Tutorial: Heute komponiere ich... eine Fuge

M
Moin95
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
25.11.25
Registriert
28.03.16
Beiträge
32
Kekse
2.450
Hallo Leute,

nach meinen Ausführungen zum Musikstudium wollte ich ein kleines Tutorial zu einer kompositorischen Aufgabe erstellen und möchte euch hiermit eine kleine Anleitung zum Schreiben einer Fuge posten. Warum das Ganze? Meiner Ansicht nach gibt es viel Literatur zur Analyse von Musik, aber die Übertragung der Theorie auf die kompositorische Praxis kommt deutlich zu kurz. Durch Youtube mag sich das zum Teil geändert haben (ich habe das nicht nachvollzogen!), aber als ich selbst vor Jahren bis Jahrzehnten danach Ausschau gehalten habe, bin ich nicht fündig geworden.

Mit diesem kleinen Beitrag möchte ich vor allem diejenigen animieren, die kontrapunktische Künste bewundern, vielleicht auch ein paar Regeln nachgelesen haben, sich aber nie richtig getraut haben, selbst kreativ zu werden. Ob mein Konzept didaktisch gut ist, wird sich vielleicht noch zeigen. Ganz bewusst halte ich alles so einfach wie möglich, damit man sich nicht in komplizierter Satztechnik verliert, weil man alles richtig machen möchte. Für mich wäre es entscheidend, dass das Ergebnis "gut" (im weitesten Sinne) klingt (tonal, und harmonisch nachvollziehbar). Dadurch kann man, meiner Ansicht nach, nachvollziehen, was es für Prinzipien gibt und, dass sich diese auch gut nachahmen lassen.

Zur Einführung sei z.B. auf folgenden Artikel verwiesen: https://www.lehrklaenge.de/PHP/Formenlehre/FugeFormprinzip.php
-
Prinzip: In einer Fuge erklingt zunächst der Dux (Thema), anschließend der Comes (im Prinzip ein transponierter Dux), meistens auf der fünften Stufe. Das war es eigentlich schon an Grundgerüst. Dux und Comes setzen dann mehrfach versetzt in verschiedenen Stimmen (z.B. Tenor und Bass) ein, begleitet von einer weiteren kontrapunktischen Stimme (Kontrasubjekt). Ein solcher Teilabschnitt wird häufig von einer "Codetta" beendet. Irgendwann wird eine Abschluss-Coda erreicht. Dazwischen kann es Zwischenspiele geben, die das Geschehen etwas auflockern (in diesem Beispiel jedoch nicht).

Ganz einfache kontrapunktische Überlegungen: Man sollte beim Aussetzen darauf achten, welche Intervalle gleichzeitig erklingen, bzw. übereinander liegen. Terzen und Sexten können mehrfach hintereinander kommen, Dissonanzen aber jeweils nur einmal, sie müssen zwingend schrittweise in eine Konsonanz aufgelöst werden. Das Abspringen aus Dissonanzen (also Dissonanz stehen lassen und nach einem Sprung einfach weitermachen) ist also nicht gestattet. Es sei auf das Parallelverbot verwiesen, nach dem z.B. Quinten nicht parallel geführt werden dürfen, nach einer Prime, Quinte und Oktave muss, vereinfacht gesagt, eben ein anderes Intervall kommen (ich führe das nicht näher aus, weil man die Details an anderer Stelle nachlesen kann. Wenn man, wie ich, auch etwas faul ist, kann man versuchen, Quinten möglichst zu vermeiden. Ebenso umgeht man das Problem durch eine Gegenbewegung, wie auch im üblichen Tonsatz. Daran sieht man auch, wie eigentlich alles zusammenhängt und, dass die Trennung zwischen Tonsatz und Kontrapunkt eigentlich nicht sinnvoll ist).

Dann geht's auch schon los, wir beginnen mit dem Dux (es handelt sich dabei übrigens um irgendeinen Melodieanfang von Georg Muffat). Der Dux steht in D-Moll.
Im dritten Takt setzt der "Comes" ein, er steht in A-Moll (fünfte Stufe). Um die Wirkung zu verstärken, habe ich extra den Leitton eingebaut (Gis) :p

Wie man sieht, gibt es recht häufig parallele Terzen. Der Grund ist schlicht und ergreifend, dass man mit Ihnen satztechnisch kaum etwas falsch machen kann (s.o.). Kompositorisch besonders einfallsreich ist es indes nicht.

1763458343292.png


In Takt 5 erklingt die Codetta, ab Takt 6 beginnt der neue Durchgang mit dem Dux im Bass, es kommt eine dritte Stimme hinzu.
Das Kontrasubjekt muss ggf. an manchen Stellen angepasst werden, um die Kontrapunktregeln nicht zu verletzen (Dux und Comes können bei Bedarf natürlich auch angepasst werden).

1763458937453.png


Ab Takt 10 kommen wir zum Ende der kleinen Fuge, in dem wir eine kleine Kadenz bilden.
1763459095027.png


Weil ich so ein freundlicher Mensch bin, hänge ich noch ein Video der Fuge (Sibelius-Export) an. Man kann so etwas übrigens problemlos rein auf dem Papier aussetzen. Gerade für den Anfang ist es aber hilfreich, wenn man es mit einem Notensatzprogramm macht und sich bestimmte Stellen gleich anhören kann.
Insgesamt habe ich ca. eine Stunde dafür gebraucht. Ich würde mich freuen, wenn diese Erläuterungen hilfreich sind und sogar dazu führen, dass einer von euch etwas Ähnliches versucht. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, einfach nur "anzufangen".

 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
  • Interessant
Reaktionen: 7 Benutzer
...gar nicht so einfach alles so zu arrangieren, ohne dass die Stimmen irgendwo dissonant kollidieren. Natürlich habe ich es mir mal wieder auch nicht einfach gemacht und musste es gleich mit drei Stimmen probieren. Zu allem Überfluss habe ich zwei Durchläufe gewählt, wobei ich beim Zweiten in einer anderen Lage begonnen habe. So mussten Dux und Comes nicht nur mit dem Abstand einer Quinte harmonieren, sondern auch in einer Quarte. Jetzt habe ich etwas zu puzzeln...
 
Hallo,

das mit der Quarte ist ein interessanter Punkt, historisch gilt die Quarte im zweistimmigen Satz als dissonant (im mehrstimmigen Satz nur bei einem Quartsextakkord, also vom Bass aufwärts), ist dabei aber gleichtzeitig die Umkehrung der Quinte (der Comes kann also auch eine Quarte unter dem Dux beginnen).
Diese Probleme sind lösbar, in dem man darauf achtet, dass man eher in Sextakkorden fortschreitet und, in dem man Dux und Comes situationgerecht anpasst.

Hier gab es noch eine Beitrag zu einem ähnlichen Thema: https://www.musiker-board.de/threads/bestimmung-von-dux-und-comes.555296/

Was übrigens auch gut funktioniert ist, wenn man erstmal homophon in Vierteln denkt und aussetzt. Im zweiten Schritt kann man dann z.B. aus Vierteln Achtel machen (z.B. zur Konstruktion des Kontrasubjekts) und dabei dezidiert darauf achten, dass Dissonanzen schrittweise aufgelöst werden (sie treten so übrigens auch schrittweise auf). Das wäre dann genau das, was in den gängigen Lehrwerken als "1 gegen 2" beschrieben wird.
Magst du mal deinen Dux posten, oder das, was du bisher ausgesetzt hast?

Auf der oben verlinkten Website steht übrigens, dass der Comes "in der Dominante kommt". Das ist natürlich so nicht korrekt und führt vielleicht zu Verwirrung, er erscheint auf der fünften Stufe und muss nicht zwingend in Dur sein (Die Dominante ist ja sowieso ein Akkord und keine Tonart). Ich konnte den Beitrag nicht mehr editieren, daher hier der Hinweis.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber gerne doch, auch, wenn ich (noch) nicht stolz darauf bin.

Fuge#1.png


Ich denke, ich werde bei Zeiten noch mal von neuem beginnen und mir bei der Wahl der Noten des Comes mehr Mühe geben.
 

Anhänge

  • Fuge.mp3
    2,2 MB
  • Interessant
Reaktionen: 1 Benutzer
Hallo,

ich finde das ganz ordentlich.
Folgendes fällt mir sofort auf: Der Comes beginnt auf einem A, die Oberstimme hat dabei ein D. Das wäre satztechnisch falsch, da du mit einer Dissonanz beginnst (Quarte). Klanglich finde ich auch, dass es dadurch an der Stelle etwas "schräg" klingt. Mit ähnlichen Fehlern geht es weiter, auf die Quarte folgt eine weitere Dissonanz (große None), dann eine kleine Septime usw. Du könntest, als einfache Korrektur, die Oberstimme anpassen, z.B. im vierten Takt die letzten beiden Achtel um einen Ton nach oben verschieben (also zu E und D) und, im fünften Takt, aus der Viertelnote "Bb" ein C machen. Wenn Du sukzessive so weitermachst, hast du in Kürze ein annehmbares Ergebnis :)
 
  • Interessant
Reaktionen: 1 Benutzer
Danke für die Rückmeldung. Ich werde das mal versuchen und sehen, wohin es mich führt. Insgesamt werde ich es aber wohl als ersten Versuch verwerfen und probieren ein etwas geschickteres Thema zu finden. Vielleicht poste ich das dann bei Zeiten dann hier...
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben