[Review] Mackie MP Serie (MP-320, MP-360, MP-460): Professionelle InEar-Hörer

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Einleitung

Im Frühjahr 2018 brachte US-Hersteller Mackie mit der MP-Serie drei InEar-Hörer für Musikerzwecke auf den Markt, die ich fürs Musiker-Board im [Review] Mackie MP Serie (MP-120, MP-220, MP-240): Professionelle InEar-Hörer unter die Lupe bzw. in die Ohren nehmen konnte ;). Das damalige Spitzenmodell MP-240 hatte mir im Testzeitraum so gut gefallen, dass es zu meinen IEM-Standard-Hörern live on stage geworden ist. Deshalb war ich natürlich neugierig darauf, ob/wie die Hörer MP-320, MP-360 und MP-460, die zur NAMM 2020 vorgestellt wurden, um die MP-Produktlinie um weitere drei Modelle nach oben hin zu ergänzen, klanglich noch eine Schippe drauflegen können.

Mackie MP-320


Mackie MP-360


Mackie MP-460


Wie immer: Die eingebundenen Fotos zur Vollansicht bitte einfach anklicken.


Lieferumfang, technische Daten

Die chice Verkaufsverpackung der kleineren Seriengeschwister wurde beibehalten: Edles Outfit, Box mit Magnetverschluss.



Auch der Inhalt entspricht im wesentlichen dem der restlichen Modelle; neben dem Hörer selbst bekommt man ein robustes Kunststoffkästchen, das mit Schaumstoff ausgeschlagen ist und die Ohrpassstücke, einen Klinkenadapter auf 6,35 mm (beides siehe weiter unten) sowie den obligatorischen "Beipackzettel" (mehrsprachiges Handbüchlein plus Zettel mit Hip Tips, also Hinweisen zum Einsetzen/Tragen) enthält.



Neben den gewohnten Bauformen der Stöpsel (Silikon und Schaumstoff "Comply Foam") wurden die "Tannenbaum"-Aufsätze (Triple Flange) um eine dritte Lamelle erweitert, und es gibt die zusätzliche Variante Wide Bore Silicone, also Silikon-Stöpsel in einer etwas veränderten Form; alle jeweils in den Größen S, M und L.
Neu sind das Mikrofasertuch für die Reinigung (alle drei Modelle) sowie das Reinigungstool (nur MP-360 und MP-460).



Ebenfalls neu ist die geänderte Farbgebung von IEM-Gehäuse und Standardkabel im Vergleich zu den "kleineren" drei Modellen von Schwarz auf Transparent. Dies sieht nicht nur edler und unauffälliger aus, sondern ermöglicht auch einen voyeuristischen Blick ins Innere :engel: - dazu später mehr.

Widmen wir uns zunächst den Anschlusskabeln - ja, kein Schreibfehler, es werden tatsächlich zwei unterschiedliche Varianten je Hörer mitgeliefert:
Zum einen die gewohnte und robuste Ausführung, die bereits den anderen Modellen beilag (hier eben nur in der angepassten Farbgebung), d. h. Länge 1,50 m, angespritzer 3,5-mm-Winkelklinkenstecker, je Hörer ein MMCX-Stecker mit L/R-Markierung. Der geflochtene Kabelschirm im Inneren ist robust und schützt das Kabel, ohne es allzu steifmachen - genau wie der Kabelmantel, der durch die Materialwahl zusätzlich Reibegeräusche an Körper/Kleidung minimiert. In den ersten 7 Zentimetern über/hinter den Ohren lässt sich die Kabelführung dank zusätzlicher Drahteinlage individuell und formstabil anpassen, und hier ist der Kabelmantel auch noch einmal zusätzlich verstärkt. Dort wo sich das Kabel zu den beiden Hörern teilt, befindet sich ein Schieber, um diesen "Teilungspunkt" bei 40 cm (von den Hörern aus gemessen) weiter zu den Hörern hin zu verschieben, damit man das Kabel quasi am Hinterkopf "festzurren" kann ;).



Das zweite mitgelieferte Kabel ist mit 1,20 m Länge etwas kürzer, dank geflochtener Einzelleiter jedoch deutlich flexibler und richtet sich aufgrund vorhandener Steuerung mit Mikrofon an Nutzer von Smartphones. Dementsprechend besitzt es auch einen 4-poligen Miniklinkenstecker (TRRS), und alles ist komplett in Schwarz gehalten. Auch hier ist ein zusätzlicher Kabelüberzug im Bereich der Ohrmuschel vorhanden. Die Bedienelemente (Lautstärke +/- und o für Anrufannahme) sitzen in einem etwa 40 x 6 x 5 mm großen Kästchen etwa 22 cm unterhalb des MMCX-Anschlusses für den rechten Hörer. Die Zusammenführung der beiden Kabel für linke und rechte Seite erfolgt nach ca. 44 cm.



Aber jetzt zum wichtigsten, den Hörern selbst.
Die Nomenklatur der Modelle greift die Systematik der anderen drei Serienvertreter auf. Die Hunderterstelle gibt die Anzahl der Wege an - MP-320 und MP-360 drei Wege, MP-460 vier Wege.
An der Zehnerstelle lässt sich erkennen, welche Treiber verbaut sind - MP-320 dynamische Treiber, MP-360 und MP-460 Balanced Armature Treiber des renommierten Herstellers Knowles. Bei letztgenannten wird zur Schallerzeugung ein Metallanker bewegt, der wiederum eine kleine Metallplatte in Schwingung versetzt. Dies soll die Impulstreue und Frequenzauflösung verbessern - bereits im MP-240 (2-Wege) werkelt eine Kombination aus je einem dynamischem und einem Balanced Armature Treiber.
Wie oben schon erwähnt, sieht die transparente Gestaltung der Hörer nicht nur dezenter aus, sondern dadurch lässt offenbart sich das Innenleben. Nacheinander MP-320, MP-360 und MP-460 - jeweils außen und innen.







Natürlich bewirken die unterschiedlichen Treiber-Bestückungen auch unterschiedliche technische Daten. Allen drei Modellen gemein ist die Außendämpfung von 40 dB. Während bei der Impedanz MP-320 (15,5 Ohm), MP-360 (15,0 Ohm) und MP-460 (15,5 Ohm) fast gleichauf liegen, machen sich die unterschiedlichen Bauformen jedoch bei der Empfindlichkeit deutlich bemerkbar: 100 dB, 117 dB bzw. 118 dB (jew. +/- 3dB @1mW bei Referenzfrequenz 1 kHz).

Wie wirken sich diese Zahlen und die verschiedenen Treiber auf den Klang aus? Rein in die Ohren mit den Stöpseln!


Praxistest

Durch meine Praxiserfahrungen mit dem MP-240 beim Einsatz als Bühnen-IEM-Stöpsel habe ich die passenden Ohrpassstücke (Comply Foam in Größe M) direkt parat und nutze sie auch an den Testobjekten :cool:. Hinsichtlich Einsetzen, Tragekomfort und Dichtwirkung hat sich nichts geändert, so dass eine Eingewöhnungsphase für mich entfällt.

1. Disziplin: Konserve
Aufgrund der niedrigen Impedanz gibt's an meinen doch eher betagten Geräten (ältere Ausführungen von iPhone, iPad und MacBook Pro) keine Probleme, eine ausreichende Lautstärke zu erzielen. Wie bei Musiker-Board-Reviews üblich läuft zuerst "Proud Mary" von den Global.Krynern in der Maxi-Version (nutze ich gerne auch zum PA-Soundcheck :cool:). Als Referenz setze ich zunächst den MP-240 an:
  • Die Wiedergabelautstärke ist beim MP-320 deutlich höher, trotz ansonsten identischer Einstellungen. Im Bassbereich hat der komplett dynamische Hörer einiges zu bieten! Die Mittenwiedergabe ist in Ordnung, bei den Höhen vermisse ich ein klein wenig Brillanz.
  • Noch etwas lauter ist der MP-360, wirklich beachtlich! Der Bassbereich klingt etwas weniger wuchtig, die Mittenwiedergabe ist etwas deutlicher betont, und "oben herum" vermisse ich im Vergleich zum MP-320 weniger Klanginformation. Die Balanced Armature Treiber spielen insbesondere bei der Impulstreue und der Stereoortung ihre Vorteile aus. Bei niedrigeren Lautstärken wird allerdings die Basswiedergabe etwas schwächer und muss ggf. per EQ ausgeglichen werden.
  • Die vier Wege des MP-460 setzen lautstärketechnisch im Vergleich zum 3-Wege-Pendant noch ein Stückchen drauf :eek:. Für den gepflegten Musikgenuss reicht bei meinem MacBook Pro deshalb tatsächlich eine Pegelstellung von 1 bis 3 von 16 Balken, ansonsten platzt mir das Trommelfell. Klanglich ist das Flaggschiff ein Ohrenschmaus: Linear, impulstreu, perfektes Stereobild :great:. Knackiger Bass ohne Dröhnen, fein aufgelöste Mitten, brillante Höhen, ohne aufdringlich zu sein. Der (zugegebenermaßen unfaire) Vergleich zu meinem 2-Wege-Hybrid MP-240 ist wie nach einer Ohrspülung und dem Entfernen eines vorhandenen Gehörschutzes :). Nachdem ich tatsächlich beim Durchhören verschiedener Genres meiner Mediathek etwas das Zeitgefühl verloren habe ;), bleibe ich bei "Sir Duke" und "The Unknown Stuntman" in den Versionen der Wise Guys hängen (Album "Haarige Zeiten") und freue mich über die differenzierte Wiedergabe aller Gesangsstimmen des ehemaligen A-capella-Quintetts :m_serenade:...

