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Läutet Madonna das Ende der Big Label Ära ein?

Wie ich schon schrieb, bräuchten wir ein neuartiges Finanzierungsmodell, das Musikern unabhängig von den Verkaufszahlen eine Grundsicherung sicherstellt. Vergleiche hierzu auch DIESEN THREAD.

DJ Nameless

Ah..also in die Richtung denkst du. Na klar, wäre toll. Dann verstehe ich auch deine Gedanken, das Leute auf die Idee kommen Musik nur zu machen um an diese Grundsicherung zu kommen. Wir reden hier natürlich über abgehobenste Utopien.

Wer kommt rein und wer nicht? Dann hast du wieder eine Selektion wie am Markt. Es wird immer so sein. Der Mensch IST sozusagen Markt. Jeder Mensch denkt nur an seinen Vorteil und an den Vorteil des Anderen nur, wenn er selbst wiederum einen noch größeren Vorteil davon hat.

Aber ELEMENTE in diese Richtung sind schon vorhanden. Die Künstlersozialkasse z.B. und da versuchen sich auch viele einzuschleichen. Auch in den Verwertungsgesellschaften gibt es solche Elemente, bzw. sind die durchaus AUCH als Solidargemeinschaft gedacht.

Auch Mozart und Beethoven mussten sich schon mit dem Markt herumschlagen. Vielleicht gab und gibt es noch ganz andere Komponisten da draussen, die man niemals hören wird.

Es ist die alte Frage, ob uns der Markt vor schlechten Produkten bewahrt oder gute Produkte verhindert.

Es ist natürlich auch so, dass niemand mehr für sich persönlich zwischen Kunst und Unterhaltung unterscheidet. Etwas kryptisch ausgedrückt: Man unterscheidet nur noch zwischen süß und bitter, nicht mehr zwischen wahr und falsch. Alles muss gefallen, wenn es nicht gefällt, höre ich es nicht. Wir können uns gar keinen anderen Ansatz mehr vorstellen. Unterhaltung macht Spass, Kunst muss nicht zwingend unterhalten. Kunst ist Suche nach Wahrheit.

Aaaaaaaaaaaaaamen! :D

Gruß,

Uranus
 
Ah..also in die Richtung denkst du. Na klar, wäre toll. Dann verstehe ich auch deine Gedanken, das Leute auf die Idee kommen Musik nur zu machen um an diese Grundsicherung zu kommen. Wir reden hier natürlich über abgehobenste Utopien.[/url]

Also ein bedingungsloses Grundeinkommen ist ja schon in den Medien im Gespräch gewesen.

Wer kommt rein und wer nicht? Dann hast du wieder eine Selektion wie am Markt. Es wird immer so sein. Der Mensch IST sozusagen Markt. Jeder Mensch denkt nur an seinen Vorteil und an den Vorteil des Anderen nur, wenn er selbst wiederum einen noch größeren Vorteil davon hat.
Aber ELEMENTE in diese Richtung sind schon vorhanden. Die Künstlersozialkasse z.B. und da versuchen sich auch viele einzuschleichen. Auch in den Verwertungsgesellschaften gibt es solche Elemente, bzw. sind die durchaus AUCH als Solidargemeinschaft gedacht.

Diese Sachen nützen nur dem echten Nischenmusiker überhaupt nichts. Wenn ein Künstler nur bei ein paar Webradios mit jeweils einer Handvoll Hörer läuft, würde er bei Verwertungsgesellschaften nur draufzahlen. Deshalb sind ja fast alle Nischen-Titel auf kostenlosen Newcomer-Plattformen im Internet zu finden, oder auch direkt auf den jeweiligen Homepages der Musiker.

Auch Mozart und Beethoven mussten sich schon mit dem Markt herumschlagen. Vielleicht gab und gibt es noch ganz andere Komponisten da draussen, die man niemals hören wird.
Es ist die alte Frage, ob uns der Markt vor schlechten Produkten bewahrt oder gute Produkte verhindert.

Es ist beides der Fall. Zweifelsfrei stellen selbsternannte "Künstler" sehr viel Müll ins Netz. Aber ab und zu finde ich da auch mal einen Titel, der miir richtig gut gefällt, und wo ich mich dann frage: "Warum kommt der nicht offiziell auf Platte raus?" Umgekehrt findet man in den Charts durchaus gute Songs wie "My Heart Will Go On" oder "From Sarah With Love", aber eben auch so "Abartigkeiten" wie Schnappi.

Es ist natürlich auch so, dass niemand mehr für sich persönlich zwischen Kunst und Unterhaltung unterscheidet. Etwas kryptisch ausgedrückt: Man unterscheidet nur noch zwischen süß und bitter, nicht mehr zwischen wahr und falsch. Alles muss gefallen, wenn es nicht gefällt, höre ich es nicht. Wir können uns gar keinen anderen Ansatz mehr vorstellen. Unterhaltung macht Spass, Kunst muss nicht zwingend unterhalten. Kunst ist Suche nach Wahrheit.

Mal ganz ehrlich: Abgesehen von Musik, die auf einer Beerdigung gespielt wird, ist doch eigentlich jede Art von Musik dazu da, zu unterhalten. Egal ob du in ein Sinfonie-Konzert gehst oder auf die Love-Parade. Also ich kann da ehrlich gesagt keinen Unterschied erkennen.

DJ Nameless
 
@DJ Nameless

Klar, die BGE-Diskussion verfolge ich sogar genau. Nur die Idee eines Musiker-BGEs ist mir neu. :)

Letzeres ist natürlich noch "abgehobener" und man mag diese Idee für verrückt halten. Aber: Selbst heute werden selbst unsinnigste Tätigkeiten und Produkte subventioniert, teilweise nur damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Man wird sich auch immer stärker mit dem Problem konfrontiert sehen, dass der Markt eben viele gesellschaftlich und kulturell äusserst bedeutsame Dinge NICHT regeln kann. Und da müssen Lösungen her, sonst frisst sich die Geschichte selbst auf. Wir haben die einfachsten Dinge vergessen: Wirtschaft kann allgemein nicht ohne den Endkonsumenten existieren.

Auf der anderen Seite wird ja z.B. Kultur auch schon kräftig subventioniert, und da sehen wir, dass da eben eine "Entscheider-Elite" bestimmt, was denn nun förderungswürdig ist, und was nicht. Pop- und Rockmusik ist es für die anscheinend nicht. Irgendwer entscheidet immer über "Gedeih oder Verderb", wenn nicht der Markt, dann Andere.

Das Problem ist grundlegender, hinter all diesen Dinge steckt die alte menschliche Haltung: Ich gebe, wenn ich dafür mehr bekomme. Ich tue nur, was mir maximalen Gewinn bringt und das mit möglichst geringem Aufwand. Das ist nicht die Maxime der Wirtschaft sondern der Menscheit kollektiv wie individuell. Wenn du oder deine Produkte mich nicht interessieren und ich sonst keinen Nutzen habe (z.B. ich komme meiner moralischen Verpflichtung nach und fühle mich als guter Mensch) gebe ich nicht. Punkt.

Damit kann man buchstäblich ALLE Probleme erklären. Und diese Einstellung muss zwangsläufig in den zwischenmenschlichen Abgrund führen.

In der Entscheider-Elite kann ich mich mit hochkarätigen Klassik- oder Jazz-Events unter meinesgleichen blicken lassen. Da ist dann zu 10% Fachpublikum und 90% bessere Gesellschaft aus Politik,Wirtschaft und sog. Kultur anwesend. Letzere finden Klassik und Jazz natürlich toll (und sind froh wenn's vorbei ist), weil man ist ja kein Rock-Prolet.

Die Menschen unterscheiden sich lediglich daurch, wie langfrstig sie denken, und was sie unter "Gewinn" verstehen. Der eine saugt MP3 zum Abwinken, weil er sie jetzt haben will. Der Nächste kauft sie, weil er vielleicht denkt, dass der Künstler sonst kein neues Album (=Gewinn) machen kann. Der Nächste sponsort anonym und großzügig Kunst und Kultur, um sich im stillen Kämmerlein als "Gutmensch" zu fühlen. Mit letzterer Gattung lässt sich vielleicht eine Gesellschaft am längsten erhalten, aber wehe, wenn plötzlich in Utopia keine Bedürftigkeit mehr da ist. Wer braucht noch die SPD und Gewerkschaften (die interessanterweise GEGEN ein BGE sind), wenn das Proletariat mit einem Grundeinkommen wirklich "befreit" ist. Wer braucht und schätzt noch den Arzt, wenn alle gesund sind? Keiner tut in letzter Konsequenz das wozu er eigentlich gekommen es, denn er verlöre seine eigene Existenzberechtigung.

Es gibt einen jüdischen Witz, wo eine Gemeinde, einen Bettler "importieren" musste, weil irgendwann alle reich waren und man nicht auf religöse Almosengabe verzichten konnte. Womit sollte man sich dann den Platz in der nächsten Welt sichern.

Was hat das mit Madonna und den Majors zu tun?

Ganz einfach man sieht schön: Pop will eat itself! Dei Musikindustrie hat ihre Produkte (allein das Wort) bewusst und absichtlich zu oberflächlichen, möglichst massenkompatiblen, gewinnorientierten Alltags-Wegwerf-Produkten verkommen lassen. Da braucht man sich nicht wundern, wenn der Konsument auch entsprechend mit der "Ware" umgeht. Mit Singles ist z.B. eigentlich kein Geld verdient, sie sollen eigentlich die Alben-Verkäufe anheizen. Man hat aber ein Publikum geschaffen, das zum grossen Teil nur noch Singles will und auch keinen Bezug zu den "Künstlern" hat. Klar das sich solch ein Publikum an einem kostenlosen Internetangebot bedient und CDs brennt.

Allerdings ist mir das "Musik-Industrie"-Bashing alleine zu wenig. Welcher Konsument kauft denn bitteschön z.B. eine Platte von seinem Lieblings-Label, die ihm nicht gefällt, um das Label und künftige VÖs zu unterstützen?

Der Musikindustrie kann man eigentlich auch nicht vorwerfen, dass sie zu wenige Künstler unterstützt, denn 95% ihrer Produkte spielen nicht mal die Kosten ein. Die Musikindustrie hat's auch nicht einfach gute und engagierte Künstler zu finden.

Und - da kommen wir nochmal auf das Musiker-BGE zurück - die meisten Musiker die ich kenne ziehen einen ordentlich bezahlten Job und angenehmen Lebensstandard "einem Leben für die Kunst" am Existenzminimum vor. Auch wenn alle behaupten, sie würden "alles tun". Finde mal als kleines Indie-Label eine Band, die mitmachen kann und will, wenn du für sie du die Chance hättest, sie auf einmonatige Support-Tour zu schicken, aber natürlich nicht für ihren Lebensunterhalt aufkommen kannst. Der "Glanz und Glamour"-Faktor oder der finanzielle Instant-Erfolg, den die Musiker erwarten ist ein Witz. Heute das Demo, morgen der Plattenvertrag und dann hab ich die Kohle, kann meinen Vollzeit-Job kündigen und los geht's. Klar...

Alles nicht so einfach.


Gruß,

Uranus
 
Was hat das mit Madonna und den Majors zu tun?

Ganz einfach man sieht schön: Pop will eat itself!
Ich lasse das einfach mal in der Kürze stehen. Recht hast Du. Genau das ist das Problem und das werden wir nicht ändern.

Greez

Ice

@relact... Au ja! Gerne. Im Zweifelsfall ping' mich noch mal.
 
