Warum gibt es keine wirklich flachen Gitarren-Boxen?

  • Ersteller crashonline
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wir hatten mal in der Schule (vor sehr sehr langer Zeit) 2 selbstgebaute Boxen.
Keine Ahnung wo wo sie kamen, sie waren einfach da.
Die waren riesig aber sehr flach, fast so flach wie die verbauten Lautsprecher (15-20 cm)
Es waren 8 oder 10 Lautsprecher drin.
Man konnte nicht mal einen Verstärker darauf stellen.
Ständig umgekippt wenn man dagegen aus versehen kam.
Wir müssten dann höllisch aufpassen.
Jedesmal beim Umkippen war der Stecker hinten abgebrochen:mad:
 
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wir hatten mal in der Schule (vor sehr sehr langer Zeit) 2 selbstgebaute Boxen.
Keine Ahnung wo wo sie kamen, sie waren einfach da.
Die waren riesig aber sehr flach, fast so flach wie die verbauten Lautsprecher (15-20 cm)
Es waren 8 oder 10 Lautsprecher drin.
Man konnte nicht mal einen Verstärker darauf stellen.
Ständig umgekippt wenn man dagegen aus versehen kam.
Wir müssten dann höllisch aufpassen.
Jedesmal beim Umkippen war der Stecker hinten abgebrochen:mad:

Waren das PA-Boxen oder Gitarren-Boxen?
Wie klangen sie?
 
Nun, warum gibt es keine flachen Boxen? Erst einmal aus praktischen Gründen. Eine Box muss so tief sein, dass der Speaker rein passt. Außerdem würde eine sehr flache Box eher umfallen.

Nun kommt auch die Unterscheidung zwischen Dipol und Monopol zum tragen. Gemeint das damit die Bauform und die damit einhergehende Abstrahlcharakteristik.
Eine Box die hinten offen ist arbeitet (zumindest bei tiefen Frequenzen) als Dipol. Das Abstrahlverhalten gleicht einer 8. man hat 2 gegenphasige Abstrahlkeulen, eine vorne, eine hinten. Seitlich löschen sich die gegenphasigen Schallanteile aus.
Die Charakteristik bleibt auch erhalten, wenn man den Speaker in ein offenes Gehäuse einbaut, dabei wird aber weniger Schall ausgelöscht, je größer das Gehäuse ist. Der Grund ist der Umweg für den Schall, denn schall bewegt sich mit ungefähr 340m pro Sekunde.
Es würde also auch ein Brett reichen, in das man den Speaker einbaut. Nur mit dem bloßen Speaker hätte man große Einbußen bei tiefen Frequenzen. Je größer das Brett wird, in das man den Speaker einbaut, desto tiefer wird der Bass.
Weil ein Brett mit einem Speaker unhandlich wäre und einfach umfallen würde, hat man sich für eine offene Kiste entschieden. Die unterscheidet sich von dem Brett nur dadurch dass sie mit zunehmender Tiefe eine immer größere und tiefer gelegene Resonanzspitze ausbildet. Die wird auch zur "Einfärbung" des Klangs genutzt.
So waren die ersten Lautsprecherboxen gebaut, denn die Antriebe waren schwach und hätten in einem geschlossenen Gehäuse für eine dröhnende Überhöhung bei der Resonanzfrequenz gesorgt. In der Mitte des letzten Jahrhunderts wusste man auch noch nichts von Thiele Small Parametern, die das Verhalten eines Lautsprechers bei tiefen Frequenzen überhaupt erst einigermaßen berechenbar machten.

Mit stärkerem Antrieb kann man einen Speaker auch in eine geschlossene Box bauen, ohne dass er eine Überhöhung bei der Resonanzfrequenz ausbildet. Je stärker der Antrieb ausfällt, desto kleiner kann das Gehäuse werden, ohne dass es zu einer Überhöhung kommt. Je kleiner das Gehäuse wird, desto weniger tief reicht dabei der Bass. Es gibt auch Lautsprecher, die für tiefen Bass aus kleinen Gehäusen konstruiert sind, aber die haben einen viel geringeren Wirkungsgrad.
Speaker mit starkem Antrieben sind auch weniger für offene Boxen geeignet, sie klingen darin dünn.
Will man ein kleines Gehäuse, muss man also Abstriche beim Wirkungsgrad oder beim Tiefgang machen. Klein, tief und mit hohem Wirkungsgrad geht nicht.
Da man als Gitarrist auf einen hohen Wirkungsgrad angewiesen ist und auch noch etwas Bass haben möchte (sonst klingt es dünn), kann man das Volumen nicht beliebig verkleinern.

Langer rede, kurzer Sinn:
Tiefer Bass benötigt Volumen oder kostet Wirkungsgrad. Hoher Wirkungsgrad braucht Volumen oder kostet Tiefgang. Wirkungsgrad, Volumen und Tiefgang stehen in einer Dreiecksbeziehung.

Da sich die physikalischen Gesetze nicht umgehen lassen gibt es keine sehr flachen Boxen, denn die müssten dafür höher und breiter werden, was ziemlich sperrig wäre.

Ein Gitarrenspeaker braucht einfach Volumen, das liegt an seiner Konstruktion. Die Membran ist meistens sehr leicht und meistens mittelhart aufgehängt. Der Antrieb ist fast immer recht schwach.
Das führt zu einem mäßig großen Aquzivalentvolumen (Vas), zu einer hohen Resonanazfrequenz (fs) und zu einer hohen bis sehr hohen Gesamtgüte (Qts)
Bei sehr hohen güten (über 1,0) würde ich ein geschlossenes Gehäuse ausschließen, es würde zu leicht zum Dröhnen neigen.
Geschlossen ist ein gewisses Volumen von Nöten, sonst leidet der Tiefgang. Für Tiefen bass in kleinem Volumen müsste man Vas kleiner bekommen, das geht über eine härtere Einspannung. Dadurch steigen Qts und fs. Man braucht also eine schwerere Membran, um Fs zu senken. Qts steigt dadurch weiter. Um Qts wieder in einen brauchbaren bereich abzusenken, braucht man einen um ein Vielfaches stärkeren Antrieb.
Schaut euch mal übliche Car Hifi Subwoofer an, die sind so gebaut. Der Nachteil an der Sache ist der wirklich beschissene Wirkungsgrad solcher Konstruktionen.
Will man bei gleichem Tieffang bei halber Gehäusegröße verliert man 3dB Wirkungsgrad. Das klingt nicht nach viel, bedeutet aber dass man für die gleiche Lautstärke doppelt so viel Leistung rein schieben muss.
 
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SUPER Erklärung Giusto!
Sowas wollte ich "hören". Danke!
 
Schön, dass ich helfen konnte. Sollten noch Frage offen sein, stellt sie einfach.
 
Die Konstrukteure von Gitarrenboxen machen sich solche Gedanken überweigend gar nicht.
Die Abmaße der 4x12" sind entstanden, indem Jim Marshall 4 12"-Speaker auf ein großes Stück Pappe gelegt und dann einen Rahmen drum gezeichnet hat.
Der Schräge auf den Marshall-Boxen hatte den Sinn, daß das relativ kleine Topteil auf der tiefen Box "albern" aussah, also hat er sie oben schmaler gemacht. Daß der Abstrahlwinkel dadurch günstiger wird, war Zufall.
Combos sind auf Kompaktheit gebaut - da mussen Speaker und Amphead reinpassen und das ganze darf nicht zu groß werden.
Ausserdem muss das Zeug auf einer Bühne stabil stehen - "flache" Amps würden zu oft umkippen. Röhrenamps müssen belüftet werden - also sind Combos hinten offen.
Der Speaker wird auch nicht entworfen, um zu einer Box zu passen, sondern umgekehrt: der Amp-Hersteller sucht entweder einen Speaker, der zum Amp passt oder nimmt das, was grade günstig zu bekommen ist.
Insofern gehen all diese Überlegungen weit an der Realität vorbei. Im Gitarrenbau sind Lautsprecherkonstruktionen Zufallsprodukt. Akustische Zusammenhänge werden selten und eher nachrangig berücksichtigt.

Stimmt absolut!
Es war noch schlimmer. Zur Entschuldigung muß gesagt werden, daß es damals keinen entsprechenden Lehrstuhl gab, es gab auch keine wissenschaftliche Abhandlungen über dieses Thema.
Also Schwamm drüber, sollte man meinen. Es gibt keine andere Branche in der so viel Halbwissen umherwirbelt und sich auch noch hält wie Pech, obwohl absolut falsch, wie diese Musikbranche.
Na gut. Welcher gute Physiker oder Ing. geht in dieses Jammertal, außer man hat `ne 4-
Und warum ändert sich nichts dran, weil es keinen interessiert.
 
Ich bin eigentlich ganz froh drum. Wenn Physiker und Dipl.-Ings sich an Musikinstrumenten versucht haben, ist da meistens Müll rausgekommen. Mir fallen nur 2 Ausnahmen ein: Kaman (Ovation) und Behringer.
Korrekte Berechnungen interessieren in dieser Branche wirklich keine Sau. Um Equipment zu bauen, das Gitarristen geil finden, sind Erfahrungswerte und Daumenpeilungen letztlich viel ergiebiger und effizienter.
Um in dieser Branche langfristig Erfolg zu haben und gutes Equipment herzustellen, muss man zuerst mal die Gitarristen verstehen. Dann hilft technisches Verständnis bei der effizienten Fertigung - aber das war's auch schon.
Der Erfolg hat Jim Marshall jedenfalls recht gegeben. ;)
 
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Es gibt keine andere Branche in der so viel Halbwissen umherwirbelt und sich auch noch hält wie Pech, obwohl absolut falsch, wie diese Musikbranche.
Zu Halbwissen kommt man, wenn man hier und da etwas aufschnappt.
Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen, aber eben nur die halbe Miete.
Jim Marshall musste auch Ahnung von Elektronik haben, um Verstärker zu bauen. Die hätten nämlich sonst nicht funktioniert.

Fragen wie die nach den flachen Boxen zeugen von einer gewissen Neugier. Wissen kommt immer an, wenn es gut vermittelt wird.
Ich ging die Fragestellung von der technischen Seite an, ohne zu sehr ins Fachchinesisch abzudriften und habe viele positive Rückmeldungen bekommen.
Es ist also ein Bedarf an Wissen da. Viele Leute wollen auch wissen, wie ihr Equipment funktioniert, was ich nicht für ganz unwichtig halte.
 
Ich will nicht als Besserwisser dastehen, aber zu 2. fallen mir die sogenannten Thiele-Boxen, z.B. von Mesa Boogie ein. Ich habe eine 1x12" besessen. Diese baut aber auch sehr tief. Sehr druckvoll aber auch sehr fokussiert. Stellt man sie hinter sich auf den Boden hört man im Stehen nur Bässe. Als Zweitbox für einen offenen Combo für größere Bühnen toll.
Gruß
ottoguitar
 
Da es ja im wesentlichen die Luft in der Box ist, die schwingt, kann man zwar Boxen bauen, die kaum größer als der Speaker sind, diese werden aber nicht besonders klingen weil sie nur einen Teil der Frequenzen wiedergeben können, die der Speaker produziert. Primäres Ziel einer Box ist es ja, den Schall zu bündeln und dann nach vorne abzustrahlen. Je nach verwendetem Boxenmaterial und Luftvolumen das sich innerhalb der Box befindet (oder auch des Boxenaufbaus wenn ich nur an Thiele Boxen denke) ergibt sich eine veränderte Resonanzfrequenz und ein verändertes Resonanzverhaltern (weicher vs härter). Eine Isolationsbox dient ja nur dazu, den Schall zwar in gewissem Maße entstehen und per Mikro abnehmen zu lassen, ohne das er nach außen dringt. Die Soundformung geschieht ja dann im wesentlichen in der Mixkonsole.
 
Da es ja im wesentlichen die Luft in der Box ist, die schwingt, kann man zwar Boxen bauen, die kaum größer als der Speaker sind, diese werden aber nicht besonders klingen weil sie nur einen Teil der Frequenzen wiedergeben können, die der Speaker produziert.
Der Speaker produziert diese Töne in einem zu kleinen Volumen erst gar nicht.
Grob gesagt hat man es mit einer Kombination aus Feder, Masse und Antrieb zu tun. Der Antrieb ist die Schwingspule plus Magnet, die Masse ist die Membran mit allem was sich sonst bewegt, die Feder ist die Aufhängung des Speakers und das eingeschlossene Luftvolumen in der Box.
Mit kleinerem Volumen wird also die feder steifer. Das bedeutet, dass die Resonanzfrequenz des Gesamtsystems steigt. Die Masse und der Antrieb bleiben gleich, wegen der härteren feder steigt aber bei gleich starkem Antrieb die Güte an.
In kleinem Volumen hat man also einen weniger tiefen bass und bei der Resonanzfrequenz einem mehr oder weniger großen Buckel, je nach Höhe der Güte.
Ziel einer Box ist es ja, den Schall zu bündeln und dann nach vorne abzustrahlen.
Bündelung ist nicht Sache der Box (von Hörnern mal abgesehen, baffle step außer Acht gelassen). Die Box soll in erster Linie den akustischen Kurzschluss (das zusammentreffen von Über- und Unterdruck) zu verhindern.
Je nach verwendetem Boxenmaterial und Luftvolumen das sich innerhalb der Box befindet (oder auch des Boxenaufbaus wenn ich nur an Thiele Boxen denke) ergibt sich eine veränderte Resonanzfrequenz und ein verändertes Resonanzverhaltern (weicher vs härter).
Auf die Resonanzfrequenz hat nur das Volumen Einfluss. Je nach verwendetem material gibt es dann noch Resoannzen vom Holz dazu. Die Thiele Boxen sind normale Bassreflex Konstrukte, für die diese regeln aber auch gelten.
 

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