Klangabstrahlung bei Zug- vs. Druckspiel

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Gradient
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Liebe Forumler,

ich habe eine grundsätzliche Frage zur Klangabstrahlung des Akkordeons:

Ein Akkordeon klingt bei Zug- und Druckspiel (annähernd) gleich. Dieses Phänomen finde ich höchst erstaunlich. Geht man davon aus, dass die Klangerzeugung ähnlich dem Prinzip der Lochsirene, d. h. ohne Resonator in direkter Abstrahlung in Spielwindrichtung, erfolgt, so müsste der Ton bei Druckspiel frei nach außen abgestrahlt werden, bei Zugspiel jedoch fast vollumfänglich nach innen ins Instrument abgestrahlt werden. Das müsste doch eigentlich zur Folge haben, dass der Ton bei Zugspiel im Gegensatz zum Druckspiel stark gedämpft klingen würde. Das ist jedoch nicht der Fall.
Kann mir hier jemand eine Erklärung liefern??

Vielen Dank und beste Grüße

Richard
 
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Hallo Richard,

so aus dem hohlen Bauch heraus würde ich sagen, der Hauptunterschied zwischen Sirene und Stimmzunge ist der, daß bei der Sirene die Luft mit hohem Druck durch sich periodisch öffnende und schließende Löcher gepreßt wird, während die Stimmzunge nur relativ wenig Luft benötigt (je teurer/besser, desto weniger), um zum Schwingen angeregt zu werden.

Der hörbare Ton entsteht bei der Stimmzunge hauptsächlich durch die umgebende Luft, die durch die schwingende Metallzunge ihrerseits zu Schwingungen angeregt wird.
Deshalb wird die Luft auf beiden Seiten der Stimmzunge in etwa gleich stark in Schwingung versetzt, denn der (relativ) moderate Luftzug, der die Zungenschwingung aufrecht erhält, fällt hierbei nur wenig ins Gewicht.

Im Gegensatz dazu ensteht die Luftschwingung bei der Lochsirene durch die mit hoher Geschwindigkeit durch die Löcher gepreßte "zerhackte" Luft und breitet sich dann auch hauptsächlich in diese eine Richtung aus.

Übrigens ein interessanter Vergleich zwischen Sirenen und Akkordeons. :D

Viele Grüße
Torsten
 
Hallo Richard,

das alles wird leichter verständlich, wenn man die verschiedenen Effekte strikt getrennt betrachtet.

Die Stimmzungen wird von durch strömender Luft angeregt und kommt dadurch in Schwingung. Die Luft strömt durch und weg und die Zunge schwingt. Dafür braucht man auf Zug und Druck verschiedenen Zungen, da die Stimmzunge vom Wirkprinzip her nur in eine Richtung funktioniert. Und für die Anregung der Zunge bracuht man Luftströmung. Dann aber nicht mehr!

Die schwingende Zunge erzeugt ihrerseits Schallwellen, die sich durch die umgebende Luft in alle Richtungen ausbreitet. Solange Luft da ist, breitet die Schallwelle sich aus. Im Idealfall breitet sich der Schall dann kugelförmig , beginnend bei der Stimmzunge in alle Richtungen gleich aus. Hierfür ist allerdings keine Luftströmung nötig , sondern das vorhandensein von Luft genügt. Das geht durch Übertragung der Energie im Molekülbereich, indem ein Molekür die Schallenergie dem benachbarten übergibt. Und die Moleküle flitzen sowieso im atomaren Bereich ständig hin und her und sind immer in Bewegung (auch bei Windstille!!!) - da ist im Vergleich dazu ein bischen Wind praktisch nix.

Und weil die Schallenergie nur von einem Molekül zum nächsten weitergegeben wird, geht das ziemlich fix. Es wird also nicht ein mit Schallenergie geladenes Luftmolekül quer durch den Raum geschossen.

Der Schall breitet sich mit ca. 340 m/s aus. Deshalb kann man hinten im Saal fast zur gleichen Zeit hören was vorne auf der Bühne grad angespielt wird. Streng physikalisch gesehen ergibt sich bei Gegenwind dann ein ganz leicht unterschiedlicher Ton (Wen s intersssiert: siehe "Dopplereffekt") - im Vergleich zu normalen Stimmungsschwankungen macht dies aber keinen hörbaren Unterschiede

In Natura ist die ideale Kugelform aber nicht möglich , weil irgendwelche Störkonturen im Weg sind - wie z.B. eine Kanzelle, eine Gehäusewand, der Spieler, Zuhörer etc.
Deshalb hört man in verschiedenen Positionen nicht gleich gut. So gibt es z.B. Akkordeons die nach vorne zum Zuhörer viel besser abstrahlen, als zum Spieler. Das macht die Bauform.