@DJ Nameless
Klar, die BGE-Diskussion verfolge ich sogar genau. Nur die Idee eines Musiker-BGEs ist mir neu. :)
Letzeres ist natürlich noch "abgehobener" und man mag diese Idee für verrückt halten. Aber: Selbst heute werden selbst unsinnigste Tätigkeiten und Produkte subventioniert, teilweise nur damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Was "unsinnig" ist, liegt immer noch im Ermessen des einzelnen Konsumenten. Wenn es eine Nachfrage für so ein Produkt gibt - und seien es auch nur drei Leute - hat das Produkt m. E. schon absolut eine Daseinsberechtigung.

Man wird sich auch immer stärker mit dem Problem konfrontiert sehen, dass der Markt eben viele gesellschaftlich und kulturell äusserst bedeutsame Dinge NICHT regeln kann. Und da müssen Lösungen her, sonst frisst sich die Geschichte selbst auf. Wir haben die einfachsten Dinge vergessen: Wirtschaft kann allgemein nicht ohne den Endkonsumenten existieren.

Nur: Endkonsumenten gibt es ja immer mehr. Es wurde noch nie so viel unterschiedliche Musik gehört wie heute, noch nie wurden so viele Newcomer-MP3's runtergeladen wie heute. Aber du hast das Problem richtig erkannt: Der Markt kann diese Dinge selber nicht regeln. Ich meine damit im übrigen nicht nur die "äußerst bedeutsamen" Dinge, sondern eben auch z. B. einen Webradio-Stream mit 5 Hörern. Diese fünf Leute freuen sich nämlich, dass es etwas´genau nach ihrem Geschmack gibt. Und damit ist m. E. auch die Daseinsberechtigung vorhanden.

Auf der anderen Seite wird ja z.B. Kultur auch schon kräftig subventioniert, und da sehen wir, dass da eben eine "Entscheider-Elite" bestimmt, was denn nun förderungswürdig ist, und was nicht. Pop- und Rockmusik ist es für die anscheinend nicht. Irgendwer entscheidet immer über "Gedeih oder Verderb", wenn nicht der Markt, dann Andere.

Ich bin (wie oben schon erwähnt) der Meinung, JEDE Art von Musik, die irgend jemandem gefällt (und seien es auch nur wenige), die sich jedoch nicht selber gegenfinanzieren kann, sollte ein Anrecht darauf haben, subventioniert zu werden. Ob mexikanische Mariachi, experimenteller Electroclash oder gregorianische Gesänge ... erst diese ganze Vielfalt macht m. E. die Musikwelt so interessant.

Der Musikindustrie kann man eigentlich auch nicht vorwerfen, dass sie zu wenige Künstler unterstützt, denn 95% ihrer Produkte spielen nicht mal die Kosten ein.

Also ich bin auch so einer, der lieber MEHR Musik hört, aber dafür den einzelnen Titel nicht so oft. Ich höre díe unterschiedlichsten Musikrichtungen, von Klassik über Ballermann- und Après-Ski-Schlager über Progressive House über Samba-Enredo bis hin zu japanischem Gabba. Es gibt praktisch keine Musikrichtung, und sei sie auch noch so abgefahren, der ich abgeneigt gegenüber bin. So kommt es halt, dass ich ein Geschäftsmodell favorisieren würde, was eben diese riesige Masse an Musik ermöglicht.

DJ Nameless
 
Was "unsinnig" ist, liegt immer noch im Ermessen des einzelnen Konsumenten. Wenn es eine Nachfrage für so ein Produkt gibt - und seien es auch nur drei Leute - hat das Produkt m. E. schon absolut eine Daseinsberechtigung.

[...]

Ich bin (wie oben schon erwähnt) der Meinung, JEDE Art von Musik, die irgend jemandem gefällt (und seien es auch nur wenige), die sich jedoch nicht selber gegenfinanzieren kann, sollte ein Anrecht darauf haben, subventioniert zu werden. Ob mexikanische Mariachi, experimenteller Electroclash oder gregorianische Gesänge ... erst diese ganze Vielfalt macht m. E. die Musikwelt so interessant.

Natürlich wäre es toll, wenn die Wünsche eines jeden Einzelnen Erfüllung finden würden. Und die einzelnen Musiken sind nur solche Wünsche. Im Extremfall gibt es morgen nur noch einen Menschen, der symphonische Musik hören will. Dann muss der Eine seinen Spass finanzieren, sich ein Orchester zusammenstellen und das bezahlen. Oder er muss die anderen anbetteln, ihm das zu bezahlen.

Was du letztlich forderst, ist das jeder noch so kleine Wunsch des Einzelnen von der Gemeinschaft erfüllt werden soll. Das gleicht der Einstellung von Kleinkindern gegenüber ihrer Familie, was deinen Wunsch nicht abwerten soll. Es fordern immerhin alle Religionen, dass jeder die Bedürfnisse des Anderen über die Eigenen stellen soll.

Ist nur die Frage, ob wir uns dieser Realität gegenwärtig annähern, oder uns davon entfernen...

Gruß,

Uranus
 
Ich habe übrigens, fällt mir gerade ein, einen Artikel im Internet zu diesem Thema gefunden, den ich euch nicht vorenthalten möchte:


Hits ohne Hörer

Wer verfolgt eigentlich noch die Charts? Die angeblichen MASSENPHÄNOMENE des Pop sind längst Minderheitenprogramme. Die Zukunft gehört den Mikrohits.

von Marc Deckert

Im Juli dieses Jahres konnte man auf dem amerikanischen Musikfernsehsender VH1 ein seltsames Ereignis bestaunen. Dort läuft das Quiz »World Series of Pop Culture«, in dem Kandidaten mit ihrem Wissen über Popkultur glänzen. Die Teilnehmer sind Menschen, die nahezu alles über Pop wissen, von Bonos bevorzugtem Speisefisch bis zum Mädchennamen von Pete Dohertys Tante. Im Viertelfinale des über eine ganze Saison laufenden Turniers trafen die Teams »Almost Perfect Strangers 2.0« gegen »Remo Leen-Teen-Teen« aufeinander. Sie erwischten zunächst eine leichte Kategorie: Chartshits des Jahres 2006. Der Moderator Pat Kiernan begann Zeilen vorzulesen - aus aktuellen Liedern von Justin Timberlake, Christina Aguilera, Shakira und Paris Hilton. Man erwartete wild durcheinanderfliegende Antworten. Doch die Kandida ten starrten leer in die Kameras und begannen zu schwitzen. Sie erkannten keine einzige Zeile.

Wie viele Lieder der aktuellen Top Ten könnten Sie mitsingen? Zwei? Drei? Wir gratulieren: Das ist nicht schlecht. In der NEON-Redaktion war Ende August niemand in der Lage, ein Lied aus den aktuellen Top-3 zu summen. Die zu jener Zeit aktuelle Nummer eins der deutschen Singlecharts, »You can get it« von Dieter Bohlen und Mark Medlock, hatte - keine Lüge! - noch gar niemand gehört. Zumindest nicht bewusst. Früher schimpfte man wenigstens auf die Charts oder machte sich darüber lustig. Heute rufen sie mitunter nur noch Achselzucken hervor.

Solche kleinen Beobachtungen mögen vielleicht nur ein weiterer Beleg für das sein, was ohnehin überall steht: Die Tonträgerbranche steckt in Schwie rigkeiten. Seit Jahren schon werden Nachrufe auf die CD verfasst, seit sieben Jahren sinken die Umsätze, aber bislang wirkte die CD höchstens ein wenig gebrechlich. Jetzt liegt sie tatsächlich im Sterben. Im ersten Geschäftsquartal 2007 brach das ohnehin schon stark geschrumpfte Tonträgergeschäft verglichen mit dem Vorjahreszeitraum noch einmal um ein ganzes Fünftel ein. Frankreich beklagte 25 Prozent Verlust, Großbritannien 20, die USA 15. Die Handelskette HMV, ein Multi, der vornehmlich Tonträger verkauft, halbierte ihren Umsatz innerhalb nur eines Jahres. Auch der wachsende Umsatz mit MP3s und anderen downloadbaren Formaten reicht bei weitem nicht aus um diesen Einbruch auszugleichen: CDs machen immer noch 85 Prozent des Tonträgerhandels aus. Zwei der verbliebenen vier großen Musikkonzerne, EMI und Warner Music, schreiben rote Zahlen. Letztere mussten im letzten Quartal 2006 einen Gewinneinbruch von 74 Prozent hinnehmen.

Am drastischsten zeigt sich der Niedergang des Marktes aber an seiner Spitze: bei den Hits. In den goldenen Zeiten der CD-Umsätze, den 90er Jahren, verkaufte die Boyband N'Sync am ersten Tag 1,1 Millionen Alben in den USA. Mittlerweile gilt es in Amerika als nahezu unmöglich, überhaupt mehr als eine Million von einem Album abzusetzen. In diesem Jahr konstatierte man bereits die zwei schwächsten Nummereins- Alben aller Zeiten. 50 000 Stück pro Woche reichen, um sich an der Spitze zu behaupten. In Deutschland ist nach dem Deutsch-Pop-Boom der vergangenen Jahre wieder bleierne Ruhe eingekehrt. Der erfolgreichste Albumkünstler des Jahres wird wohl ein Veteran sein: Herbert Grönemeyer. Die CD-Single ist als Format effektiv schon jetzt tot. Es wird noch etwas mehr als ein Viertel der Menge von vor zehn Jahren verkauft.

Die Standardargumentation für diesen Zusammenbruch lautet: Die Musikindustrie leidet unter anhaltender Musikpiraterie in Form illegaler Musikdownloads und CD-Raubkopien. Was nicht von der Hand zu weisen ist: »82 Millio nen Deutsche verwandelten sich in eine Nation von Schwarz brennern, die Pfennige für Alben ausgaben, die früher 40 DM kosteten«, schreibt Robert Sandall, der ehemalige Kommunikationsdirektor der Plattenfirma Virgin im aktuellen »Prospect Magazine«: »Der einst größte Markt Europas ist heute nicht größer als der holländische.«

Aber möglicherweise gibt es auch noch einen anderen Grund. Man könnte ja auch fragen: Wenn all die Schwarzbrenner, Kopierer, Ripper und Downloader, die in den Alpträumen der Musikmanager herumspuken, plötzlich wieder CDs im Laden erstehen würden, wofür würden sie sich dann entscheiden? Für Monrose? Es darf vermutet werden: nein. Wer sich jahrelang an das gewaltige und diversifizierte Musikangebot des Internet gewöhnt hat, der kehrt nicht so einfach zu dem Regal zurück, in dem die traurigen zehn Silberlinge stehen, die laut Media Control derzeit den Musikgeschmack der Deutschen repräsentieren. Im Jahr 2006 kauften die Deutschen 7,4 Millionen tragbare MP3-Player. Auf manchen der Geräte lagern zehntausende von Songs, eine Menge, die der physischen Plattensammlung eines Musikjournalisten oder Radio-DJs entspricht. Mehr Songs, das bedeutet auch: mehr Wissen, mehr Information - und alles in allem eben: mehr Hunger auf Musik! Vielleicht sind unsere Vorlieben inzwischen tatsächlich etwas zu divers geworden für das Einheitsmenü der Musikindustrie. Die Charts mögen ein Teil unseres Speiseplans sein, aber sie sind höchstens noch so wichtig wie die Erbsenbeilage.

