[Preamp] Groove Tubes Trio Preamp

bagotrix
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Hallo Kolleginnen und Kollegen,

nachdem ich in loser Folge meine Erfahrungen mit verschiedenen 19"-Preamps mit euch teilen will, ist nun der Groove Tubes Trio dran.

Was hier vor uns steht, ist ein ordentlich ausgestatteter, relativ traditionell aufgebauter Röhrenpreamp ohne Schnickschnack.

Das 19"-Gehäuse in einem (für mich als Rocker) nicht unbedingt passenden Braun nimmt 2 HE im Rack ein. Grundsätzlich ist er ein ganz straighter 3-Kanal-Preamp, mit drei Klangregelungen, auf Bright-, Boost-, Gain-, Mid-Shift- und ähnliche Funktionen wurde fast ganz verzichtet. Die Kanäle sind anschaulich bezeichnet mit Clean, Mean und Scream, was die jeweiligen Sound aus meiner Sicht auch sehr gut beschreibt.

Die Vorgeschichte (also das, was ich mir vom Gerät versprochen habe) erwähne ich immer ganz gerne, so auch hier. Wer die Reviews zum VHT GP3 https://www.musiker-board.de/thread...mit-offiziellem-gain-mod.643942/#post-7967553 oder dem Brunetti Mille CR https://www.musiker-board.de/threads/preamp-brunetti-mille-cr-preamp.643619/#post-7963000 gelesen hat, kann den nächsten Absatz auch überlesen ;):

Ich bin ein alter Rack-Fan. Nachdem ich an Preamps viele Jahre einen Peavey Rockmaster, besagten E530 und einen Marshall JMP-1 benutzt hatte, wollte ich endlich mal in die "Boutique-Klasse" aufsteigen und schauen, ob da soundmäßig tatsächlich eine für mich spürbare Steigerung drin ist.

Was ich gesucht hatte, waren mindestens drei Kanäle, ein rauher Sound etwa in Richtung Hot Rod Marshall, also auch ordentlich Gain. Dazu sollte das Ganze nahtlos mit meinem BOSS GT-Pro zusammenarbeiten, also synchron und möglichst ohne Zusatzgeräte umgeschaltet werden können. Das GT-Pro hat ja Schaltbuchsen, und damit kann man rechnerisch ja schon mal 4 Kanäle verwalten. Hatte ich bisher auch getan, nämlich mit meinem ENGL E530. Zwei HE durften es schon sein, und am liebsten ein richtiges "Röhrengrab" mit 4,5 oder noch mehr Vorstufenröhren. Die Zeit schien mir günstig, denn 19"-Preamps sind derzeit nun nicht gerade angesagt und oft sehr günstig zu bekommen. In sofern hielt ich über längere Zeit die Augen auf und schaute mich auch nach in meiner Jugend unerreichbaren Pretiosen wie dem CAE 3+ SE, Mesa Triaxis oder Soldano um, stolperte dann aber über einen Brunetti Mille! und einen Groove Tubes Trio.

Ich hatte dann hier auch mal einen Thread aufgemacht, in dem ich gute Anregungen der Board-Kollegen bekam. Letztlich habe ich erst den Brunetti und dann auch noch den GT gekauft. Den Brunetti habe ich erst wieder verkauft, später aber in aktueller Version als Mille Custom Release erneut gekauft. Den VHT Valvulator GP3 habe ich behalten, ebenso den Groove Tubes. Zwischendurch kam noch ein Rocktron/Egnater TOL ie4 hinzu, der meinen Geschmack aber in den beiden HiGain-Kanälen nicht so getroffen hat.

Eins kann ich gleich mal loswerden: Der Groove Tubes Trio ist inzwischen mein Lieblings-Preamp, den ich definitiv am häufigsten spiele.


Bilder xcover 3 123.jpg


Optik:
Wie Ihr feststellen werdet, habe ich die Drehknöpfe ersetzt... Wenn ihr wissen wollt, wie er ab Werk aussieht, verweise ich auf Google bzw. das Foto der Rückseite.

Ich fand das Braun halt schon grenzwertig, aber die cremefarbigen Fender-Blackface-Knöppe waren dann echt nicht mein Ding. Sah irgendwie aus wie ein Vorkriegs-Radio. Also Marshall-Teile dran, und die Braun/Gold-Kombi gefällt mir ganz gut. Trotzdem: Wenn einer die Silber- oder gar Chrom-Version des Preamps hat und tauschen möchte, bin ich für Verhandlungen offen :D.


