Neujahrskonzert - wo ist die Eins ?

Sohita
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Hallo Zusammen,

seit Jahren frage ich mich jedes Mal, wo ist die EINS ? Wenn ich z.B. klassische Musik anschaue, verstehe ich selten, was der Dirigent macht. Das ist NICHT despektierlich gemeint!!!! Ich habe höchsten Respekt vor Sinfonieorchestern und deren Dirigenten. Aber ich verstehe es eben leider nicht... :-(

Ich spiele in einem Musikverein, wo der Dirigent eine schöne saubere Eins gibt. Eins: Runter mit dem Taktstock, Zwei: rüber, Drei: rüber, Vier: rauf und fertig ist der 4/4-Takt.

An jedem Neujahrskonzert im Fernsehen versuche ich dieses Schema bei den Dirigenten wiederzufinden - bisher erfolglos.

Selbst Sinfonieorchester brauchen doch eine genaue Eins...
Oder nicht? Gibt es da dieses Schema-F (runter rüber rüber rauf) nicht?

Danke für jede Aufklärung!
:)
LG,
Sohita
 
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Öhm, sehr gut bekannte und oft gespielte Stücke können Orchester auch durchaus mal nicht nur ohne eine Eins, sondern sogar ganz ohne Dirigenten fehlerfrei zu Gehör bringen.

Vor allem, wenn es sich um Klangkörper handelt, die bereits sehr lange Zeit gemeisam musizieren ;)
 
oh ich finde das super spannend!!!! Und ich wäre auch gern Profi-Musiker... ;-)

Vor einiger Zeit war ich mal in einem Musikverein, da war auch eine Flöte, die vorher in einem Sinfonieorchester mitgespielt hatte. Und die kam überhaupt nicht klar mit der Art und Weise wie die Dirigentin dirigierte. Aber die Dirigentin hat für Musikverein-Verhältnisse total normal dirigiert. Eben das Schema runter rüber rüber rauf. So. Und diese Sinfonie-Flötistin kam damit überhaupt nicht zurecht. Sie konnte mir aber auch nicht erklären, was der Sinfonie-Dirigent anders macht. Sie meinte, wenn man im Fernsehn zuschaut, sei das doch völlig klar was der Dirigent will. Und ich sagte "aber wenn man unserer Musikveriein-Dirigentin zuschaut ist doch völlig klar was sie will" ... Anscheindend sind das echt zwei verschiedene Welten...
 
Bei einem Blasorchester, das auf dem Niveau eines Sinfonieorchesters im Fernsehen spielt, wird der Dirigent auch anders dirigieren als im Dorfverein.
Außerdem will ein Dirigent im Neujahrskonzert dem Publikum ja nicht nur ein lebendes Metronom präsentieren, sondern seine künstlerische Interpretation des Werkes ausleben ...
 
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Hallo!
Also: Über die Flötistin aus dem Sinfonieorchester hätte ich mich aber schon sehr gewundert...

Davon abgesehen - ein weites Thema! Es ist ja auch nicht so, dass jedes Profiorchester automatisch sofort mit jedem Dirigenten klarkommt. Manchmal muss eben auch etwas geklärt werden. (z.B. ob der Dirigent "vorweg dirigieren" will, oder Akkorde genau nach Stöckchen kommen sollen....)
Mal ein paar Stichworte:
Die "eins" ist oben ;-)
Das Tempo steht (und fällt) mit dem Auftakt, eher als durch das folgende Schlagbild, Änderungen oder Korrekturen erfolgen durch andere Signale (Mimik, Körpersprache, linke Hand), der Taktstock (oder die Hand) hat etwas mit der Trägheit, trägen Masse des Orchesters zu tun.
Bei Dirigenten, die sich allzusehr ausleben ;-) schaut man dann eh lieber nicht nach vorne, sondern verlässt sich auf seine Ohren, seine Kollegen, den Konzertmeister, die Schlagwerker, seine Erfahrung,...
Ach ja, und bei Neujahrskonzerten gehts doch entweder in drei, oder die neunte kennt man langsam auswendig ;-)

Grüße!
 
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Bei einem Blasorchester, das auf dem Niveau eines Sinfonieorchesters im Fernsehen spielt, wird der Dirigent auch anders dirigieren als im Dorfverein.
Außerdem will ein Dirigent im Neujahrskonzert dem Publikum ja nicht nur ein lebendes Metronom präsentieren, sondern seine künstlerische Interpretation des Werkes ausleben ...

Dann vergleichen wir doch spaßeshalber mal ein Super-Duper-Profi-Blasorchester, und ein Sinfonie-Orchester das nicht an Neujahr spielt... Wie schaut's da aus?

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Hallo!
Davon abgesehen - ein weites Thema!
Mal ein paar Stichworte:
Die "eins" ist oben ;-)

Ja, ein weites Thema, aber ich finde es super spannend!!! :)

Wie, die eins ist oben? Echt? Siehste mal, das ist doch schon ein Unterschied! In der Blasmusik geht die 1 nach unten. Der Dirigent ist am Anfang oben mit seinen Händen und macht bei der 1 die Bewegung nach unten. In der Sinfonie ist die 1 nach oben? Schon was gelernt! :)


Manchmal muss eben auch etwas geklärt werden. (z.B. ob der Dirigent "vorweg dirigieren" will, oder Akkorde genau nach Stöckchen kommen sollen....)

Bei Dirigenten, die sich allzusehr ausleben ;-) schaut man dann eh lieber nicht nach vorne, sondern verlässt sich auf seine Ohren, seine Kollegen, den Konzertmeister, die Schlagwerker, seine Erfahrung,...

Spannend!!! :) Danke für deine Antwort! :)

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Hallo!
Also: Über die Flötistin aus dem Sinfonieorchester hätte ich mich aber schon sehr gewundert...

Naja, aber jetzt wird mir schon was klar! Wenn diese Sinfonie-Flötistin das "vorweg"-dirigieren gewohnt war, und dann in ein Blasorchester kommt, wo die Akkorde "genau nach Stöckchen kommen sollen", dann kann das doch schon verwirren, oder? Würde mir als Erklärung reichen :)
 
Jetzt hab ich extra nochmal auf Youtube geschaut, aber die Eins (ich vermute mal, du meinst mit "Eins" den ersten Schlag nach dem Auftakt?) ist eindeutig erkennbar. Z.B. hier: http://www.youtube.com/watch?v=OOZH0doSD-E
Ich behaupte jetzt einfach, es gibt keinen Unterschied zwischen Blasorchester und Sinfonieorchester, was die technisch richtige Ausführung des Dirigierens betrifft. Ein Profiorchester (erst recht die Wr.Phil.) braucht kein genaues Schlagbild mehr (wie Leitgeb bereits schrieb), der Dirigent setzt mit dem Dirigat Akzente (Klangfarben, wo wird was betont usw. usf.) und arbeitet den Klang, den er haben möchte heraus. Da gehts nicht mehr um die reine Angabe des Tempos.

Ich kann dir ein Beispiel aus unserem Chor nennen... anfangs, wenn wir noch sehr ungenau singen, dirigiert unser Chorleiter ganz genau nach "Schema", damit wir tempomäßig nicht auseinander fallen. Sitzt das Stück jedoch, benutzt er seine Hände nicht, um Schlagfiguren nachzuzeichnen, sondern um den Klang zu modellieren und zu formen.

Ich weiß nicht, ob ich das jetzt verständlich erklären konnte...
 
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Also: es gibt das dirigentische Handwerk, die sogenannte Schlagtechnik. Das sollte jeder Dirigent als Grundlage beherrschen, und da geht Schlag 1 immer und ohne Ausnahme nach unten.

Jetzt ist aber der Dirigent derjenige, der künstlerisch eine Vision oder ein Ideal haben sollte, was er musikalisch erreichen will. Das gilt bei der Laienmusik genauso wie bei den besten Profi-Sinfonieorchestern. Und viele Dirigenten entwickeln einen Personalstil, was die Schlagtechnik angeht - sie dirigieren z.B. vorweg, die Hand kann z.B. aussagekräftiger als die Stockspitze sein, einige dirigeren ganz ohne Stock, bei anderen sieht eine Beethoven-Sinfonie wie die Weltmeisterschaft im Florettfechten aus - kurz, alles mögliche kann vorkommen.

Dadurch, dass Dirigenten künstlerisch in besonderem Maße gefordert sind, entwickeln sie ihre Schlagtechnik so, wie es für ihre Ziele dienlich ist. Wenn das Resultat dann allerdings eine nach oben geschlagene 1 ist, dann widerspricht das dem Handwerk der Schlagtechnik. Das wäre ein Extremfall, der sicher nicht gut ist.