Für die Umkehrung der Machtverhältnisse im Musikmarkt gibt es ein leicht verständliches Symbol: Der amerikanische Journalist Chris Anderson, nennt es »den langen Schwanz«. Anderson, der hauptberuflich Chefredakteur des Technologie- und Lifestylemagazins »Wired« ist, untersuchte für einen Artikel die Downloadzahlen eines legalen Musikportals - Rhapsody - im Internet. Er fragte sich, wie viele Songs aus dem großen Angebot der virtuellen Musik läden überhaupt Anklang beim Publikum finden. Oder anders gesagt: Wie viele Songs muss ein solcher Laden im Angebot haben, um in etwa die Nachfrage des Publikums zu befriedigen? Anderson vermutete, dass etwa 10 000 bis 20 000 Titel reichen würden. Aber die Zahlen, die Rhapsody ihm lieferte, waren erstaunlich: Nicht nur die 10 000 populärsten Lieder wurden regelmäßig nachgefragt. Auch die 50 000 populärsten reichten lange nicht aus. Bis weit über Nummer 100 000 hinaus wurde jeder Song mindestens einmal im Monat heruntergeladen. Was den Wirtschaftsjournalisten auf eine neue Idee brachte: Wenn all diese Lieder in regelmäßiger Häufigkeit he runtergeladen wurden, dann waren ja die Nicht-Hits für das Geschäft genauso wichtig wie die Hits. Die Summe der Käufer, die sich für kubanischen Rap, Indierock aus Toronto, Proto- Punk-Garagenbands der 60er Jahre und andere Nischenphänomene entschieden, stach Christina, Norah und Justin aus. Zeichnet man daraus ein Schaubild, dann sieht es aus wie eine abfallende Kurve. Am Anfang zwischen Platz eins und Platz 100 ist die Nachfrage steil abfallend, dann aber immer langsamer. Bis der Strich, viel viel später erst, gegen null geht: Der »lange Schwanz« war geboren. Und damit nicht nur ein Geschäftsmodell für digitalen Handel (Erweitere dein Angebot bis ins Unendliche! Es ist ja nur Serverplatz!), sondern auch ein neuer Blick auf den Konsumenten: »Wir sind unterschiedlicher, als uns die Marketingabteilungen der Kulturindustrie glauben machen«, sagt Anderson im Interview mit NEON und klingt dabei wie eine Mischung aus Digitalguru und Theodor Adorno. »Jedermanns Geschmack weicht irgendwo vom Mainstream ab. Nur: Früher sahen wir das nicht. Heute können wir es zum ersten Mal beweisen.« Tatsächlich könnte es sein, dass die Zeiten, in der eine Million Menschen an einem Tag wie eine Rinderherde die Läden stürmte, um das gleiche Album von N'Sync zu kaufen, endgültig vorbei sind. Unsere Populärkultur ist dabei, sich zu verwandeln, in eine Welt der Mikrohits und Nischen, in der moderne Suchhilfen (Blogs, Playlisten, Empfehlungen, intelligente Ge schmacksfilter) genau so wichtig werden wie die alten Durchlauferhitzer (Hitradiostationen, MTV). Sicher, die Produkte, die weiter hinten im langen Schwanz stecken, wollen erst entdeckt werden. Das unterscheidet sie von den gesponserten Hits in der Schaufensterauslage des Media Marktes. Aber die Filter, die Methoden, sie zu entdecken, werden immer besser. Und sie werden tatsächlich genutzt: »Der Trend geht eindeutig zur Individualisierung«, äußerte der Viva-Veteran und Popkomm-Gründer Dieter Gorny. »Jeder Konsument will ›seinen‹ Künstler, und diese Einzelbedürfnisse muss die Industrie künftig bedienen. Das ist die größte Umwälzung.«

Als Folge verlieren nicht nur die Charts an Bedeutung, auch liebgewonnene Annahmen, darüber, was »Mainstream« ist, beginnen sich aufzulösen wie CDs nach 25 Jahren. Früher konnte man sich wenigstens noch sicher sein, was ein »Hit« war. In den siebziger Jahren konnte vom Kleinkind bis zur Oma jeder »Waterloo« von Abba trällern. In den 80er Jahren war das »Thriller«- Album von Michael Jackson ein Hit bei 12-Jährigen und 32-Jährigen. Und die Begrifflichkeiten waren klar: Hits wurden von der Mehrheit gehört. Sie waren »der Mainstream«. Die anderen, die in der Minderheit, waren entweder alt, hatten seltsame Frisuren oder besaßen keinen Fernseher. Manche, die keine Hits mochten, zählte man gar zum »Underground«, als handele es sich dabei um etwas Verbotenes. Heute scheint es sich um gekehrt zu verhalten. Die anderen, das sind eigentlich fast alle. Jeder mag in seiner eigenen Geschmacksnische feststecken, aber alle zu sammen bilden eine Mehrheit, die gewaltige Zielgruppe der Medlock-Ignorierer, die es zu gewinnen gilt: In der Politik stellt man die »Legitimation« in Frage, wenn eine Partei zwar die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen gewinnt, aber der größere Teil der Bürger sich gegen sie entscheiden würde. Man könnte sagen: Dieter Bohlen hat ein gewaltiges Legitimationsproblem.

Aber der lange Schwanz hat auch andere Folgen: Betrachten wir ein typisches Abendessen mit Freunden im September 2007: Alle unterhalten sich über ihre Lieblingsfernsehserien auf DVD: Lisa schwärmt von der neuesten Staffel von »Prison Break«. Richard hat bereits »Heroes« gesehen, das heiße neue Ding aus den USA. Ich gucke die fünfte Staffel von »24«, trotz Folterdebatte, es ist nun mal wie eine Droge. Christian guckt immer noch »Lost«, was die meisten anderen aufgegeben haben, also muss er mit sich alleine über die dritte Staffel reden. Michaels Geständnis, er sei völlig verrückt nach »Boston Legal« erzeugt Verwunderung. Kristin schimpft über den letzten Tatort, den außer ihr niemand gesehen hat. Um es kurz zu machen: Es kommt kein richtiges Gespräch zustande. Anstelle einer Unterhaltung entfalten sich zehn Monologe am Tisch.

Diese Situation ist typisch für eine Zeit, in der wir nicht nur bei Musik oder bei TV-Serien, sondern bei nahezu sämtlichen Kulturprodukten die Qual der Wahl haben. Und manchmal mag man sich in die Ära zurücksehnen, in der unsere Hör- und Sehgewohnheiten einfach vom begrenzten Angebot reguliert wurden. Sie liegt gar nicht weit zurück. Die Amerikaner nannten es den »Watercooler Effect«, wenn mor gens im Büro fünf Leute beim Wasserspender zusammenstanden und voller Inbrunst über die letzte Folge von »Bonanza« diskutierten. Nicht nur die Musiklandschaft verändert sich, auch das Fernsehen, das Kino: Statt ein paar großer Hits, die wie Monolithen auf der Wiese stehen, haben
wir heute überall Geröllfelder, aus denen viele mittelhohe Felsen herausragen.

Darunter leidet nicht nur die Orientierung, auch die Gesprächskultur verändert sich: Chris Anderson nennt es die »massive Parallelkultur«: Es wird aneinander vorbeigeredet, vorbeigehört, vorbeigelesen. Nach der Pluralisierung von Lebensstilen, die Soziologen verstärkt seit den 50er Jahren beobachten, schlägt der kulturelle Pluralismus erst jetzt richtig ein: Es ist eine Zeit der Verästelung, der Vertiefung des eigenen Geschmacks. Jeder sein eigener iPod-DJ. Andererseits: Große Hits hatten in der Vergangenheit immer etwas Verbindendes. Sie waren der soziale Kitt, der über alle Szenen und Milieus hinweg Generationen zusammenhielt und unversöhnliche Welten vereinte. Nur ein Lied, »Go West«, konnte es schaffen, eine Brücke zwischen Westfalenstadion und Schwulenbewegung zu schlagen. Und auch heute noch wirkt ein neues Album von Robbie Williams oder Madonna wie ein Echo aus dieser Zeit. Es ist wie ein Lagerfeuer, um das man gerne eine Weile herumsteht - zumindest hat man mal darüber geredet. Ansonsten bliebe ja nur noch das Wetter. Blockbuster und Hits werden nicht gleich verschwinden, dazu sind sie immer noch zu mächtig. Fluch der Karibik, World of Warcraft, Harry Potter. Coldplay, U2. Wir lieben es scheinbar nach wie vor, das Gleiche zu tun wie möglichst viele andere. Ebenso, wie wir es lieben, uns von anderen abzugrenzen. Seit jeher leben Jugendkulturen von der Spannung dieser beiden widerstrebenden Kräfte. Man rennt mit einer Herde - und will doch nicht sein wie alle. Der Autor Diedrich Diederichsen machte symbolische Einschlüsse und Ausschlüsse als die beiden Triebfedern der Popkultur aus: sich zusammentun und dann laut absondern - von den Idioten, den Erwachsenen, den Mächtigen. Aber diese Mechanismen funktionieren selbst innerhalb von Nischen. Vielen reicht es schon, wenn es irgendwo in den Weiten des Internet ein paar Menschen gibt, die sich für das Gleiche interessieren.

Zu Ende sein dürfte nur die Zeit, in der Charts und Hitparaden den Takt der Gegenwart vorgaben wie Diktatoren. Der Einfluss der Musikindustrie, der großen Einzelhändler und des gleichgeschalteten Hitradios, auf das, was wir hören wollen und zu hören bekommen, ist tatsächlich heute so gering wie nie zuvor. Daran können auch »DSDS« und andere letzte Rettungsversuche einer recht verzweifelten Industrie nichts ändern. »Hits und Blockbuster waren ja auch nur eine Erfindung des 20. Jahrhunderts«, sagt Chris Anderson. »Wir wurden in diesem Jahrhundert synchronisiert durch die Technologien von Radio und Fernsehen. Davor war die Kultur zerstückelt - auseinandergerissen durch geografische Entfernungen. Und heute wird sie wieder zerstückelt - durch die Unterschiedlichkeit unserer Interessen. Man könnte also sagen: Wir kehren gerade zum Normalzustand zurück.« Der Gedanke macht ein wenig traurig: Elvis und die Beatles waren Anomalien der Geschichte. Aber man kann Versöhnliches darin entdecken: Dieter Bohlen war auch nur ein Unfall.
 
Guter Artikel! Auch eine geeignete Grundlage, die Diskussion wieder auf einen vernünftigen Kurs zu bringen.

Auch finde ich es gut, dass der Artikel auch tiefer als üblich in die Materie eindringt, und z.B. auch die Probleme der "Pluralisierung" beleuchtet.

Vielleicht ist die Zeit des Mainstreams und der Hits vorbei, aber ich denke wir fragen uns hier in erster Linie, was wird aus Musik und Musikern. Geschichtlich mussten sich Künstler immer irgendwie finanzieren und waren zunächst hauptsächlich im Dienst der Kirche und Höfe. Als sie freischaffend tätig wurden, mussten sie sich auf dem Markt behaupten. Auch damals gab es schon Superstars - da greift der Artikel zu kurz. Wunderkind Mozart, Paganini, Liszt, etc. Damals wurde Musik entweder durch Noten oder im Konzert verbreitet. Wollte man Paganini hören, musste man schon auf das Konzert gehen. Wie auch immer die Musiker hatten zumindest ein Geschäftsmodell.

Musiker können sich auch heute nur über eine gewisse Popularität finanzieren. Was hilft's mir als Musiker, wenn ich 1000 die-hard-Fans aus allen Ecken der Welt habe, die mir vielleicht 1000 MP3s im Monat abkaufen und mir sagen wir 600 EUR übrigbleiben. Davon muss ich dann auch meine Produktionskosten, etc. zahlen. Live kann ich meine auf der ganzen Welt versprengten Fans ja dann nicht bedienen.