Ausstattung:

Vorne sieht man die Bedienungselemente:
- Eingangsbuchse
- 3 rote Taster (auch das sieht mMn übrigens ein bisschen schräg aus auf dem Vintage-Braun)
- 3 Kanäle mit Gain, Volume und jeweils eigener 3-Band-Klangregelung und je einer LED zur Anzeige der Kanalwahl
- Ein zunächst mal nicht selbsterklärender "1+3"-beschrifteter Kippschalter über den Potis des Clean-Kanals

Was leider fehlt:
- Netzschalter! Leider, denn ich finde es doch etwas nervig, wenn der bei einem Rack-Gerät hinten sitzt - da kann man ihn sich eigentlich auch schenken.

Die Rückseite hat eine vernünftige Ausstattung, aber nichts besonders exotisches:

- Zusätzlicher Input - sehr nützlich, wenn man ein Rack mit einem Looper hat und alles von hinten verkabeln will
- Kaltgerätebuchse und von außen zugänglicher Sicherungshalter
- Anschluss für den Fußschalter, mittels DIN-Buchse
- (Leider nur) Blindbuchsen für einen Satz MIDI-Buchsen, die Original-Schaltplatine gabs bei Groove Tubes früher zum Nachrüsten, wird man heute aber kaum noch finden
- Zwei Anschlüsse für externe Switcher, mit etwas verquerer Schaltlogik (dazu später mehr)
- Einen parallelen FX-Weg mit Mono-Send (wie auch sonst) und Stereo-Return
- Mix-Regler für das Verhältnis Dry/Wet, beschriftet als "Pre/Eff"
- Zwei Ausgangsbuchsen "Mixed Outputs" L/R, sonst hätte man ja auch nix vom Stereo-Effekt
- Zwei weitere (!) Ausgangsbuchsen, die das Mono-Signal anbieten und einen eigenen Level-Regler besitzen

Die FX-Loop ist mMn schon sehr clever ausgestattet und bietet alle Möglichkeiten: Ganz klassisch seriell fürs Multieffekt incl. EQ & Compressor, aber auch in Stereo nutzbar; dann parallel zum Hinzumischen per Mix-Regler (was dann aber auch nur für Modulationen und Zeitbasierte-Effekte sinnvoll ist); zu guter Letzt für die richtigen Tone-Freaks sind dann sogar alle Anschlüsse für ein Dry/Wet/Wet-Setup vorhanden. Auch bei letzterem kann man das Verhältnis über den Level-Regler auspegeln, ohne dass man einen zusätzlichen Mischer braucht.

Ich persönlich brauchs nicht, weil ich den ganzen Preamp per 4-Kabel-Methode in mein BOSS GT-Pro einschleife. Das funktioniert ohne Pegelprobleme oder "Tone Suck".

Achtung: Nicht jeder Trio hat die gleiche Ausstattung! Ich habe sowohl schon welche mit MIDI ab Werk gesehen als auch Ausführungen mit einem Mono-Einschleifweg oder auch gar keinem FX-Loop, zudem haben manche einen Ground Lift-Schalter.

Bilder xcover 3 116.jpg



Verarbeitung:

Alles in allem ist die Trio-Vorstufe sehr geradlinig aufgebaut. Alles ist stabil, aber nicht überdimensioniert, das Innenleben sieht - wofür ich inzwischen einige Vergleiche habe - nach durchdachter und qualitätsbewusster Kleinserienfertigung aus. Der Unterschied zu Consumer-Elektronik ist mMn auch für den Laien sichtbar. Hier mal ein Blick ins Innenleben:

Bilder xcover 3 115.jpg


Ich bin kein Elektrotechniker, aber auch innen sieht hier alles sehr sauber und stabil aus, dicke Leiterplatten und -bahnen, ordentliches Netzteil, hochwertige Bauteile und saubere Lötstellen. Fünf Röhren vom Typ 12AX7/ECC83 sorgen für die Verstärkung, wobei interessanterweise die zweite eine Abschirmung verpasst bekommen hat.

Der Aufbau der Schaltung - soweit kann ich es noch beurteilen - ist sehr an klassische Vorbilder angelehnt, und das findet sich im Sound auch wieder. Die einzelnen Kanäle sind weitgehend getrennt voneinander, wobei Clean einem Blackface Twin nachgebildet sein soll, Mean einem Marshall (ich denke mal, eher JCM800 als Plexi) und Scream einem Hot Rod-Marshall. Tatsächlich ist die Klangregelung (neudeutsch Tone Stack) beim Clean Channel dem Gainregler vorgeschaltet, während Mean diese ganz am Schluss trägt.

Clean
und Mean teilen sich die Eingangsstufe, also eine halbe 12AX7, soweit ich das beurteilen kann. Danach kommt bei Clean nur die Klangregelung und eine halbe weitere Röhre (V5a).

Bei Mean kommt danach der Gainregler und die zweite Triode, dann noch zwei weitere Verstärkungsstufen (V4a und b), dann die Klangregelung und der Volumeregler.

Scream benutzt zu guter Letzt zwei 12AX7 alleine, macht vier Verstärkungsstufen (Gain Stages). Gemeinsam haben die drei Kanäle dann erst am Schluss die Ausgangsstufe, für die die zweite Triode aus der V5 genutzt wird.

Der Effektweg ist in dem mir vorliegenden Schaltplan leider nicht berücksichtigt, wahrscheinlich gehört er zu einer frühen Version ohne FX-Loop. Ich bin ja auch kein Fachmann, ich wollte nur für die Interessierten bzuw. Kundigen mal die Anzahl der Gain Stages genannt haben, nachdem die Information zu bekommen war.

Ich muss übrigens noch hinzufügen, dass ich den Mean-Kanal um eine Winzigkeit modifiziert habe. Mehr dazu kommt unten in der Soundbeschreibung.


Konzept und
Handhabung:

Der Groove Tubes Trio ist schon ein nicht ganz typischer Rack-Preamp - der besagte einfache Aufbau, der weitgehend ohne die üblichen Pushpotis, Taster und Mini-Switches auskommt, ist ja eher die Ausnahme auf dem Gebiet des Rack-Equipments.

Das Augenmerk lag für mich ganz klar auf der Soundqualität - dafür sprechen auch die oben geschilderten FX-Routings - und dem Erzielen einer ganz bewusst gewählten Soundrichtung.

Selbst die Nebengeräusche mussten sich dem wohl ein wenig unterordnen, denn wie bei modifizierten Marshalls ist im Scream-Channel ein gewisses Rauschen und auch ein minimales Grundbrummen bei hohen Gain-Einstellungen zu bemerken. Ich denke, das ist einfach der Anlehnung an die Klassiker geschuldet - wenn man das alles völlig weghaben will, muss man wohl auch andere Schaltungen und Bauteile verwenden. Die von mir schon besprochene VHT GP3 ist ein sehr gutes Beispiel dafür, was dabei rauskommt - auch geil, aber anders geil. Hi-End-Modeller haben heute ja tatsächlich Parameter, um diese Nebengeräusche auch den betreffenden Models einzuhauchen, weil es anscheinend für die Gesamtwahrnehmung des Sounds dazu gehört. Dass wir uns richtig verstehen: Das Teil ist jetzt kein Brumm- und Rauschgenerator. Immerhin hat der Scream-Kanal schon extrem viel Gain, und mit einem Noise Gate oder Hush bekommt man das alles auch ohne zu grobes Eingreifen weg.

Die Handhabung ist dem Konzept entsprechend "straight forward" und gibt keine Rätsel auf. Man stellt dern Preamp im Grunde ein wie drei verschiedene Einkanaler, zwischen denen man per Fußschalter wechseln kann. Einzige Ausnahme ist der 1+3-Switch, den ich vorhin schon mal erwähnt habe. Er schaltet den Clean- vor den Scream-Kanal. Jetzt könnte man meinen, das führt zu einem nochmals geboosteten HiGain-Sound, aber das trifft interessanterweise nicht zu. Der Sound wird eher aufgeräumter und breitbandiger. Dazu später mehr. Leider ist der 1+3-Switch nicht fernbedienbar. Im Tube Town-Forum hat sich mal jemand an einem Umbau versucht, mit Relais usw., hat sich aber nur Brummen eingehandelt.

