Warwick Rockbass Streamer Standard, 5-Saiter fretless

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Warwick Rockbass Streamer Standard, 5-Saiter fretless – oder der Blick über den Tellerrand

Seit vielen Jahren spiele ich Bass, ausschließlich Jazz Bässe und Precision Bässe, alle als 4-Saiter von Fender und war/bin damit sehr zufrieden. Doch, irgendwann kam nun das Verlangen auf, mal andere Dinge zu probieren – kurz, die Neugierde auf einen 5-Saiter und dazu auch der Wunsch nach einem fretless Bass. Da ich mir jedoch keine zwei neuen Bässe leisten wollte, habe ich diese Gedanken kurzerhand in einen Bass kombiniert – 5-Saiter fretless.

Als Budget habe ich mir 500Euro gesetzt, um im Falle des Scheiterns oder der Unlust den Kollateralschaden überschaubar zu halten. Geholfen bei der Auswahl eines geeigneten Instruments haben mir die zahlreichen Reviews und Meinungen hier im Board, aber auch ein Artikel in G&B vom Nov. 2013, S. 132ff, in welchem einige 4-Saiter fretless Bässe meiner gewählten Preisklasse verglichen wurden.

warwick1.jpg


Meine Wahl fiel schließlich auf den Warwick Rockbass Streamer, 5-saitig, fretless in schwarzem Öl-Finish, hier links im Bild. Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren neben dem o.g. Testbericht überwiegend individuelle ästhetische Gründe – schwarzer Korpus, schwarzes Griffbrett aus Ebenholz ohne eingelegte Bundmarkierungen. Listenpreis 559Euro, beim Versender 459Euro. Gesagt getan, Anfang Dez. bei einem bekannten Händler bestellt, rasch erhalten, ausgepackt, kurz bespielt – und wegen erheblicher Mängel retourniert. Der Umtauschvorgang verlief vorbildlich, hat aber über den Jahreswechsel natürlich ein paar Tage gedauert. Ein komplett neuer Bass traf Anfang Januar ein, laut Seriennummer/Aufkleber rund vier Monate älter – März 2014 - als der Bass der ersten Lieferung. Beide Bässe kommen aus der Fertigung von Warwick in China, wie uns das Made in China auf der Rückseite der Kopfplatte verrät. Nun, nach einigen Wochen, in denen sich der Wechsel zwischen Euphorie und Frust auf ein erträgliches Niveau gefestigt hat, möchte ich eine kurze Zusammenfassung meiner Eindrücke schildern.

warwick2.jpg


Verpackung

Die Verpackung im Originalherstellerkarton ist sehr gut, der Bass ist einem Vliesmaterialbeutel verpackt und im Wellpappe-Karton mit diversen Einlageteilen ausreichend für den Transport fixiert. Das Ganze kommt dann im riesigen Umkarton des Händlers, reichlich gepolstert mit luftgefüllten Folienkissen. Als Zubehör dabei sind drei Innensechskantsteckschlüssel, einmal 5mm mit stabilem Griff für den Halsspannstab, zwei kleinere 1,5mm und 2,5mm für die Saitenreiter, Brücke und Sattel. Auch gehört ein Satz Warwick strap locks zum Lieferumfang. Eine recht knappe Anleitung in Englisch ist beigefügt, man kann aber umfangreiche Beschreibungen in deutscher Sprache von der Warwick Homepage als pdf runterladen.

Korpus

Der Korpus in typischer Warwick-Kontur ist zweiteilig aus Carolena zusammengesetzt, einem Holz, das ich weder kenne noch einordnen kann, mit einer ansprechenden Maserung, teilweise streifig, teilweise wolkig im Charakter. Das Holz ist dunkel gebeizt und dünn matt überlackiert. Je nach Lichteinfall wirkt das Holz rotbraun über violett bis schwarz, jedoch nicht tiefschwarz. Der Begriff „black oil finish“ des Herstellers ist wegen der Lackierung eigentlich irreführend. Gelegentlich behandele ich den Korpus mit einem Möbelwachs, auch wenn das wegen der Lackierung wohl nicht zwingend erforderlich ist. Ich unterstelle mal, daß die dünne Lackierung nicht mit der Widerstandsfähigkeit dicker Polyurethanbeschichtungen mithalten kann, das sollte man bei der Handhabung beachten.

Pick Ups und Brücke

Zwei Soap Bar Humbucker von MEC in schwarzem Kunststoffgehäuse, jeweils ein Volumenregler und ein gemeinsamer Tonregler, welche über 25kOhm (!)Potis geregelt werden, logarithmisch (B25k) für das Volumen, linear (A25k) für den Ton, vergleiche hierzu auch Cadfaels Schaltungen, S. 205. Eine Plastikklappe auf der Rückseite des Korpus, welche man ohne Werkzeug öffnen kann, gewährt Zugang zur minimalistischen passiven Elektronik. Das Elektronikfach ist innen mit einem leitfähigen Lack ausgekleidet. Der Hals-PU Volumenregler war etwas locker verschraubt und drehte sich mit, das war aber leicht zu korrigieren. Die Metallknöpfe der Regler sind aufgesteckt, nicht verschraubt. Unter den Reglern befindet sich eine Platte mit Beschriftungen der Reglerfunktionen, welche ich als überflüssig empfinde. Die seitliche Buchse bietet dem Stecker einen stabilen, strammen Sitz. Sie sitzt nicht vertieft, so daß gerade und abgewinkelte Klinkenstecker verwendbar sind. Die PUs sollten nahe an den Saiten sitzen, so um die 3mm Abstand, um einen ausreichenden Output zu gewährleisten. Das setzt allerdings einwandfreie PU-Schrauben voraus, einer der Schwachpunkte bei diesen Bässen. Ggf. die 30mm-Schrauben durch M2,5x35 ersetzen, welche es als Ersatzteil gibt.

Inzwischen fällt ab und zu der Bridge-PU aus, Ursache ist eine kalte Lötstelle am mittleren, „heißen“ Potianschluß. Nachgelötet, gelöst. Auch die anderen Lötstellen sehen z. T. nicht vertrauenserweckend aus.

Die Brücke ist zweiteilig und sehr solide. Die Saiten werden in einer gut verschraubten, massiven Halterung am Korpus gehalten, die eigentliche, in einer ausgefrästen Tasche im Korpus befindliche stabile verchromte Brücke bietet sehr viele und durchdachte Verstellmöglichkeiten. Man kann die Brücke komplett über alle Saiten einheitlich in einem Schritt verstellen, auch asymmetrisch, aber auch individuell über die Saitenreiter. Diese lassen sich auch seitlich verschieben, so dass man das string spacing – voreingestellt auf 16mm – in gewissen Grenzen nach beiden Seiten variieren kann. Ich habe die Grundeinstellung auf ca. 17,5mm verbreitert. Zum Vergleich, bei viersaitigen Fender Bässen liegt das string spacing bei ca. 19mm.

Saiten

Bei Auslieferung sind Warwick Red Labels (roundwound) aufgezogen. Diese Saiten, obwohl druckvoll und hell im Klang, sind aufgrund ihrer extrem rauhen Oberfläche und damit verbundenen abrasiven Eigenschaften für einen fretless suboptimal geeignet. Bereits während des Transports – das sind wohl einige Wochen auf dem Weg von China in einem vibrierenden Container – haben die Saiten deutliche Spuren im Griffbrett hinterlassen. Eine einfache Gegenmaßnahme wäre, für den Transport einen simplen Pappstreifen als Schutz über die gesamte Griffbrettlänge zwischen Saiten und Griffbrett zu klemmen.

Griffbrett

Das Griffbrett ist aus fast schwarzem, feinporigem Ebenholz – tiger stripe ebony. Die Oberfläche ist sehr glatt, fein glänzend und homogen. Das Griffbrett ist ein massives slab, Stärke 7mm, nicht nur ein Stück Furnier, das gibt optisch schon was her. Die Übergänge zum Hals sind ausreichend gebrochen und nicht scharfkantig, dies war in früheren Reviews gelegentlich bemängelt worden. Die Länge des Griffbretts entspricht 24 Bünden oder zwei Oktaven, die Mensur beträgt 864mm, long scale. Die Krümmung des Griffbretts ist minimal, gemessen habe ich nicht, nach Herstellerangaben beträgt sie 20“.

Hals

Der Hals ist dreiteilig aus Ahorn, dunkle Furnierstreifen aus Ekanga sind als optische Trennung senkrecht eingelegt, die Befestigung am Korpus erfolgt ohne Halsplatte mit vier asymmetrisch angeordneten Schrauben. Die Einpassung in die Halstasche ist tadellos, kein Spalt, die Befestigung wirkt sehr solide. Der Hals ist als 5-Saiter naturgemäß etwas breiter, jedoch nicht sehr dick.

Maße (mm):
1. Bund Breite 45 Höhe (über Saiten) 24
12. Bund 62 28

Er greift sich sehr angenehm, man fühlt sich sofort zuhause, wobei meine großen Hände sicher nicht von Nachteil sind. Die Oberfläche des Halses ist satiniert, weist jedoch einige rauhe Stellen und spürbare Einschlüsse im Lack auf. Habe daher die Halsrückseite kurz mit Stahlfix auf einem feuchten Stück Küchenrolle behandelt, das entspricht dann so der „Hand“-Politur von einigen Monaten Spielbetrieb – Problem gelöst.

Der Hals hat keine eingelegten Bundmarkierungen auf dem Griffbrett, jedoch seitlich weiße Dots, dort, wo sich die Bünde befinden würden. Der 12. Bund ist ein doppelter Punkt, die halbe Mensur von 432mm befindet sich genau mittig zwischen beiden Punkten. Mit einem provisorischen Klebestreifen als Markierung kann man die Intonation nach den bewährten Verfahren – Leersaite, 12. Bund und Flageolett am 12. Bund bequem vornehmen.

Größerer Aufwand war die Einstellung von Halskrümmung und Saitenlage. Im Auslieferungszustand (das gilt für beide Bässe, die ich erhalten hatte) war die Einstellung nicht in meinem Sinne. Deutliche Krümmung des Halses resultierte in einer Saitenlage von ca. 5mm am 7. Bund, das ist mir zu viel. Die Trussrod-Mutter war komplett locker, etwa zwei Umdrehungen, bis überhaupt Widerstand spürbar war. Danach sukzessive mit 1/4-Drehungen den Hals begradigt, bis die Krümmung zwischen Bund 1 und 24 kleiner 1mm war, das dauert bei dem massiven Hals einige Tage, bis sich die gewünschte Krümmung final stabilisiert hat – Geduld!

Kopfplatte und Sattel

Kurze Kopfplatte aus Ahorn, dunkel beschichtet, mit weißem Warwick-Logo und fünf verkapselten Mechaniken in charakteristisch schräger Warwick Anordnung. Diese gehen gleichmäßig, aber sehr leicht, ich habe sie daher über die Schrauben im Schaft etwas schwergängiger eingestellt. Die Stimmung bleibt ausreichend stabil.

Unter einem kleinen Deckel, den man mit einem schmalen Schraubendreher ausklipsen kann, liegt der Zugang zum Trussrod, dazu muß man aber die A-Saite lockern und aus der Sattelnut heben. Der Sattel ist der verstellbare Just a Nut III aus relativ weichem, grauem Kunststoff. Die Saitenhöhe bei Auslieferung zum Griffbrett lag bei ca. 2mm direkt am Sattel, m. E. recht hoch für einen fretless Bass. Ich vermute mal, daß die Werkseinstellung in China keinen Unterschied zwischen fretless und gefrettet vorsieht. Absenken konnte man den verstellbaren Sattel jedoch nicht, da die beiden Führungs-Pins im Sattel abgeknickt und in den Bohrungen verklemmt waren. Habe die Pins komplett entfernt, die Auflagenflächen mit der Feile geglättet und den Abstand Saiten-Griffbrett am Sattel auf ca. 0,3-0,4mm eingestellt. Mit Hilfe der Einstellmöglichkeiten an der Brücke wurde die Saitenlage auf ca. 2mm am 7. Bund gebracht, gerade so, daß kein Schnarren auftritt. Zuvor wurden die originalen Red Labels durch Daddario Chrome Flats ECB81-5 der Stärken 45-65-80-100-132 ersetzt. Gelegentlich werde ich den Sattel gegen einen baugleichen Messingsattel, den es als Ersatzteil von Warwick gibt, austauschen.
Die ab Werk beigefügte QC-Card mit detaillierten Maßen beschreibt wohl den Sollzustand, nicht den Auslieferungszustand.

Handling

Recht ausgewogen, nicht kopflastig, das Gewicht von 3,6kg ist angenehm niedrig, wenn man aus der Fender-Welt kommt. Im Vergleich zu Fender Bässen ist dieser Warwick fast zierlich, auch trägt das große ausgehöhlte Elektronikfach zum geringen Gewicht bei. Sehr angenehmes Tragegefühl mit Gurt, ebenso beim Spiel im Sitzen. Die strap locks machen einen soliden Eindruck und sind bequehm in der Handhabung bei sicherem Sitz.

Klang

Das Klangbild gefällt mir außerordentlich gut, der typische singende Sound eines fretless, und dazu eine tiefe, sauber klingende B-Saite. Ich schlage ausschließlich mit den Fingern an, wenn man die Höhen abdreht und nur den Neck-PU betreibt, ist der Klang schon extrem tiefenlastig mit enormem Sustain, allerdings zu Lasten der Definition bei schnellen Noten. Durch die Kombination zwischen beiden PUs und dem Klangregler läßt sich ein breites Klangspektrum darstellen, da sollte für jeden was dabei sein, ähnlich wie bei der Klangregelung eines JB. Der Output der passiven Schaltung ist jedoch geringer als bei vergleichbaren Bässen.

Das string spacing habe ich etwas erhöht. Die Bundmarkierungen auf dem Griffbrett vermisse ich nicht, die Dots an der Griffbrettflanke reichen vollkommen aus, um den Ton auf allen Saiten „annähernd“ zu treffen. Man entwickelt rasch ein Gespür für die gefühlte, korrekte Lage, den Rest des Tunings macht der Greiffinger. Oberhalb des 12. Bundes wird es für mich jedoch suspekt, das ist für mich weiterhin ein Griff ins Nirwana….

Resümee

Ein interessanter, schöner Bass mit exzellenter Optik und einem breiten, vielseitigen Klangspektrum, der inzwischen meine Erwartungen voll erfüllt, obwohl ich einige Zeit in set up und kleine Reparaturen stecken mußte.
Ich habe großen Spaß daran, das fretless Spiel zu erlernen und zu verfeinern, die Erweiterung nach unten um die B-Saite ist angenehm und ermöglicht ein völlig neues Greifen. Ich gebe aber zu, daß mir die Dämpfung der B-Saite mit ihrem Eigenleben noch große Probleme bereitet.

Leider ist die Einstellung ab Werk – und dies gilt für beide Bässe – nicht optimal, ein Anfänger (sicher nicht die Zielgruppe für einen 5-Saiter fretless) wäre wohl überfordert, da wünsche ich mir eine bessere Qualitätskontrolle. Auch im Detail wie Lackierung, Montage des Sattels, PU-Schrauben, Lötstellen gibt es Raum zum Verbessern. Technisch und handwerklich versierte Bassisten können damit umgehen, einem Anfänger oder Spieler, dem der Umgang mit Werkzeug suspekt ist, rate ich eher, diesen Bass beim Händler vor dem Kauf anzuspielen und eingehend zu prüfen. Dann ist er sicher gut eingestellt und einwandfrei, und dann steht einem Kauf nichts im Wege, Preis und Leistung halte ich für angemessen.

Auf einer Skala von 100% gebe ich meinem Bass für Klang und Ausstattung 95%, für Einstellung, Saitenlage, Sattel, Lackierung und allgemeinen Zustand gibt es jedoch deutliche Abzüge, mehr als 80% sind da nicht drin. Erschwerend kommt hinzu, daß es sich offensichtlich nicht um einen einzelnen Ausreißer handelt, da beide Bässe in meinen Händen Mängel aufwiesen.

Final, bezüglich meiner Fähigkeiten des fretless Spielens erst die gute Nachricht:

Mein Gehör merkt sofort, wenn die Greifhand daneben liegt

und die schlechte Nachricht:

Die Greifhand folgt dem Gehör noch nicht....

Andreas

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das ist´n feines review, andreas! :)
ich hatte mich, nach einigem hin-und-her, auch für einen fl mit soapbars entschieden. lag daran, dass ich damit den von mir gewünschten tragenden/"klagenden" ;) klang am besten hinbekomme. müsste mit deinem auch möglich sein. auf dem frettierten spiele ich gelegentlich.
schade natürlich, dass du nachbessern musstest. aber wenn er dir jetzt so zusagt: :great:
 
Danke, a'Averc, das mit dem Nachbessern war für mich kein großes Problem, machmal denke ich, meine handwerklichen Fertigkeiten übersteigen meine musikalischen bei weitem...

Trotz aller initialen Unzulänglichkeiten mag ich diesen Bass auf Grund seines Klangspektrums sehr, ist halt Liebe auf den zweiten Blick, äh, zweites Ohr!
 
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