Die Musik lebt eben vielleicht davon, dass die Hörer relative wenige Künstler hören. So fein man das finden mag, dass heute jeder seinen Musikgeschmack neu entdecken kann und auch unbekannte Künstler zu Gehör kommen, kann es sein, dass diese Pluralisierung dazu führt, dass im Endeffekt kein Künstler mehr von seiner Musik leben kann, sich aber dafür alle über eine Mini-Fangemeinde freuen dürfen.

Ich fände es wirklich großartig, wenn es morgen 100 Künstler gäbe, die 1000 EUR im Monat verdienen, anstatt einen, der 100.000 EUR im Monat verdient. Wenn es aber 10.000 gibt, die 10 EUR verdienen? Dann wird das Musizieren wieder zum Hobby, das man aus anderen Quellen finanzieren muss, mit all den entsprechenden Vor- und Nachteilen.

Was früher Höfe und Kirchen waren, sind heute am ehersten Staat und Wirtschaft. Werden also vielleicht in Zukunft nur noch die Musiker wirklich überleben, die entweder als "hohe Kunst" vom Staat subventioniert werden oder sich als Werbe- und CI-Musiker den Interessen dieser "Auftraggeber" unterordnen? Oder taucht Letzteres in milderer Form als neues "Mäzenatentum" auf?

Gruß,

Uranus
 
Guter Artikel! Auch eine geeignete Grundlage, die Diskussion wieder auf einen vernünftigen Kurs zu bringen.
Auch finde ich es gut, dass der Artikel auch tiefer als üblich in die Materie eindringt, und z.B. auch die Probleme der "Pluralisierung" beleuchtet.

Finde ich auch.

Vielleicht ist die Zeit des Mainstreams und der Hits vorbei, aber ich denke wir fragen uns hier in erster Linie, was wird aus Musik und Musikern. Geschichtlich mussten sich Künstler immer irgendwie finanzieren und waren zunächst hauptsächlich im Dienst der Kirche und Höfe. Als sie freischaffend tätig wurden, mussten sie sich auf dem Markt behaupten. Auch damals gab es schon Superstars - da greift der Artikel zu kurz. Wunderkind Mozart, Paganini, Liszt, etc. Damals wurde Musik entweder durch Noten oder im Konzert verbreitet. Wollte man Paganini hören, musste man schon auf das Konzert gehen. Wie auch immer die Musiker hatten zumindest ein Geschäftsmodell.

Superstars gab es zwar damals auch schon - aber es war einfach nicht so wie heute eine totale Marktübersättigung da. Wenn es in einer Stadt 200 Anstreicher geben würde, würden die Preise für Malerarbeiten auch massiv in den Keller gehen, und praktisch keiner kann mehr richtig überleben.

Musiker können sich auch heute nur über eine gewisse Popularität finanzieren. Was hilft's mir als Musiker, wenn ich 1000 die-hard-Fans aus allen Ecken der Welt habe, die mir vielleicht 1000 MP3s im Monat abkaufen und mir sagen wir 600 EUR übrigbleiben. Davon muss ich dann auch meine Produktionskosten, etc. zahlen. Live kann ich meine auf der ganzen Welt versprengten Fans ja dann nicht bedienen.

Der Trend bewegt sich aber derzeit genau in diese Richtung. Gerade bei den Internet-Surfern kommen doch dauernd Fragen und Insider-Plattentipps für Sachen aus Amerika, Japan, Spanien, Portugal, Kuba, Brasilien, Holland, Belgien, Frankreich, Italien, Osteuropa ... während viele deutschen Sachen den Leuten immer schneller zum Hals raushängen. Das sieht man auch daran, dass das Fernsehen und Radio die Volksmusik immer weiter verbannen will, weil sie einfach die Quoten nicht mehr so bringen. Ich bin hingegen auch für solche Musik sehr offen (genauso wie für internationale) und fände es schade, wenn die Volksmusik komplett verschwinden würde.

Die Musik lebt eben vielleicht davon, dass die Hörer relative wenige Künstler hören. So fein man das finden mag, dass heute jeder seinen Musikgeschmack neu entdecken kann und auch unbekannte Künstler zu Gehör kommen, kann es sein, dass diese Pluralisierung dazu führt, dass im Endeffekt kein Künstler mehr von seiner Musik leben kann, sich aber dafür alle über eine Mini-Fangemeinde freuen dürfen.

Wenn diese Pluralisierung immer weiter geht, werden Musiker aber irgendwann nicht mehr in der Lage sein, ihre Instrumente und Technik zu finanzieren. Denn dieses Diversifizierungsproblem merkt man ja auch in anderen Branchen. Da ich mich noch sehr für Modellbau/Modellbahn interessiere, bekomm ich auch aus dieser Szene so einiges mit. Auch da zersplittert sich der Markt immer mehr auf, die Modellbahner verlangen nach immer spezielleren und immer exotischeren Modellen, die Hersteller sind auch bereit, das zu produzieren, aber ähnlich wie bei der Musik ist das Teure bei der Modelleisenbahn Formenbau und Entwicklung, die eigentliche Produktion ist dann nicht mehr teuer (wie bei CD's). Dadurch schnellen auch da die Preise in unbezahlbare Höhen, worüber in Internetforen auch heftig geschimpft wird. Trotzdem geraten immer mehr Hersteller in finanzielle Schwierigkeiten und müssen Konkurs anmelden.

Da diese Zersplitterung jetzt quer durch alle Branchen geht, ist zu erwarten, dass dann die Musiker ihr Schaffen auch nicht mehr durch andere Jobs querfinanzieren können.

Ich fände es wirklich großartig, wenn es morgen 100 Künstler gäbe, die 1000 EUR im Monat verdienen, anstatt einen, der 100.000 EUR im Monat verdient. Wenn es aber 10.000 gibt, die 10 EUR verdienen? Dann wird das Musizieren wieder zum Hobby, das man aus anderen Quellen finanzieren muss, mit all den entsprechenden Vor- und Nachteilen.

Wie ich schon schrieb, wird das Querfinanzieren durch andere Quellen in Zukunft immer problematischer werden, weil viele andere Branchen ebenfalls von diesem Problem betroffen sind. Wenn ich mir anschaue, wie viele Geschäfte hier in Solingen kurz nach der Öffnung wieder schließen müssen, wie viele Ladenlokale leerstehen... die haben das auch nicht durch andere Quellen finanzieren können.

Außerdem spielt der Zeitfaktor eine immense Rolle. Nimm den Software-Markt. Da gibt es schon viele, die versuchen es mit Shareware. Aber mit Shareware ist noch keiner richtig reich geworden. Dadurch kann diese Software niemals so perfekt sein wie kommerzielle. Genau das ist auch der Grund, warum du z. B. für Linux keine grafisch aufwändigen Action- und Abenteuerspiele bekommen kannst. Im Musikbereich wirst du dann auf Meisterwerke à la "Thriller" von Michael Jackson komplett verzichten müssen. Und letztlich finde ich das genauso schlimm. Ich mag sehr gerne Superstars wie Joe Cocker, Tina Turner, Wolfgang Petry oder Kristina Bach, aber andererseits höre ich genauso gerne Underground, auch da quer durch alle Stilrichtungen, von Volksmusik bis Power-Metal. Ich will, dass alles nebeneinander existieren kann, egal wie viele Leute es gerade in Anspruch nehmen. Noch einmal: Die Erwägung von ARD und ZDF, bald keine volkstümliche Musik mehr auszustrahlen, finde ich unmöglich, auch wenn es nicht meine Lieblingsmusik ist. Ab und zu höre ich es halt doch gerne mal.

Was früher Höfe und Kirchen waren, sind heute am ehersten Staat und Wirtschaft. Werden also vielleicht in Zukunft nur noch die Musiker wirklich überleben, die entweder als "hohe Kunst" vom Staat subventioniert werden oder sich als Werbe- und CI-Musiker den Interessen dieser "Auftraggeber" unterordnen? Oder taucht Letzteres in milderer Form als neues "Mäzenatentum" auf?

Das ist doch schon immer so gewesen. Lassen wir mal die staatlich subventionierte "hohe Kunst" erst mal beiseite (da dies nur sehr wenige Musikrichtungen betrifft) und schauen auf das Zweite, nämlich das Richten nach dem Auftraggeber. Das ist doch heute schon ÜBERALL so! Denn auch eine Whitney Houston wird sich nach den "Vorgaben" ihrer Plattenfirma richten müssen. Wenn das Label sich sicher ist, dass Whitneys neuer Song(kommerziell gesehen) garantiert ein Flop wird (z. B. weil extrem spezielle Musikrichtung), werden die einen Teufel tun, das zu releasen. Die wissen ja, dass die damit einen Riesenverlust machen würden.

Auch ich merke das als DJ, auch wenn ich mit meiner Dienstleistung nicht viel Geld verdiene und unterm Strich klar draufzahle. Ich habe schon ziemlich am Anfang gemerkt, dass es nicht funktioniert, nur seinen eigenen Geschmack dem Publikum aufzuzwingen. Hätte ich das durchgezogen, wäre ich meinen Job längst los. Also musste ich mich entscheiden: Wenn ich weiterhin Aufträge bekommen sollte, musste ich mich auch anpassen, und das spielen, was die Masse will. Und bei aller Diversifizierung gibt es immer noch einige typische Mainstream-Titel wie "Einen Stern, der deinen Namen trägt" oder der "Ketchup Song", mit dem man zumindest noch einen Großteil der Leute auf der Tanzfläche halten kann.

DJ Nameless
 
Der Artikel umschreibt ziemlich genau das, was ich die ganze Zeit schon bemerke, aber nie so artikulieren könnte.
Außerdem stimmt das mit den Gesprächsthemen, ich kenn aktuell nur noch sehr wenige Leute, mit denen sich mein Musikgeschmack in der Breite zumindest großteils überschneidet. Und wenn es dann mit Filmen anfängt finde ich rein gar keinen mehr.:mad:

Noch mal ein paar Gedanken dazu:
Vielleicht muss man als Musiker vom Anspruch herunterkommen, unbedingt seinen Lebensunterhalt damit verdienen zu können. Die Großen im Geschäft werden immer überleben können, alleine durch Konzerte. Die kleinen verkaufen CDs und spielen vor halbvollen Jugendklubs. Welcher Musiker, der von einem Album vielleicht drei bis viertausend Stück verkauft kann ohne Nebenjob überleben? Also sehe ich da keinen großen Unterschied.


Wo von DJ Nameless das Shareware/Linux Beispiel gebracht wurde will ich nochmal was sagen, ohne das zu weit offtopic zu führen. Shareware ist tot, so gut wie niemand kann davon gut leben. Der Grund ist, dass es an die kommerziellen Programme nicht heranreicht und in Sachen Qualität mit Open Source nicht mithalten kann.
Freie Software bzw. Open Source wie auch der angesprochene Betriebsystemkernel baut allerdings auf einem philosopisch begründenden, freiheitlichen Konzept auf, welches einziges Ziel ist gute Software für den zur freien Verfügung zu stellen, der sie braucht. Wenn jemand damit Geld verdient, ist das schön und wenn die Software weit verbreitet wird auch, aber es ist nicht das Hauptziel.
Auf Musik angewendet wäre das ein Konzept, welches ausschließlich die Verfügbarkeit guter Musik zugrunde hätte, nicht die Verwertung derselben.
Wenn jemand durch Konzerte oder durch Spenden was damit verdient wäre das eine schöne Sache, aber dann nicht Teil des Konzeptes.

