Saiten: Eine elementare Einführung

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Saiten

Inhaltsübersicht:
- Eine elementare Einführung
- Appendix: Empfehlungen zu spezifischen Sounds
- Ausführlichere Reviews

Eine elementare Einführung

Als Leo Fender 1951 mit dem Precision Bass (der später noch stark verändert werden sollte, während das originale Design ab den späten 1960ern als Telecaster Bass vermarktet wurde) den ersten solid body mit elektromagnetischen Tonabnehmern entwickelte, mußte er sich mit Darmsaiten behelfen, die er an der über den Pickup führenden Stelle mit Eisendraht umwickelte. Später beauftragte er die Firma V.C. Squier mit der Herstellung einer Stahlsaite, bei der Flachdraht aus Nickel oder Chromstahl um einen Stahlkern gewickelt wurde (daher die Bezeichnung flatwound — die Bezeichnung "geschliffene Saite" ist irreführend, würde à la lettre genommen auf sog. halfrounds a.k.a. groundwounds zutreffen).

1963 führte James How das Rotosound Swing Bass JS 66 Set ein, eine runddrahtumsponnene Stahlsaite, die mit mehr sustain und punch aufwarten konnte. Spätere Variationen betrafen vor allem Materialien, etwa wie Saiten aus reinem Nickel herzustellen, der weniger aggressiv klingt und bessere magnetische Eigenschaften hat, Stahlkerne mit Nylon-, Kupfer- oder Bronzeumspinnung, wovon letztere vor allem auf elektroakustischen Instrumenten zum Einsatz kommen (auch mit der Variation Bronzeumspinnung auf Nylonkern), sowie Wickeldrähte aus Stahl mit Nickel- (nickel plated steel), Gold- oder sonstiger Beschichtung, die jedoch das Problem haben, sich schnell abzunutzen, auch wenn die entsprechenden Hersteller seit Jahrzehnten schon stur behaupten, die Beschichtung verlängere die Lebensdauer der Saite!

Typischerweise haben Bassaiten eine Windung auf der C- und G-, 2 auf der D- und A-, 3 auf der E-, und schließlich 3 oder 4 auf der H-Saite. Eine dicke Saite, die aus nur einem massiven Draht bestünde, produzierte keine für ein Saiteninstrument natürlich klingenden Obertöne, sondern eher etwas in Richtung von Malletophonen gehendes, etwa wie ringmoduliert klingendes. Das kann auch bei Verwendung von sehr dicken Saiten (etwa .055 - .075 - .090 - .110 für einen Viersaiter — zumindest in Standardstimmung) zum Problem werden, wenn man mit Akkorden arbeitet. Entscheidend für den Sound ist das Massenverhältnis von Kern zu Windungen. Geringere Kernmassen bewirken mehr Brillanz und Elastizität, allerdings auch Verluste an Sustain, Lautstärke, Stimmstabilität und auch Resistenz gegen Reißen. Die Massenverhältnisse sind auch entscheidend für das Spielgefühl, das durch objektiv meßbaren (in lbs bzw. kp) Saitenzug wie Elastizität bestimmt wird. Ein massenreicherer Kern macht die Saite steifer und damit mehr Widerstand leistender als eine Saite gleicher mit Stärke aber größerer Umspinnungsmasse.

Beispielsweise, wenn man mal von mittleren Stärken ausgeht, stramm wären u.a. Alembic CX, D'Addario ProSteel, Ernie Ball Slinky Nickel, Fodera Diamond Stainless, GHS Boomers, GHS Progressives, La Bella Deep Talkin' Bass Roundwound, La Bella Slappers, La Bella Super Steps, MTD Essentials, Rotosound Swing Bass, Thomastik-Infeld Power Bass. Mittel wäre sowas wie D'Addario XL, DR Hi-Beams (Compression Wound, Stainless Steel, Roundcore), GHS Super Steels, Warwick Black Label. Weich wäre sowas wie Thomastik-Infeld Jazz Bass (Round und Flat).

Der Durchmesser des Drahtes der letzten Umwindung bestimmt, wie rauh die Saite ist. Sehr grobe Saiten können sich äußerst unangehm anfühlen, vor allem wenn sie aus rostfreiem Stahl bestehen (u.a. Warwick Black Label, Rotosound Swing Bass).

Eine Frage des Spielgefühls ist auch die Mensurlänge (S = 30-30½", M = 32", L = 35", XL = 35", XXL = 36", sowie diverse Zwischen-, Unter- und Übergrößen). Der objektiv meßbare Saitenzug wird allerdings meist durch den nächstkräftigeren Satz bei konstanter Mensur mehr erhöht als durch Verlängerung der Mensur selbst von L auf XXL bei konstanter Saitenstärke.

Neben der Mensurlänge sollte auf die Windungslänge (gemeint ist hiermit die Länge der äußersten Windung) geachtet werden. Für L Mensuren beträgt diese meist 36½", für XL hingegen sind mindestens 37" erforderlich.

Mitte der 1970er Jahre wurde ein halfround bzw. groundwound genanntes Design eingeführt, bei dem die äußerste Lage der Umspinnung mehr oder weniger glatt abgeschliffen wird. Je nach Fabrikat kann der Ton ein gelungener Kompromiß zwischen Roundwound- und Flatwound-Sound sein (vor allem ohne die Steifheit der letzteren), aber auch "nicht Fisch, nicht Fleisch". Ein Kompromiß zwischen Round- und Halfround-Saiten sind sog. pressurewounds, deren erste die Rotosound Solo Bass Serie war. Alembic umgeht in der CX-3 Serie das Problem der nachträglichen Änderung von Massenverhältnissen durch mechanische Kompressionsverfahren, indem die Saite als äußerste Lage mit einem ovalen Draht umsponnen wird.

Kerne können aus einem Draht mit rundem oder sechseckigen Querschnitt gefertigt sein (i.Ggs. zu den komplexeren Kernkonstruktionen von Kontrabaßsaiten). Hexagonale Kerne produzieren mehr Brillanz und sorgen für stabilen Sitz der Windungen, indem sich die Ecken in den Umspinnungsdraht drücken. Bei Hexcoresaiten sammeln sich Schweiß und Schmutz in relativ großen Leerräumen unter den Windungen, die eben an nur 6 Punkten direkt auf dem Kern aufzuliegen kommen, was die Lebenserwartung der Saiten signifikant verkürzt. Bei Rundkernsaiten liegen die Windungen rundum auf, was Hohlräume auf die unvermeidlichen zwischen der Umspinnung begrenzt und o.g. Probleme minimiert. Außerdem enthalten sie mehr Metal und produzieren folglich mehr Ton. Das Problem ist, die Windungen auf dem runden Draht stabil in Position zu halten. DR etwa löst dieses Problem durch eine abgeflachte Stelle etwa 15" vom Kopfende entfernt, die den Draht verankert, aber noch beim Spielen leicht rollen läßt, was die Saite elastischer und brillanter macht.

Die besseren modernen Kontrabaßsaiten hingegen haben aus mehreren gegeneinander verdrehten Strängen bestehende Kerne aus Stahl oder Synthetik (Nylon oder Perlon). Von der Verwendung überteuerter und schlecht die Stimmung haltender Darmsaiten ist m.E. abzuraten, zumal die tonalen Qualitäten inzwischen überzeugend mithilfe anderen Materialien emuliert werden können (Thomastik-Infeld Dominant und Picato Innovation aus Synthetik, Kolstein VariCor aus Stahl).

Die Umspinnung kann auf der schwingenden Länge konstant gehalten werden, am Brückenende etwas (taper wound) oder auch ganz (exposed core, eingeführt durch Rotosound's Piano-String Design) zurückgenommen werden. Das Problem ist, daß eine Saite konstante Massenverhältnisse aufweisen muß, um sich in gleich schwingende Teile in der Obertonreihe aufzuteilen. Man kann die Brücke zwar so einstellen, daß gegriffener Ton und Flageolett im 12. Bund übereinstimmen, aber andere Töne werden schlecht intonieren. Dieses Problem stellt sich bei Piano-Saiten einfach nicht... Ein weiteres Problem ist schlechtes Sustain und Schlaffheit, da die ganze schwingende Masse nicht über die Brücke auf den Korpus übertragen werden kann.

Das wichtigste objektive Kriterium zur Beurteilung eines Saitensatzes ist die Ausgeglichenheit. Offen Saiten (sowie mit hammer ons auf dem 3., 5. und 7. Bund jeweils) sollten trocken wie mit Verstärkung angespielt jeweils nahezu gleiche Lautstärke, Klangfarbe und Spielgefühl (Saitenzug und Elastizität, s.o.) haben. Auch der Wechsel von Anschlagtechniken (Pizz, Slap & Pop, Plektrum, Tapping) sollte mühelos möglich sein. Wichtig ist auch, daß die H-Saite nicht in der Qualität abfällt, etwa sich schlapp anfühlt, keinen harten Anschlag verträgt oder gar dumpf und belegt klingt.

Entscheidend ist jedoch das Zusammenspiel aller dieser Faktoren. Meinen singulären Präferenzen nach müßte ich zwar etwas wie pure nickel roundcore oval wounds spielen, aber abgesehen davon, daß dergleichen nicht auf dem Markt erhältlich ist, zählt etwa LaBella Deep Talkin' Bass, eine stainless steel hexcore roundwound Saite, zu meinen absoluten Favoriten.

Appendix: Empfehlungen zu spezifischen Sounds

Hier wird es nun subjektiv. Technisch gesehen halte ich Thomastik-Infeld, La Bella und D'Addario sowohl für E- wie Kontrabaß durch ihre jeweiligen Gesamtprogramme komplett hindurch für die insgesamt besten Kandidaten.

(Nein, nicht etwa weil die mich gekauft hätten, sie über den grünen Klee zu lobpreisen, sondern gerade, weil umgekehrt ich für etliche Saitensätze bezahlen mußte, und längst nicht alle waren ihre Geld wert :().

Die exquisitesten, luxuriösesten Sounds hat m.E. Thomastik-Infeld von den brillanten und lautstarken Dominant über den Ray Brown Sound der Spirocore und deren Gegenstücken Jazz E-Bass Nickel Roundcore (s. Reviews) in jeweils Round- und Flatwound bis zu den erblühenden kontrabaßartigen Tiefen, knurrigen Mitten und reichlichen Brillanzen der Power Bass.

Aus dem La Bella Programm besonders zu empfehlen sind die Deep Talkin' Bass Roundwounds: sehr charaktervoll, trägt exquisit mit der anmutigen Eleganz eines echten Urgesteins ohne je auch nur einen Hauch unbeweglich zu werden, mehr Druck im Bass als D'Addario XL; Balance hat was von "light top heavy bottom (LTHB)" Feel, was auch auf'm Fretless ausgesprochen gut kommt. Fette Bässe, aber diesmal mit Crunch und aggressiv zuschnappenden Brillanzen bieten die Hard Rockin' Steel: nomen est omen! :rock: Für Kontrabaß dürfen die Stahlsaiten als Klassiker gelten (man denke an die sehr guten Sounds von Ron Carter oder Stanley Clarke).

D'Addario bietet für Kontrabaß Helicore inzwischen verbessert und spezialisiert für Bogenspiel (Orchestral, Solo) vs. Pizz (Pizzicato), sowie einen Allzwecksatz als Kompromiß (Hybrid). Das E-Bassaitenprogramm reicht von den Chromes und Halfrounds (s. Reviews) über die Allzwecksaite XL (satt & kräftig, sehr schön, um Fretless zum singen zu bringen, reichliche & gute aber nie unangenehme Höhen; sehr gute Balance auch bei Standard Sets) bis zu den funky ProSteels.

Aus den Programmen weiterer Hersteller besonders zu empfehlen sind vor allem die sehr reichhaltigen, wenn auch etwas kernigen GHS Boomers (aufblühende Brillanzen, nie aufdringlich, großartiges Sustain, ewig haltbar).

Eine Lieblingssaite auch Pyra-Sound Stainless Steel (hier: Low Bottom Five Heavy 40 - 60 - 85 - 110 - 140): sehr gutes Verhältnis der Saiten untereinander mit "light top heavy bottom (LTHB)" Feel, was auch auf'm Fretless ausgesprochen gut kommt, mit der festesten H-Saite, die ich je hatte. Solider warmer und voller Ton, nicht etwa "stählern", wie das Material vermuten ließe.

Für schon nur speziellere Anwendungen interessant sind Ernie Ball Slinky (Nickel Roundwounds): härter, stärker und definierter als D'Addario XL, Höhen sehr gut, weniger voller Druck in Bass und Tiefmitten; Balance bei Standard-Sets nicht so gut (G härter, E schlapper als D und A), weswg. Hybrid-Set (.045 - .065 - .085 - .105) empfehlenswerter.

Was hier nicht erwähnt wurde, muß nicht schlecht sein, kann aber ;) Sollte sich auf Nachfrage in einzelnen Threads klären lassen...

Ausführlichere Reviews
- D'Addario Chromes
- D'Addario Halfrounds
- Thomastik-Infeld Superalloy (i.V.)
- Thomastik-Infeld Jazz E-Bass Nickel Roundwound Roundcore
- Thomastik-Infeld Jazz E-Bass Nickel Flatwound Roundcore
- Thomastik-Infeld Spirocore

Nachtrag: Empfehlungen zu nicht (stark) näselnden Flatwounds

Pyramid Gold Chrome-Steel Flat Wire Wound Longscale (.040 - .055 - .075 .- .105) [außergewöhnlich elastisch, aalglattes Finish. Unglaublich fett und reich, nasenfrei, mächtiger Ton mit viel thud, gleichmäßiges Decay]

Ernie Ball Group III Flatwound (chrome steel, .045 - .065 - .080 - .100) [pochende Bässe, dezente Mitten, nasenfrei, mittlere Brillanz. Gut ausgeglichen]

D'Addario Chromes (Regular Gauge: .050 - .070 - .085 - .105)

GHS Precision Flatwound M3050 (.045 - .065 - .085 - .105) [tiefe Bässe, starke Mitten, dezente Höhen]

Dean Markley Flatwound 2616 MED (.050 - .070 - .085 - .105) [schlank, hochmittenreich, dezent]

Thomastik-Infeld Jazz E-Bass Nickel Flat Wound Roundcore JF344 long scale 34" medium (.043 - .056 - .070 - .100)
 
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