Wirkung von Trommeln (z.B. im therapeutischen Kontext)

olliB.
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Bin gespannt, ob zu dem Thema was kommt. Freuen wĂŒrde ich mich ĂŒber alle möglichen BeitrĂ€ge, die die Wirkung von Rhythmik bzw. bestimmten Rhythmen und/oder Trommeln behandeln – aber auch therapeutische Methoden, pĂ€dagogische Konzepte (z.B. TaKeTiNa) oder bestimmte Erfahrungen (als Patient oder z.B. mit Drum Circles) beschreiben.

Außerdem denke ich, dass die Verbindung zu Stimme und Tanz wichtig ist.

Ich selber bin seit kurzem Ergotherapeut und habe geringe Erfahrungen im niederschwellig-psychiatrischen Bereich.

GrĂŒĂŸe, Olli.
 
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Ich bin jetzt therapeutisch nicht so auf dem Stand der Dinge, aber ich trage mal zusammen, was mir aufgefallen ist - ĂŒbrigends sehr interresantes Thema: :great:

Es gibt ja Menschen, die komplett ohne Musik auskommen (also auch nicht hören bzw. diese dann als störend empfinden; egal welche Richtung). So etwas könnte ich nicht, dafĂŒr habe ich viel zu frĂŒh mit Instrumenten angefangen, als das ich mich davon nochmal losreissen könnte (was auch ĂŒberhaupt nicht schlimm ist). Jedenfalls denke ich das, wenn schon von "Therapie" die Rede ist, aktives musizieren auf alle FĂ€lle gesund ist, sofern dies freiwillig geschieht. => Wer freiwillig und gerne ein Instrument/Instrumente spielt, ohne das Eltern, Lehrer, etc. zu viel Duck aufbauen lebt meiner Meinung nach... naja, besser.


Wirkung von Rhythmen? Hmmm... also ich habe schon beobachtet, dass bei gewissen Sambarhythmen Babys bzw. kleine Kinder trotz der LautstÀrke friedlich einschlafen können. Ich glaube das hÀngt damit zusammen, dass vor allem die tiefen Töne der Surdos dem Herzschlag sehr Àhnlich sind und es so (ich möchte nicht sagen "vertraut". Nein aber) "beruhigend" wirkt.


Abschließend wĂ€re da noch die Frage, in wiefern es in anderen LĂ€ndern mit der Musik aussieht. Ich denke da an Yamato, die ihr phantastisches spielen quasi als Religion praktizieren...


Mehr fÀllt mir gerade nicht ein, aber ich werde das Thema weiter mit Spannung verfolgen und mich auch wieder zu Wort melden.

GrĂŒĂŸe,
mb :)
 
Ich bin jetzt therapeutisch nicht so auf dem Stand der Dinge, aber ich trage mal zusammen, was mir aufgefallen ist - ĂŒbrigends sehr interresantes Thema: :great:

Schön, dass tatsĂ€chlich gleich mal jemand darauf anspringt – hallo mb. Das Therapeutische wĂ€re ja auch erst der bewusste Umgang mit der Wirkung (deshalb steht die natĂŒrlich im Vordergrund).

Es gibt ja Menschen, die komplett ohne Musik auskommen (also auch nicht hören bzw. diese dann als störend empfinden; egal welche Richtung). So etwas könnte ich nicht, dafĂŒr habe ich viel zu frĂŒh mit Instrumenten angefangen, als das ich mich davon nochmal losreissen könnte (was auch ĂŒberhaupt nicht schlimm ist).

Vielleicht gibt es Menschen, die alles Hörbare (den Wind, die Vögel, das Rauschen der BĂ€ume u.Ă€.) sehr viel bewusster wahrnehmen, d.h. keine Wahrnehmungslenkung oder -strukturierung durch Musik brauchen. Musik, in der Form wie wir sie konsumieren, ist ja auch fĂŒr uns schon sehr weit herausgelöst aus kultischen ZusammenhĂ€ngen. Steckt zwar alles noch drin, aber wer kann beispielsweise noch singen? Bei den alten Griechen gabÂŽs noch das PhĂ€nomen, dass Feinde vor der Schönheit des Gesangs erschraken und mutlos wurden (frag mich jetzt bitte keiner, wo das nachzulesen ist – wahrscheinlich bei Homer). Bei uns wird doch weitgehend nur noch gegrölt (z.B. in Fußballstadien – obwohl bei den EnglĂ€ndern ist das noch anders: "You never walk alone" ist richtig schön).