Denn wenn es nur um gut Musik geht, die wird auch gemacht wenn man kein Geld mit verdient. Man muss den Job nicht Fulltime machen, um gut zu komponieren, Inspiration ist nicht von Arbeitszeit abhängig.
Vielleicht müsste man einmal diskutieren, ob man als Musiker überhaupt das verbrifte Recht hat von seinem Schaffen zu leben. Das ist auf jeden Fall der Weg, den ich gehe. Ich selber studiere etwas musikfremdes, werde aber trotzdem immer Musik machen, auch wenn es nie mein Beruf sein wird.
 
@DJNameless:

kann ich in fast allen Punkten zustimmen.

Noch mal ein paar Gedanken dazu:
Vielleicht muss man als Musiker vom Anspruch herunterkommen, unbedingt seinen Lebensunterhalt damit verdienen zu können. Die Großen im Geschäft werden immer überleben können, alleine durch Konzerte. Die kleinen verkaufen CDs und spielen vor halbvollen Jugendklubs. Welcher Musiker, der von einem Album vielleicht drei bis viertausend Stück verkauft kann ohne Nebenjob überleben? Also sehe ich da keinen großen Unterschied.

Das mag sein. Aber auch der Hörer wird sich dann halt mit Amateurmusik und -produktionen zufrieden geben müssen. Und wie DJNameless schon gesagt hat, wie haben ähnliche Probleme auch in anderen Branchen, und ich möchte hinzufügen, wohl auch auf anderen Feldern menschlichen Schaffens. Ich denke da z.B. an die Wissenschaft, die auch immer mehr den kurzfristigen Plänen der Wirtschaft folgen muss. Interessant sind für die verwertbare Produkte, nicht etwa Grundlagenforschung. Letztere ist aber die Basis. An dieser Stelle muss man wirklich da abgeschmackte Klischee bemühen: Wir sägen - an allen Enden und Ecken - an dem Ast auf dem wir sitzen, vielleicht weil wir glauben, mit dem gewonnen Holz eine Leiter in die Krone bauen zu können. Dazwischen steht aber der Absturz.

Ich befürchte eine generelle "Degeneration". Der Mensch hat nur begrenzt Energie, und wenn er das meiste davon für den Lebensunterhalt aufbringen muss, werden seine anderen Tätigkeiten leiden. Und bitte jetzt nicht die Blues-Theorie, nach der dann das Gegenteil der Fall wäre.

Und es gibt dann einen Domino-Effekt: Professionelle Dienstleister wie Tonstudios verschwinden als Erstes und mit ihnen all das Know-How - das passiert schon jetzt! Dann die High-End-Hersteller, etc. etc. Wie gesagt, passiert in anderen Branchen Ähnliches, da immer mehr Player im globalen Spiel mitmischen und es gibt immer mehr, die vom Kuchen naschen, der eben nicht grösser wird. Bisher war's halt so, dass sich einige wenige überfressen haben und andere ganz verhungert sind. Insofern ist das auch Teil eines gerechten Ausgleichprozesses. Aber wir laufen Gefahr, an einen Punkt zu kommen wo vielleicht jeder was abbekommt, aber von den Krümeln keiner mehr satt wird.

Denn wenn es nur um gut Musik geht, die wird auch gemacht wenn man kein Geld mit verdient. Man muss den Job nicht Fulltime machen, um gut zu komponieren, Inspiration ist nicht von Arbeitszeit abhängig.
Vielleicht müsste man einmal diskutieren, ob man als Musiker überhaupt das verbrifte Recht hat von seinem Schaffen zu leben. Das ist auf jeden Fall der Weg, den ich gehe. Ich selber studiere etwas musikfremdes, werde aber trotzdem immer Musik machen, auch wenn es nie mein Beruf sein wird.

Spitzenleistungen kommen nicht von irgendwo her. Nicht im Sport, nicht in der Wissenschaft, nicht in der Kunst (da noch am ehesten.) Professionelle Instrumentalisten - ich rede jetzt nicht von Pop- und Rock - üben gut und gerne 5 Stunden täglich. Das geht nicht mal so nebenbei.

Da das Verdienen des Lebensunterhaltes ja generell immer schwieriger und zeitintensiver wird, bleibt für Anderes immer weniger. Ich möchte "MatthiasT" nicht zu nahe treten, aber die meisten Studenten, haben meist noch genügend Zeit und Energie um sowas nebenbei zu machen. Ich weiss aber aus eigener Erfahrung, und sehe es tagtäglich in meinem Umfeld, dass man nicht wirklich sinnvoll "auf zwei Hochzeiten" tanzen kann, wenn Leute Vollzeit arbeiten und sich vielleicht noch um Kinder kümmern müssen. Ich kenne Viele, die sich irgendwie in der Musikbranche etablieren wollen, sei es als Musiker oder als Dienstleister es haut allein zeitlich nicht hin. Viele stellen dann doch noch gewisse Ansprüche an ihren Lebensstandard und versuchen das irgendwie nebenbei, um dann "umzuschwenken wenn's läuft". Kannste vergessen.

Es geht ja nicht nur um den Bereich Musik, es gibt generell immer weniger Freiraum für Eigeninitiative, Existenzgründungen, Ehrenamt, etc. Ich sehe da schon eine generelle Krankheit, von der wir in einem Musikerforum eben nur EIN Symptom diskutieren.

Ich kann auch fragen - und da gibt es ja eine politisches Diskussion - inwiefern hat der Arbeitnehmer Anspruch, vom Arbeitgeber lebensunterhaltend bezahlt zu werden. Der Arbeitgeber sagt auch völlig zu recht, ich kann nur zahlen, was ich an seiner Produktivität verdiene, und selbst, wenn ich gar keinen Gewinn einstreichen würde, würde das nicht für den Lebensunterhalt desjenigen reichen. Es ist naiv zu glauben, das die Wirtschaft und ihre Ackermänner nur nicht so gierig sein zu bräuchten. Man denke an die oft "zitierten" Friseure. Wie sollten die denn einen Mindestlohn zahlen beispielsweise?

Es bliebe viel zu sagen...

Gruß,

Uranus
 
Das mag sein. Aber auch der Hörer wird sich dann halt mit Amateurmusik und -produktionen zufrieden geben müssen. Und wie DJNameless schon gesagt hat, wie haben ähnliche Probleme auch in anderen Branchen, und ich möchte hinzufügen, wohl auch auf anderen Feldern menschlichen Schaffens. Ich denke da z.B. an die Wissenschaft, die auch immer mehr den kurzfristigen Plänen der Wirtschaft folgen muss. Interessant sind für die verwertbare Produkte, nicht etwa Grundlagenforschung. Letztere ist aber die Basis.

Das stimmt natürlich. Aber erfolgreiche Künstler werden immer viel verdienen, auch wenn sie keine einzige Platte verkaufen. Das meiste Geld wird doch schon jetzt mit Konzerten gemacht.

Spitzenleistungen kommen nicht von irgendwo her. Nicht im Sport, nicht in der Wissenschaft, nicht in der Kunst (da noch am ehesten.) Professionelle Instrumentalisten - ich rede jetzt nicht von Pop- und Rock - üben gut und gerne 5 Stunden täglich. Das geht nicht mal so nebenbei.
Es geht mir so, dass es mir egal ist, wie viel ein Instrumentalist geübt hat, wichtig ist mir, wieviel mir die Musik gibt.
Wahrscheinlich spielst du auf Orchestermusiker an. Die werden dank Steuergeldern immer leben können, wenn sie ein Festanstellung haben oder als gefeierter Solomusiker Konzerte geben.

Ich möchte "MatthiasT" nicht zu nahe treten, aber die meisten Studenten, haben meist noch genügend Zeit und Energie um sowas nebenbei zu machen. Ich weiss aber aus eigener Erfahrung, und sehe es tagtäglich in meinem Umfeld, dass man nicht wirklich sinnvoll "auf zwei Hochzeiten" tanzen kann, wenn Leute Vollzeit arbeiten und sich vielleicht noch um Kinder kümmern müssen.
Ich musste mich in meinem Leben noch nie um Kinder kümmern, aber weiß durchaus was seine 40+ Stunden Woche ist, denn ich hab auch schon mal gearbeitet... und ich finde das im Vergleich zu meinem Studium sehr entspannend.
Es hängt wohl sehr vom Studiengang ab, und man kann das zeitlich nicht 1:1 aufrechnen, aber das ist unter Umständen schon sehr viel anders als ein 8-5 Job. Nicht vergleichbar mit einem hoch Anspruchvollen Führungsjob, bei dem man gut und gerne über 50 Stunden die Woche kloppt und noch zuhause arbeitet, aber dass man da mehr Zeit hat als jemand, der jeden Tag seine 8 Stunden weghaut und dann Ruhe hat halt ich mal für ein Gerücht. Meine eine Band ist aus dem Grund gerade über den Jordan gegangen. Aber das hält mich doch nicht davon ab, Musik zu schreiben.

Es geht ja nicht nur um den Bereich Musik, es gibt generell immer weniger Freiraum für Eigeninitiative, Existenzgründungen, Ehrenamt, etc. Ich sehe da schon eine generelle Krankheit, von der wir in einem Musikerforum eben nur EIN Symptom diskutieren.
Nur mal Nebenbei, meine Beobachtung ist, dass gerade Leute die eigentlich gar keine Zeit mehr haben und extrem viel Verantwortung die meiste ehrenamtliche Arbeit leisten. Selten die, die einen ruhigen Job und auch sonst nichts zu tun haben.

Ich kann auch fragen - und da gibt es ja eine politisches Diskussion - inwiefern hat der Arbeitnehmer Anspruch, vom Arbeitgeber lebensunterhaltend bezahlt zu werden. Der Arbeitgeber sagt auch völlig zu recht, ich kann nur zahlen, was ich an seiner Produktivität verdiene, und selbst, wenn ich gar keinen Gewinn einstreichen würde, würde das nicht für den Lebensunterhalt desjenigen reichen. Es ist naiv zu glauben, das die Wirtschaft und ihre Ackermänner nur nicht so gierig sein zu bräuchten. Man denke an die oft "zitierten" Friseure. Wie sollten die denn einen Mindestlohn zahlen beispielsweise?
An sich richtig. Das würde aber nur gelten, wenn ich zu einem talentierten Gitarristen hingehe und sage: Ich bin traurig, schreib mir Songs, die mich aufheitern, ich bezahl sie dir auch, dann hat er Anrecht auf Bezahlung.

Wenn er allerdings Songs schreibt, die nur von drei Leuten gehört werden und die nicht bereit sind, jeweils ein Drittel eine Existenz zu bezahlen, dann kann ich doch nichts dafür, warum muss er davon leben können?



Ich selber denke, der Schlüssel liegt in der Livemusik. Schon jetzt großenteils, in Zukunft wohl noch mehr. Wenn Singles kein Geld bringen und nur Promotion sind, ist es dann nicht für alle Seiten günstiger, ein paar Songs umsonst zu verteilen? Und wenn die Alben den Künstlern kein Geld bringen, wäre es dann nicht sinnvoller, diese gegen einen kleinen Betrag X ins Internet zu stellen?
 
Meine eine Band ist aus dem Grund gerade über den Jordan gegangen. Aber das hält mich doch nicht davon ab, Musik zu schreiben.

