Lautstärke: LUFS oder Crest-Faktor?

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Ich habe bisher keine Erfahrung mit Mastering, aber aus Neugier in den letzten Jahren hier und da etwas darüber gelesen oder Videos geschaut. Ein wichtiges Thema dabei ist offenbar nach wie vor, dass das musikalische Produkt am Ende die richtige Lautstärke (loudness, level oder volume) hat (es grüßt der Loudness War).

Mein Eindruck ist, dass dabei ständig von absoluten Werten geredet wird. Beispielsweise -7 LUFS. Ich verstehe, dass solche absoluten Werte wichtig sind, um die wahrgenommene Lautstärke zwischen Tracks vergleichen zu können. Ob ein Track für sich genommen laut klingt, hängt aber nach meinem Verständnis nicht von einem absoluten Wert ab, sondern von der Dynamik. Wenn das Signal über die Länge des Tracks ein Rechteck praktisch ausfüllt, dann klingt es laut; wenn Luft bleibt, dann klingt es nicht so laut. Ich stelle mir daher vor, dass ein Maß für die Dynamik, etwa der Crest-Faktor, die wahrgenommene Lautstärke viel besser abbildet.

Was spricht also dagegen, beim Mastern zunächst nur auf eine Ziel-Dynamik hin zu arbeiten und dieses Zwischenergebnis dann so zu normalisieren, dass die Signalspitzen gerade nicht übersteuern? Ich gehe davon aus, dass die Auflösung von 32bit Floating Point völlig ausreicht, um ohne Verluste so vorzugehen.

Verstehe ich etwas falsch? Übersehe ich etwas?
 
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Hi:hat:

Natürlich ist die wahrgenommene Lautheit etwas sehr subjektives, was sich so nicht messen lässt.
Ob ein Track für sich genommen laut klingt, hängt aber nach meinem Verständnis nicht von einem absoluten Wert ab, sondern von der Dynamik.
Ja, das ist so
Wenn das Signal über die Länge des Tracks ein Rechteck praktisch ausfüllt, dann klingt es laut; wenn Luft bleibt, dann klingt es nicht so laut.
jedoch hier würde ich eher das Gegenteilige behaupten. Gemäss Analizer ja, aber subjektives empfinden Nein. Damit etwas laut klingt, braucht es Impact, und Impact ist nur möglich, wenn die leisen Stellen auch wirklich leiser sind als die Lauten. Wenn alles zu einem Balken zusammenkomprimiert wird, fehlt dieser Impact, den man erwarten würde. Klar klingt das nicht leise, aber auch nicht laut. Es klingt nach Lärm, und das ist was anderes als Laut:D
 
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Bei der LUFS-Messung wird über verschiedene Messzeiten gemittelt und verschiedene Frequenzbereiche werden unterschiedlich gewichtet. So erhält man einen Lautheits-Wert für ein ganzes Stück oder sogar über ein längeres komplettes Programm. Wegen der Mittelung spiegelt der LUFS-Wert auch die Dynamik über die Messzeit wieder.
Hier ein recht informativer Link dazu: https://tonstudio-wissen.de/mastering-audio-lufs-rms/
 
LUFS IST ein Maß für die Dynamik. ;)

  1. Nimm in deiner DAW eine Audio-Spur und füge als Plugins einen Gain-Regler und ein Lautstärkemeter mit LUFS-Anzeige hinzu.
  2. Lass den Gain-Regler auf 0 dB und bestimme den LUFS-Wert über die Spur. Notiere diesen Wert.
  3. Stelle nun den Gain-Regler auf -6 dB und messe erneut den LUFS-Wert.
  4. Vergleiche die beiden Werte.
  5. Ein Maß für die Dynamik sollte vom absoluten Pegel unabhängig sein, also vom Gain-Regler nicht verändert werden.
  6. Tatsächlich wirst du feststellen, dass der LUFS-Wert bei der zweiten Messung etwa 6 dB niedriger ist.
Ich denke also, dass ich das zumindest soweit ganz richtig verstehe. LUFS ist kein Maß für die Dynamik.

