[Review] Sennheiser MK4

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Hallöchen,

nach der Ankündigung des Sennheiser Mk4 Set

Studiomikrofons war ich doch ziemlich neugierig und habe mir daher mal vier Stück zu ausführlichen Tests vorgeknöpft.

Das MK4 ist ein in Deutschland gefertigtes 1"-Echtkondensator-Großmembranmikrofon mit fester Nierencharakteristik.
Der Straßen-Verkaufspreis liegt bei sehr günstigen ca. 300,-- Euro mit der Normalklemme und 375,-- Euro mit der Studiospinne.

Das elegante und recht schlicht gehaltene Gehäuse des MK 4 zeichnet sich aus durch eine sehr gute und robuste Fertigungsqualität und makellose Verarbeitung. Größe ist im üblichen Bereich, ähnlich beispielsweise dem Beta 27, nur etwas schwerer.

Die angebotene Studiospinne ist ebenso wertig und sehr praxisgerecht aufgebaut, sie entkoppelt sehr wirksam. Für Studioanwendungen ist das eindeutig eine sinnvolle Investition.
Auch die mitgelieferte Stativhalterung mit Verschraubung macht einen sehr guten und wertigen Eindruck und hält das Mikrofon in allen Positionierungen sicher und zuverlässig.

Das Sennheiser MK4 überzeugt mit einer engen Fertigungstoleranz, die klar über Klassendurchschnitt liegt. Alle vier getesteten Mikrofone waren praktisch identisch, die kleinen messtechnischen Unterschiede vernachlässigbar. Gematchte Stereopaare sind so sicher nicht nötig.

Laut Sennheiser ist die Kapsel vom hochwertigen Bühnengesangsmikrofon E965 abgeleitet.
Ich vermag da nicht recht zu folgen, immerhin ist das E965 ein Doppelmembransystem mit umschaltbarer Richtcharakteristik und grundverschiedenen akustischen Eigenschaften. Ich kann jedenfalls weder an der klanglichen Charakteristik noch am Richtverhalten große Ähnlichkeiten erkennen.
Das soll aber keine Wertung beinhalten, beides sind sehr gute Mikrofone.

Die Klangcharakteristik des Sennheiser MK4 ist typisch für eine moderne Generation Großmembraner sehr neutral und recht linear, damit ist auch dieses Mikrofon sehr universell einsetzbar.
Ab dem oberen Bassbereich fällt das Mikro sehr sanft nach unten ab, erreicht etwa -3dB bei 40Hz und ist uneingeschränkt bis unter 30 Hertz nutzbar. Zwischen 1 und 2kHz gibt es eine sehr dezente weiche Betonung. Ab etwas über 3kHz steigt das Mikrofon sanft bis etwa 10kHz um 3,5dB an. Ab 10Khz fällt das Mikro mit ca. 10dB/Oktave ab, die nutzbare obere Grenzfrequenz liegt bei ca. 16kHz.
Der Proximity-Effekt ist nicht sonderlich stark ausgeprägt und sorgt mit der Basscharakteristik auch bei Nahbesprechung für einen zwar warmen, aber noch neutralen Charakter.

Das Mikro verfügt weder über einen PAD-Schalter noch einen integrierten schaltbaren Hochpass.

Die Richtcharakteristik ist eine recht breite Niere mit im bis in den oberen Mittelton ca. 130-140° Nutzwinkel (-3dB). Die Homogenität der Richtcharakteristik ist über den Grundton bis zum Präsenzbereich nahezu ideal. Ab der Brillanz wechselt das Mikrofon zu einer relativen Superniere mit deutlich ausgeprägter rückwärtiger Keule, ab 10kHz schnürt sich die Niere deutlich ein. Bei der oberen Grenzfrequenz beträgt der Nutzwinkel (-3dB) noch etwa 50°.
Im Übergangsbereich von Niere zu Superniere macht das Mikro nach hinten deutlich auf, die rückwärtige Dämpfung fällt unter breiten Winkeln unter 15dB. Dieses Verhalten erfordert etwas Sorgfalt beim Einsatz auf Bühnen, insbesondere mit konventionellem Monitoring.

Dieses Aufmachen im Präsenzbereich ist aber nicht ungewöhnlich für Großmembranmikrofone. Beim AKG C214 beispielsweise fällt die rückwärtige Dämpfung unter breiten Winkeln bis auf 10dB.

Das Eigenrauschen ist vorbildlich niedrig, die Empfindlichkeit ist hoch, damit eignet sich das MK4 auch für sehr schwierige leise Quellen und größere Abnahmeabstände.
Die Auflösung und das Impulsverhalten sind sehr gut.

Der Korb ist relativ offen, im Studio ist natürlich ein Poppschutz anzuraten. Für Open-Air empfehle ich den gelungenen Schaumwindschutz, der bei guter Wirksamkeit gegen Wind nur wenig und homogene Hochtondämpfung nach sich zieht.