Na dann weisst du ja was ich meine. Klar machst du dann weiter Musik. Und alle anderen, denen es so geht auch. Ob es dann aber überhaupt dazu kommt, das andere die zu hören bekommen. Dass ein Album zustande kommt? Das live performt wird? Du sagst selbst der Schlüssel liegt in der Live-Musik. Oder sitzt dann jeder schön im stillen Kämmerlein und schraubt in seiner Freizeit ein wenig an ein paar Songs.

An sich richtig. Das würde aber nur gelten, wenn ich zu einem talentierten Gitarristen hingehe und sage: Ich bin traurig, schreib mir Songs, die mich aufheitern, ich bezahl sie dir auch, dann hat er Anrecht auf Bezahlung.

Wenn er allerdings Songs schreibt, die nur von drei Leuten gehört werden und die nicht bereit sind, jeweils ein Drittel eine Existenz zu bezahlen, dann kann ich doch nichts dafür, warum muss er davon leben können?

Na aber es ist auch heute so, das mehr Musik - sogar legal - genutzt wird denn je. Das sieht man an den ständig steigenden GEMA-Umsätzen. Allerdings wird auch mehr illegal genutzt bzw. genutzt ohne die Künstler zu zahlen. Ob man dafür sorgen muss und soll, dass eben nicht nur der Markt bestimmt, was zu existieren hat oder nicht - wie du wissentlich oder unbewusst implizierst - ist wieder eine ganz andere Frage. Fakt ist, Musik wird massig genutzt ohne dass die Musiker dafür entgolten werden und v.a. ohne das Bewusstsein, dass eben diese Musik dann dadurch vielleicht morgen nicht mehr existiert.

Ich selber denke, der Schlüssel liegt in der Livemusik. Schon jetzt großenteils, in Zukunft wohl noch mehr. Wenn Singles kein Geld bringen und nur Promotion sind, ist es dann nicht für alle Seiten günstiger, ein paar Songs umsonst zu verteilen? Und wenn die Alben den Künstlern kein Geld bringen, wäre es dann nicht sinnvoller, diese gegen einen kleinen Betrag X ins Internet zu stellen?

Wie gesagt, wenn es sich wirklich so entwickeln sollte, dass ein Musiker eine Mini-Fangemeinde über die ganze Welt verstreut hat, wie soll er die Live bedienen? Für ein Konzert vor 3 Leuten von Göteborg nach Rio fliegen?

Ich habe in meiner Zeit als Live-Mischer Konzerte bekannter Musiker gemischt, wo in einer Großstadt dann 3 Leute da waren. Das waren genau die typischen Fälle, keine Superstars, meist Solo-Projekte bekannter Instrumentalisten, wie Drummer Mike Terrana (Malmsteen, Rage, etc.), oder die Gitarristen Todd Woolfe (Sheryll Crow) oder Lance Keltner (Rod Stewart). Die sind über das Amateur-Level dann schon etwas hinaus. Weisst du wie solche Tourneen schon vor ein paar Jahren abgelaufen sind? Die Herren kommen im Kleinbus selbst angefahren, bauen ihr Equipment selbst auf, spielen vor ein paar Leuten und fahren dann weiter. Wie man es von einer unbekannten Newcomer-Band erwarten würde. Das funktioniert z.B. überhaupt nur, weil viele lokale Veranstalter, das nicht aus kommerziellen Gründen machen, sondern quasi als Hobby! Denn solche Künstler verlangen natürlich Festgage und würden die lokalen Ausrichter das nicht aus Idealismus machen und sogar gerne mal persönlich wirtschaftlich draufzahlen (können!), wäre Schicht im Schacht! Selbst für solche Künstler. So viel zum Thema "Live" wird's schon richten. Ja, für eine Madonna vielleicht.

Also bitte nicht nur Theorie...

Außerdem gibt es jede Menge Musik, die eben nicht live performt wird oder werden kann.

Und es ist IMO keine wünschenswerte Situation, dass nur noch TOP-Top-Stars Musik mit gewissem Verdienst betreiben können.

Es geht mir so, dass es mir egal ist, wie viel ein Instrumentalist geübt hat, wichtig ist mir, wieviel mir die Musik gibt.
Wahrscheinlich spielst du auf Orchestermusiker an. Die werden dank Steuergeldern immer leben können, wenn sie ein Festanstellung haben oder als gefeierter Solomusiker Konzerte geben.

Es war lediglich ein Beispiel. Man kann das Problem sehen oder auch nicht. Auch habe ich den Eindruck, dass nicht wenige (erfolglose) Musiker eigentlich aus Neid eher genüsslich dabei zuschauen, wie Musiker und die Branche dahinsiechen.

Gruß,

Uranus
 
Ich bin sicher nicht neidisch, ich gönne jedem sein Geld, auch einer Madonna oder einem Bill Gates, anderen Musikern erst recht. Aber trotzdem hat meiner Meinung nach keiner das Anrecht darauf, für seine Kunst per se bezahlt zu werden, wenn niemand bereit dazu ist, dafür zu bezahlen.
Wobei ich das Wort Kunst ungern verwende, da es so schwammig ist, im Endeffekt ist alles Unterhaltung. Auch wenn es auf hohem Nivau ist, so ist es immer noch Unterhaltung. Wenn diese ganze Sache nur noch Wahrheitssuche für eine einzelne Person ist und niemand anderes damit etwas anfangen kann, so ist das eine persöhnliche Sache.
Sobald ich aber vermarkten will, so muss ich mich wohl oder übel auch den Gesetzen des Marktes beugen.

Und ich bezahle gerne dafür, ich unterhalten zu lassen und meinen Horizont zu erweitern. Die Bereischaft zu zahlen ist allgemein da, denk ich mal. Allerdings nicht mehr zu den Preisen und nicht mehr für die Qualität aktueller Charts. Vielleicht konnte man vor 20 Jahren einem nicht-Musikfreak noch einen gehypten Superstar andrehen. Heute wird das schwieriger, da die Käuferschicht mündiger wird und sich besser auskennt.

Ich selber sehe halt für kleine Bands und Künstler den besten Weg darin, die Musik erstmal frei unter der Creative Commons zu verteilen. Das muss aber jeder für sich selber entscheiden, ob es ihm was bringt.


Na dann weisst du ja was ich meine. Klar machst du dann weiter Musik. Und alle anderen, denen es so geht auch. Ob es dann aber überhaupt dazu kommt, das andere die zu hören bekommen. Dass ein Album zustande kommt? Das live performt wird? Du sagst selbst der Schlüssel liegt in der Live-Musik. Oder sitzt dann jeder schön im stillen Kämmerlein und schraubt in seiner Freizeit ein wenig an ein paar Songs.

Eine Band hab ich ja noch, wo ich aber hauptsächlich Live Musiker bin und nciht so tief im Songwriting drinstecke. Du hast recht, momentan schraube ich alleine an meinem Songs. Aber das ist im Endeffekt nicht so wichtig, denn wenn ich damit auf die Bühne will kann ich auf genug andere Musiker zurückgreifen, um das durchzuziehen.
Ich sehe nur, dass, ob als Band oder als Solomusiker, der Weg einen Plattenvertrag zu ergattern und darüber bekannt zu werden nicht funktionieren wird. Ich werde nie einen Plattenvertrag bekommen, und wenn doch, werde ich davon nicht leben können, aber ich werde trotzdem keine Zeit mehr für meine Lebensunterhalt haben. Das ist einfach keine Alternative für "kleine" Musiker.
 
Hallo,

ich finde, Uranus hat das weiter oben schon ziemlich auf den Punkt gebracht:

@DJNameless: kann ich in fast allen Punkten zustimmen.
Das mag sein. Aber auch der Hörer wird sich dann halt mit Amateurmusik und -produktionen zufrieden geben müssen. Und wie DJNameless schon gesagt hat, wie haben ähnliche Probleme auch in anderen Branchen, und ich möchte hinzufügen, wohl auch auf anderen Feldern menschlichen Schaffens. Ich denke da z.B. an die Wissenschaft, die auch immer mehr den kurzfristigen Plänen der Wirtschaft folgen muss. Interessant sind für die verwertbare Produkte, nicht etwa Grundlagenforschung. Letztere ist aber die Basis. An dieser Stelle muss man wirklich da abgeschmackte Klischee bemühen: Wir sägen - an allen Enden und Ecken - an dem Ast auf dem wir sitzen, vielleicht weil wir glauben, mit dem gewonnen Holz eine Leiter in die Krone bauen zu können. Dazwischen steht aber der Absturz.

Das ist ja das, was ich meine. In einer Zeit, wo der Markt an verkaufbaren Produkten immer mehr gedeckelt ist, die hohen Forschungs-, Konstruktions- und Entwicklungskosten aber mindestens gleich bleiben, wenn nicht sogar steigen, passiert eben genau das, was du schreibst.

Ich befürchte eine generelle "Degeneration". Der Mensch hat nur begrenzt Energie, und wenn er das meiste davon für den Lebensunterhalt aufbringen muss, werden seine anderen Tätigkeiten leiden. Und bitte jetzt nicht die Blues-Theorie, nach der dann das Gegenteil der Fall wäre.[/quote]

Eben.

[quote]Und es gibt dann einen Domino-Effekt: Professionelle Dienstleister wie Tonstudios verschwinden als Erstes und mit ihnen all das Know-How - das passiert schon jetzt! Dann die High-End-Hersteller, etc. etc. Wie gesagt, passiert in anderen Branchen Ähnliches, da immer mehr Player im globalen Spiel mitmischen und es gibt immer mehr, die vom Kuchen naschen, der eben nicht grösser wird. Bisher war's halt so, dass sich einige wenige überfressen haben und andere ganz verhungert sind. Insofern ist das auch Teil eines gerechten Ausgleichprozesses. Aber wir laufen Gefahr, an einen Punkt zu kommen wo vielleicht jeder was abbekommt, aber von den Krümeln keiner mehr satt wird.[/quote]

Genau das ist es ja, was ich meine. Wie einige hier im Forum vielleicht wissen, interessiere ich mich auch sehr für Modellbau/Modellbahn. In dieser Branche ist es auch so, dass da in den letzten Jahren immer mehr Hersteller auf den Markt gedrängt haben. Die immense Produktvielfalt ist auch angenommen worden, aber dann passierte das, was kommen musste: Weil der Gesamtbedarf an Modellbahnen nun mal gedeckelt ist (die Leute haben nun mal nur begrenzt, Zeit, Geld und Platz), sinken die pro Modellserie verkaufbaren Stückzahlen immer weiter ab. Die Folge: Es gibt zwar immer mehr Anbieter, die ein paar Krümel abkriegen, aber fast ebensoviele Konkurse, wel wie gesagt, von den Krümeln keiner satt wird.

[quote]Spitzenleistungen kommen nicht von irgendwo her. Nicht im Sport, nicht in der Wissenschaft, nicht in der Kunst (da noch am ehesten.) Professionelle Instrumentalisten - ich rede jetzt nicht von Pop- und Rock - üben gut und gerne 5 Stunden täglich. Das geht nicht mal so nebenbei.
Da das Verdienen des Lebensunterhaltes ja generell immer schwieriger und zeitintensiver wird, bleibt für Anderes immer weniger. Ich möchte "MatthiasT" nicht zu nahe treten, aber die meisten Studenten, haben meist noch genügend Zeit und Energie um sowas nebenbei zu machen. Ich weiss aber aus eigener Erfahrung, und sehe es tagtäglich in meinem Umfeld, dass man nicht wirklich sinnvoll "auf zwei Hochzeiten" tanzen kann, wenn Leute Vollzeit arbeiten und sich vielleicht noch um Kinder kümmern müssen. Ich kenne Viele, die sich irgendwie in der Musikbranche etablieren wollen, sei es als Musiker oder als Dienstleister es haut allein zeitlich nicht hin. Viele stellen dann doch noch gewisse Ansprüche an ihren Lebensstandard und versuchen das irgendwie nebenbei, um dann "umzuschwenken wenn's läuft". Kannste vergessen.[/quote]

Eben... darum geht ja die ganze Diskussion hier... Ein großes Problem ist halt schlichtweg die Zeit ... wie schon gesagt, Spitzenleistungen kommen nicht "von irgendwo her".

