauso gut auch nach Fm7.

Fm7 und Bb7alt sind die II. und V. Stufe, also zusammen mit der folgenden Tonika Ebm7 ist es eine II-V-I Verbindung - und mit der VI. Stufe davor ist es ein Turnaround. Er wird in den einzelnen Durchgängen nur leicht modifiziert.

Im zweiten Durchgang wird kurz die bVI-Stufe vor der V eingeschoben.
Im dritten Durchgang wird die bVI statt der V genommen.
Der vierten Durchgang endet auf Db7sus4. Nach diesem Akkord erwartet man eigentlich schon Gb, die Tonika der Dur-Parallelen. Diese Auflösung kommt zwar, aber nicht gleich...

Ich weise aber noch mal darauf hin, daß sich meine Analyse auf YouTube-Cover-Versionen des Titels beziehen, weil da die einzelnen Akkorde besser zu erkennen waren...
 
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Woher sind die Akkorde? Wenn ich mit den Cover-Versionen auf YouTube vergleiche, wo die Akkorde gut zu hören sind, stimmen sie nicht (bzw. sind unlogisch aufgeschrieben).

Die sind von mir und wie du siehst, habe ich Probleme damit, gehörtes in einen richtigen harmonischen Kontext zu bringen. Dadurch erschien die Akkordfolge auch so sinnlos. Ich hätte wohl mehr auf den Bass hören sollen? Manchmal habe ich echt dieses simple "Am7 = C6" Problem. Woran macht man es dann fest, was gerade gespielt wird? Zurück zum Thema:

C7alt ist Tritonussubstitut von Gb7. Beide Dominanten leiten zum einen nach Bmaj7 (enharmonisch richtig müßte es Cbmaj7 heißen). Das ist die bVI-Stufe der Tonart. Sie leiten aber genauso gut auch nach Fm7.
Damit ich das richtig verstehe nochmal in meiner Sprache, warum die beiden Akkorde so gut dort hinleiten: Das liegt daran, weil in der Tonart, in der C7 die Dominante ist, Fm7 die Tonika ist (Bzw. theoretisch ginge auch Fj7)?
Und das selbe nochmal für den Gb7. Gb7 wäre in B-Dur bzw. in B-harmonisch Moll die Dominante. (Ich ignoriere bei diesem Beispiel nochmal kurz das Thema enharmonische Verwechslung, da bei B-Dur F#7 die Dominante wäre... oooh mir schwirrt der Kopf.)

Da aber die Akkorde Fm7 und Cbj7 zur Tonart Eb-Moll passen, klingen diese nach den beiden Dominanten so logisch.
In meinem Kopf macht das gerade alles total Sinn :D


Im zweiten Durchgang wird kurz die bVI-Stufe vor der V eingeschoben.
Hat es einen bestimmten Grund, warum du ein "b" vor VI schreibst?

Der vierten Durchgang endet auf Db7sus4. Nach diesem Akkord erwartet man eigentlich schon Gb, die Tonika der Dur-Parallelen. Diese Auflösung kommt zwar, aber nicht gleich...
Richtig! Danke für den Hinweis. Das kommt dann in dem ruhigen Zwischensolo.

Danke für deine Hilfe. Ich wäre von alleine niemals da drauf gekommen.
Bin gespannt, ob all meine Überlegungen gleich wieder über den Haufen geworfen werden.

Liebe Grüße,
Oli
 
Damit ich das richtig verstehe nochmal in meiner Sprache, warum die beiden Akkorde so gut dort hinleiten: Das liegt daran, weil in der Tonart, in der C7 die Dominante ist, Fm7 die Tonika ist (Bzw. theoretisch ginge auch Fj7)?
Und das selbe nochmal für den Gb7. Gb7 wäre in B-Dur bzw. in B-harmonisch Moll die Dominante. (Ich ignoriere bei diesem Beispiel nochmal kurz das Thema enharmonische Verwechslung, da bei B-Dur F#7 die Dominante wäre... oooh mir schwirrt der Kopf.)

Im Prinzip richtig. Nur würde ich statt Tonika einfach von Auflösung sprechen. Die Dominante löst sich im Quintfall auf. Das ist ein Dur- oder Moll-Akkord, der eine Quinte tiefer liegt.

Das interessante an Dominante und Tritonussubstitut ist, daß beide Akkorde gleichwertig sind. Beide Akkorde enthalten den gleichen Tritonus und damit auch die gleiche Auflösungserwartung. Das kann man an einer ganz einfachen II-V-I-Kadenz durchspielen:
1.) Dm7 G7 Cmaj7 . . . . Tritonus von G7 ist b-f
2.) Dm7 Db7 Cmaj7 . . . Tritonus von Db7 ist f-cb (cb und b sind enharmonisch identisch)
Beide Töne haben nur ihre Rolle getauscht (3 <-> b7).


Vereinfacht kann man sagen, eine Dominante kann sich im Quintfall auflösen (Dominante/Zwischendominante) oder mit einem Halbtonschritt nach unten (Tritonussubstitut). Ziel ist bzw. erwartet wird normalerweise eine tonarteigene Stufe.

Da aber die Akkorde Fm7 und Cbj7 zur Tonart Eb-Moll passen, klingen diese nach den beiden Dominanten so logisch.
In meinem Kopf macht das gerade alles total Sinn :D

Es sind Stufenakkorde. Fm7 die II in melodisch Moll, Cbj7 die bVI (kleine Sexte) in natürlich und harmonisch Moll.

Ich habe in dem Titel nach C7 eigentlich eher Bmaj7 erwartet, die bVI Stufe. Die II wird ja in Moll meist als m7b5 gespielt (II von natürlich Moll), und dieser Akkord wäre als Auflösung nicht geeignet, da er zu instabil ist. Die Auflösung nach Fm war für mich insofern schon eine Überraschung.

Hat es einen bestimmten Grund, warum du ein "b" vor VI schreibst?

In der Jazz-Harmonielehre werden die einfachen Römischen Zahlen für die Dur-Stufen genommen, also alle großen bzw. reinen Intervalle. Die kleinen Intervalle in Moll werden durch das b gekennzeichnet. So gibt es auch keine Probleme, wenn in einer Akkordfolge Dur- und Moll-Stufen gemischt vorkommen. Es ist immer eindeutig.
 
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Toll! Das ist eine sehr schöne Erklärung und ich kann das damit alles sehr gut nachvollziehen.
Vielen Dank, MaBa!

Oli
 

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