Verbindung Songtext zu seiner Musik auflösen. Wie?

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Poppotov
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Dieses Thema ist nur für hartgesottene Insider! Es ist die Umkehrung dessen, was Songwriting will!
Ich habe einige Songs, die sind "ewige Baustellen". Dieser Fall ist aus 1972, also quasi eine Jugendsünde, die mich seit Jahrzehnten verfolgt.
Die Melodie hat was. Kürzlich habe ich ein sehr einprägsames Riff für den Turn gehabt. Deshalb jetzt das Problem! Im Text geht es um den Abschied eines jungen Mannes, der in einen Freiheitskrieg zieht. Der Text ist weder gut, noch witzig, noch sonstwie lobenswert. Ich will damit nichts mehr zu tun haben!
Ich spiele auch immer nur Strophe 1, da ist die Hook, alles nur Wiederholung. Da wird halt die Melodie geboren und der Ansatz zur fatalen Songstory.
Klar, ich kann den Song komplett ignorieren, ich habe wahrlich genug. Trotzdem, ich schaffe es trotz meiner großen Routine nicht, eine vernünftige Story zur Hookline zu entwickeln. Noch weniger schaffe ich es, von der Melodie die Hookline zu lösen.
Hatte jemand mal die gleiche Beobachtung beim Komponieren?
 
Willst Du selbst einen neuen Text schreiben?
Es gäb ja auch die Möglichkeit, die Musik hören zu lassen und andere schreiben einen Text dazu. So was hat es als Art contest hier schon mal gegeben. War erstaunlich, wie viele Entwürfe da kommen, die unterschiedlich waren, aber trotzdem passten.

Textliche und musikalische Baustelle habe ich etliche, aber im Grunde kein Problem damit, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass für alles seine Zeit kommt. Und wenn nicht, dann nicht.

x-Riff
 
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Ja, die Lösung, einem anderen Texter die Chance zu geben, liegt nahe. Ich schreibe ja gelegentlich auch neue Texte auf bekannte Songs. Einen neuen Text auf "Yesterday"? "Griechischer Wein" war wohl auch so eine Geschichte.
Wenn ich über ein Thema spreche, finde ich oftmals danach eine überraschende Wendung. Danke fürs Mitmachen.
Texte verbessern ist ja meist eine recht einfache Sache, auch ohne fremde Hilfe. Dieser Jugend-Fehlgriff war ja ein einmaliger Ausrutscher. Vielleicht ist der Song für mich überhaupt deshalb noch interessant? Überspitzt: Warum hat gerade diese Melodie so einen Ballast zu schleppen? Erstmal Danke!
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Ps. Mit Baustellen habe ich auch kein Problem. Ausnahmen reizen mich, musikalisch und intellektuell.
 
In der Vergangenheit ist man mit derlei Dingen ganz locker umgegangen. Z.B. zu Zeiten Johann Sebastian Bachs war es üblich, ganz verschiedene Texte auf ein und dieselbe Melodie zu setzen. So konnte mal eben aus einem weltlichen Lied ein geistliches werden und umgekehrt.
Wenn es dich näher interessiert, google mal nach "Kontrafaktur".
Wenn du selber keine Idee findest zu der Melodie, frage andere. Auch die Idee, hier im Forum um Vorschläge zu bitten halte ich für konstruktiv.
 
Dieser Jugend-Fehlgriff war ja ein einmaliger Ausrutscher. Vielleicht ist der Song für mich überhaupt deshalb noch interessant?
Spannend. An anderer Stelle schreibst Du Jugendsünde. Mit Jugend verbinde ich Unbekümmertheit bzw. eine "Was soll's"-Haltung. Vielleicht übt ja die Haltung hinter dem Text diesen Reiz aus. Das, was Du nicht loslässt.
Und wäre man da nicht der eigene Zensor, der Jahre später einfach darüberwischt, streicht und etwas anderes an die Stelle setzen will?

Oder andersrum: Dich reizt die damalige Ernsthaftigkeit des Textes, sein Anliegen, etwas sagen, etwas verändern zu wollen. Auch wenn Du es mit den damalig begrenzten Mitteln umgesetzt hast und das Ergebnis dich nicht zu überzeugen vermag - das Anliegen war Dir Ernst, deine Emotion echt.

Ich habe einige Texte oder songs, die ich nicht mehr spielen würde, die ich aber auch nicht umdichten oder verbessern würde - einige Anläufe, die ich gemacht habe, blieben entweder ergebnislos oder auf halber Strecke stecken, klangen hölzern, aufgesetzt, bemüht. Ich hatte zudem ein mulmiges Gefühl, so als würde ich etwas antasten, das unberührt bleiben sollte. Man geht ja auch nicht hin und schreibt seine Tagebücher um oder verbessert sie.

Während ich dies schreibe, kommt mir die Frage, wie es wäre, wenn ich zu einer älteren Melodie, die mit einem solchen Text verbunden ist, einen anderssprachigen neuen Text schreiben würde. Hätte ich dann noch das Gefühl, ich griffe in etwas ein, das unangetastet bleiben sollte?

Spannend die Frage, ob diese Blockade, diese Verschmelzung nicht auch etwas Positives hat. Das erste, was mir persönlich einfällt, wäre, dass es gut ist, dass es Dinge gibt, die nicht verwertbar sind. Auch nicht im Nachhinein. Die einfach so bleiben dürfen wie sie sind. Wie ein Stein. Wie Moos. Wie das Nordlicht.

Anderer Gedanke: Was an dem song will bewahrt bleiben? Was soll nicht geopfert, weggeworfen, eingeebnet werden?

x-Riff
 
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Nette Antworten! Ich hatte bereits als 17-Jähriger den Text als "schwach" und "falsch" empfunden. Abschied nehmen, um in den Tod zu ziehen? (Hintergrund waren vermutlich Erzählungen aus dem spanischen Bürgerkrieg). Aus dieser Zeit habe ich viele andere Songs, die ich jederzeit mit Freude und Überzeugung spielen kann. Ich sehe gerade mein in der Jugend unbekümmertes Schaffen sehr positiv. Erstaunlich ist sogar, wie wenig mein inneres Kind altert.
Ich hatte zwischen den Strophen immer so eine Art "unspielbares" Stones-Riff. Das habe ich jetzt komplett wegeschmissen und ein Bassriff. Wieso packt man nach 50 Jahren wieder einen Song der Kriegsverherrlichung an, um ihn richtig zu stellen? Mit Gewalt wird die Welt nicht friedlicher und 17-Jährige sollten Lösungsfantasien zügeln, in jedem Thema. Im Kern ging die Textfrage so: Welche Motivation für ein höheres Ziel darf größer als die Liebe sein? Darf man seine Freundin verlassen, um an einem imaginären Freiheitskampf teilzunehmen?
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Bewahrt werden will die Melodie. Hoffentlich ist die tatsächlich von mir😅
 
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Dieses Thema ist nur für hartgesottene Insider!
Ich antworte trotzdem. :D
Trotzdem, ich schaffe es trotz meiner großen Routine nicht, eine vernünftige Story zur Hookline zu entwickeln.
Na ja, ich denke die Melodie ist bei dir mit der Story verbunden. Du könntest jetzt jemandem die Melodie vorspielen und ihn fragen, was er damit am ehesten verbindet. Aus dieser Aussage könntest du einen neuen Text entwickelnd. Es gibt für mich allerdings vielleicht ein noch lohnenderen Weg:
Deshalb jetzt das Problem! Im Text geht es um den Abschied eines jungen Mannes, der in einen Freiheitskrieg zieht.
Aus der Geschichte dieses jungen Mannes machst du jetzt z.B. die Geschichte des älteren Mannes der sich kritisch fragt, wie er in seiner Jugend den Freiheitskrieg verherrlichen konnte. Damit bleibt die Verbindung der Melodie zum ursprünglichen Text bestehen, nur der Betrachtungswinkel ändert sich (wie bei einem Film der die gleiche Szene aus verschiedenen Perspektiven zeigt).

Das wäre doch ein guter Weg diesen jungen Mann nicht zu verneinen sondern ihn aus der Zukunft zu kontaktieren um ihn woanders hinzuführen. Egal wie du es jetzt genau machst, ich hoffe es kommt rüber in welche Richtung es gehen könnte.
:hat:
 
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Welche Motivation für ein höheres Ziel darf größer als die Liebe sein? Darf man seine Freundin verlassen, um an einem imaginären Freiheitskampf teilzunehmen
Das sind doch absolut valide Fragen. Ein Lied darf auch gerne Fragen unbeantwortet lassen. Oder einen radikalen Ansatz vertreten, den du als Autor nicht teilst, ohne deine eigene Meinung explizit zu machen - vertraue darauf, dass ein Publikum sich zu positionieren vermag.
 
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Schön, dass sich jemand für solch seltene Phänomene interessiert. Die Verbindung "Text mit seiner Musik" hat in dem Fall was von einer festgerosteten Schraube. Vielleicht hilft einfach kein Karamba (in meinem Kopf).
Ich würde nur Texte vortragen, zu denen ich als Autor stehe. Als Hörer meide ich ja auch alles, was auch nur ansatzweise Richtung "Verherrlichung von irgendwas" geht, sei es verbal oder in Attitüde.
Ich hatte es schlicht nie geschafft für diese Hook (sinnbildlich "Muss i denn, muss i denn") eine passende Story zu finden. Das Problem sind die wenigen Silben, die frei zur Verfügung stehen.
Meine Grundthese, besser ein schlechter Text als gar keiner, stößt halt auch auf Ausnahmen. Vielleicht mache ich den Jungen viel nachdenklicher für sein Tun, das könnte tatsächlich wohin führen. "Abschiedslieder" sind mir altersbedingt aber wohl ein Gräuel. Zuviele Abschiede!
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Schreibe es, nehme die Gitarre in die Hand und spiele zu dem alten Text eine völlig andere Begleitung! Da passen auch alle Änderungen gut rein. Jetzt wird der Text mit neuer Melodie aufgefrischt. Die alte Melodie wird so "befreit".
Reden hilft immer.😀
 
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Wenn ich dich richtig verstehe, geht es dir unter anderem um eine Textzeile. Du möchtest einen anderen Text, aber die Silbenzahl und das Versmaß soll erhalten bleiben? Quasi "Alle meine Enten" mit "Backe, backe Kuchen" ersetzen?

Dann stell doch die konkreten Zeilen hier rein und lass das Forum seine Magie entfalten.
 
Danke, das Forum hat doch schon geholfen! Ich habe die Verbindung Text zu Musik gelöst, indem ich dem Text eine neue Musik gebe. Dadurch habe ich die "Melodie befreit". Weil der Text jetzt woanders festklebt! Man muss Dinge immer nur umdrehen, quasi das Gegenteil des Üblichen denken.
Das war mir soviel Erfolg, dass ich gleich einen dritten Song mit Text in den Fingern und auf der Zunge hatte (siehe Lyricsforum).
 
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Letztens habe ich gelesen, dass bei "Du hast den Farbfilm vergessen" zuerst die Musik geschrieben wurde, dann ein Text, der als nicht gut genug abgelehnt wurde, dann der jetzige.
Ich glaube, Grönemeyer hat auch mal erzählt, dass er teilweise erst die Musik und dann den Text macht.

Also such Dir jemand, der Dir einen neuen Text schreibt - oder versuch mal selbst.
Oder stell die Musik vielleicht mal ins Forum, vielleicht hat jemand Bock auf texten ;)
 
Wenn man sich "Lucky Man" von ELP anhört, gibt es dort auch den Move von einem der glorreich auszog und dann den Tod fand... Ich finde daran nichts verwerflich, immerhin ist es Kunst. Abgesehen davon kannst Du ja mal Fernsehen gucken, wie oft dort Gewaltorgien stattfinden und auch damit einer Art "Verherrlichung" unterliegen.

Wenn Du die Hook magst, dann stelle sie doch mal hier ein. Es werden sich bestimmt ein paar Leute finden, die daran "herumschrauben".
 
Danke für die Anregungen. Wer zu meiner Musik texten, singen, spielen will: Dafür gibt es doch speziell programmierte Webangebote, die explizit den Workflow von Studiomusikern unterstützen.
Da gibt es doch ganz viel zu finden. Das ist keine Kritik an den Möglichkeiten hier!

Zum "Jemand-zieht-in-den-Krieg"-Text: Durch die neue Musik, an der die Idee jetzt klebt, entstanden neue Möglichkeiten. Ich konnte die Textbotschaft also stark verbessern. Spiele diesen Text jetzt sogar wieder gerne.
Danke allen Interessierten.
 
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