Wie bei mir üblich, verwende ich die 4-Kabel-Methode, also ist der Signalverlauf :

Gitarre > Boss GT-Pro Front Input - Boss Send > Trio Input - Trio Output > Boss Return - Boss Main Out L/R > Peavey Classic 50/50 Input L/R

Ich habe keinerlei Probleme mit Brummschleifen oder erhöhtem Geräuschpegel. Auch den berüchtigen "Tone Suck" kann ich nicht feststellen, wobei ich - wenn ich nicht den Buffer aus der GP3 benutze, durch den ich auf die Idee gekommen bin - einen VHT Valvulator-Röhrenbuffer vor den Eingang des GT-Pro schalte. Dennoch ist die Klanggüte auch ohne Buffer nicht wirklich beeinträchtigt, da muss man schon sehr genau hinhören.

(Kleiner Exkurs: Für meinen Eindruck hat sich dabei gezeigt, dass der öfter beklagte Verlust an Tonqualität viel weniger vom Anschluss des Preamps an das Effektgerät (und dessen angeblich negativen Einfluss auf das Signal) herrührt als davon, dass die Gitarre nicht mehr direkt an einem klassisch analogen Input hängt. Erscheint mir auch irgendwie logischer, denn das Mini-Signal eines magnetischen Tinabnehmers ist viel empfindlicher für den Einfluss von Eingangsimpedanzen usw. als ein bereits hochverstärktes Signal aus der Vorstufe. Jedenfalls wirkt der Buffer zu meiner Freude auch Wunder zum "Anwärmen" der internen Modelling-Sounds. )

Die eigentliche Einstellung aller drei Kanäle ist im Grunde simpel. Eine BMT-Klangregelung kennt ja jeder, und die Reihenfolge beim Trio ist auch die meistbenutzte - von links nach rechts Bass / Middle / Treble. Die Ablesbarkeit ist auch einwandfrei, allerdings nur mit den Original-Knöpfen. Die weiße Beschriftung ist gut lesbar, und der Hersteller kann ja nichts dafür, dass ich Potiknöpfe mit spiegelnden Metallvorderseiten genommen habe, auf denen der Strich schwer zu erkennen ist. :nix: Wer schön sein will, muss leiden...


So, und jetzt das wohl wichtigste - der

Sound:


Auch hier setzt sich die Trio-Vorstufe von den meisten anderen Rack-Preamps ab. Was wir hier haben, ist aus meiner Sicht ein im besten Sinne altmodischer Sound.

Oder vielmehr Sounds, denn hier klingt jeder Kanal klar unterschiedlich. Optik, Sounds und Schaltung sind dabei recht klar an den Amp-Klassikern orientiert, die der Designer, Vintage-Amp-Kenner und GT-Gründer Aspen Pttmann im Laufe seines Vorlebens so auf der Werkbank hatte. Wer moderne, harte, vielleicht sogar etwas sterile Sounds sucht, wird mit dem Trio nicht glücklich. Ein Hindernis für den ganz großen Erfolg war denn wohl auch, dass die Zielgruppe der Trio-Sounds statt einem Rack meist lieber Tops oder Combos spielt.

Der Soundcharakter ist im Vergleich zu vielen anderen Preamps und Amps nicht so sehr über alle Kanäle und Einstellungen präsent. Das wusste ich schon beim Brunetti Mille CR zu schätzen, hier gilt das ebenfalls. Auch wenn das Classic Rock-Thema über allem schwebt, klingt insbesiondere der Clean-Kanal wirklich wie ein anderer Amp, und das mit der gleichen Endstufe und Box. Bei enstprechender Einstellung sind auch Mean und Scream sehr deutlich voneinander zu trennen.

Der Clean Channel ist nur und immer clean, aber das dann auch zum Weinen schön. Der erste Kanal des Brunetti Mille CR konnte das schon gut, und er hat ja noch diesen tollen Blues-Crunch, aber die Wärme und pure Schönheit des Trio erreicht er im echten Clean-Betrieb doch nicht ganz.