Jedenfalls denke ich das, wenn schon von "Therapie" die Rede ist, aktives musizieren auf alle FĂ€lle gesund ist, sofern dies freiwillig geschieht.
=>

Das ist, glaube ich auch, das Entscheidende: dass man Musik macht, also auf aktive Weise mit der Wirkung in Verbindung kommt. Gerade Trommeln ist auch physisch sehr wirksam. Wenn BewegungsablĂ€ufe, die hĂ€ufig auch ganzkörperlich zu koordinieren sind, automatisiert werden, entsteht ja auch ein KörpergefĂŒhl (ein bestimmter Ausdruck, Habitus), der ins "normale" Leben hineinwirkt. Im weitesten Sinne hierzu mal ein Link:

http://www.cnmat.berkeley.edu/~ladzekpo/Foundation.html

Wer freiwillig und gerne ein Instrument/Instrumente spielt, ohne das Eltern, Lehrer, etc. zu viel Duck aufbauen lebt meiner Meinung nach... naja, besser.

Da kann man leider (oder gottseidank?) nicht von sich auf andere schließen. Das ist wie mit dem "GlĂŒcklich-Sein": Wer vermag zu entscheiden, wer glĂŒcklicher ist: ein Geistesschwacher, der den ganzen Tag nur grinst und lacht, oder ein Philosoph, der imstande ist, das Elend der Welt in seinem ganzen Ausmaß zu begreifen, und deshalb niemals lacht.

Wirkung von Rhythmen? Hmmm... also ich habe schon beobachtet, dass bei gewissen Sambarhythmen Babys bzw. kleine Kinder trotz der LautstÀrke friedlich einschlafen können. Ich glaube das hÀngt damit zusammen, dass vor allem die tiefen Töne der Surdos dem Herzschlag sehr Àhnlich sind und es so (ich möchte nicht sagen "vertraut". Nein aber) "beruhigend" wirkt.

Im Mutterleib herrscht nach unseren MaßstĂ€ben ja ein wahrer HöllenlĂ€rm – deshalb sind Babys tatsĂ€chlich einiges gewohnt und beruhigen sich eher – wohl auch wegen der rhythmischen Strukturen. Ist es nicht sogar so, dass man SĂ€uglingsstationen ĂŒber Lautsprecher mit MutterleibsgerĂ€uschen beschallt, damit die Kleinen besser einschlafen?

Oder hast Du Beobachtungen darĂŒber, dass es nur ganz bestimmte Sambarhythmen sind?

Ich erinnere mich daran, dass mein erster Trommellehrer gesagt hatte, binÀre Strukturen wirken auf den herzschlag, ternÀre auf die Atmung.

Abschließend wĂ€re da noch die Frage, in wiefern es in anderen LĂ€ndern mit der Musik aussieht. Ich denke da an Yamato, die ihr phantastisches spielen quasi als Religion praktizieren...

Yamato sagt mir gar nichts! ErzĂ€hl bei Gelegenheit bitte mal ein bisschen was drĂŒber!

GrĂŒĂŸe, olliB.
 
... Oder hast Du Beobachtungen darĂŒber, dass es nur ganz bestimmte Sambarhythmen sind? ...
das funktioniert auch mit afrikanischer Musik, im Großraum Freiburg gibt es das "Buschorchester" (ĂŒber den Daumen 30-40 SĂ€ngerInnen/TrommlerInnen), das ist mehrstimmiger Gesang mit Percusionsbegleitung (ohne Harmonie-Instrumente). Bei Buschorchester gehören Kinder (von Neugeborenen angefangen) zum Bandleben, die sind ĂŒberall dabei, bei den Proben, bei den Auftritten,... - da habe ich öfters gesehen, daß Babys "im HöllenlĂ€rm" selig geschlafen haben, egal ob im Tragetuch oder auf einer Decke abgelegt.

