Mitsuko Uchida

Ray
Ray
Mod Emeritus
Ex-Moderator
HCA
Zuletzt hier
02.02.24
Registriert
22.08.03
Beiträge
13.292
Kekse
8.824
Ort
Frankfurt
Hat die einer von Euch schon mal live erlebt?

Ich bin neulich beim Rumzappen in einem Klavierkonzert hängengeblieben und war ziemlich perplex. Dass klassische Musiker in der Regel mit anderer Mimik und Körpersprache auftreten als Popsternchen, ist zwar normal, aber die Frau hat ja selbst Simon Rattle am Pult noch in den Schatten gestellt. Mir ist noch nie jemand begegnet, der Musik auf so eine physische Weise erlebt. Selbst dann, wenn sie gar nicht gespielt hat und nur die Musik des Orchesters "miterlebt" hat....
 
Eigenschaft
 
Kenne die besagte Dame zwar nicht, aber als ich auf meinem Japan Urlaub im Tv ein Jazz Festival gesehen hab, ist mir aehnliches aufgefallen.
Da war eine Jazz pianistin, die hat sich derart gehen lassen, es war eine Wonne zum zusehen. Hat mich richtig in den Bann gezogen, diese Kombination aus Musik, und dazu passender Mimik.
Ich finde das hat etwas ganz eigenes, wenn man die musik nicht nur hoeren, sondern auch "sehen" kann.
 
Wir hatten das thema bei "Improvisation oder krach". Ob "physisches" miterleben oder provinztheater, darüber habe ich gelinde zweifel, mir ist das spiel allemal wichtiger als das schauspiel. Ich kenne die Uchida allerdings schon länger aus fernsehauftritten, sie trieb es auch anfangs nicht so arg, merkte dann aber wohl, welchen eindruck (auf wen?) sie machen könne, und nun fühle mich dabei äußerst peinlich berührt. Dass man bei Mozarts klaviermusik etwa über tempi (was bedeutet "allegretto"?) verschiedener auffassung sein kann, ist freilich normal. Er selbst hat sich zwar dazu unverblümt geäußert, aber was gelten heute die ollen komponisten!
Ich hörte bezauberndes Mozartspiel von einer dem namen nach kaukasischen spielerin, die keine grimassen schnitt, unlängst schönstes piano von einem jungen Polen, beide völlig unbekannt, während notorische schaumschläger und minitalente (das beziehe ich nicht auf das spiel der Uchida) zu medienstars werden.
Wer den "seelenvollen" blick zum himmel liebt, wird in der religiösen malerei des 17./18.Jh.s voll auf seine kosten kommen, die museen sind voll davon (in der fachwelt auch "schinken", "croste" auf italienisch genannt). Wenn der trend dahin geht - - - ?
 
Ich hab besagtes Konzert auch gesehen (wobei mir Rattles Silvesterkonzerte ehrlich gesagt immer weniger gefallen, aber na gut, ist halt für die "breite Masse" gedacht) und war mir auch nicht ganz sicher, was ich davon halten sollte. Einerseits spricht ja nichts dagegen, dass man auch klassische Musik auf der Bühne sichtbar mitfühlt (bei einem Rock/Metal-Konzert wird es erwartet!), doch es ist schwer erkennbar, wo das Theater anfängt... aber ihrem Spiel hat es ja nicht geschadet, auch wenn ich die Kadenz etwas an Mozart "vorbei" fand.
 
Diesen "seelenvollen blick" zum himmel habe ich in einem rock-konzert noch nicht gesehen, das sind ganz verschiedene ebenen, körperlicher einsatz und/oder beinahe frömmlerisches getue, das nicht zwischen "allegro" und "andante" unterscheidet, die wimpern klimpern immer gleich.
 
Stimmt, den hatte ich schon wieder vergessen (verdrängt?) :)
Ich dachte eher an eifriges Einsätze-mit-Kopfnicken-Begleiten u.ä.
 
Günter Sch.;2016423 schrieb:
Wir hatten das thema bei "Improvisation oder krach". Ob "physisches" miterleben oder provinztheater, darüber habe ich gelinde zweifel, mir ist das spiel allemal wichtiger als das schauspiel.

Kommt halt drauf an, ob es Schauspiel oder echtes Erleben ist.

Wenn Michael Jackson sich alle naselang an die Eier langt oder Heavy-Stars geballte Fäuste und diverse Finger gen Himmel recken, dann empfinde ich das als dümmliche Show.

Bei obiger Dame dagegen eher nicht, denn für den unbedarften Zuschauer wirkt es ja eher entblößend als cool. Die meisten Anwesenden hier würden über derartige Grimassen eher lachen und sie "spiessig" finden...

PS: schon mal Gidon Krämer Geige Spielen gesehen? ;)

PPS: mir hat die uchida-Mozart-Interpretation ziemlich gut gefallen. Die Frau beeindruckt mich mehr als der so unheimlich gehypte Lang Lang...

Aber sowas ist ja eh Geschmacksache.
 
PPS: mir hat die uchida-Mozart-Interpretation ziemlich gut gefallen. Die Frau beeindruckt mich mehr als der so unheimlich gehypte Lang Lang...

Ich hatte es ja auch nur von der Kadenz, die war mir zu "modern", aber das ist natürlich auch Geschmackssache, wie stilnah eine Kadenz sein sollte. Ansonsten war der Mozart für mich das Highlight des Konzerts. Hätte nicht gesagt, dass ich sowas mal über Mozart sagen würde :D
 
Kommt halt drauf an, ob es Schauspiel oder echtes Erleben ist.

Du sprichst an, was ich schon länger beobachte, sogenannte show-effekte überwuchern die eigentliche darbietung. Wenn man mit obszönität ein publikum erreicht und damit zum "genialen" entertainer wird, es mit moderatoren/innen-geschwätz oder anderen äußerlichkeiten während eines konzertes füttert, wird die tendenz zunehmen. Fernsehen hat eigene gesetze, es rückt dem solisten mit großaufnahmen auf den pelz, wenn ein geiger sabbert, eine klavierspielerin übertreibt (nehmen wir mal an, es sei "echtes erleben"), muss ein fernsehregisseur einschreiten und sagen "so gehts nicht, macht euch nicht lächerlich!". Jeder professionist wird eine solche unart sofort abstellen. Wenn aber ein publikum auf jede "masche" (ich bediene mich mal wieder einer branchen-eigenen sprache) hereinfällt, ja sie als markenzeichen ansieht, wird es schwierig. "Dem affen zucker geben", heißt das unter brüdern und ehrt weder den darbietenden noch seine begeisterten zuschauer/hörer.
Da lobe ich mir das publikum von Parma: der später sehr bekannte bass-bariton Giuseppe Taddei trat als Falstaff auf, und schon rief einer von der galerie "Esagerato!" "Du übertreibst! " Er erzählt das selbst, und es war ihm eine lehre für immer.
Wir sagen mutig "geschmackssache" auch bei geschmacklosigkeiten und wundern uns, wenn sie zunehmen.
 
Nun es gehört gerade dazu Mut, sich nicht auf die Position desjenigen zu stellen, der immer mit "Geschmackssache" argumentiert. Man kann es sich heute ja kaum noch leisten eine klare Meinung zu etwas zu haben, da reißen dann Leute ihr Maul auf, die jede Diskussion töten, da sie es scheinbar nicht akzeptieren können, daß jemand eine Meinung hat (in ihren Augen ist so etwas dann "Diskriminierung"). (Bereits genannte) Konsequenz: Die Geschmacklosigkeiten nehmen zu. Man muss nur mal den Fernseher einschalten und man wird überflutet davon, nicht nur in musikalischer Hinsicht.
Aber scheinbar halten viele Leute eben solche Geschmacklosigkeiten für großen Stil, anders kann ich mir die Präsenz von Leuten wie zB. André Rieu nicht erklären...
 
Das mit geschmacksache bezog ich eigentlich mehr auf die Interpretation. Stand ja auch deutlich dabei.

Und auch was die Mimik und Körpersprache angeht, sehe ich da immer noch himmelweite Unterschiede zwischen dem Gebaren einer Uchida (auch wenn man's nicht mag) und irgendwelchen unsäglichen Blut- und Scheisse-Inszenierungen™ ( (c) Enzensberger ).

Dass es heute ne Menge Müll gibt, der mit "Geschmacksache" kaum zu rechtfertigen ist, steht ausser Frage. Hat aber doch wohl kaum was damit zu tun, ob eine Frau am Klavier etwas mehr oder weniger Körpersprache hat. Noch dazu eine Körpersprache, die das krasse Gegenteil vom dem ist, was man heute "avantgardistisch" nennen würde. Das entspricht ja grade überhaupt nicht dem Zeitgeist. Mitsuko Uchidas Körpersprache schien mir so ziemlich das gegenteil zu sein von dem, was man an André Rieu-Show u.ä. so kennt.

Wobei der Rieu auch noch harmlos ist im Vergleich damit, was sich so mancher Regisseur im Opernhaus heute erlaubt. Gegen diesen Müll heutzutage sind ja selbst ältere Peter Sellars-Inszenierungen gradezu konservativ ;)
 
klick mich
Damit wir mal wissen, von wem hier die Rede ist.
Sehr beeindruckend, mir gefällt nur das Konzert nicht sonderlich gut, schade, dass keine andere Aufnahme zu finden ist.