Die Einstellung ist dabei tricky, und so mancher wird diesen Kanal beim Antesten nicht in seiner ganzen Pracht erleben - oder überhaupt nie... Im Ggensatz zu praktisch allen Preamps sollte man hier den Gain-Knopf auf 10 drehen. Ja, volle Kanne. Selbst mit PAF-Humbuckern cruncht er dabei nicht, da müssen dann schon mindestens ein JB oder Super Distortion ran. Auch die Klangregler klingen am Besten auf 10, höchstens habe ich mal Bässe und/oder Höhen auf 9 zurückgenommen.

Dann aber klingt jede Gitarre wirklich so gut, wie sie es maximal kann. Warm, natürlich, alle Obertöne sind da, ein Fundament, das nicht wummert, nichts künstliches oder schrilles. Ja, man kann Reverb, Delay oder einen Chorus dazuschalten - das klingt auch gut, aber man wird das nie nur deshalb tun müssen, weil ohne diese Würze etwas fehlen würde. Wer schon einiges an Rack-Gear gespielt hat, wird mir wohl zustimmen, dass der Clean-Kanal bei den meisten Preamps ohne Hall nicht wirklich genießbar ist. Trocken, ohne Räumlichkeit und Leben. Nicht so hier.

Der Mean Channel ist für mich ein Marshall-Abkömmling. Die Anleitung schreibt interessanterweise, "designed to produce a round, smooth distortion like old Tweed era amps when cranked up". Nun ja, der einzige Tweed Amp mit Mittenregler war mWn wohl der Bassman, und wir wissen ja, was aus dem in UK wurde... Ich kann die technischen Unterschiede nicht benennen, und vielleicht liegt beides tatsächlich nahe beieinander. Für meine Ohren klingt das Teil jedenfalls am ehesten nach einem heißer gemachten JCM800, dem man im Treble-Bereich ein paar Zähne gezogen hat. Es klingt also schon etwas runder und weicher, und wer Tweed-Sounds sucht (und auch gut genug kennt), der kann den Ton mit der erstaunlich effektiven Klangregelung sicher noch ein Stück in diese Richtung biegen.

Dass das Gain auch vermehrt wurde, sieht man schon an meinen Settings. Bei einem ungemoddeten Marshall wären die sicher im Maximalbereich. Aber wie gesagt, der EQ packt deutlich kräftiger zu als bei vielen älteren Amps, und mit der "englischen" Einstellung (All men play on 10...) kommt man hier mMn nicht so weit. Da klingt dann alles ein bisschen überfahren. Ich spiele Gain etwa auf 7-8, Bass auf 7, Mids auf 5-6 und Treble wieder 7-8. Der letztgenannte ist des Pudels Kern und ist genau in diesem Bereich sehr empfindlich. Zwischen perfekt und zu scharf oder weich liegen da oft nur ein, zwei Millimeter.

Was dieser Kanal wohl eher nicht kann, sind moderne Metalsounds für Tieferstimmer, ich habs aber auch nicht wirklich versucht. Obwohl, vielleicht wäre er was für Stoner-Rock, Doom, Sludge oder dergleichen, vielleicht kombiniert mit einem Fuzz... Ist jedenfalls nicht so ganz meine Welt, und die entsprechenden Gitarristen sind wohl in den seltensten Fällen Rack-Enthusiasten.

Den Mean Channel habe ich übrigens mit einer kleinen Modifikation versehen, die ihn vollends in meine Wunschrichtung gebracht hat: Am Gainpoti findet sich jetzt ein Treble Bypass (auch Bright Cap genannt) in Form eines 470 pF-Kondensators. Das bringt etwas mehr aggressive Schärfe vor die Zerrstufe, und ist wohl wirklich nicht ganz unbeteiligt am typischen Marshall-Crunch. Man liest ja öfter mal, dass Marshall-Spieler das Ding entfernen, weil ihnen ihr JCM zu giftig klingt. Gerade wegen dieser Beschreibungen schien mir der umgekehrte Weg angesichts der etwas runderen Gesamtabstimmung einen Versuch wert. Ohnehin hält sich die Wirkung des Bright Cap ja in Grenzen, je höher das Gainpoti ausgesteuert ist, und bei meiner Standardeinstellung vermutete ich, dass auch dieser relativ große Cap passen sollte. Das hat sich denn auch bestätigt, und vielleicht probiere ich sogar mal einen 1nF.

Dann kommen wir mal zum Scream Channel.

Er hat zwei Varianten zu bieten, zunächst mal die ohne "1+3"-Schaltung. Hier finden wir richtig klassischen HiGain für Heavy Rock, singende Leads mit einem Maximum an Gain und Kompression, aber auch massive Rhythmusbretter. Shredder werden selbst mit Singlecoils glücklich, wobei ich dringend zu Noiseless-Varianten raten würde.

Der Kanal geht noch deutlicher als Mean in Richtung Hot Rod Marshall bis Soldano & Co., es singt ohne Ende, schon bei Gain auf 6 oder 7. Mit der Klangregelung kann man wieder eine Menge anstellen, wobei selbst starke Mittenlöcher möglich sind, aber einem das eigentlich beste am Sound nehmen. Das sind diese harmonischen, reichhaltigen Mitten, die schon in normaler Dosierung einfach zum Reinbeißen klingen und einen so richtig schön tragen. Das hat schon einen äußerst hohen Suchtfaktor für Leadgitarristen.

Man könnte nun meinen, das Vorschalten des Clean Channel durch den "1+3"-Schalter boostet das alles noch mehr zu, aber mitnichten. Vielmehr wird der Ton eher konkreter, dabei druckvoller und breitbandiger. Jetzt hat man eine Kombination aus einem sauberen Attack, fettem dichten Kern und irgendwie knackigeren Höhen - wie ein Keks aus der Prinzenrolle.

Das ist mein absoluter Lieblingssound - Van Halen (eher 5150 als VH I), Vito Bratta (googeln, wenn ihr den nicht kennt!), John Sykes, überhaupt der Heavy Rock der späten 80er ist damit in bester Qualität spielbar.

Es hat schon der eine oder andere im Netz geschrieben, dass der 1+3 völlig unbrauchbar sei, gar wie ein mieser Verzerrer klinge - das kann ich mir echt nur so erklären, dass der Clean Channel falsch eingestellt war. Denn der sollte - oben hab ichs ja schon geschrieben - am besten mit allen Reglern auf 10 stehen (außer vielleicht Volume, den man halt zur Lautstärkeabstimmung braucht). Dann bringt er auch den besagten Effekt in den Scream Channel, der dadurch sowas wie eine "klarere Verzerrung" bekommt. Nicht im Sine eines beigemischten Cleansounds, sondern eben mit mehr Bassdruck, Biss und Definition.

Metal geht auch, aber dann mehr in der klassischen Richtung, als man noch mit 6 Saiten auskam und einen Bassisten hatte... Nimmt man die Mitten weit raus - was mit der wiederum sehr effektiven Klangregelung durchaus geht - verliert man die eigentliche Qualität dieses Preamps, eben diese singenden, harmonischen Obertöne.



Fazit:


Mein persönlicher Favorit unter allen bisher von mir gespielten Preamps ist er nicht zuletzt deshalb, weil ich bei ihm alle drei Kanäle absolut in der Spitzenklasse angesiedelt sehe. Bei vielen Amps finde ich einen Kanal oder auch zwei richtig gut, aber irgendeiner ist immer ein Kompromiss. Das ist hier absolut nicht der Fall.

Allenfalls hätte ich gerne noch zusätzliche Sounds, eben den angecrunchten Clean Channel des Brunetti Mille und die härter zupackenden Zerrkanäle des VHT GP3. Vielleicht finde ich diese beiden Extreme mal noch in einem einzigen Preamp, dann käme ich wenigstens mit zweien aus. Der Trio wird jedenfalls immer dabei sein, so wie ich das sehe.

So richtig zu Hause ist der Trio für mich im Blues und Classic Rock, Hard Rock, tradtionellem Heavy Rock und sicher auch im Shredding und reinen Instrumentalsachen á la Satriani.

Die reine Soundqualität ist aus meiner Sicht kaum zu toppen, auch nicht durch Boogie, Bogner oder handgedengelte Boutiqueware in PTP-Verdrahtung. Hier bewegen wir uns wirklich nur noch im Bereich der Geschmacksunterschiede, die es ja immer geben wird. Eine so traditionslastige Soundausrichtung wird man in 19"-Technik allerdings nur sehr selten finden.


Gruß an alle, bagotrix
 
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Ja der klingt "ganz gut" !!

Aber die Marshall Teile statt der Fenderstyle Knöpfe sind hier echt Folter
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Nee nee nee
 

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