Und dass der Ton in Form von Schallwellen übertragen wird und nicht durch eine Luftströmung ist ganz gut so, denn sonst könnte man ja nur was hören, wenn man direkt von der Luft, die aus der Tonklappe ausströmt abngeblasen wird! Die Sirene hört man ja auch überall, auch wenn man nicht direkt in den Schalltrichter guckt!


... ich hoffe, ich habe das halbwegs verständlich in Kürze "rübergebracht"

Gruß, maxito
 
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Hallo Torsten,
hallo Maxito,

vielen Dank für Eure umfangreichen Antworten. leider überzeugen sie mich nicht wirklich und das aus folgendem Grund: sollte tatsächlich die Schwingung der Zunge (und die dadurch in Schwingung versetzte Luft) allein für den (dann tatsächlich auf beiden Seiten der Zunge gleichartigen) Klang verantwortlich sein und der Spielwind keine klangbeeinflussende Wirkung haben, so sollte auch beim Anzupfen der Zungen von Hand zumindest ganz kurzfristg ein kräftiger, der spielwinderregten Zunge zumindest vergleichbarer Klang/vergleichbare Lautstärke zu bebachten sein. Das ist jedoch keineswegs der Fall, der Ton ist sehr leise, wie jeder von Euch es bestimmt schon einmal beobachten konnte. Hier müssen m. E. noch andere Mechanismen eine Rolle spielen.

Viele Grüße,

Richard
 
Hallo Richard,

die Stimmzunge ist relativ "steif" und schwingt nur extrem kurz nach (das ist ja auch beabsichtigt) und klingt beim bloßen "anzupfen" zudem auch völlig anders, weil dadurch ganz andere Schwingungsmoden angeregt werden (klingt eher nach Maultrommel).
Ich fürchte, um Deine Bedenken beseitigen zu können, müßte man eine andere Methode finden können, die Stimmzunge zu einer stabilen dauerhaften Schwingung anzuregen.
Dazu fällt mir allerdings nichts praktikables ein. :nix:

Du kannst ja mal versuchen, anhand der Auslenkung und Frequenz der Stimmzunge abzuschätzen, wie stark die durch die Schwingung hervorgerufenen Druckschwankungen sind und das mit dem Balgdruck von ca. 300 Pa vergleichen.
Dein Nickname "Gradient" legt nahe, daß Du das können könntest. ;)


Viele Grüße
Torsten

Edit: Bei näherer Betrachtung ist mir klar geworden, daß ich noch überhaupt nicht verstanden habe, was hauptsächlich zur Tonerzeugung beiträgt. Eigentlich müßte es doch der durch die schwingende Zunge periodisch unterbrochene Luftstrom bzw. die dadurch erzeugten Druckschwankungen sein... Deshalb ist das maultrommelähnliche Nachschwingen auch deutlich (!) leiser als der "reguläre" Ton.
Unabhängig von der Strömungsrichtung treten diese Druckschwankungen auf beiden Seiten der Platte auf.
Bei der Lochsirene ja auch (das ist ja Dein springender Punkt), nur scheint da die Richtcharakteristik stärker ausgeprägt zu sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
so sollte auch beim Anzupfen der Zungen von Hand zumindest ganz kurzfristg ein kräftiger, der spielwinderregten Zunge zumindest vergleichbarer Klang/vergleichbare Lautstärke zu bebachten sein. Das ist jedoch keineswegs der Fall, der Ton ist sehr leise

Dass der Ton recht leise ist, kommt ganz einfach daher, dass keine Energie dahinter ist, um das Ganze stabil anzuregen. Mit dem einmaligen Anzupfen bekommt man eine schnell abklingende Schwingung. Und was das Ohr da wahrnimmt ist hier auch noch zu berücksichtigen. Um einen Ton sauber wahrzunehmen, benötigt man eine bestimmte Mindestdauer mit einer gewissen Konstanz.

Hier gings auch schon mal um diese Effekte:

https://www.musiker-board.de/funkti...97-vom-schnurren-schnarren-2.html#post4156820

Zudem hat die Luft ja auch eine Eigendämpfung. D.H. Wenn keine Energie nachgeschoben wird, wird das Resultat sehr schnell weggedämpft. Es sollte also unterschieden werden zwischen einmaligem Impuls mit schnellem Abklingen und konstanter Anregung mit dauerhafter Energiezufuhr. Das kann auch durch elektrische Anregung der schwingenden Zunge stattfinden.