Ich habe gerade nur kurz in die relevante ITU-Empfehlung geschaut. LUFS wird "im Prinzip" wie RMS ermittelt, nur dass bestimmte Frequenzbereiche unterschiedliche gewichtet werden.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Bei der LUFS-Messung wird über verschiedene Messzeiten gemittelt und verschiedene Frequenzbereiche werden unterschiedlich gewichtet. So erhält man einen Lautheits-Wert für ein ganzes Stück oder sogar über ein längeres komplettes Programm. Wegen der Mittelung spiegelt der LUFS-Wert auch die Dynamik über die Messzeit wieder.
Hier ein recht informativer Link dazu: https://tonstudio-wissen.de/mastering-audio-lufs-rms/

Ich finde keine Definition dazu, dass LUFS über eine vorgegebene Zeit integriert. Natürlich kann es trotzdem sein, dass es so ist.

Das ändert aber nichts daran, dass LUFS eine absolute Skala hat. Und wie ich oben versucht habe zu demonstrieren, können zwei Tonspuren mit exakt derselben Dynamik unterschiedliche LUFS-Werte haben, abhängig von ihrem absoluten Pegel.

Ich wiederhole den Kern meiner ursprünglichen Frage:

Was spricht also dagegen, beim Mastern zunächst nur auf eine Ziel-Dynamik hin zu arbeiten und dieses Zwischenergebnis dann so zu normalisieren, dass die Signalspitzen gerade nicht übersteuern?

Für dieses Vorgehensweise ist LUFS kein geeignetes Maß. (LUFS ist natürlich sehr gut dafür geeignet, um die wahrgenommene Lautstärke mehrerer Musikstücke aneinander anzugleichen.)

Warum sollte man so arbeiten wollen? Hier kommt sicherlich meine fehlende praktische Erfahrung ins Spiel. Ich stelle es mir einfacher vor, zunächst mit viel Headroom die Dynamik genau nach Wunsch hinzubiegen, was eine künstlerische Entscheidung ist. Erst dann wird das Musikstück auf den technisch richtigen, absoluten Pegel gebracht, was ein rein technischer Prozess ist.
 
In dem Link aus meinem Post finden sich die Integrationszeiten (unter dem Abschnitt LUFS):

  • Momentary Max.“ zeigt die maximale momentane Lautheit mit einem Zeitfenster von 400 ms an.
  • Short-Term“ gibt die kurzzeitig gemittelte Lautheit (3 Sekunden) aus.
  • Integrated“ spiegelt die ermittelte Durchschnittslautheit wider. Hier wird die Lautheit ab dem Starten der Wiedergabe gemessen, sodass sich der Wert mit zunehmender Abspieldauer immer mehr einpendelt. Diese wird von den Streaming-Portalen genutzt

Der LUFS-Wert ist in der Tat vornehmlich für die Einschätzung und Bewertung der Dynamik ganzer Programme bzw. mindestens längerer Abschnitte gedacht. Der anzustrebende Wert von -23 dB LUFS für die Rundfunkanstalten soll die gute Hörbarkeit gewährleisten. Wenn sich dieser Wert über das ganze Programm gemiitelt ergibt, dann kann der Radiohörer das Programm hören ohne sich genötigt zu sehen, immer wieder die Lautstärke manuell rauf oder runter zu drehen. Dann gibt es keine laute Werbeeinblendung nach einem leisen Stück so dass man glatt vom Stuhl fällt.

Da die LUFS-Messung die Gehörkurven gleicher Lautstärke berücksichtigt, stimmt es schon, dass der LUFS-Wert niedriger ausfällt, wenn du einen Track um -5 dB absenkst. Das Peakmeter zeigt dann zwar immer noch die gleiche relative messtechnische Dynamik an, für das Ohr hat der leisere Track aber eine geringere Dynamik. Höre dir probehalber mal den voll ausgesteuerten und den abgesenkten Track hintereinander an (ohne die Lautstärke nachzuregeln natürlich). Der leisere Track wird auch dynamisch flacher wirken. Denn für das Ohr werden die tiefen und die hohen Frequenzen nicht im gleichen Verhältnis leiser wie die Mitten, sondern noch leiser.
Siehe dazu hier: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gehörrichtige_Lautstärke
 
Stelle nun den Gain-Regler auf -6 dB und messe erneut den LUFS-Wert.
Tatsächlich wirst du feststellen, dass der LUFS-Wert bei der zweiten Messung etwa 6 dB niedriger ist.
Sogar sehr genau um 6dB. Der Gainregler macht ja nichts Anderes als 6dBFS leiser.
Die Einheitsgrösse einer LUFS entspricht genau dem selben Wert, wie bei dBFS, nur halt relativ dazu.