Und es ist so: musikalische Präzision ist nie falsch und kommt immer gut an. Sowohl bei den Musikern, wie letztlich auch beim Publikum. Ein Dirigent, der musikalische Präzision und eindeutige Schlagtechnik vernachlässigt, wird sich auf die Dauer nicht viele Freunde machen.

Harald
 
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Hallo Harald, meine volle Zustimmung.
Nur meinen Smiley bei der eins nach oben haben wohl nicht alle gesehen?
Ich bin kein Dirigent, und habe mich ehrlich gesagt auch nie dafür interessiert, wie Studenten die Dirigiertechnik vermittelt wird, aber ich versuche es mal in meinen Worten zu beschreiben:
Den Impuls zur Eins oder auch jeder beliebigen anderen Zählzeit gibt der Dirigent quasi im Wendepunkt des Schlagbildes, ein deutlicher Impuls kommt nicht durch energisches HERUNTERschlagen, sondern durch das NACH-OBENreissen des Taktstocks. Die Eins wird ausgelöst durch die Bewegung nach oben, insbesondere im raschen Tempo und ganztaktig (wie oft in Neujahrskonzerten...).
Akustisch kommt damit die eins auch für den Zuschauer dabei in der Regel oben, aber das ist natürlich nicht das, worauf ich hinaus wollte...

Grüße!
 
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Nur meinen Smiley bei der eins nach oben haben wohl nicht alle gesehen?
Grüße!

Na, gesehen schon, aber nicht kapiert... ;-)

Vielen Dank für eure tollen Antworten! Viel Licht im Dunkel, der Nebel hat sich gelichtet!!! :)))))))
 
Die "eins" ist oben ;-)
Nur meinen Smiley bei der eins nach oben haben wohl nicht alle gesehen?

Hab ihn schon gesehen, aber es gibt ja in der Tat Dirigenten (oder solche, die es sein wollen), die im Eifer des Gefechts eine 1 nach oben schlagen. Und zwar nicht aus Absicht, Planung oder Vision heraus, sondern aus Nachlässigkeit und Unvermögen. Mit Sicherheit hast du "Die 'eins' ist oben" nicht wörtlich ernst gemeint, daher der Smiley...aber diese Ironie ist leider zu oft Realität.

ein deutlicher Impuls kommt nicht durch energisches HERUNTERschlagen, sondern durch das NACH-OBENreissen des Taktstocks.

Es sollte eher eine federnde Bewegung, keine reissende sein. Idealerweise sollte die Schlagtechnik abbilden, wie die Musiker über Musik denken sollten. Damit spart jeder Dirigent sich viele Worte: er sollte mit seinen Händen anzeigen, wie die Musik klingen soll. Immerhin sind Emotionen in der Musik sehr schlecht in Worte fassbar, dafür aber umso besser durch Gesten und Bewegungen zeigbar. Daher sind Begriffe wie "Reissen", aber ebenso das "Schlagen" in "Schlagtechnik" eigentlich unangemessen, denn sie assoziieren einen gewalttätigen Umgang mit Musik, wo vielmehr positive Formulierungen die hoffentlich guten Absichten aller Musiker abbilden sollten.

Harald
 
Federnd passt gut.
Schlagen und reissen sind aber ja auch musikalische Begriffe und assoziieren zumindest bei mir in dem Zusammenhang nichts gewalttätiges.
Dazu kommt auch eine gewisse "Kraftkomponente", das Dirigat bewegt eine träge und zähe Masse (bildhaft, nicht negativ bezüglich des Musikerkollektivs gemeint), daher finde ich, daß die Kraftbegriffe durchaus ihren Platz haben.

Aber grundsätzlich wieder Zustimmung ;-)
 
Aus den erinnerungen eines alten Berliner philharmonikers" Bei Furtwängler machen wir das so: wenn er seinen zacken in die luft macht, zählen wir bis drei und setzen dann ein."

Es ist ein unterschied, ob ich einen musikverein oder ein spitzenorchester, ob konzert oder oper dirigiere. In manchen fällen ist klare zeichengebung angebracht, auftakt nach oben, die "1" nach unten, in anderen ist mehr freiheit möglich, die nuancen der musik gestisch auszudrücken, und da hat ein jeder seine eigenart.
Beobachtet mal denselben dirigenten in konzert oder oper, hier wird er um das "taktschlagen" nicht herumkommen, und da er nicht im mittelpunkt des interesses steht, macht er keine mätzchen, sondern bemüht sich, bühne und graben zusammenzuhalten, dort kann er sich freiheiten erlauben, "zelebrieren" statt "taktieren" (Karajan!) und ergriffenheit mimen.
Da ich über persönliche erfahrung verfüge, sehe ich manches skeptisch, bin manchmal aber auch angenehm überrascht, so, als ein jüngerer dirigent Bruckner mit heiterer miene statt des gewohnte "dying-duck-looks" ("swan" wäre zu hoich gegriffen) darbot.
Aber auch Liszts ausspruch gilt:"Wir sind steuerleute und keine ruderknechte!"

