Improvisieren auf dem Akkordeon

Bernnt
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Beim Improvisieren merke ich gelegentlich, dass ich mich in festgefahrenen Bahnen bewege. Dann dödelt man Skalen oder Tonleiter rauf und runter oder spielt das, was andere schon immer gespielt haben. Man merkt, dass da irgendwas fehlt. Aber wie kommt man von den festgetretenen Pfaden runter?

Beim Stöbern im Internet fand ich auf Youtube den Account von Oliver Prehn. Er bemüht sich in seinem Kanal "NewJazz" darum, Leuten - auch Anfängern - zu zeigen, wie man improvisiert. Seine These: Jazz-Theorie hilft nicht, sie ist dazu da, über die Spielpraxis zu reflektieren. Vielmehr braucht man Griffe (er nennt sie handgrips), die man über die Tastatur verschiebt. Tut man das bewusst, entstehen die komplexen Skalen und Improvisationen automatisch.:cool:

Zwei Videos haben es mir angetan. Das erste zeigt in 10 Schritten einen Zugang zu moderneren Jazz-Improvisationen auf und geht total langsam vorwärts.Ich finde es klasse, dass durch die Methodik am Anfang mentale Blockaden überwunden werden können. Und: Ja, auch Anfänger können etwas mitnehmen:



Unglaublich ist, wie einfach man hier auf dem Knopf-Akkordeon unterwegs ist. Keine schwarzen Stolperfallen auf dem Griffbrett:D

Das zweite kümmert sich um die II-V-I-Verbindung (also eine Standardakkordabfolge im Jazz):



Dort wird das "System" von Prehn besonders deutlich. Wenn man auf dem Akko die linke Hand in den Bass verlagert (A-Grundbass + c-Dur, D+d7, G+gm), kann man das auch auf dem Akko nachvollziehen. Ich find den Kanal von Prehn interessant. Wenn man die beiden Grundgattungen im Jazz, Blues und Turn und Rhythm Changes kennt, kann man die Sache sofort praktisch probieren. Ich saß gestern mal wieder fasziniert vor der Kiste und hab mit dem Akko zu den Videos einfach dazu gespielt. Glücklicherweise ist das Grundmuster im zweiten Video pentatonisch. Wenn man richtig spielt, klingt das also nicht kakophonisch, sondern ganz nett.;):D Ich habs genossen.:)
 
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dann sind wir gespannt auf die beiden Videoaufnahmen
Nicht so flott, sonst gibt es Schrott. Paul, ich stecke noch bei Stufe 6. Für mich ergeben sich bei der ersten Übung auf den Knopf zwar einfache, aber neue Bewegungsabläufe, weil man ja konsequent immer kleine Terzen spielt und keine Skalen. Ich bin noch am Üben, wie ich die Dinger flott über das Griffbrett verschoben kriege. Also erstmal: Immer locker vom Hocker.

Das mit der Aufnahme ist angekommen...
 
Sehr gutes Thema @Bernnt !
Bei Improvisation denkt man häufig gleich an“Jazz“.
Muss es aber erst mal nicht. Ich denke, darauf willst du hinaus (?)

Wenn man beginnen will, frei zu spielen, würde ich erstmal (also als kompletter Anfänger oder als jemand, der bisher sehr notengebunden spielt) in Vertrauten Harmonien oder Melodien bleiben und darin grundsätzlich immer freier werden.

Das fängt ganz primitiv z. B. damit an, ein vertrautes Stück schneller, langsamer, unterschiedlich akzentuiert zu spielen, um überhaupt eine eigene „Willkür“ ins Spiel zu bringen.
Dann kann man rhythmisch variieren, die Taktart verändern, verschiedene Styles versuchen und dabei noch im vertrauten Stück zu bleiben.
Wenn es da hapert, werde ich mit ganz neuen Klängen, Harmonien noch mehr Probleme haben und die Improvisiererei vielleicht aufgeben...

Nächster Step wäre z. B. Verschnörkeln oder Verkümmern der bekannten Melodie, also Töne hinzufügen oder weglassen und damit das Stück immer mehr „verstecken“ bei immer noch gleicher Harmonie.
Spätestens hier kommen Ideen für eigene Melodien, die entstehen.

Die dann noch in unterschiedlichen Rhythmen / Tempi und schon komponiert man.

Das kann man dann mit nem anderen Stück machen, das ne andere Tonart, andere Kadenzen hat.
Schon merkt man, dass es schwieriger wird.

Wichtig find ich, dass man vor allem vorher hört, was man spielen würde/ möchte und dann ausprobiert, ob man das findet.

Mit der Zeit, besonders beim „Ausschmücken“, merkt man, dass alterierte Intervalle schön für Übergänge klingen, anfangs sicherlich mit chromatischen kleinen Einlagen.
Der Tonraum im Stück wird gerne überschritten. Das gibt ein Gefühl für die Wirkung von Intervallen. (Nebenher kann man feststellen, dass die Quarte runter oder sexte rauf beispielsweise oft schön klingt und man nutzt es vielleicht auch mal für nen Zweiklang)

Erst viel später kommen Harmonien ins Spiel. Man erkennt Zusammenhänge zwischen Melodie und Harmonie zwischen Spannung und Entspannung und wie sich das steigern oder langziehen lässt.
Wo Betonungen besonders gut passen und wo eine Pause spannend wirkt, oder langsamer/ schneller werden.

Das ist alles noch kein Jazz bisher, ich finde aber es ist die Voraussetzung für bewusstes Harmonisches, Melodisches und Rhythmisches „Brechen“ aus dem bisher Gespielten.

Die oben vorgestellte Pentatonik eignet sich z. B. gut, um wenig Fehler beim Töne finden zu machen, gut, aber es schränkt die Melodik insofern ein, dass man wenig Vertrautes in Pentatonik kennt, womit man dann Herumspielen kann und selbst hören kann, inwieweit das Vertraute erkennbar, stimmig oder versteckt ist.
Das ist bei den Blues-Skalen ja genau so. Es stimmt (fast) immer (sofern man überhaupt mit Harmonien spielt) aber die Melodik ist eher nicht so anregend.

Mir ist klar, dass jeder einen ganz persönlichen Startpunkt, ein persönliches Gehör und eine persönliche Rhythmik hat. Daher ist das nur meine Vorgehensweise derzeit.
Nebenher tut Theorie ganz gut, um hinterher sagen zu können: „Ach soooo, das hier gefällt mir also, deshalb klingst gut , deshalb fand ich so viele harmonische Möglichkeiten.
Und irgendwann hilft auch Theorie dabei, etwas zu finden, ohne viel zu probieren, weil man weiß, dass z. B. der Dur-Tritonus affengeil zum Dominantseptim passt und dementsprechend auch Einzeltöne daraus.

Aber zuallererst sollte man überhaupt mit simplem Vertrauten möglichst vieldimensional rumspielen und so ein Grundgefühl für musikalische Impro bekommen.

Ist beim Bewegen genau so.
Ich tu erst was ich kenne und kann, modifiziere nach Gefühl und finde irgendwann mein ganz eigenes. Später verstehe ich, wieso die Bewegung so gut läuft. (Und wenn ich hier etwas Theorie kenne, erspare ich mir einige Holzwege, die andere vor mir gegangen sind):)

[Zum zweiten Video btw: er gibt im ersten Akkord Amoll7 b5 an. Witzigerweise spielt er die „5“ nie links, so lässt er offen, ob es ein Moll oder Halbverminderter ist.
Korrekterweise spielt sich die Harmonie am Akko mit A+ cmoll = „A-Halbvermindert“- aber wie gesagt, er spielt weder E noch Es links bei dieser Harmonie]

Grüßle
 
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Aus inhaltlichen Gründen greife ich das mal wieder auf.
Ich war über Tasten und Knöpfe weiter zu diatonischen und orientalen zu Blaßinstrumenten und Saiteninstrumenten gekommen und hatte das B-Griffakkordeon sicher ein Jahr zurückgestellt.
Meine Beobachtung ist aus der Sicht der Improvisation und gilt natürlich nicht für Bereiche an denen der Kopf beteiligt ist wie etwa ein Repertoire.
Die Pause oder Beschäftigung aber scheint mir nach Wiederaufnahme mich mindestens nicht zurückgeworfen zu haben.
Vielleicht haben sich die Finger in der Zeit alles gemerkt und das noch verbessert?
Ist natürlich Spekulation ob Finger sich überhaupt was merken können oder man kopflos Geräusche machen kann. ;)

oder anders ausgedrückt kann ich die Wege die meine Finger sich gemerkt haben oder finden weder beschreiben, noch nachvollziehen, nicht wiederholen außer ähnlich und auch nicht benennen.
 
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Der Begriff Fingergedächtiß wird im Bereich Musik mehr benutzt als erklärt.
Bei meiner Suche danach lande ich bei der Propriozeption.
https://www.passion4stringteaching.com/propriozeption-beim-geigenspiel/
Demnach könnten die Finger zB. einer angestrebten Richtung folgend oder auch Richtungslos sich selbst korrigierend beim Improvisieren eingeübten geometrischen Mustern folgen.
 