Ich finde keine Definition dazu, dass LUFS über eine vorgegebene Zeit integriert. Natürlich kann es trotzdem sein, dass es so ist.
Ist tatsächlich so. Und auch Frequenzabhängig gemäss Fletcher Munson Kurve.
Dabei gibts 3 unterschiedliche Messmethoden:
»Momentary Max.« zeigt die maximale momentane Lautheit mit einem Zeitfenster von 400 ms an.
»Short-Term« hingegen spiegelt die kurzzeitig gemittelte Lautheit (3 Sekunden) wider.
Die ermittelte Durchschnittslautheit ist unter »Integrated« abzulesen. Hier wird die Lautheit ab dem Starten der Wiedergabe gemessen, sodass sich der Wert mit zunehmender Abspieldauer immer mehr einpendelt.

Nachtrag: @LoboMix war ein wenig schneller als ich:D
 
@LoboMix und @Zelo01, sind wir uns einig, dass es beim Anwendungsfall Mastering um den integrierten LUFS-Wert geht? Die beiden anderen Messmethoden gibt es zwar, ich sehe aber nicht, wie sie zu meiner ursprünglichen Frage beitragen.

Ich bleibe bei meiner Aussage, dass dieser integrierte LUFS-Wert keine Aussage über die Dynamik ist. Dass dasselbe Programmmaterial bei unterschiedlichem Pegel auch unterschiedliche LUFS-Werte hat (wie oben demonstriert), spricht dagegen. Es ist ganz sicher möglich, zu einem vorgegebenem LUFS-Wert ein Signal zu erzeugen, dass überhaupt keine Dynamik hat.

Das Argument

Der leisere Track wird auch dynamisch flacher wirken. Denn für das Ohr werden die tiefen und die hohen Frequenzen nicht im gleichen Verhältnis leiser wie die Mitten, sondern noch leiser.

stimmt meiner Meinung nach nicht, weil es eine Annahme über die Abhörlautstärke enthält. Wenn ich beim Abspielen den Track einfach lauter stelle, ist die Dynamik auf wundersame Weise wieder da. Natürlich muss ich beim nächsten Track, mit höherem LUFS-Wert, dann wieder zurück regeln. Das zeigt aber nur, dass LUFS kein Maß für die absolute Lautheit ist (und auch nicht für die Dynamik, s.o.), sondern für die relative, wahrgenommene Lautheit verschiedener Tracks. Und insbesondere ein geeignetes Hilfsmittel, um die wahrgenommene Lautheit von Tracks anzugleichen.
 
sind wir uns einig, dass es beim Anwendungsfall Mastering um den integrierten LUFS-Wert geht?
Jain. Letztendlich entscheidet der LUFS Wert über das Lautheitsempfinden, ja. Beim Mastering gehts jedoch nicht darum den Mix laut zu prügeln. Das muss im Mix geschehen. Man kann im Mastingprozess nicht mehr allzu stark eingreifen, ohne dass es auffällt.

Ich bleibe bei meiner Aussage, dass dieser integrierte LUFS-Wert keine Aussage über die Dynamik ist.
Das haben wir auch nie behauptet, diese Aussage kam nicht von uns.

Das zeigt aber nur, dass LUFS kein Maß für die absolute Lautheit ist (und auch nicht für die Dynamik, s.o.), sondern für die relative, wahrgenommene Lautheit verschiedener Tracks.
Genau, auch dem widersprechen wir nicht.
LUFS = LautheitsEinheiten relativ zu digitalem Vollpegel

Nachtrag: Wenn du zwei Tracks gegenüberstellst, hast du zwei relative Werte. Also kein wirklicher Anhaltspunkt. Darum kommt der digitale Vollpegel ins Spiel, der ist absolut und dient quasi als Referenz. Der relative Wert dieser beiden Tracks zu diesen digitalen Vollpegel ist jedoch unterschiedlich, je nach Frequenzbild und Dynamik der beiden Tracks.
Diese Referenz des digitalen Vollpegels ermöglicht es, das Lautheitsempfinden beurteilen zu können, ohne ein zweiten Track beizuziehen. Das sagt mehr aus als mit einem zweiten Track zu vergleichen, denn dieser ist ja genau so relativ.
 
Zuletzt bearbeitet:
... stimmt meiner Meinung nach nicht, weil es eine Annahme über die Abhörlautstärke enthält.
Es geh sogar ausdrücklich um die Abhörlaustärke (s.u.).

Wenn ich beim Abspielen den Track einfach lauter stelle, ist die Dynamik auf wundersame Weise wieder da. Natürlich muss ich beim nächsten Track, mit höherem LUFS-Wert, dann wieder zurück regeln.
Klar ist die Dynamik wieder da, das Material wurde ja nicht weiter verändert, sondern nur leiser gestellt. Deshalb schrieb ich auch explizit:
Höre dir probehalber mal den voll ausgesteuerten und den abgesenkten Track hintereinander an (ohne die Lautstärke nachzuregeln natürlich)
Je nach Absenkung der Lautstärke wirkt der Track flacher und weniger lebendig, also auch weniger dynamisch. Bei den alten Radios gab es die "Contour"-Taste mit der die Tiefen und Höhen angehoben werden konnten wenn man die Musik nur leise hören wollte. Damit war sie zwar leiser, blieb aber dennoch präsent.

Das zeigt aber nur, dass LUFS kein Maß für die absolute Lautheit ist (und auch nicht für die Dynamik, s.o.), sondern für die relative, wahrgenommene Lautheit verschiedener Tracks. Und insbesondere ein geeignetes Hilfsmittel, um die wahrgenommene Lautheit von Tracks anzugleichen.
Jein, der LUFS-Wert kombiniert im Prinzip den absoluten Pegelwert (durch seinen Bezug zu 0 dBFS als Referenz) mit Bewertungs-Algorithmen (Fletcher-Munson-Kurven). Vor allem ist es aber die Integration über längere Zeiten im Vergleich zum Peakmeter, das nur den Peak- und den RMS-Wert anzeigt, die eine Aussage zur Lautheit und Dynamik eines ganzen Tracks, ja sogar einer ganzen CD oder eines ganzen Programms hergibt.

Wenn ein Track einen kleineren LUFS-Wert hat (z.B. -3 dB LUFS) als ein anderer (z.B. -18 dB LUFS), dann wird der erstere Track entweder insgesamt höher ausgesteuert, stärker komprimiert sein, und/oder er hat einen höheren zeitlichen Anteil an Pegelspitzen. In jedem Fall wird er (bei unveränderter Einstellung des Lautstärkereglers der Abhöre natürlich!) lauter wirken und klingen als der mit -18 dB LUFS.

Ein Beispiel:
Der allerletzte Schlussteil des letzten Satzes der 9. Sinfonie von Beethoven ("Prestissimo") geht in einem durchgehenden ff bis zum Schlussakkord. Der LUFS-Wert nur dieses Prestissimos wird - und sollte - also irgendwo um -1 dB LUFS liegen. Wenn der LUFS-Wert des ganzen letzten Satzes, oder gar der ganzen Sinfonie, auch bei diesem kleinen Wert liegen sollte, hätte ich einen gravierenden Fehler beim Mix/Aussteuern/Mastern gemacht.
Wenn ich nun unsicher bin und mit eine Orientierungshilfe suche, könnte ich nun mit einem geeigneten PlugIn eine von mir als Referenz empfundene CD dieser Sinfonie deren LUFS-Wert messen. Entweder die ganze CD, oder nur einzelne Sätze oder einzelne Abschnitte.
Mit diesen so ermittelten Werten könnte ich nun an meiner Aufnahme weiter arbeiten wobei mit die LUFS-Anzeige eine sinnvolle Orientierung bieten kann.

Das Hören will ich damit selbstverständlich nicht vernachlässigt wissen. Da man aber bei aller Erfahrung auch schon mal unsicher werden kann, hat man ja die Anzeigen in der DAW mit denen man eine gute Gegenkontrolle hat. Die LUFS-Anzeige kann dabei sehr viel Sinn machen, wenn man deren Sinn und Funktion verstanden hat.

Damit hat man auch eine objektiven Wert, mit dem man dem Kunden gegenüber im Zweifel einen Qualitäts-Nachweis erbringen kann, wenn dieser womöglich auf einer total grottenschlechten Anlage abhört und (erwartungsgemäß) nicht zufrieden ist (so etwas habe ich tatsächlich einmal erlebt, diese super-billig-"Anlage" war die absolute Katastrophe, und zudem standen die "Boxen" noch total ungünstig in ein Bücherregal gequetscht).
 
Wenn ein Track einen kleineren LUFS-Wert hat (z.B. -3 dB LUFS) als ein anderer (z.B. -18 dB LUFS), dann wird der erstere Track entweder insgesamt höher ausgesteuert, stärker komprimiert sein, und/oder er hat einen höheren zeitlichen Anteil an Pegelspitzen. In jedem Fall wird er (bei unveränderter Einstellung des Lautstärkereglers der Abhöre natürlich!) lauter wirken und klingen als der mit -18 dB LUFS.

Wie du sagst: dann wird der erstere Track entweder insgesamt höher ausgesteuert, stärker komprimiert sein, und/oder er hat einen höheren zeitlichen Anteil an Pegelspitzen.

Diese Eigenschaften werden bei der LUFS-Messung untrennbar vermischt. Aus dem Wert ist nicht mehr erkennbar, wie er zustande kommt.

Der allerletzte Schlussteil des letzten Satzes der 9. Sinfonie von Beethoven ("Prestissimo") geht in einem durchgehenden ff bis zum Schlussakkord. Der LUFS-Wert nur dieses Prestissimos wird - und sollte - also irgendwo um -1 dB LUFS liegen.

Das sollte vielleicht im fertigen Produkt so sein. Meine Frage bezieht sich aber doch darauf, wie man dorthin kommt; schau in meinen ersten Beitrag.

Wenn du der Mastering Engineer wärst, würdest du bei diesem Satz alle Einstellungen so wählen, dass der Schlussteil genau -1 LUFS erreicht? Oder würdest du die Dynamik nach Wunsch bearbeiten und dann normalisieren?
 
Diese Eigenschaften werden bei der LUFS-Messung untrennbar vermischt. Aus dem Wert ist nicht mehr erkennbar, wie er zustande kommt.
Bei der nachträglichen LUFS-Messung ist das sicher so. Wenn man dann herausfinden will, wie der Wert zustande kommt, muss man den Track selber öffnen und im Detail begutachten. Für die Praxis ist das aber insofern uninteressant, als mit einer automatischen LUFS-Analyse ein Sender vorher feststellen kann, ob die Aufnahme im Rahmen des vorgesehenen Sendeschemas und der Sendungs-Charakteristik überhaupt sendefähig ist. Für die Details interessiert sich an dieser Stelle niemand mehr.
Für die Einhaltung der Vorgaben hat der Tonbearbeiter schon vorher selber zu sorgen. Dabei kann ihm die LUFS-Messung helfen. In der Praxis dürfte diese Messung sogar unabdingbar sein, wenn jemand Beiträge für den Rundfunk liefert.

Im Live-Betrieb muss der maßgebliche Tonmensch schon genau wissen, wie er die verschiedenen Programmteile auszusteuern hat, damit der von der EBU in der Richtlinie R-28 vorgegebene LUFS-Wert mit den geforderten Toleranzen eingehalten wird. Hier ist eine gute Beschreibung der "LUFS"-Praxis beim Rundfunk/Fernsehen: https://alumni.sae.edu/2014/07/07/hingehort-die-richtlinie-r128-verstehen-und-anwenden/

Wer mit Rundfunk etc. nichts am Hut hat, der braucht sich aber um "LUFS" eher nicht zu kümmern, riskiert aber, dass seine Aufnahmen eventuell nicht sendefähig sind (so das überhaupt beabsichtigt ist).

Hier noch ein schöner Artikel zum Thema (vom Tonmeister Friedemann Tischmeiyer - nicht verwirren lassen, dass dort noch von einer weiteren Einheit "LU" die Rede ist, das ist ein relativer Bezugspunkt, wobei 0 LU = -23 dB LUFS ist, also den -23 dB-Punkt auf 0 setzt, wodurch sich auch positive LU-Werte ergeben):
https://www.delamar.de/mastering/r128-14870/

Aber noch einmal: wer mit Rundfunk-Sachen und deren Pegelsystemen nichts am Hut hat, den braucht LUFS nicht zu interessieren. Je nach Genre kann man allerdings gute Informationen und Anregungen aus "LUFS" ziehen.