Und wenn man dann die Zunge nicht frei in den Raum stellt , sondern der Sache eine passenden Rahmen verpasst, wird die Sache noch zusätzlich verstärkt. Denn beim Eintritt in den Plattenspalt wird der Spalt schlagartig "zugemacht" das gibt einen stärkeren (Schall-) Druckimpuls. Der kommt aber nur dann so richtig zum tragen, wenn auch eine entsprechende Druckdifferenz dabei entsteht. Zupft man ohne Spieldruck an, dann ist der Druckimpuls auch entsprechend klein und man hat nur die ganz normale Schallanregung der schwingenden Zunge. Im normalen Betrieb ist hier ein entsprechender Spieldruck dahinter, der einen entsprechend großen Impuls generiert - und entsprechend mit Schmackes wird der Ton erzeugt.

Gruß, maxito
 
Liebe Mitleser,

ich empfehle hierzu den folgenden Artikel: http://de.wikipedia.org/wiki/Durchschlagende_Zunge#Funktion

Das deckt sich insofern mit Maxitos Ausführungen, als es heißt: "Diese sehr schnellen Unterbrechungen des Luftstromes erzeugen eine Schwingung in der umgebenden Luft und somit eine Schallwelle." Hier wird nicht die Schwingungsenergie der Stimmzunge auf die Luft übertragen, sondern die Energie aus dem Spieldruck.

Daneben gibt es sicherlich noch den Effekt der unmittelbaren Anregung der Luftsäule durch die Schwingungsbewegung der Zunge (Energieübertragung von Zunge auf Luft). Zu hören z.B. bei Anzupfen oder im Nachschwingen (gerade bei großen Zungen).

Rein vom Hinhören ist für mich naheliegend, dass die unmittelbare Anregung durch die Bewegung der Zunge ziemlich wenig Druckunterschied zu Stande bringt (= leise), während der Aufbau von Druckunterschieden durch den periodischen Verschluss/Verengung des Strömungskanals offenbar mehr zu Stande bringt (= laut).
Ich vermute, dass auch bei ständiger Energiezufuhr in die Schwingung der Stimmzunge ohne Spielwind (wenn das irgendwie technisch machbar wäre [EDIT: ich lese gerade maxito schlägt eine elektrische Anregung vor]) der erzeugte Ton durch die unmittelbare Anregung relativ dünn ausfallen dürfte. Man stelle sich einen Lautsprecher mit der Fläche einer Stimmzunge vor...
Außerdem grüble ich gerade darüber nach, ob die beiden erzeugten gleichfrequenten Töne nicht phasenverschoben sein müssten.
Anregung: Druckmaximum bei maximaler Auslenkung,
Spielwindunterbrechung: Druckmaximum bei Nulldurchgang der Zunge (= maximaler Verschluss) :gruebel:. Aber das nur am Rande.

Übertragen auf den Vergleich mit der Lochsirene: Ich bin überzeugt davon, dass die Schallausbreitung bei der Lochsirene primär in alle Richtungen (auch gegen den Luftstrom) erfolgt und "nur" sekundär durch die Bauform gerichtet wird. Müsste man echt mal beweisen, indem man den Rotor umdreht...

Fazit bei der Stimmzunge gibt's zwei Tonerzeugungen eine durch Anregung, eine durch Spielwindunterbrechung. Erstere ist vom Energiegehalt einfach leiser. Inwieweit das aber zum gesamten Klang dnenoch beiträgt oder nicht, habe ich hiermit nicht gesagt.

Ich bin absolut kein Ingenieur und kann das Ganze hier nur wenig physikalisch untermauern, bzw. es ist gut möglich, dass ich Termini falsch verwendet habe. Und ich weiß, es fehlt an Beweisen; ich hoffe aber, der gute Wille ist erkennbar.:)

Grüße, Schabernakk
 
Außerdem grüble ich gerade darüber nach, ob die beiden erzeugten gleichfrequenten Töne nicht phasenverschoben sein müssten.
Anregung: Druckmaximum bei maximaler Auslenkung,
Spielwindunterbrechung: Druckmaximum bei Nulldurchgang der Zunge (= maximaler Verschluss) :gruebel:. Aber das nur am Rande.

Again what learned: wieder was gelernt. Bei der Anregung ist das Druckmaximum nicht bei maximaler Auslenkung, sondern beim Nulldurchgang also beim Geschwindigkeitsmaximum... Also nix von wegen Phasenverschiebung.
Ich bitte, meine voreiligen Äußerungen zu entschuldigen.

Gruß, Schabernakk
 

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