Sextakkorde in der Pop(ular)-Musik

Akkordfolgen, die von einer logisch konsistenten Bass-Linie getragen werden, wobei die Basstöne jeweils NICHT die Akkord-Grundtöne sind

Das hier sind zwar auch teilweise die Standardprogressionen, die du schon kennst, aber es wird sehr übertrieben deutlich ausgeführt und zieht sich durch ganze Passagen, so dass man sagen könnte der Song beruht auf der Idee:

Eric Clapton - Tears in heaven
Strophe anfangs eher Standard, aber spätestens der zweite Teil (I must be strong...) ist schon was Eigenes.

und noch schöner vom selben Clapton - Let it grow
Strophe (in Moll) verschachtelt zwei dieser Klischees hintereinander, Refrain ist dann plötzlich in Dur, auch ein schöner Effekt.

mal was ganz Einfaches: Kings of Leon - Use somebody :)
Ist nur C C/E und F. Zweite Runde Am und F. Immer wiederholen - der Witz ist, dass danach nichts mehr kommt, das war das ganze Lied. (Es gibt kurz vor Ende einen einzigen anderen Akkord, so als Coda.) Was wäre der Song ohne die Terz im Bass.


Also für mein Empfinden wimmelt es in der Popmusik von diesen Akkordverbindungen. Klar, wenn du die alle nicht mitzählen willst...
- Du willst ja die "instrumentaltechnischen" weglassen. Dabei ist das dort womöglich grad die Kompositionsgrundlage, viel Harmonie ist da nicht, warum auch. (Beispiel America - Horse with no name)
- und du willst
nur ein Akkordübergang, zumal ein Akkordübergang, der IMMER so gespielt wird, wie Cmaj7 - G/B - Am ...
nicht mitzählen...
dafür gäb es hunderte Beispiele.
In der Popmusik werden halt ganz bewusst immer ähnliche Verbindungen wiederholt und weiter recycelt. Siehe das berühmte Lied mit der 4-Akkord-Folge, über das über 40 bekannte Titel angesungen werden.
Die "Sextakkorde" nach denen du fragtest (mit anderen Tönen als dem Grundton im Bass) sind schon sehr weit verbreitet.
 
In der Popmusik werden halt ganz bewusst immer ähnliche Verbindungen wiederholt und weiter recycelt.

Eben. Und nach NEUEN und ungewöhnlichen hätte ich gesucht ... . Diese bräuchten auch nicht extra neu erfunden werden, ... in der Klassik wimmelt es vor Vorlagen ...

Danke für Deine Beispiele.

LG, Thomas
 
Warum zählt denn das Clapton Beispiel jetzt auch wieder nicht? Die Akkorde sind absolut nicht nur instrumentaltechnisch so eingesetzt (vorausgesetzt, man versteht unter "instrumentaltechnisch" - vllt. weil gerade auf der Gitarre ausgeführt - einen Kompromiss, weil eine andere Lage / Umkehrung schlicht ungreifbar wäre), sondern lassen sich eigentlich auch in gleicher Lage mit den Grundtönen im Bass spielen. Nur klingt es dann eben banaler und viel weniger nach "Tears In Heaven".

Naja, und wenn es absolut "NEU" und dann auch noch UNGEWÖHNLICH sein muss... vllt. suchst du mal lieber im Fusion Jazz nach abgefahrenen chord progressions, anstatt im Pop. Vor Allem suchst du wahrscheinlich wirklich am besten selbst. Scheint halt so, als jagtest du einem bestimmten Klangbild nach, das du irgendwo gehört hast (oder auch nicht), und jetzt stellt es sich als unauffindbar heraus. Meistens ist es aber die schwierigere Variante, vom Versuch einer theoretischen Beschreibung auf den gefragten Klang zu schließen, als andersherum (zumindest hier, weil die Bandbreite einfach ... breit ist).
 
Ich fürchte, Du hast nicht verstanden, worauf es (mir) ankommt ...

LG, Thomas
 
Eben. Und nach NEUEN und ungewöhnlichen hätte ich gesucht ... .
Da fallen mir spontan zwei Beispiele ein. Einmal `Shot with his own gun´ von Elvis Costello "...On your marks, man, ready, set Let's get loaded and forget" Aber Costello nutzt häufig eine eigenwillige Harmonik ;) Die aber auch teilweise dadurch bedingt war, oder besser gesagt noch deutlicher wurde, dass der damalige Bassist Bruce Thomas sich wohl gerne um die Grundtöne gedrückt hat :)
Dann von David Bowie `Life on Mars´ "...But the film is a saddening bore, For she's lived it ten times or more, She could spit in the eyes of fools, As they ask her to focus on" Das ist für mich ein wunderschönes Beispiel, wie man "einfache" Akkorde geschickt in ein harmonisches Gewand packt. Erinnern tut mich das an den Mittelteil von einem Beach Boys Song `God only knows´ Auch fleißige Nutzer von Sextakkorden.

Ansonsten gibt es sehr viele Beispiele für die "normale" Nutzung von Sextakkorden.
 
Einmal `Shot with his own gun´ von Elvis Costello "... Dann von David Bowie `Life on Mars´ "...But the film is a saddening bore, For she's lived it ten times or more, She could spit in the eyes of fools, As they ask her to focus on"

Danke für die Beispiele.

LG, Thomas
 
Hallo Thomas,

OK dein thread ist nicht mehr ganz taufrisch, die Geschichte des Sextakkords ist aber schon einen Tick länger und - wie ich finde - weiterhin topaktuell.
Warum finde ich deine Ausgangsfrage interessant: Vor meinem musikalischen Hintergrund als Schulmusiker / Kirchenmusiker habe ich von Popularmusik herzlich wenig Ahnung. Sextakkorde habe ich aber in eigenen (Choral-) Sätzen jede Menge verbaut.
Aktuell höre ich mit Begeisterung Survivor. Ich bin fasziniert von der Komplexität der harmonischen Strukturen. Meine Vermutung: Die auskomponierten, kühnen harmonischen Wendungen und deren emotionale Wirkungen kommen nicht von ungefähr. Insbesondere ohne Sextakkorde (erste Umkehrung! Nicht: Sixte ajoutée! Auch nicht: S⁶) wären diese Strukturen wohl nicht denkbar.
Mein Problem: Ich brauche den Notentext um eine Analyse zu versuchen. Die (ausnotierten) Noten der Songs sind für mich nicht greifbar. Vielleicht hapert es an meiner oldschool-Medienkompetenz.

Kannst du mir da weiterhelfen?
Konkret möchte ich "Jackie don't go" untersuchen. Hier vermute ich ein musikalisches Zitat mit einem einzigartigen Effekt auf die Harmonik des Refrains.

Gruß
Jürgen
 
Kannst du mir da weiterhelfen?
Konkret möchte ich "Jackie don't go" untersuchen.
1) Leider nein. Weil ich selbst nie nach Noten suche, und deswegen auch weder eine Notensammlung besitze noch weiß, wo man im Netz
derartiges finden könnte
2) Ich verstehe nicht ganz, wie "Jackie don´t go" in den Kontext dieses (uralten) Threads hineinpassen sollte ...

LG
Thomas
 
@Jürgi76, wenn du bei der Suche nach Noten im Internet statt dem deutschen Wort "Noten" das englische Wort "sheet" eingibst neben dem Titel, ist die Trefferquote normalerweise unvergleichlich höher. Denn die allermeisten Download-Portale für Noten sind amerikanischer/englischer Provenienz. Musescore ist auch eine gute Quelle, wobei man dort für den Download ein, allerdings günstiges, Abo abschließen muss. Bei den Portalen kann man einzelne Werke/Lead-Sheets kaufen ohne Abo-Zwang.
Quellen, wo man Noten aktueller Stücke kostenlos angeboten bekommt sind in der Regel illegal. Klassische Werke auf die es kein Copyright mehr gibt finden sich dagegen auch kostenlos im Internet, oft aber in zweifelhaft von Amateuren gesetzten Notierungen.

Eine Anmerkung zum Thema des Threads sei mir noch erlaubt, obwohl er tatsächlich schon uralt ist (ich bin aber erst jetzt darauf gestoßen):
In den allermeisten hier aufgeführten Beispielen sind die Sextakkorde im Prinzip Durchgangsakkorde über die dominierende Basslinie, wo z.B. die Folge F-E-Eb usw. einen C-Dur-Sextakkord mit E in Bass provoziert, der aber harmonisch nur als Durchgang zum Folgeakkord auftritt und typischerweise keine oder nur selten eine dominantische Funktion hat. Oft wird auch die größere klangliche Labilität des Sextakkords im Vergleich zur Grundstellung mit dem Grundton im Bass ausgenutzt (bei Dur-Akkorden empfinde ich dies Labilität deutlicher als bei Moll-Akkorden). Das empfinde ich dann sozusagen klanglich "schwebender" und weniger konkret.

Das unterscheidet die hier vorgestellten Beispiele der Verwendung von Sextakkorden sehr deutlich von ihrer Verwendung in früheren Zeiten.
So findet sich z.B. in den Chorälen von J.S. Bach der Sextakkord vorwiegend in dominantischer Funktion. Der Basston - hier die Terz der Dominante - wird dann auch folgerichtig und zwingend in den Grundton der Tonika aufgelöst (z.B. E -> F). So gesetzt hat der Sextakkord nichts labiles oder schwebendes, sondern wegen seiner dominantischen Funktion etwas zwingendes, schlüssiges. Wenn die Dominante mit Terz im Bass dann auch noch als Septakkord auftritt (Fachbezeichnung: Quintsextakkord), dann wird diese schlüssige Wirkung noch deutlicher.
Typischerweise wählt Bach diese Stellung der Dominante mit Terz im Bass, wenn er im Bass eine schrittweise aufwärts geführte Linie als Gegenbewegung zu einem Abwärtssprung bzw. allgemein einer Abwärtsbewegung in der Sopran-Melodielinie braucht.
 
Ein weiterer Versuch ...
Hi Turko,
schau Dir mal den B-Teil an. Genial wie Porter die Sextakkorde verwendet!

1695557918207.png
 
Ein Beispiel aus diesem Jahrtausend ist von Maroon 5. Ganz prominent in der Strophe:


View: https://www.youtube.com/watch?v=XPpTgCho5ZA

Das kann man auch gut als Beispiel einer Strophenmelodie nehmen, bei der weder der Anfangston noch der Schlußton der Grundton ist (um Harmonielehre-Schüler durcheinander zu bringen;))
 

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