[quote]Es geht ja nicht nur um den Bereich Musik, es gibt generell immer weniger Freiraum für Eigeninitiative, Existenzgründungen, Ehrenamt, etc. Ich sehe da schon eine generelle Krankheit, von der wir in einem Musikerforum eben nur EIN Symptom diskutieren.[/quote]

Sag ich ja, das Problem tritt mittlerweile branchenübergreifend auf - das Modellbahn-Beispiel ist auch nur eines von vielen.

[quote]Ich kann auch fragen - und da gibt es ja eine politisches Diskussion - inwiefern hat der Arbeitnehmer Anspruch, vom Arbeitgeber lebensunterhaltend bezahlt zu werden. Der Arbeitgeber sagt auch völlig zu recht, ich kann nur zahlen, was ich an seiner Produktivität verdiene, und selbst, wenn ich gar keinen Gewinn einstreichen würde, würde das nicht für den Lebensunterhalt desjenigen reichen. Es ist naiv zu glauben, das die Wirtschaft und ihre Ackermänner nur nicht so gierig sein zu bräuchten. Man denke an die oft "zitierten" Friseure. Wie sollten die denn einen Mindestlohn zahlen beispielsweise?[/QUOTE]

Auch hier ist es doch so: Wenn jemand meint, einen Friseurladen aufmachen zu müssen, wenn es im Umkreis von 300 Metern schon drei weitere gibt, braucht man sich nicht zu wundern, wenn er pleite geht. Stichwort: Marktübersättigung.

Noch eine kleine Anekdote:
Hier in Solingen hat mal ein kleines Porzellan-Geschäft aufgemacht. Den Inhaber kenne ich persönlich; er wohnt nur wenige Häuser von uns entfernt. Der Mann hatte zwar angeblich eine Standortanalyse machen lassen, die erfolgversprechend war, denn das Geschäft ist sehr verkehrsgünstig gelegen, und ein Porzellangeschäft gab es hier in Solingen noch nicht. Nicht berücksichtigt hat die Analyse allerdings, dass es in Solingen einfach nicht die Kundschaft gibt, die in größeren Mengen Porzellan kauft. Nach ein paar Monaten war das Geschäft wieder dicht. Jetzt ist da ein Fischrestaurant drin, das zwar besser läuft (ich war auch schon 2x da essen, schmeckt sehr lecker), aber Porzellan kriegt man hier nicht mehr.

DJ Nameless
 
@DJNameless:

Wir haben hier wohl unseren gemeinsamen Nenner gefunden.:great:

@MatthiasT:

Mir geht es hier in erster Linie weder um Moral, noch um irgendein verbrieftes Verdienstrecht für Musiker, die am Markt vorbei produzieren. Ich sage eigentlich nur, dass es einen gewissen Teufelskreis gibt, den Hörer und unbekannte Künstler mit verursachen.

Und ich bezahle gerne dafür, ich unterhalten zu lassen und meinen Horizont zu erweitern. Die Bereischaft zu zahlen ist allgemein da, denk ich mal. Allerdings nicht mehr zu den Preisen und nicht mehr für die Qualität aktueller Charts.

Das ist zum Beispiel eine typische Meinung, die ja durchaus nachvollziehbar ist. WO allerdings soll das Geld herkommen, um neue "Qualitäts"-Künstler aufzubauen, wenn nicht von den Hörern? Auf der anderen Seite kann man natürlich nicht verlangen, das Leute Musik kaufen die ihnen nicht gefällt, nur damit die Firmen Geld haben, um vielleicht mal wieder was rauszubringen, was den Leuten gefällt. Allerdings, hätten nicht viele Leute Madonna Platten gekauft, hätte die wiederum vielleicht nie die Deftones bei ihrem Label unter Vertrag genommen und heute wäre diese Band vielleicht völlig unbekannt. Obwohl die Zielgruppe der Deftones eine komplett andere ist, als die von Madonna. Man sollte einfach ein Bewusstsein über diese komplexen Zusammenhänge entwickeln und als Konsument immer auch wissen, welche Rolle man spielt.

Aber trotzdem hat meiner Meinung nach keiner das Anrecht darauf, für seine Kunst per se bezahlt zu werden, wenn niemand bereit dazu ist, dafür zu bezahlen.

Natürlich nicht. Allerdings muss ich mir als Hörer bewusst sein, dass ich auch kein Anrecht darauf habe, das Musik nach meinem Geschmack gemacht wird. Ich möchte aber auch sagen, dass, wenn nur ein immer kurzsichtiger werdender "freier" Markt entscheidet, die ganze kleine und grosse Musiklandschaft von einer "Abwärtsspirale" bedroht ist. Die Musikbranche war schon immer sehr risikoreich: 95% aller Produkte bringen wirtschaftliche Verluste, ein äusserst geringer Anteil an Top-Stars finanziert im Endeffekt die ganze Aufbauarbeit neuer Künstler. Bringen diese Top-Stars nicht mehr das Geld rein, fällt als erstes der Künstleraufbau weg. Klar wohin das führt.

Es ist klar: Will ich Spitzenleistungen brauche ich BREITENFÖRDERUNG. Egal ob ich wirtschaftliche Interessen habe oder kulturelle.

Aber trotzdem hat meiner Meinung nach keiner das Anrecht darauf, für seine Kunst per se bezahlt zu werden, wenn niemand bereit dazu ist, dafür zu bezahlen.

Wenn ich aber erst dann Geld aufwende, wenn ein Künstler schon "marktreif" ist, bekomme ich früher oder später arge Nachwuchsprobleme. Auf das will ich hinaus, das ist das gefährliche daran, wenn man deinen Ansatz konsequent durchzieht.

Sehen wir uns mal als positives Gegenbeispiel einen Bereich an, wo das (noch) ganz gut funktioniert: Der Sport. Wir haben in D eine wahnsinnige Infrastruktur um den Sport. Eine umfassende Breitenförderung u.a. getragen durch gesellschaftlichen Rückhalt (keiner beschwert sich, das der Dorffussballplatz Verschwendung öffentlicher Mittel wäre, Ehrenamt, "Ansehen"). Absolut jeder in jedem kleinsten Kaff in D, hat z.B. Zugang zu einem Fussballverein. Talente werden erkannt und gefördert. "Oben" gibt es ein funktionerende Wirtschaft, die "Spitzenleistungen" verwertet. Diese Spitzen und das entsprechende Geschäft, wären ohne Breitenförderung nicht denkbar.

Wie es mit der "Rock & Pop-Kultur" in D im Vergleich dazu aussieht, muss wohl nicht erläutert werden. Es fängt an bei den nicht vorhandenen oder desolaten Proberäumen. Wenig gesellschaftlicher Rückhalt, obwohl diese Musik genauso gerne konsumiert wird wie Sport. Talenterkennung und -förderung? Fehlanzeige. Musik kommt aus dem Radio. Und Strom kommt aus der Steckdose.

Aber trotzdem hat meiner Meinung nach keiner das Anrecht darauf, für seine Kunst per se bezahlt zu werden, wenn niemand bereit dazu ist, dafür zu bezahlen.

Natürlich nicht. Nicht direkt vielleicht. Aber wenn ich den Sportler erst dann direkt oder indirekt (z.B. Förderinstrumente, Bereitstellen einer Infrastruktur), wenn er "marktreif" ist, wird kein Schuh und schon gar kein Schumacher (haha!) draus. SO läuft es nämlich bei den Musikern.

Ich selber sehe halt für kleine Bands und Künstler den besten Weg darin, die Musik erstmal frei unter der Creative Commons zu verteilen. Das muss aber jeder für sich selber entscheiden, ob es ihm was bringt.

Mich würde aber interessieren, welches langfristige Geschäftsmodell daraus entstehen soll? Oder bist du wirklich der Meinung, das die Musikkultur, so wie wir sie heute - und das ist sicherlich nicht ihr bester Zustand - kennen, auch ohne Geschäftsmodell funktioniert?

Aber auch die "aufstrebenden" Musiker tragen ihren Teil bei. Wer glaubt im Proberaum mit gecracktem Cubase und Waves-Bundle und ein paar T-Bone-Mikros am Behringer-Preamp die amtliche Produktion fahren zu können, braucht in der Regel eine gewisse Zeit um zu bemerken, dass die Ergebnisse weder einen selbst noch das Publikum auch nur halbwegs zufriedenstellen. Bitte sich dann aber nicht wundern, wenn das einzige vernünftige lokale Studio in dieser Zeit dicht gemacht hat und man sich das High-End-Studio für 50 EUR/h nicht leisten kann.

Auch das ließe sich ausführen, aber nur soviel: Ich sehe bei der ganzen Sache auch die Gefahr, das jede Menge musikalisches und produktionstechnisches Know-How mittelfristig schlicht verloren geht.

Gruß,

Uranus
 
@ UranusEXP

Ohne jetzt auf jeden Satz einzelt eingehen zu wollen, will ich mal meine Grundlegende Sichtweise darlegen.

Imo ist der Markt für kleine Bands und Alternativkünstler momentan total im Arsch. Es gibt doch schon jetzt kein Geschäftsmodell, welche diese Leute ernährt.

Ich hab noch nie das Geld, was ich ganz konkret in einer meiner Bands gesteckt hatte wieder rausbekommen. Und das rede ich nichmal von neuen Instrumenten, sondern nur von Verbrauchsmaterialien, dem Materialverschleiß, PA und Proberaummiete. Und das geht so ziemlich jeder Band so, die ich persöhnliche kenne, selbst die, die sich den Arsch abspielen und "Local Heroes" sind.
Das ist für mich soweit in Ordnung, als dass ich das Ganze auschließlich als mein Hobby sehe, aber das Wahre ist es doch nicht.

Aus dem Grund gehen auch wohl all die Studios kaputt. Nur die absolut unerreichbaren HiEnd-Schuppen bleiben übrig, die ganze Mittelschicht ist hinüber, weil man selber lieber zuhause aufnimmt.

Nun gehe ich einfach mal vereinfacht von zwei Annahmen aus: Es ist ein gewisser Pool an Geld vorhanden, welches die Kunden bereit sind zu zahlen und es gibt keine Einschränkung in der Beschaffbarkeit digitaler Daten.

Momentan wird dieser Geldpool auf sehr wenige aufgeteilt, Superstars bekommen immer noch Riesengagen von ihren Plattenfirmen, obwohl sie schon längst nicht mehr den Markt beherschen.

Ich könnte mir das Modell vorstellen, dass man eine Art Downloadportal einrichtet, für das man einen monatlichen, nicht zu hohen Betrag X ausgibt um ein gewissen Downloadvolumen zu erhalten oder aber komplett freien Download hat. Von diesem Betrag werden vielleicht noch die Betreiberkosten abgezogen und dann darf man selber bestimmen, wie das Geld aufgeteilt werden soll. Also, man kann es der Band zukommen lassen, von der man meint, dass sie es verdient hat und die man unterstützen will. Dazu wären folgende Faktoren wichtig: Man muss eine kritische Masse an qualitativ guten Musikern haben, damit es für Kunden lohnenswert ist, es muss eine Community darum entstehen, die sich gegenseitig Musik empfiehlt und so das Marketing per Mund-zu-Mund Propaganda übernimmt und es wäre vorteilhaft wenn der Betreiber ein Verein oder eine Stiftung wäre und kein gewinnorientiertes Unternehmen.

