Ostrock - Teufelswerk?

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Immer wieder mal geht mir durch den Kopf, was ich - inzwischen mehrfach - erlebt habe, wenn ich bei einem Radiosender einen Titel einer ehemaligen Ostband gewünscht hatte.
Jedoch passierte mir das stets nur mit ehemals "westlichen" Sendern wie z.B. RS2 (bekannter Berliner Sender, ehemals RIAS 2, der für sich in Anspruch nahm, die "beste Musik von gestern und heute" für alle zu bringen) oder erst letztes Jahr beim bekannten NRW-Sender "Radio Kiepenkerl".
Wenn sich derartige Dinge wiederholen, beschleicht mich immer das Gefühl: Da steckt doch System dahinter!

Es scheint, dass die Musik, mit der ich und meine Generation groß geworden ist, die - bewußt oder unbewußt - immer dabei war, von den den Musikgeschmack nicht unerheblich prägenden Rundfunksendern aus unerfindlichen Gründen boykotiert wird.
Auch auf Youtube gibt es - speziell bei Videos mit "ostdeutscher" Musik - derartige Anzeichen:
Zunächst schien es, dass zumindest dort das musikalisch-kulturelle Erbe gepflegt wird, erhalten bleibt und auf diese Weise auch der ganzen Welt zugänglich wird.
Entsprechende Kommentare zeigen, dass es in aller Welt viele alte - und auch neue - Fans dieser Musik gibt.
Und viele Stücke dank feinstem Handwerk in Musik und Text auch und gerade heute, in Zeiten von Castings und Retortenmusik, noch super ins Ohr gehen.
Und ein Stück - im Gegensatz zu heute unbeschwertes - Lebensgefühl von damals vermitteln.
Will man uns das etwa nehmen? :rolleyes:

Zeitweise waren beim bekannten Internet-Portal stimmungsvolle Videos nicht nur mit passenden bekannten Ostrock-Titeln unterlegt, sondern wohl oft speziell für sie arrangiert, wie z.B. "Albatros" von Karat oder "Was wird morgen sein" von den Klosterbrüdern, die sich zu DDR-Zeiten wohl gezwungenermaßen "Magdeburg" nannten, wie inzwischen bekannt ist.
Eine ganze Reihe dieser Videos, die durch die Kombination mit der Musik eigentlich neue künstlerische Werke darstellen, verschwanden inzwischen leider wieder von der Bildfläche...

Statt dessen bekommt man dann oft zu lesen:
"Dieses Video enthält Content von Sony Music Entertainment. Es ist in deinem Land nicht mehr verfügbar."

Bei einigen anderen der betroffenen Videos dagegen erscheint eine zusätzliche Einblendung, auf der die Möglichkeit zum Erwerb des Titels hingewiesen wird - die bessere Lösung wie ich finde.

Einzelne Titel von Karat und den Puhdys sind wohl auch heute noch deutschlandweit bekannt, vielleicht auch noch was von City und Silly, aber wer kennt noch Bands wie Berluc, Formel 1, Reform, Electra, Stern-Combo Meissen, Lift, Karussell, Neumis Rock Circus, Perl, NO55, Pankow, Prinzip, Transit...?
Wer kennt die Stimmen von Henry Pacholski, Gerhard Zachar, Werther Lohse, Stefan Trepte, Manuel von Senden oder Peter "Mampe" Ludewig, den ich mal als den "Joe Cocker" des Ostens bezeichnen möchte?
Das sind alles beileibe keine "One-Hit-Wonder" auf seichtem Niveau, sondern gestandene Musiker mit oft genialen Werken, denen der allgegenwärtige Kommerz heutzutage oft übel mitzuspielen scheint.
Gerade denen bietet Youtube eine ideale Plattform.

Ich glaube, dass vielen hier im Lande eine ganze Menge ostdeutscher Musikgeschichte und Genuss entgeht, entweder, weil sie sie ihnen von diversen Sendern bewußt vorenthalten wird oder sie (dummerweise) deren Existenz einfach ausblenden - warum auch immer.
Ich finde das sehr schade und meine:
Das wäre doch ein gewonnenes Stück deutscher Einheit und sollte sich entsprechend ändern.
Es lohnt sich.
 