PS: da ich anfangs alles falsch gemacht habe, was man falsch machen kann, konnte ich später lehrend anderen die irr- und umwege ersparen. Die ironie - meines abnorm verlaufenen - lebens: wenn man es braucht, kann man es nicht, wenn man es kann, braucht man es nicht mehr!
 
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Lieber Jünter,
det kann ick unterschreiben. Ich sag's mal anders:
Richtig ist, was funktioniert. Der einschlägige Auftakt ist oben, die 1 unten und zwar so, wie wenn man auf den Tisch klopft. Serge Jaroff (Donkosaken) dirigierte überwiegend, für den Zuhörer nur selten sichtbar, mit den Händen. Prof. Dr. Berg, Trossingen, dirigerte ein Orchester aus Dirigenten alleine mit dem Kopf, mit den Augen - es funktionierte. Je schlichter das Können, desto mehr muß der Dirigent leisten. Das beginnt mit der Körpersprache zum Abbau von Nervosität und endet beim letzten Ton. Ohne Dirigent würde z.B. jedes Laienorchester bei Tempowechseln scheitern, usw., usf. Viele Dirigenten zählen hörbar an, läuft der Laden, könnte er Kaffee trinken gehen, wenn die Schießbude temposicher ist, d.h., ein Beginn, wie bei einer Band, wenn der Drummer mit den Stöcken einen Takt vorgibt, wäre auch denkbar. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.

Was mich interessieren würde: Wie funktioniert das bei Andre Rieu? Der ist verbal wie optisch ein guter Verkäufer, nur - dirigieren kann er nicht. Alle, incl. ihm, beginnen wie von Geisterhand gelenkt. Haben die einen Knopf im Ohr?
 
Hallo Roger Colliard - willkommen im Musiker-Board!

Was mich interessieren würde: Wie funktioniert das bei Andre Rieu? Der ist verbal wie optisch ein guter Verkäufer, nur - dirigieren kann er nicht. Alle, incl. ihm, beginnen wie von Geisterhand gelenkt. Haben die einen Knopf im Ohr?

Eine Bekannte von mir spielt bei ihm im Orchester. Sie hat mir ein wenig über die Orchesterarbeit da erzählt. Auch habe ich mich mal mit einem Ex-Schlagzeuger des Orchesters unterhalten. Was beide erzählt haben, deckt sich mit meinen eigenen Erfahrungen im Begleiten von Geigern: der Geiger muss keine traditionellen Dirigierbewegungen machen, um ein Ensemble anzuführen. Schon kleinste Bewegungen z.B. der Bogenhand reichen aus, um sich verständlich zu machen. Die Musiker sind ja Profis und haben eine Erwartungshaltung, was gleich passieren wird und sind zudem wach und aufmerksam.

Und zum Punkt "dirigieren kann er nicht" - er dirigiert nicht traditionell, er hat seine ganz eigene Bewegungssprache. Sie ist hochgradig auf ihn und seine musikalischen Situationen hin abgestimmt. Woanders würde sie vermutlich so nicht funktionieren. Andre Rieu leitet sein Orchester in der Tradition der Primgeiger der Salonorchester, und die haben nun mal immer mit der Geige in der Hand ihre Orchester dirigiert. Das geht nicht mit traditionellen Schlagfiguren, daher trifft die Einschätzung "dirigieren kann er nicht" die Sachlage meiner Meinung nach nicht angemessen.

Harald
 
Es kommt auch darauf an, wie die musik gestrickt ist: marschmusik ist nicht "Le sacre du printemps" mit seinen metrischen und rhythmischen finessen und von André Rieu habe ich sagen hören: einmal im kasten, immer präzise mit play back.
 
Hallo Harald,
das wäre denkbar, wenngleich für mich unbekannt. Ich werde darauf achten - und wieder was dazu lernen. Play back - halte ich zumindest bei Konzerten im Freien für wenig wahrscheinlich - bye - Roger.
 

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