Wenn du der Mastering Engineer wärst, würdest du bei diesem Satz alle Einstellungen so wählen, dass der Schlussteil genau -1 LUFS erreicht? Oder würdest du die Dynamik nach Wunsch bearbeiten und dann normalisieren?
Das ist eine gute Frage, die ich gerne beantworten will. Voraus schicken muss, ich dass ich (als studierter "Klassiker") ausschließlich Aufnahmen im Klassik-Genre mache, also akustische Ensembles, Sinfonieorchester, Chöre usw., denn damit kenne ich mich am besten aus.
Da ich also mit dem Genre gut vertraut bin, weiß ich natürlich, an welchen Stellen das Stück maximal laut sein soll (steht ja auch in den Noten). In der Regel sind die Aufführungen auch so sorgfältig einstudiert, dass die dynamischen Anweisungen und Relationen auch praktisch korrekt realisiert werden.

Bei der Ausarbeitung in der DAW (Samplitude) suche ich also zunächst diese lautesten Stellen (in der Stereo-Spur des Stereo-Hauptmikrofonsystems, da diese Spur meine Bezugsspur ist) und normalisiere die nach der Partitur beabsichtigte(n) lauteste(n) Stelle(n) z.B. auf -1 dBFS (bzw. passe sie an, falls aus irgend einem Grund die aufgenommene Dynamik doch nicht der Partitur oder der Absicht des Dirigenten/Ensembles entspricht).

Dann suche ich die leisesten Stellen und prüfe, ob die Dynamik für eine CD-Wiedergabe (ich orientiere mich für das Master stets am Format der CD) und die Charakteristik des jeweiligen Stückes in einer typischen Heim-Abhörumgebung so reproduzierbar ist - ohne dass der Hörer nachregeln muss. Bei einem Sinfoniekonzert überschreitet die aufgenommene Live-Dynamik oft die reproduzierbare Dynamik (es hat nun mal nicht jeder eine Anlage für 20.000,- € und mehr). Das bedeutet, dass ich solche Aufnahmen meistens ein wenig komprimieren muss, sei es mittels Kompressor oder Brickwall-Limiter (im Summen-Kanal).
Die Details der Ausarbeitung der Spuren der Stützmikrofone lasse ich hier mal außen vor, da diese vom Grundsatz her nichts an der oben beschriebenen Vorgehensweise ändern.

Wie ich schon schrieb, kann eine LUFS-Messung dazu recht hilfreich sein, zumal "Klassik"-Stücke meist über einen großen Dynamikumfang verfügen. Dazu habe ich, als ich vor etlichen Jahren zum ersten mal mit "LUFS" konfrontiert wurde, einige für mich exemplarische, sehr gute Aufnahmen mit dem R128-PlugIn analysiert. Das hat mir wirklich geholfen, denn zeitweise war ich hinsichtlich der Ausgabepegel und der einzustellenden Gesamt-Dynamik auch etwas irritiert und unsicher, zumal der "Loudness-War" auch vor der Klassik seinerzeit nicht halt gemacht hat.
 
Voraus schicken muss, ich dass ich (als studierter "Klassiker") ausschließlich Aufnahmen im Klassik-Genre mache, also akustische Ensembles, Sinfonieorchester, Chöre usw., denn damit kenne ich mich am besten aus.

Ich glaube, du bist einfach in einer anderen Situation als die, die ich in meiner ursprünglichen Frage (stillschweigend) angenommen hatte. So, wie ich dich verstehe, geht es dir darum, dass du von der Dynamik der ursprünglichen, akustischen Aufnahme so viel herüber retten willst, wie für übliche Abhörsituationen sinnvoll ist und dass du dabei die Auflösung des Zielformats CD möglichst gut ausnutzt. Da habe ich keine Einwände.

Meine Frage ist vor dem Hintergrund entstanden, dass ich hier und da etwas über Mastering gelesen habe und über die Jahre einige Videos zum Thema gesehen habe. Dabei ist bei mir der Eindruck hängen geblieben, dass immer gleich auf einen LUFS-Zielwert hingearbeitet wird. Mir erscheint das als der Versuch, zwei unabhängige Dinge in einem Schritt machen zu wollen. Nämlich gleichzeitig sowohl die Dynamik einzuschränken, als auch einen absoluten Zielpegel zu erreichen. Meine Frage war daher

Was spricht also dagegen, beim Mastern zunächst nur auf eine Ziel-Dynamik hin zu arbeiten und dieses Zwischenergebnis dann so zu normalisieren, dass die Signalspitzen gerade nicht übersteuern? Ich gehe davon aus, dass die Auflösung von 32bit Floating Point völlig ausreicht, um ohne Verluste so vorzugehen.
 
