Ich hab an dem Stück gerade mit den Noten rumprobiert und ich weiß nicht, wie ich mit diesen Noten umgehen soll, was wie wo betont wird. Irgendwie krieg ich den Schwung nicht raus...
Ja, das ist in der Tat nicht einfach, vor allem, weil früher in den Noten ja sehr viel weniger Informationen vermittelt wurden. Man denke da nur an die an den natürlichen Sprachrhythmus angelehnte, nicht explizit notierte, Rhythmik von gregorianischen Gesängen.
Im Grunde ist es (passend zu Deinem "Blues zu Fuß"-Faden) so, dass es auf die damals allgemein bekannten gängigen Konventionen ankommt, die heute freilich niemand mehr so genau kennt oder zwischen vielen Epochen unterscheiden muss (die berühmt-berüchtigte "historische Aufführungspraxis").
Bei "Lads and lasses" hilft es mir, streng in halben Noten zu zählen (deshalb steht da auch 3/2), dann bekommt man die ungewohnten Verschiebungen und Betonungen eher in den Griff.
Diatonische Instrumente wie im Video helfen dabei, allein durch die Spielweise (z. B. Knopf gedrückt halten und Tonänderung durch ruckartigen Balgwechsel) die typischen Akzente und den "Drive" reinzubekommen. Das ist auf chromatischen Instrumenten nur mit viel Übung, Erfahrung und Wissen möglich, dann da muss man das alles viel bewusster "inszenieren", damit es stilecht klingt.
Und ganz wichtig: Wo sind die Melodiephrasen eigentlich jeweils vorbei? Atempausen oder so was finden sich ja nicht und darum macht wohl jeder, was er will (naja nicht ganz).
Ich würde mal sagen: viel solche Musik hören, dann entwickelt man ein Gefühl (nicht, dass ich es so richtig hätte...
). Das hat wirklich viel mit Blues gemeinsam. Nicht klanglich, aber prinzipiell. Ebenso wie die genretypischen Verzierungen, die auch stark von den Eigenheiten/Beschränkungen der Instrumente geprägt sind.
Beispielsweise können Dudelsäcke (je nach Bauart) keinen Ton absetzen, weshalb Tonwiederholungen immer durch die typischen Verzierungen zwischen den Tönen "simuliert" werden.
Wie schnell nimmt man die, ohne dass jemand einschläft oder dass jemand aus den Latschen kippt?
Das Thema Tempo, auch im Hinblick auf die Interaktion (!) von Musik und Tanz wird in den letzten Jahren/Jahrzehnten durchaus konträr in den Musikwissenschaften diskutiert. Da gibt es keine einfache Antwort.
Zur Harmonisierung wäre auch die damals übliche Stilistik wichtig. Wohl eher schlicht.
Im Extremfall überhaupt nicht! - Bei den erwähnten gregorianischen Chorälen ist eine Harmonisierung (wie sie oft heute in Gottelsob/Gesangbuch stehen) sogar grundsätzlich falsch und unpassend, weil damals nur Oktaven und mit Müh und Not später gerade noch Quinten als wohlklingend empfunden wurden.
Also eher spärlich, einfach, vielleicht bordunmäßig, oft ohne Terzen.
Nun war ich damals noch nicht auf der Welt
. Sind die Tanzschritte dazu eigentlich überliefert?
Hmmm, gute Frage.
Damals war ja Tanzen "voll angesagt", die Vorbilder stammten allesamt aus Frankreich und da gab es auch einen eigenen Code, mit dem man sogar Schrittfolgen usw. beschreiben konnte. Das war aber wohl eher im höfischen Bereich und die Playford-Stücke sind ja explizit für das "gemeine Volk" gedacht.
Immerhin gibt es ja zu jedem Stück Beschreibungen über Aufstellung (Sonnen und Monde) und den Tanz-Ablauf.
In der schlechten Grafik nicht gut zu lesen, aber da stehen ja auch Textanmerkungen:
"Note: Each Strain twice over"
Da die Doppel-Taktstriche zwar Abschnitte markieren, aber keine Wiederholungen eingezeichnet sind, wird danach als Hinweis gesagt, man solle jeden Abschnitt doppelt/zweimal spielen. Daher kommen die Wiederholungszeichen in den modernen Transkriptionen.
"Longways for as many as will"
Reihentanz für beliebig viele Paare.
"The firſt Man take his Partner by the Left-hand, and lead her into the ſecond Couples place, and
both turn ſingle__ The firſt Woman lead the firſt Man by the Right-hand, in his own place__
Then both fall back, meet again, then back to back, and turn Partners__ Fall back meet again,
lead thro' the bottom and top, then caſt down into the ſecond Couples place, and turn Partners__"
Das berschreibt doch schon ganz schön, wie der Tanz abläuft. Da stehen zwar keine expliziten "Tanzschritte", aber bekannte Figuren werden in ihrem Ablauf genau vorgegeben.
Auf jeden Fall ein interessantes Gebiet...
Torsten