Der Begriff Fingergedächtiß wird im Bereich Musik mehr benutzt als erklärt.
Bei meiner Suche danach lande ich bei der Propriozeption.
https://www.passion4stringteaching.com/propriozeption-beim-geigenspiel/
Demnach könnten die Finger zB. einer angestrebten Richtung folgend oder auch Richtungslos sich selbst korrigierend beim Improvisieren eingeübten geometrischen Mustern folgen.
Falls ich das richtig verstehe handelt sich um das sogenannte Lagenspiel. Dabei werden nicht so sehr Bewegungsläufe gespeichert, sondern die Position der Finger. Zu erreichen ist das durch gleichzeitiges Drücken aller Tasten/Knöpfe innerhalb einer Passage. Durch das Lagenspiel prägen sich propriozeptorisch die Gelenkstellungen der Finger jeweils ein und können für Verschiedene Bewegungen (Läufe, Akkorde) auf den richtigen Positionen auf der Tastatur abgerufen werden. Dies betrifft gleichermaßen das Improvisieren als auch das Rezipieren von Notentext.
Beitrag automatisch zusammengefügt:

oder anders ausgedrückt kann ich die Wege die meine Finger sich gemerkt haben oder finden weder beschreiben, noch nachvollziehen, nicht wiederholen außer ähnlich und auch nicht benennen.
Mit anderen Worten: Du improvisierst nach Gehör?
 
Ich glaube schon nach Gehör denn wenn ein Ton nicht paßt höre ich das und versuche es zu verbessern.
Und dann spiele ich sicher auch bevorzugt Töne an die ich treffsicherer erreichen kann als andere.
Beim Knopfakkordeon ist es auch noch etwas anders als auf den Tasten.
Da kommt dann neben rauf und runter links rechts dazu und die Hilfsreihen.
 
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Der Vorteil bei Knopf ist ja gerade der, dass man Lagenspiel -und ich glaube dass @Bernnt s Knopfkurs ähnlich arbeitet. (Griffmuster)- hier quasi auf alle Tonarten anwenden kann.
Vorteil: weniger Griffmuster zu merken (für Anfänger sehr hilfreich)
Nachteil: Gefahr des Festfahrens der immer gleichen Improfloskeln
 
Gefahr des Festfahrens der immer gleichen Improfloskeln

Ja, diese Gefahr ist schon da. Das Problem haben aber die Lick-Fetischisten auch. Man kann dem auf dem Knopfakkordeon einfach begegnen. Das geht so, wenn man sich von musikalischen Jazz-Vorurteilen löst, die auf Skalen basieren und anfängt selber "Skalen" zu basteln. Konkret funktioniert das in meinem Kopf so, dass ich mir einen Lauf mit "Formen" vorstelle: "Ich möchte auf meinen Knöpfen Richtung Boden rennen. Dazu spiele ich ein Dreieck auf der 1.Reihe. Danach kommt ein Rechteck auf der 2.Reihe. Dann wieder das Dreieck, dann wieder das Rechteck." Die Konsequenz: Man kommt zu ungewöhnlichen Tonfolgen. Manche davon hören sich cool an. Die merke ich mir dann. Und das tolle daran: 1.Die Methode funzt in jeder Tonart. 2. Man kommt immer irgendwann an einen Zielton, von dem man wieder ein ganz konventionelles Motiv ansetzen und den Zuhörern einen Moment der Entspannung geben kann. Wenn man sich irgendwann bei der Session langweilt, weil man nur noch Plattitüden spielt, kann man dann versuchen, die Formen im Kopf auszutauschen oder andere zu entwickeln. Weil sich jeder mal verspielt, geschieht das auch spontan.:whistle: Das muss aber nicht schlecht sein. Hauptsache Spaß am Spielen.:cool:
 
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Das ist eine interessante Idee, zu neuen Ideen zu kommen.
Ich bin auch kein großer Freund von Licks. Mal zum üben ja, aber beim Improvisieren nutze ich sowas kaum.

Am Ende zählt das musikalische Endergebnis. Das hast du schön beschrieben. Ausprobieren, und das Gute weiterentwickeln. Spannung und Entspannung. Beim Spielen den Dialog zwischen den Musikern haben, und zwischen Musiker und Publikum. Dann macht es Spaß.

Wie man dahin kommt, da gibt es sicher viele Wege.
 
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Manchmal, zB müde von der Arbeit, scheint mir auch das Improvisieren auf Knopf oder Tasten für solche Momente zu viel Konzentration zu erfordern.
Dann greife ich schon mal zur Club-Harmonika die sich auch sehr gut zum Improvisieren eignet und dabei leichter zu bedienen ist.
Wobei man da natürchlich auch mit mehr Konzentration mehr rausholt als ohne und das leichter zu bedienen natürlich nur für bescheidene Ziele gilt.
Da ist dann das Endergebniß schon mal weniger wichtig und zählt eher die gemütliche Entspannung nach Feierabend am Instrument.
 
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