Insgesamt wirkt das Mikrofon neutral, präzise und natürlich. Es ist zwar luftig und direkt, aber ohne Equalizing nicht sonderlich präsent.
Für die Abnahme einer einzelnen Quelle ist das aber völlig nachteilsfrei.
Das MK4 klingt einfach im positiven Sinn sehr angenehm.

Allerdings kann es dieses Verhalten in Kombination mit dem offenen Richtverhalten im Präsenzbereich bei mehreren gleichzeitig spielenden Quellen erschweren, einen Solisten im Mix nach vorne zu holen.
Andererseits prädestiniert sich das MK4 so besonders bei Ensembleabnahmen für nicht ganz nach vorne zu holende oder überpräsente Quellen.
Bei meinen Versuchen gliederte das MK4 beispielsweise hervorragend Bläsersätze, Chöre und Backingvocals in den Mix ein.
Bitte nicht falsch verstehen, das soll nicht heißen, das sich das MK4 nur für solche Quellen eignen würde.

Es ist ein Allzweckmikrofon, der sich an nahezu allen Quellen wohl fühlt.
Es eignet sich ebenso als Ergänzung eines bereits vorhandenen Mikrofonbestands wie als alleiniges Mikrofon für den Heimrecorder.
Alles in allem ist das MK4 ein grundsolides und vernünftiges Mikrofon professionellen Anspruchs bei ausgezeichnetem Preis-Leistungs-Verhältnis, die Fertigung in Deutschland ist ein zusätzliches Plus.
Das MK4 ist ein sehr gelungener Wurf von Sennheiser und mir eine Empfehlung wert.

Ciao, Deschek
 
Eigenschaft
 
Grund: link repariert
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Hi Deschek!

Super Review :great:

Wie würdest du das MK4 im vergleich zum tlm102 beurteilen?

Grüße
Daniel
 
Hallöchen, Daniel,

die beiden ergänzen sich sehr gut... ;)

Mag sein, dass ich da durch meine reichhaltige positive Erfahrung mit den TLM102 befangen bin, aber objektiv und messtechnisch ist das TLM das bessere Mikrofon.
Dafür kostet es aber ja auch deutlich mehr...

Das soll aber das MK4 in keinster Weise abwerten. Und bei Mikrofonen geht es ja ganz oft gerade nicht um "objektive" Qualitäten. :)

Das TLM klingt in den Mitten geringfügig neutraler und löst in den Höhen etwas besser und sauberer auf. Es klingt durch die betontere Charakteristik über 10kHz vor EQ etwas frischer.

Die Niere beim TLM102 ist insgesamt enger.
Das Richtverhalten ist breitbandig etwas homogener als beim MK4 und schnürt im Hochton später und weniger ein (noch ca. 75° Nutzwinkel -3dB bei der oberen Grenzfrequenz gegenüber ca. 50° beim MK4). Das TLM bildet in einem schmalen Bereich in der Brillanz eine rückwärtige Keule aus, aber weniger auffällig und eben schmalbandiger als beim MK4.
Auch das TLM macht im Präsenzbereich rückwärtig etwas auf.
Insgesamt hat das TLM ab dem Präsenzbereich weniger Off-Axis-Verfärbungen, es bildet dadurch beispielsweise Räume etwas natürlicher und authentischer ab.
Das etwas homogenere Richtverhalten hat aber auch Vorteile bei Bühnenanwendungen bezüglich einstreuenden Quellen, insbesondere aber bei konventionellem Monitoring.

Allerdings hat das MK4 die höhere Empfindlichkeit und das minimal geringere Eigenrauschen, das kann in manchen Aufnahmesituationen natürlich durchaus ein Vorteil sein, z.B. bei manchen Choranwendungen.

(Wer die Kapsel-Konstruktionen vergleicht, wird sich über die genannten Unterschiede nicht groß wundern...)

Die kleine Bauform und das geringe Gewicht des TLMs können in schwierigen Aufnahmesituationen die Positionierung erleichtern.

Ob die genannten Vor- und Nachteile für den jeweiligen Interessenten überhaupt Relevanz haben, ist dann wieder ein ganz anderes Thema und schließlich muss ja auch das Hardwareumfeld passen.
Beides sind ausgezeichnete Mikrofone mit in ihrer jeweiligen Preisklasse hervorragendem Preis-Leistungs-Verhältnis.

Ciao, Deschek
 
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Hey Deschek,
danke für den Bericht, schön geschrieben.

Ich habe im Moment ein NT-1A. Könntest du kurz einen kleinen Vergleich schildern, falls du das kennst?
Würde sich eine Investition für mich lohnen, wenn ich hauptsächlich Sprachaufnahmen mache?
 
Hallöchen,

danke für die Lorbeeren. :)

Mal ehrlich, mit solchen Vergleichsfragen bezweckt ihr nur, dass ich mich unbeliebt mache, oder? :cool:

Vorausschicken muss ich noch, dass ich kein Rode NT-1A in meinem Bestand habe, daher kann ich auch keinen direkten Vergleich machen, sondern mich nur auf meine älteren Unterlagen und Messungen berufen.

Persönlich sind mir Serienkonstanz und niedrige Fertigungstoleranz sehr wichtig.
Einerseits, weil ich in den letzten Jahren sehr oft sehr viele identische Mikrofone gleichzeitig eingesetzt habe. Andererseits, weil ich sehr oft auf Mietmikrofone zurückgegriffen habe und vorhersehbare Ergebnisse haben musste. Und schließlich und endlich, weil man nun mal für Stereo- und Surround-Aufnahmeverfahren ordentlich paargleiche Mikrofone benötigt.

Rode hat generell diesbezüglich schon einen recht guten Standard, das NT-1A erreicht zwar nicht ganz dieses Niveau, hat aber trotzdem nur geringe Abweichungen, insbesondere preisklassenbezogen.
Sennheiser scheint aber in der Serienkonstanz deutlich die Nase vorne zu haben - so fern ich das an meinen nur vier Testmikrofonen beurteilen kann.

Das Rode hat insgesamt einen deutlich gesoundeteren Charakter.
Das Sennheiser MK4 ist im gesamten Stimmbereich linearer und etwas natürlicher.
In den Mitten ist das Rode leicht wellig. Insbesondere im oberen Präsenzbereich und unteren Brillanzbereich hat das Rode schmalbandige, mehr oder weniger dezente Resonanzen und leicht erhöhten Klirr. Das muss natürlich nicht stören, schafft aber Eigencharakter.
Dafür hat das Rode einen ausgedehnteren, zugleich aber betonteren Hochtonbereich. Tatsächlich ist auch der Superhochtonbereich beim Rode noch für ein (günstiges) Großmembraner erstaunlich gut durchgezeichnet und natürlich.
Im Grundtonbereich ist das Rode leicht betont, im Bass eher schlank, aber sehr tiefreichend.
Die ausgezeichnete Breitbandigkeit ist neben dem "legendär" extrem geringen Eigenrauschen einer der größten Pluspunkte des Rode NT-1A, in Addition erklärt das die Beliebtheit in Natur-Recorderkreisen.

Insgesamt löst das Sennheiser MK4 aber im gesamten Stimmbereich bis in den oberen Brillanzbereich etwas besser auf, in Addition mit der größeren Linearität und dem homogeneren Richtverhalten wirkt das Sennheiser damit sicher etwas authentischer und natürlicher.
Damit ist das Sennheiser aber auch etwas universeller Stimmen betreffend.

Mit dem Richtverhalten war ich persönlich beim Rode NT-1A nie ganz zufrieden.
Die Niere wird nur zwischen etwa 300Hz und 3kHz sauber eingehalten, im Präsenzbereich macht das Mikro deutlich auf. Es hat eine deutliche rückwärtige Keule im gesamten Präsenz- bis Hochtonbereich, bereits ab dem unteren Mittelton macht sich eine leichte rückwärtige Unregelmäßigkeit bemerkbar.
Ab der Brillanz schnürt das Mikro sehr deutlich ein, bei 8kHz liegt der Nutzbereich (-3dB) schon bei nur noch knapp 60° gegenüber gut 130° im Mittelton.

Natürlich ist das Rode ein gutes, solides und anerkanntes Mikro der "Arbeitspferd"-Klasse und sein Geld absolut wert. Auch wenn es in dieser Preisklasse mittlerweile Alternativen gibt, bräuchte man die Anschaffung nicht zu rechtfertigen.
Das Sennheiser MK4 setzt sich für mich aber deutlich ab, deutlicher, als es der Preis erwarten ließe. Es ordnet sich meiner Meinung nach klar in höheren Klassen ein und ist die Mehrinvestition bei Neukauf sicher wert.

Hat man das Rode bereits und ist im wesentlichen zufrieden, halte ich einen Tausch gegen das MK4 nur recht begrenzt für sinnvoll, insbesondere wenn es hauptsächlich um Vokal-Aufnahmen in bekannter und solider Akustik handelt.
Zusätzlich zu einem NT-1A ein MK4 anzuschaffen, wird man bei entsprechendem Bedarf an Mikros aber sicher nicht bereuen.

Natürlich könnte man in diesen beiden Fällen auch über darüber hinaus gehende Investitionen nachdenken.

Reicht dir das?

Um auch gleich noch die Frage nach der Spinne zu klären:
Das MK4 hat unter dem Schraubgewinde für Stativadapter/Spinne noch ein ausreichendes Stück Schaft um sicher auch mit einigen anderen Spinnen und Shock-Mounts betrieben werden zu können. Ich habe aber nichts dergleichen ausprobiert, die Sennheiser-Spinne ist praxisgerecht und ihr Geld wert.

Ciao, Deschek
 
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schade, dass ich nicht nochmal bewerten kann, gutes Review!
 
Inzwischen hab ich das MK4 auch zum ausführlichen Test untergehabt. Ich kann die positive Einschätzung nur teilen. Es ist für mich das Homerecordingmikro schlechthin. Preis und Leistung stimmen einfach. Und das Made in Germany!
Für Voices absolut geeignet. Hätte ich nicht schon ein Neumännchen, hätte ich es behalten.
 

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