Das ist jetzt nur eine fixe Idee, aber so könnte ich mir durchaus die Musiklandschaft von morgen vorstellen. Die allermeisten Konsumenten wäre sicher bereit, einen Betrag von sagen wir mal 20-30 Euro im Monat zu bezahlen, wenn sie dafür völlig legalen und uneingeschränkten Zugriff auf ihre Musik bekommt, wenn die Gewissheit dazu kommt, dass das Geld auch zum größtmöglichen Teil beim Künstler ankommt. Und dazu noch genau der Anteil, den man selber bestimmt.
Und der geniale Nischenmusiker, der vielleicht 1000 Die-Hard Fans auf der ganzen Welt hat. würde plötzlich 5.000 Euro/Monat umsetzen, wenn auch nur jeder der Die-Hard Fans 5 Euro seiner Flatrate für ihn reserviert.
Von diesem Geld könnte man schon wieder in ein ordenliches Studio gehen, anstatt eine Billigaufnahme zu machen.

Das wäre dann sowas wie die Kulturflatrate, nur nicht auf staatlicher Basis und freiwillig, was mir deutlich lieber wäre.
 
Ich könnte mir das Modell vorstellen, dass man eine Art Downloadportal einrichtet, für das man einen monatlichen, nicht zu hohen Betrag X ausgibt um ein gewissen Downloadvolumen zu erhalten oder aber komplett freien Download hat. Von diesem Betrag werden vielleicht noch die Betreiberkosten abgezogen und dann darf man selber bestimmen, wie das Geld aufgeteilt werden soll. Also, man kann es der Band zukommen lassen, von der man meint, dass sie es verdient hat und die man unterstützen will. Dazu wären folgende Faktoren wichtig: Man muss eine kritische Masse an qualitativ guten Musikern haben, damit es für Kunden lohnenswert ist, es muss eine Community darum entstehen, die sich gegenseitig Musik empfiehlt und so das Marketing per Mund-zu-Mund Propaganda übernimmt und es wäre vorteilhaft wenn der Betreiber ein Verein oder eine Stiftung wäre und kein gewinnorientiertes Unternehmen.

Nicht schlecht!:great:

Das wäre also der Napster-Flatrate-Ansatz mit verpflichtender Nachwuchsförderung. Kein Hörer könnte sich mehr beschweren über "schlechte Charts" und auch nicht über unfaire Angebote. Wobei man das derzeitige Flatrate-Model, das auf PC und MP3-Player beschränkt ist überdenken müsste. Zumindest solange, bis jede Stereo-Anlage und jedes Autoradio Highspeed-Internet-Anbindung hat.

Erste Frage ist natürlich, wie kriegt man die derzeitgien Rechteinhaber der Hits und Top-Stars ins Boot bzw. kriegt sie dazu auf einen Teil "ihrer" Einnahmen zu verzichten. Ich sage "ihrer" Einnahmen, weil natürlich ein Großteil der Downloads mittelfristig diese Material sein wird oder, falls dies nicht der Fall ist (könnte auch sein, dass Underground-Material sogar mehr ist, aber auf weit mehr Künstler gestreut), werden sie zumindest - zu recht - sagen , dass es ihr Material ist, das die Nutzer überhaupt anzieht.

Eine Möglichkeit wäre, die Nutzungsgebühren z.B. 50:50 aufzuteilen. Die eine Hälfte "spendet" der Nutzer an einen Künstler seiner Wahl. Die zweite geht in den großen Topf. Dieser wird - ähnlich wie bei den Verwertungsgesellschaften - nach genauer Nutzung an die Rechteinhaber ausgeschüttet.

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich nicht weiß, wie Napster das derzeit mit den Labels abrechnet. Ich denke jedoch, dass es jetzt schon so funktioniert. Ein Teil geht an Napster, der andere wird nach exakter Nutzung ausgeschüttet. Es ist ja ein Leichtes, über solch eine Plattform jeden Download exakt zu protokollieren und entsprechend genau auszuschütten.

Nächstes Problem: Die jetzigen Rechteinhaber wissen natürlich, dass sie durch das Modell langfristig "ausbluten" würden. Hm. Stop. Bei genauer Überlegung, denke ich, sie werden es zwar zunächst befürchten, aber im Endeffekt müsste es nicht so sein. Niemand kann und will sie ja davon abhalten, trotzdem mit aus dem System "aufsteigenden" Newcomern irgendwelche Deals zu machen. Da das System von "unten" demokratisch "gesteuert" wird, sollte es im Idealfall, den tatsächlichen Geschmack der Nutzer abbilden, was den Platten- oder wasauchimmerdann-Firmen risikofreieres Handeln ermöglichen würde.

Es würde sich auch zeigen, wie "mündig" die Konsumenten wirklich sind. Ob sie wirklich das "freiwillige" Geld, Newcomern zukommen lassen oder doch den Stars. Man könnte es natürlich auch forcieren, dass es zu den Newcomern kommt. Das ist aber nicht zwingend wünschenswert, wenn man wirklich endlich einen "freien, demokratischen" Musikmarkt will und dem Nutzer auch die Verantwortung überlässt, eben mit der Möglichkeit den Nachwuchsaufbau bewusst oder unbewusst zu vernachlässigen. Dann kann sich nachher zumindest keiner beschweren. Allerdings werden die Nutzer trotzdem zunächst noch von den Promo-Kampagnen der großen Labels beeinflusst sein. Also sollte man zumindest ein wenig gegensteuern.

Vielleicht die Gebühren z.B. dreiteilen (nicht zwingend dritteln): Ein Teil an Newcomer (der Status ist geknüpft an gewisse Kritierien), ein Teil völlig frei, ein Teil in den grossen Topf.

Eigentlich müssten so die Verwertungsgesellschaften der Zukunft aussehen.

Allerdings muss man auch sehen, dass diese auch jetzt schon gewisse Umverteilungsmechanismen haben und man sieht, dass sie eben nicht in zu gunsten des Nachwuchs der U-Musik ausfällt. Allerdings ist auch hier der Musiknutzer völlig aussen vor!

:)

Gruß,

Uranus
 
Ich denke, dass eine komplette freie Vergabe durchaus Sinnvoll sein wird. Sonst fühle ich mich als Nutzer nicht erst genommen. Zum Nachwuchs der U-Musik: Wenn jemand Musik macht, die wirklich niemanden gefällt, dann ist das sein Problem. Leben kann er, wenn er Musik mach, die nur wenigen gefällt, dann aber so gut, dass sie ihn mit dem kompletten Betrag unterstützen.
Wobei ich das Wort U-Musik hasse, es ist so unglaublich arrogant und elitär. Auf Filme übertragen wären das für mich deutsche, subventionierte Filme, die die gesellschaftlich mißliche Lage der Frau in Schwarz/Weiß und unglaublicher Langeweile auf Super-8 bannen. Da wäre mir sowas wie Park Chan-Wook Filme wie Oldboy lieber. Unterhaltung, aber auf einem künstlerischen Nivau, an das kein mir bekannter deutscher Kunstfilmer rankommt.
Wer Menschen begeistert, soll dafür seinen Lohn von diesen bekommen, ich denke das ist ein gutes Konzept.

Wenn man jetzt wirder Gremien einführt, um künstlerrisch wertvolle Bands, die aber niemand hören will gesondert zu fördern, dass ist das zum einen ein riesiger Verwaltungs-Overhead und zum anderen eine Herabwürdigung des Konsumenten, dem man damit sagt, dass er zu doof ist zu wissen, was gut ist. Und das wo doch die ganze Geschichte auf eben diese reiferen Musikhörer abzielt.

Zur Durchführung:
Man bräuchte halt Bands wie Radiohead und Nine Inch Nails, die ja beide durchaus Interesse an alternativer Vermarktung haben und viele fanatische Fans mitziehen, die zum Großteils Musikfreaks sind.
Das Ganze würde parrallel zum normalen CD-Verkauf existieren. Die richtigen Chart-Topstarts würde nie mitmachen, und es wäre auch die falsche Zielgruppe.

Da für diese Musiker eine ganze Industrie wegfallen würde, die finanziert werden müsste, dürfte insgesammt sehr viel mehr ankommen.
Klar wird es dann wieder Unternehmen geben, die Marketing für bestimmte Bands betreiben und aus diesem Portal Profit ziehen. Ist doch super, Kommerz ist ja überhaupt nichts schlechtes. Nur wären die Musiker an sich nicht mehr in der Absoluten Abhängigkeit, denn sie könnten auch ohne diese Unternehmen verkaufen.
 
Ich denke, dass eine komplette freie Vergabe durchaus Sinnvoll sein wird. Sonst fühle ich mich als Nutzer nicht erst genommen.

Wie das System mit komplett kostenloser Vergabe funktionieren soll (und was wäre daran neu?), ist mir schleierhaft. Ich habe den Knackpunkt des Systems so verstanden: Der User bekommt Zugriff auf die kompletten Inhalte, zahlt dafür aber zumindest einen Teil der Nutzungsgebühr an einen oder mehrere Künstler SEINER Wahl. Der User kann dann Madonna & Co. herunterladen, aber auch einen bestimmten Künstler (ob Newcomer oder nicht) besonders "belohnen". Damit würden die Entscheidungen über den Aufbau neuer Künstler in der Hand des Nutzers liegen. Hätte auch Vorteile für die Industrie, da sie nicht mehr blind drauflos produzieren muss, sondern quasi in Echtzeit sehen würde, welche Newcomer die Gunst des Publikums gewinnen.

Wie auch immer sobald du Inhalte bekannter Labels/Künstler anbieten willst, wirst du denen irgendein Geschäftsmodell bieten müssen, einfach für die kostenlose Verteilung brauchen sie dich schlicht nicht.

Ein solches Projekt ohne die Inhalte der Majors ist IMO von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Ich habe da auch ein wenig Erfahrung, da ich um die Jahrtausendwende bei einem Musikportal gearbeitet habe. Das war finanziell sehr gut ausgestattet, und hatte ein überzeugendes Konzept jenseits der ganzen MP3-Portale, die damals entstanden sind. Es ist aber genau daran gescheitert.

Wenn man jetzt wirder Gremien einführt, um künstlerrisch wertvolle Bands, die aber niemand hören will gesondert zu fördern, dass ist das zum einen ein riesiger Verwaltungs-Overhead und zum anderen eine Herabwürdigung des Konsumenten, dem man damit sagt, dass er zu doof ist zu wissen, was gut ist. Und das wo doch die ganze Geschichte auf eben diese reiferen Musikhörer abzielt.

Ich meinte kein Qualitätskriterien. Ich meinte man könnte, den Nutzer "zwingen", einen oder mehrere "wirtschaftliche" Newcomer-Künstler (z.B. lle unter einer gewissen Downloadzahl) jeden Monat auszuwählen, an den ein Teil der Abo-Gebühren des Nutzers geht, quasi um die Marketingmacht der Majors auszugleichen. Das würde den Newcomern helfen, aber den Nutzer auch wieder ein Stück entmündigen.

Vielleicht habe ich deinen Ansatz auch falsch verstanden. Dann müsstest Du ihn bitte noch mal klar und für alle verständlich darlegen.

Gruß,

Uranus
 

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