2. Disziplin: Livebetrieb bzw. virtueller Soundcheck
Tja, wie testet man den Livebetrieb in Zeiten von Corona? Wohl dem, der ein Digitalpult mit Audiospuren für einen virtuellen Soundcheck sein Eigen nennt :D. Da Mehrspuraufnahmen meiner verschiedenen Besetzungen "einfach so" beim Livemixing mit meinem Allen&Heath Qu-16 auf dem USB-Stick landen, lässt sich der Einsatz der drei MP-Hörer als Bühnen-IEM gut simulieren. Kurz zusammengefasst, besteht mein IEM-Setup aus dem LD Systems MEI 1000 G2, das im Focus Mode mit meinem eigenen Akkordeon-Signal sowie einem speziellen Summenmix gefüttert wird, d. h. Monobetrieb.
Ausgehend von den Einstellungen für das bisher verwendete Modell MP-240 konnte ich die Unterschiede der neuen Hörer erkunden:
  • Beim MP-320 muss ich speziell die Bassinstrumente (je nach Formation/Besetzung Tuba/Bariton, E-Bass, Kontrabass) ein wenig zügeln, da mir Bässe und Tiefmitten doch ein wenig zu wuchtig übertragen werden und mit meinem eigenen Signal (Akkordeon) konkurrieren.
  • Besser sieht's beim MP-360 aus, bei dem dann auch die Präsenz meines Instruments etwas besser zur Geltung kommt, und der wieder einen Tick besser auflöst.
  • Keine Überraschung ist, dass der MP-460 wie bei der Konservenwiedergabe im wahrsten Sinne des Wortes brilliert: Nuanciert und präzise höre ich den charakteristischen Klang meiner Pigini Helipolka 4, so dass ich mich direkt wohlfühle und fast vergesse, dass ich eigentlich Stöpsel im Ohr habe :).
Auch bei hohen Lautstärken klingt übrigens keines der drei Modelle plärrig oder unangenehm - weder bei Konserve noch im Livebetrieb, wobei ich bei letzterem ohnehin einen Limiter einsetze, um mein Gehör zu schonen. Da die neuen MPs selbst bei niedrigem Output-Gain eine satte Lautstärke produzieren, ist Rauschen bei korrekt ausgesteuerter Signalkette auch kein Thema - im Gegensatz zu anderen InEars, denen man etwas mehr "Feuer unter dem Hintern" machen muss (dort hört man dann eher die Schwächen der (Vor-) Verstärker, wenn dieser mehr aufgedreht werden muss).


3. Disziplin: Internetmeeting (Microsoft Teams)
In diesen Zeiten sind Meetings/Seminare übers WWW noch mehr in Mode gekommen - prima, dass das zweite Kabel für die MP-Hörer auch ein Mikrofon verbaut hat! Das flexible Kabel ist angenehm zu tragen und etwas leichter als das robustere Bühnenkabel. Kleiner Kritikpunkt: Wenn man wie ich das Kabel auch hier nach hinten über die Ohrmuschel führt anstatt direkt nach vorne/unten, sitzen Mikro und Bedienelemente wenige Zentimeter zu weit am Ohr bzw. an der Wange, was die Bedienung etwas erschwert. Die Mikrofonkapsel klingt ein klein bisschen blechern - das nervt bei längeren Einsätzen. Bei der Sprachverständlichkeit gefällt mir tatsächlich das dynamische Modell MP-320 am besten, einfach weil's satt und rund klingt. Die anderen beiden Modelle MP-360 und MP-460 klingen deshalb nicht schlechter, aber ohne Veränderung der Klangeinstellung (Smartphone, Tablet oder Notebook) ein bisschen dünn. Hier merkt man, dass die neuen MPs doch eher für Musikwiedergabe und Bühneneinsatz gedacht sind.


Fazit

Insgesamt gefallen mir die neuen MP-Modelle wirklich sehr gut. Hier hat Mackie einige Merkmale verbessert, um die Hörer noch bühnentauglicher zu machen. Die höhere Anzahl der Treiber trägt deutlich dazu bei, den schon guten Klang der "kleineren" Serienmodelle noch weiter zu optimieren, ohne den gewohnten Tragekomfort zu verändern. Auch das erweiterte Zubehörpaket wertet die Stöpsel deutlich auf, so dass man MP-320, MP-360 und MP-460 ausprobieren sollte, wenn man zum Musikhören oder auf der Bühne auf professionelle InEars setzen möchte.

Kleiner Teaser: Ein interessantes optionales Zubehör für die MP-Serie konnte ich ebenfalls im Rahmen der Teststellung ausprobieren - ich werde ihm allerdings ein separates Review widmen :cool:...
 
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