Ich glaube, du bist einfach in einer anderen Situation als die, die ich in meiner ursprünglichen Frage (stillschweigend) angenommen hatte.
Deshalb habe ich meine Situation ausdrücklich näher beschrieben, ich weiß auch nicht, ob und wenn ja, wie gut sich meine Vorgehensweise auf andere Genres übertragen lässt.

... dabei die Auflösung des Zielformats CD möglichst gut ausnutzt.
Ich dachte dabei weniger an das technische Format der CD, denn die 96 dB Dynamikumfang und den Frequenzbereich bis 20 kHz der CD kann man mit Aufnahmen akustischer Ensembles als Ausgabeformat definitiv nicht in die Knie zwingen, wie zigtausende hervorragender CDs beweisen.
Ich meinte damit mehr die typische Situation eines einigermaßen ambitionierten Hörers, der bei seiner heimischen HiFi-Anlage eine CD einlegt und sich die Aufnahme mit einer gewissen Muße anhört. In dieser Situation soll die Aufnahme optimal klingen mit einer optimalen (dem Stil der Stücke und der Instrumentation angemessenen) Wiedergabe-Dynamik ohne dass der Hörer nachregeln muss. Da "klassische" Musik oft einen ziemlich bis sehr großen Dynamikumfang hat, ist das in diesem Genre ein sehr wichtiges Thema wenn man Aufnahmen heraus gibt.

Dabei ist bei mir der Eindruck hängen geblieben, dass immer gleich auf einen LUFS-Zielwert hingearbeitet wird. Mir erscheint das als der Versuch, zwei unabhängige Dinge in einem Schritt machen zu wollen. Nämlich gleichzeitig sowohl die Dynamik einzuschränken, als auch einen absoluten Zielpegel zu erreichen.
Bei der EBU-R128, in der LUFS definiert wird, geht es vordergründig aber nicht um das Einschränken der Dynamik, sondern im Gegenteil um eine bessere, differenziertere und besser hörsame Wiedergabe-Dynamik - ohne den Hörer zu zwingen, wegen übler und unvorhersehbarer Pegelsprünge zur Fernbedienung zu greifen.* Bitte die Links nochmal dazu einsehen. Eingeschränkt wird die Dynamik nur in den Fällen, wo die Dynamik des vorliegenden Materials nicht sinnvoll wiedergegeben werden kann (also was ich oben beschrieben habe).

Dein Frage nach der richtigen Vorgehensweise würde ich so beantworten, dass es im Prinzip egal ist, ob du erst an der Dynamik feilst und dann Normalisierst oder umgekehrt. Wenn du erst später Normalisierst und bis dahin die Maxima z.B. -10 dB unter Vollaussteuerung liegen, wirst zu zur Kompensation ohnehin die Lautstärke der Abhöre aufdrehen (und nach dem Normalisieren wieder runter drehen).
Bei 32-bit-float geht nichts verloren (tatsächlich im float-Format unvermeidliche Rundungsfehler sind akustisch nicht relevant) und intern kann in dem Format auch nichts übersteuert werden.

Wenn man aber etwa der Empfehlung von Bob Katz folgt und seinem "K-System" [Quelle: https://tonstudio-wissen.de/k-system-metering-bob-katz-k-20-k-14-k-12/], bei dem die Abhörlautstärke passend zum Musikgenre kalibriert wird und fix bleibt, wird man erst Normalisieren und erst dann alle weiteren Arbeitsschritte vornehmen.

Allerdings muss man immer das Peakmeter bei den lauten Stellen im Auge haben, da je nach Arbeitsschritt (z.B. bei mir Anheben der Stützen-Pegel) am Ausgang Übersteuerungen auftreten können. In diesen Fällen normalisiere ich in Samplitude am Stereo-Naster-Fader nach (eigener "N"-Button am Master).

Aber wie gesagt, kann ich hier nur meine Vorgehensweise erläutern, die sich bei mir bewährt hat. Inwieweit das auf andere Stile übertragbar ist, kann ich nicht sagen.

*)
Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, wo nach dem Abspann des "Tatorts" die Sponsor-Werbung folgte ("Dieser Tatort wurde Ihnen präsentiert von ...") und wenn man da nicht den Finger an der Fernbedienung hatte und sofort leiser machte, fielen die schon schlafenden Kleinen aus dem Bett.
 
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