Musik auch physisch zu erleben ist ans sich doch wohl etwas total natürliches.
z.B beim tanzen, wo man auch deutlich die Wirkung verschiedener Musik sieht (vgl. klassische Tänze mit modernem HipHop Arschgewackel und knallhartem Death-Metal Prügelpogo).
Ich denke das hört beim schiefen mitklatschen im Musikantenstadl an und hört bei solch eher ausgefallenen Arten von physischer Musikerfahrung auf, wie Mitsuko sie hier zeigt.
Solange das ganze ehrlich ist und wirklich mit der Musik in Verbindung steht, sehe ich darin nur eine Intensivierung der Erfahrung für die Betreffenden. In sofern also etwas sehr positives.
In der Tat, eklig wirds dann bei irgendwelchen übertriebenen oder gespielten Mimiken, die nur zur Fassade dienen. Musik so intensiv erleben zu dürfen ist doch etwas wunderschönes, das irgendwie zu "faken" und als Image zu verkaufen finde ich schwach, zeigt die Nicht-Identifizierung mit der eigenen Musik.

Ich denke es gibt in jedem Musikstil solche Interpreten, bei denen man die Verbindung zur Musik deutlich sieht, die ihre Message auch mit dem Körper rüberbringen wollen oder sie einfach nur selber intensiver spüren wollen, das sei mal dahingestellt.

Grüße
 
Ich habe mich mal unverfänglich bei kollegen verschiedener sparten umgehört, da war die meinung einhellig, aber professionelle "eggheads" sind nicht maßgebend, wir leben nicht im Florenz der renaissance, da galt deren ansicht etwas, und die stadt ist bis heute für geschmackvolles design bekannt.
 
Was war denn nun ihre Einhellige Meinung?

Mir kommt das gebaren der besagten Pianistin jedenfalls übertrieben vor. Ob es nun show ist oder nicht, das kann ich nicht beurteilen.
 
Wäre sie von meiner oben geäußerten wesentlich abgewichen, hätte ich es getreulich vermeldet. Was allerdings eine alte "bühnenhäsin" sagte, verrate ich nur unter vorgehaltener hand: "Warum hast du eigentlich keine große karriere gemacht ? Du hattest was drauf (das hört man noch ganz gern) und - - - -, wenn es dich ankam, konntest du auch ein rechter kasper sein!" War das ein kompliment oder keins? Dabei weiß ich, worauf sie anspielt, wir waren nach einem gastspiel hängengeblieben, bus kaputt, kein hotel, da hatte ich mich ans klavier gesetzt und alle boogies gespielt, die mir von meiner zeit mit den "Silverstars" im sonnigen Napoli in erinnerung waren. Von der seite hatte das ensemble mich noch nicht gekannt, da wusste man nur, dass ich während der langen, ermüdenden proben Dantes "Commedia" las und ein seriöser, allerdings nicht humorloser, aber ganz passabler junger mann war.
Ich empfehle immer, fachverwandte (nicht fach-gleiche) ehe- oder eheähnliche partner zu suchen, die rücken einen zurecht. Eine ballerina oder schauspielerin wird nicht zulassen, dass ihr dirigierender ehemann faxen macht oder seine gesichtszüge entgleisen lässt, eine sängerin wird energisch darauf dringen, trotz orchester noch gehört zu werden, was allen anderen zugute kommt.
Wenn aber jemand trotz, oder schlimmer noch, wegen seiner unarten angehimmelt wird, kommt eben so etwas heraus.
Es gibt typische sängerhaltungen, die konzentration spiegelt sich in den gesichtern von musikern, stellt euch aber ein orchester vor von sich unter der macht der musik windenden und ihre gesichter verzerrenden musikern! Ja, wenn sie als solist die fernsehkamera auf sich gerichtet wissen, ha, dann zeigen sie aller welt ihre ergriffenheit. Ob die betreffende dame das auch daheim macht, oder in den proben ohne kamera? Ich würde raten, die kamera zu schwenken, die lampen zu zählen, anstatt in großaufnahme heranzugehen, was ich bei sängern/innen geradezu unanständig und obszön finde. Muss man die vibrierende zunge, gar das zäpfchen im rachen, die anstrengung, die nun mal damit verbunden ist, sehen? Muss die kamera die zeichen des alterns zeigen, wenn eine sängerin versucht, mit gutem geschmack und auf eine gewisse fernsicht berechnet, ihrer jugendlichen rolle gerecht zu werden? Das bewegte mich am schluss des gleichen konzerts. Taktgefühl, was ist das? Voyeurtum, was ist das? Was ist was?
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben