Was für eine Flöte spielt der Saxophonist Samuel Muntlin da?

FZiegler
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Bei der Verleihung des Polar Music Prizes 2025 gehörte der Saxophonist Samuel Muntlin anscheinend zur Hausband - nicht wert der besonderen Erwähnung im Programm oder auf Youtube. Bei "Watermelon Man" von Herbie Hancock spielt er offensichtlich eine Blockflöte mit recht weiter Öffnung. Was ist das für ein Instrument?


View: https://www.youtube.com/watch?v=zykaLKkPQaY

Er holt da Töne raus, die rauh klingen, sehr weich & rauschig. Würde mich interessieren, was das ist - könnte mir vorstellen, sowas auch mal auszuprobieren. Als Student habe ich noch öfter Blockflöte gespielt, aber inzwischen reizt mich Renaissance- oder Barockmusik nicht mehr so sehr.
 
Danke, das sieht interessant aus. Aber du hast auch keine Idee in Bezug auf meine Frage?

Es sieht nicht aus wie etwas, das ich meine schonmal gesehen zu haben. Anscheinend eine Blockflöte, aber so eine weite Öffnung:

Welche Flöte 2.jpg


Auffälliger Kopf außerdem. Gut zu sehen ab 0:28.
 
Vielleicht versteckt sich innendrin ein digitaler Blaswandler?

Ich komme auf die Idee, weil sich in dem "Klavier" offenbar auch ein Clavia Nord, oder ein anderes Stagepiano, versteckt:

fakepiano.jpg


Aber ernsthaft, ich kann leider zu der Flöte auch nichts Erhellendes beitragen.
 
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Ich muss gar nicht unbedingt wissen, was für ein Modell von welchem Hersteller das ist - mich interessiert allein schon der Typ!
 
Also es ist eine Tenorblockflöte in C4.

Ich kann es auf einer gewöhnlichen C Tenorblockflöte (späbarocke Bauweise) nachspielen.

Er holt da Töne raus, die rauh klingen, sehr weich & rauschig.

Das geht mit Ansatz, *Vorbeiblasen* und ggf. einem etwas (minimal) zu tiefen Instrument. Z.B. 440 vs 442 Hertz.

Unterstützt wird das ggf. noch durch frühe Modelle, also Rekonstruktionen älterer Modelle als die "typische" Barockblockflöte ab ca. 1700.

Guck mal hier:


bzw. über google Bildersuche "Praetorius tenor recorder" findet man auch welche von anderen Herstellern. Einigermaßen typisch ist wie tief die Zierringe zwischen Ober- und Unterteil ansetzen. Das Kobliczek Modell hat z.B. ein wesentlich ausladenderes flacheres Labium das mehr in die Richtung der Flöte im Video tendiert. Aber ist es auch nicht.

Zufall ist das aber denke ich nicht da gibt es schon starke Gemeinsamkeiten die Flöte könnte in einer Traditionslinie mit den Hopf und/oder Kobliczek Praetorius Modellen stehen . Das Ding ist nun aber... ähm... Praetorius Abbildungen zeigen ganz gewöhnliche unverzierte einteilige Renaissanceblockflöten :unsure: woher kommt dann diese barocke Form? Die sehen nach ~ 1680 aus nicht 1620. Und warum bauen zwei Firmen plus offensichtlich noch jemand anderes die so und warum nennen zwei Firmen die Praetorius obwohl sie nicht aussehen wie Praetorius Blockflöten? Keine Ahnung. Das wäre gut zu wissen.

[Ich sehe 2 Möglichkeiten: Erstens es gibt ein späteres historisches Vorbild für die Hopf/Kobliczek Praetorius Flöten aus dem Hochbarock, welches auch der Flöte im Video zugrunde liegt. Zweitens die Hopf/Kobliczek Praetorius Flöten sind so verziert weil man die Schlussverzierung am Schallbecher von weit früheren Renaissanceflöten übernommen hat und wegen der zweiteiligen kompromisshaften Bauweise nicht auf eine Verzierung des Kopfstückes verzichten wollte die man dann aus dem späten 17. Jahrhundert übernommen hat und die Flöte im Video stammt von jemandem der das einfach nachgemacht hat.]

[[ Das Mundstück sieht definitiv barock aus- es wäre anachronistisch so ein Munstück als Blockflötenbauer für eine frühere Blockflöte zu bauen- aber vielleicht hat es trotzdem jemand gemacht und es soll eine noch frühere Flöte sein? Auch möglich, denn wie gesagt die Endverzierung in der Art ist typisch frühes 15. Jhdt. und "irgendwelche" Kopfzierringe gab es auch im Mittelalter... dennoch wäre es schon besonders seltsam warum das Gesamtbild dann den Kobliczek Flöten so ähnlich ist :unsure: ]]

[[[ Problem damit zu sagen das ist definitiv ein Design welches von Kobliczek/Hopf stammt oder irgendwie damit zu tun hat ist auch dies: Die Zierringe in der Mitte kurz über den Grifflöchern erfüllen einen praktischen Zweck (Verdickung wegen dem Zapfen ästhetisch auflösen ) weshalb man sie auch "einfach so" für jegliches zweiteiliges Blockflötenmodell so anbringen könnte. Erklärt aber immer noch nicht den barocken Schnabel falls es prä barock sein soll ]]]

Viele frühere (pre 1690) Modelle gehen später in der Lautstärkekurve ins "Glucksen" und in die Obertöne über das macht solches Slappen auf dem Grundton etwas erdiger und sauberer. [[Dass der eigentlich falsche F-Griff des Saxophons funktioniert legt nahe dass es sich um ein Instrument in Originalgriffweise und nicht mit "barocker" moderner Griffweise handelt.]]


Es gibt definitiv Rekonstruktionen barocker Tenöre vor der Durchsetzung des "neuen Modells mit steilerem umgekehrtem Konus und mehr Zierringen" um 1690 mit krass großem Labium. Vielleicht wäre es am einfachsten direkt nachzufragen wer das gebaut hat?

Für praktische Zwecke... so ziemlich alle Blockflöten die etwas robuster gebaut sind als die normalen Barockmodelle lassen sich anders slappen/überstrapazieren als eben die normalen. Mittelalter, Renaissance, Frühbarock, Hochbarockmodelle können aber auch sehr unterschiedlich klingen. Alles was in Richtung vor 1690 geht könnte da interessant sein aber der Unterschied zur "Normblockflöte" ist jetzt auch nicht gigantisch.... auch ältere "Barockflöten" von z.B. Moeck und Mollenhauer aus den 80igern und 90igern sind nochmal was eigenes und slappen auch anders und etwas robuster. Ebenso auch die Mollenhauer Kynseker und Moeck Consort, die sind auch "offenere" robustere Flöten. Auch hier sind die Jahrgänge ziemlich verschieden.
 
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Vielen Dank! Irgendwie hatte ich Renaissance im Kopf, kenne mich da aber nicht gut genug aus.

Das Wort Slappen habe ich im Zusammenhang mit Blasinstrumenten noch nie gehört. Finde ich so auch nicht im Netz.
 
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Es ist bei den Blockflöten üblich alles vor der spätbarocken Bauweise sowieso als Renaissance zu verkaufen- z.B. die hochbarocken Kynseker o.ä.

Das ist auch gar nicht so grundlos, weil der hauptsächliche Bruch in der Bauweise findet eben so 1690 1700 statt. Alles davor ist schon noch recht ähnlich wie vor 1600.

Mollenhauer bewirbt die 1680iger Kynseker als Renaissancetypus- zwischen denen und der eigentlichen Hochrenaissance ~ 1500 liegen eben schon 6 Generationen. :unsure:

Anders ausgedrückt... wenn man sagen würde das ist eine Renaissanceblockflöte dann weiß jeder was du meinst und das ist auch eine gute Benennung, es sei denn man nimmt es genau dann wird es etwas komplizierter.
 
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Ich dachte auch direkt an Renaissance, bzw Ganassi Nachbau - der Kopf erinnert mich an irgendein Instrument, aber nicht direkt an eine Blockflöte, aber ich komme momentan nicht drauf.

Mollenhauers Adri's Traumflöte (benannt nach der verstorbenen Adriana Breuking) geht in diese Richtung.
Zylindrische Bohrung mit der heutigen barocken Griffweise.

Wobei fast alle o.g. Flöten eine leichte Aufweitung beim Ende ("leichter Trichter") haben.

Komplett zylindrisch sind z.B. die Sopran-/Altflöten als Rekonstruktionen nach Gemälden aus dem 15. Jhdt. von Margret Löbner (https://www.loebnerblockfloeten.de/...ebner-modell-mittelalter-442-hz-ahorn-pflaume).

Ich besitze auch eine komplett zylindrische Renaissance Rekonstruktion Susato Sopran aus Kunststoff, die eher wie eine weite Tin Whistle aussieht (auch mit heutiger barocker Griffweise) und soweit ich weiß auch nicht mehr gebaut wird.
 
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Ich könnte mir vorstellen, dass es sich um eine traditionelle Flöte (also für uns eher unbekannt aus Osteuropa, Balkan, Kleinasien, etc) handelt, die ein modernes Mundstück mit Labium bekommen hat.

Diese traditionellen Flöten sind oft auch zylindrisch, rauschig und würden ins Genre passen.

Ich habe auch eine Quena als Kerbflöte,wo ich die Technik nicht beherrschen, aber für wenig Geld eine andere, veränderte Quena mit Kernspalt und Labium erworben - die klingt ähnlich wie hier im Video (ich glaube ich hab um die 20€ dafür bezahlt).

Einen ähnlichen Klangeffekt dürfte man auch mit einer irischen Low Whistle erreichen, falls du damit experimentieren möchtest.

Die Ganassi, Renaissance oder Mittelalter-Tenorflöten (von Ralf Netschl, Doris Kulossa, Margret Löbner...) liegen ja preislich locker 1000€ aufwärts. Etwas teuer zum Experimentieten.
 

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Nach weiterer Recherche könnte ich mir vorstellen, dass es eine traditionell schwedische Flöte ist, evtl. eine Bjarkspipa, zumal sie auch ein paar Blue Notes hat in der Stimmung. Gunnar Stenmark baut verschiedene traditionelle Flöten, siehe https://www.harjedalspipan.se/eninstr.html#lpipa
 
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Wobei die schwedischen Flöten von der deutschen Flötuse abstammen welche die zum Volksgut herabgestiegene Weiterentwicklung der Barockblockflöte ist. Das heißt das sind keine uralten gefestigten Flötentypen. Kann aber dennoch sein. Dann müsste sie 6 vorderständige Löcher haben nicht 7. Kann man das irgendwie sehen?
 
Mein Eindruck: Der Kopf der Åspipa von Stenmark sieht doch sehr ähnlich aus - der Trichter unten weniger. Und dass es oben nur 6 Löcher sind, ist gut möglich - das scheint so zu sein.
 
Das Ding ist halt die Namen dieser Flöten sind spezifisch für den Flötenmacher, es sind keine davon unabhängig existierenden Termini.

Dazu wie gesagt, wenn ich mich nicht irre sind die schwedischen Flöten im frühen 20. Jahrhundert mehr oder weniger ohne traditionelle schwedische Vorbilder aus den damals nur regional existierenden kontinentalen Flötusen und/oder 6-Loch-Flöten abgeleitet worden und haben entweder keinen oder nur teilweisen Kontakt zu einer älteren schwedischen Volksmusiktradition. Das heißt das sind keine alten Flötentypen es wäre eher vergleichbar z.B. mit der deutschen Waldzither als Cisterinstrument so ähnlich stehen die zu den Blockflöten im allgemeinen. Also es sind relativ junge Sonderformen und die Namen sollte man nicht als Typen missverstehen.

PS wenn ich so ähnlich klingen wollte wie im Video würde ich als erstes mal eBay aufsuchen und dort was schnappen- Hopf oder Kobliczek Renaissance Modelle oder Mollenhauer Kynseker, und/oder mal ne Low Whistle probieren. Low Whistles sind ganz überwiegend in D nicht in C aber das ist ja jetzt kein großer Unterschied- bloß haben low Whistles eine eingeschränkte Chromatik (machbar aber unsauberer) und sind nicht immer besonders laut. Weil sie halt für lauter wirkendes Dauerlegato gebaut sind. Low Whistles kommen dem "windigen" Eindruck der auch ziemlich eng mensurierten Flöte im Video entgegen, aber ansonsten kann man so was sehr gut mit jeglicher robusten Tenorblockflöte annähern.

Eigentlich müsste man ausmessen können an den Standbildern ob die Flöte 6 oder 7 Löcher vorne hat. Vielleicht versuche ich es mal. Mit 6 Löchern ist man raus aus der Renaissanceblockflötenidee, aber leider klärt das immer noch nicht ob schwedisch oder alteuropäisch weil es um 1600 auch die fluste a 6 trous gab bzw. "Blockquerflöten" oder Dolzfluit. Auch das würde die schmale Mensur erklären btw.

Guck mal ganz am rechten Rand eine Block/Querflöte mit Wechselkopf und die Zierringe in der Mitte sind ähnlich.


PS

Nach Augenmaß finde ich dass das tiefste der 6 erkennbaren Löcher nicht weit genug vom Flötenende entfernt ist dass ein 7. Loch möglich wäre. Sie hat 6 Löcher, endet also beim D4 wie alte Querflöten. Und wie die schwedischen. Allenfalls könnte es ein 7. Loch für eine kleine Sekunde geben das ist bei historischen Blockflöten niemals der Fall.
 
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