Eigenschaft
 
"Dieses Video enthält Content von Sony Music Entertainment. Es ist in deinem Land nicht mehr verfügbar." Dieser Hinweis kommt auch bei anderen Songs und bedeutet nur, dass der Song nicht verfügbar ist - wegen einer Copyrightverletzung.
 
Es gab da schon einige interessante Sachen. Mir persönlich gefielen besonders die Bands aus der Dresdener Ecke, Leute mit klassischem Fundament und guten Songideen.
Radiosender sind für mich heute sowas von belanglos, dass mir das von Dir beschriebene Phänomen noch nicht mal aufgefallen ist.

ukm
 
Danke für den Link - war bestimmt sehr interessant, auch wenn die Aufnahmetechnik des 21.Jahrhunderts nicht in der Lage war, das adäquat einzufangen.

ukm
 
"beste Musik von gestern und heute"

Das nimmst du nicht wirklich ernst, oder? Kommerzielle Radiosender bringen nur den vermeintlichen "Massengeschmack", was in 99% aller Fälle gequirlte Scheiße ist...

Chris
 
...Radiosender sind für mich heute sowas von belanglos...
Inzwischen hat sich in dieser Hinsicht (dank MP3 - immer dabei) ja glücklicherweise so einiges verschoben.
Wenn ich allein daran denke, dass ich früher sogar mal Fussballspiele live im Radio verfolgt habe.
Die hatten damals allerdings auch Sprecher, die einem das Gefühl geben konnten, im Stadion mit dabei zu sein.


zu: "beste Musik von gestern und heute"

...Das nimmst du nicht wirklich ernst, oder?...
Na ja, inzwischen nicht mehr.
Aber wenn man schon mal Leute beim Wort nimmt...

...Kommerzielle Radiosender bringen nur den vermeintlichen "Massengeschmack"...
Ich glaube inzwischen, die machen den Massengeschmack.
Was ja eine plausible Erklärung für den Versuch sein könnte, bestimmte unerwünschte Musikrichtungen und Künstler "kaltzustellen".

...gequirlte Scheiße...
Ich liebe diese Redewendung!
Die paßt so gut und ist so schön bildhaft! :D
 
Ich denke mal, "Ostrock" ist für heutige Radiosender einfach nicht oberflächlich genug, zu anspruchsvolle Texte und so. So findet bestimmte Musik definitiv im Radio nicht statt und die "Ost-Musik", welche hörenswert ist, gehört leider dazu.
Und leider finden auch in den alten Bundesländern oft noch nicht mal Ost-Interpreten statt, die auch Erfolge in der damaligen Bundesrepublik hatten. Schon schade, denn es sind etliche gute Stücke dabei.
 
Vermutlich ist die Einstellung jetzt, daß kein Mensch mehr die aufgrund ihrer Herkunft als sozialistisches, drittklassiges Westmusik-Surrogat aufgefaßte Musik der DDR hören muß, wo doch der Eiserne Vorhang gefallen ist und auch die Ossis problemlos richtige, aktuelle Westmusik hören können (Tatsache ist, daß Amiga immer fleißig Westalben importiert hat, wenngleich nicht viele). Genauso wie kein Mensch mehr Trabi fahren muß, wo doch jetzt richtige Autos (= Westautos) auch in der Ex-DDR erhältlich sind. Richtige Instrumente hatten die drüben™ ja auch nicht, da konnten die ja gar keine anständige Musik machen (Tatsache ist, daß Karat Synthesizer von außerhalb des RGW verwenden durften). Außerdem könnte da ja kommunistische Propaganda sublim mitschwimmen...

Entschuldigung, aber hat Peter Maffay damals Karat gecovert oder nicht? Woher kannte der die wohl, und wieso hat jemand, der Ralph S. und Bernd M. als Hauptliederlieferanten hatte, es nötig, importiertes DDR-Liedmaterial zu vertonen, wo Westmusik doch so viel besser ist? Und wieso kenn ich so einige Karat-Songs noch aus meiner Kindheit (ich war 13, als die Mauer fiel, bitteschön, und vor 1990 war ich nie drüben)?

Wobei NDR1 Welle Nord momentan ab und an Jede Stunde von Karat ins Programm einbaut. Und Prä-Rübermach-Nina Hagens Farbfilm ist auch ständig auf Alster Radio zu sehen, äh, zu hören.


Martman
 
die beste Rockband im Osten Anfang der 70s war sowieso Renft. Die Band hatte die besten Musiker der DDR in ihren Reihen, die , wenn ich mir die beiden Alben von ihnen vor ihrem Verbot anhöre, internachtionale Klasse haben!:great:
 
Vermutlich ist die Einstellung jetzt, daß kein Mensch mehr die aufgrund ihrer Herkunft als sozialistisches, drittklassiges Westmusik-Surrogat aufgefaßte Musik der DDR hören muß
Könnte man vermuten.
Insofern hat die damalige Anweisung "von oben" an Musikredakteure und DJ's, "Ost"- und "West"musik im Verhältnis 60/40 (%) zu spielen, sicherlich dazu beigetragen und einigen Schaden angerichtet.
Ostmusik zu hören, war damals tatsächlich (und wohl auch deshalb) geradezu verpönt.
Sowas hörte man einfach nicht - das war einfach nicht "cool" - auch wenn es diesen Begriff damals noch gar nicht gab.
Das hat sich inzwischen aber ziemlich verändert und Ostrock-Konzerte lösen hierzulande (im Osten) zuweilen Pilgerströme aus.

Bewußt wurde mir das Besondere der DDR-Musik eigentlich erst dadurch, dass ich damals, gerade um aktuelle westliche Titel vollständig auf Kassette aufnehmen zu können, ohne dass dauernd jemand "reinquatscht", jeden Freitag abend von 23:00 bis morgens 03:00 Uhr (?) die Sendung "Wünsch' dir doch mal Tanzmusik!" auf "Stimme der DDR" mit Thomas Froese (jetzt beim RBB), verfolgt habe.
Das hat dann doch Spuren hinterlassen, auch oder gerade dadurch, dass vieles davon gar nicht tanzbar war.
So begann ich, ganz bewußt hinzuhören.

...Tatsache ist, daß Amiga immer fleißig Westalben importiert hat, wenngleich nicht viele...
Das war aber immer eine erlesene Auswahl.
Ich erinnere mich noch an die sich alle 2 Wochen vor den Buchhandlungen bildenden Menschenschlangen.
Und an einige Leute, die mit sehr zufriedenen Gesichtern - grinsend und mit Lizenz-LP-gefüllten Taschen - die eigentlich noch geschlossenen Geschäfte kurz vor Beginn der nachmittäglichen Öffungszeit verließen - Leute mit "Vitamin B" - B wie "Beziehungen".
Das geschah natürlich während der üblichen Arbeitszeiten.
Um auch mal was besonderes zu eragttern, mußte man sich da schon mal 'ne Stunde zwischendurch "frei" nehmen.
Wurde aber meißtens ohne Probleme von den Vorgesetzten akzeptiert.
Die wußten ja, was los war.

Richtige Instrumente hatten die drüben™ ja auch nicht, da konnten die ja gar keine anständige Musik machen (Tatsache ist, daß Karat Synthesizer von außerhalb des RGW verwenden durften).
In einem Fernsehbericht über die ersten Erfahrungen der Puhdys bei Auftritten im Westen gab es auch Bemerkungen zu diesem Thema.
Westliche Kollegen waren erstaunt, wie gut die Band trotz der offensichtlich sehr schlichten Ausstattung an Instrumenten und sonstiger Technik "rüberkam", boten dann aber freundlich Unterstützung durch Mitbenutzung der eigenen Technik an.
Das hat sich dann aber im Laufe der Zeit durch die Gagen in "West" gegeben und diejenigen, die "rüber" durften, brachten dann später auch für ihre "Kollegen" Instrumente aus dem Westen mit.
Obwohl - Gitarren aus Markneukirchen hatten schon einen guten Ruf, man kam da aber nur sehr schlecht "ran".

Außerdem könnte da ja kommunistische Propaganda sublim mitschwimmen...
Ja, ein Gespenst geht um - das Gespenst des Kommunismus!
Das hört man nun schon seit 100 Jahren.
An andere Gespenster hat man sich scheinbar gewöhnt...:rolleyes:

Entschuldigung, aber hat Peter Maffay damals Karat gecovert oder nicht? Woher kannte der die wohl, und wieso hat jemand, der Ralph S. und Bernd M. als Hauptliederlieferanten hatte, es nötig, importiertes DDR-Liedmaterial zu vertonen, wo Westmusik doch so viel besser ist? Und wieso kenn ich so einige Karat-Songs noch aus meiner Kindheit (ich war 13, als die Mauer fiel, bitteschön, und vor 1990 war ich nie drüben)?
..... :D

Das war wohl mal ein Ritterschlag für Karat, haben die Leute wohl auch so empfunden.
Es gibt kein größeres Kompliment als eine Kopie - so sagt man doch.
Es hat der Band wohl auch Türen geöffnet, wie deren Mitglieder letztens in Olli Geissen's TV-Show andeuteten.
Trotz Peter Maffays gut gemachtem Cover - hat ihm bestimmt nicht geschadet ;) - gefällt mir das Original immer noch am besten.
Hängt vermutlich aber auch davon ab, welche Version man zuerst hört.

Wobei NDR1 Welle Nord momentan ab und an Jede Stunde von Karat ins Programm einbaut. Und Prä-Rübermach-Nina Hagens Farbfilm ist auch ständig auf Alster Radio zu sehen, äh, zu hören.
Trotzdem scheint sich mir der Begriff vom "Ostrock" im Westen vielfach auf "Sieben Brücken", City's "Am Fenster", Puhdys "Eisbären" oder "Alt wie ein Baum" und den "Farbfilm" zu beschränken.
Und das ist ja gerade, was ich so schade finde.
Karat's "Albatros" ist so gewaltig, Puhdys "Ikarus" geht so ab.
Oder Stern Meissens "Ehrlich will ich bleiben", City's "King vom Prenzlauer Berg", Reforms "Das hab ich nicht so gern" so aktuell, "Löwenzahn" so bildhaft...
Electras "Nie zuvor", "Perl's "Zeit, die nie vergeht", "Ein Mädchen, wie Du für mich warst" von Transit und Magdeburg's "Was wird morgen sein?" so nahegehend und treffend. Vom Handwerklichen mal ganz abegesehen.
Und Dirk Michaelis "Als ich fortging" ist so traumhaft schön...
Ist uns da was abhanden gekommen?

Wenn mein damaliger direkter Vorgesetzter in der Nähe meines Arbeitsplatzes (90er Jahre, in Berlin-West) vorbei lief, lief wie zufällig oft und natürlich laut im "Radio" ;): "Du bist kein Mensch" - von Berluc.
Der war immer sehr schnell verschwunden...:D
 
Ok, das Post ist schon älter, aber dieses Thema ist ja nach wie vor aktuell. Ich bin ja immer schon zufrieden, wenn das geniale "Am Fenster" im Radio läuft, womöglich noch in der langen Version (die ja auch nicht die längste ist, wie ich nach der Wende überrascht feststellte... :eek:)
Aber vielleicht kann mir einer bei der Suche nach einem Lied aus den 80ern helfen. Es gehört zwar zur leichteren Muse, war aber schon damals irgendwie vergnüglich. Ich vermutete erst die Spaßband Reggae Play, weil es im Reggae-Stil war, aber bei ostmusik.de u.ä. hab ich kein Lied gefunden, was dazu passte. Jedenfalls befaßt sich der Text auf ironische Art mit dem Ende einer Beziehung, ER klagt, SIE hätte sich beschwert "nein nein nein, ich will nicht mehr dein Aschenputtel sein" wozu ER äußert ER hätte immer den Mülleimer runter gebracht. Die letzte Strofe weiß ich noch fast auswendig: "...in einem Anfall von Gefühlsduselei ließt du auch noch den Kanarienvogel frei! Der arme Junge, er kam nicht weit, an der Ecke stand schon Nachbars Katze bereit!! So wie es erging dem armen Tier, so ergeht es dir: du kommst nicht weit!"
Weiß jemand, wer der Interpret dieses Stücks war?
Danke im voraus :)
 

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