Vermutlich wird das auch bei anderer Art Musik funktionieren - oder andersrum, wÀre interessant zu wissen, bei welcher Musik es nicht funktioniert!
 
Wirklich interesanntes Thema!
Leider habe ich gerade nicht die Zeit um alles auszuschreiben, deshalb fasse ich mich im Moment kurz.

Ich habe bei uns an der Hochschule einen Medienkurs belegt zum Thema Klangtherapie und dort zeigte uns unser Dozent eine selbstgedrehte Dokumentation eines MĂ€dchens, welche ans Bett gefesselt war, da sie von einem Schulbus erfasst wurde. Sie war nicht fĂ€hig sich zu verstĂ€ndigen und sie war motorisch extrem eingeschrĂ€nkt. Sie wirkte wie ein Baby obwohl sie geistig relativ fit war. Sie war quasi in ihrem Körper gefangen. DIe Ärzte haben sie so gut wie abgeschrieben.
Mein Dozent machte mit ihr Klangtherapie um ihren Körper zu "reaktivieren". Er hat ans Ende ihres bettes klapernde Ketten gebunden und selbst auf der Flöte einfache Melodien gespielt und das MĂ€dchen sollte immer wenn sie meinte es wĂŒrde passen mit der Kette zur Melodie klappern.
So therapierte er sie Jahr fĂŒr Jahr und nach gut 3-4 Jahren war das MĂ€dchen motorisch wieder fast normal.

Ich war davon selbst sehr fasziniert!

ciao
Lava
 
Yamato sagt mir gar nichts! ErzĂ€hl bei Gelegenheit bitte mal ein bisschen was drĂŒber!

GrĂŒĂŸe, olliB.
Yamato sind eine Percussion-Gruppe aus Japan. Ich hab sie mal Live gesehen und es hat mich umgehauen. Mal davon abgesehen, dass die große Trommel mit was ist das in Zoll... naja 2 Meter Durchmesser hatte die schon (wĂ€ren dann in etwa 80") umgehauen hat durch die Schwingung die durch das draufhauen mit dem dicken HolzknĂŒppel entstand.

Yamato leben quasi ihre Musik. Zwischen einzelnen SchlÀgen haben sie laut Sachen gerufen und waren hoch konzentriert (das lÀsst sich jetzt irgendwie schwer erklÀren). Es war so, als ob sie gute Geister beschwören wollten - also das die Musik ihren Körper durchströmt hat - die totale Konzentration (muss man sich jetzt halt vorstellen können)... ja, ich kann es nicht beschreiben, höchstens jedem mal empfehlen sich das selbst Live anzusehen. :great:


GrĂŒĂŸe,
mb :)
 
- oder andersrum, wÀre interessant zu wissen, bei welcher Musik es nicht funktioniert

Bzw. ob es sowohl ein fĂŒr alle gĂŒltiges Erleben als auch individuelle PrĂ€gungen gibt. Die Frage wĂ€re dann fĂŒr mich vor allem, ob der Fötus im Mutterleib schon so etwas wie individuellen Stress entwickeln kann – also quasi als eigenstĂ€ndige Reaktion auf das Befinden der Mutter. Oder ob er die Empfindungen (und ihre Schwankungen) der Mutter immer "ĂŒbernimmt", weil er hormonell halt da mit dranhĂ€ngt.

Es könnte aber auch durchaus sein, dass z.B. im Zusammenhang mit Stress, den die Mutter empfindet, irgendetwas auf der GerÀusch- und Rhythmus-Ebene passiert, was beim Kind eine PrÀgung bewirkt, die spÀter auch Einfluss auf sein Musikerleben hat.

Sie war nicht fÀhig sich zu verstÀndigen und sie war motorisch extrem eingeschrÀnkt. Sie wirkte wie ein Baby obwohl sie geistig relativ fit war. Sie war quasi in ihrem Körper gefangen.

D.h. sie konnte nicht selber sprechen? Oder konnte Sie gesprochene Sprache verstehen – hat der Dozent ihr erzahlen können, was er von ihr wollte bzw. was ihre Aufgabe dabei sein sollte?

Mein Dozent machte mit ihr Klangtherapie um ihren Körper zu "reaktivieren". Er hat ans Ende ihres bettes klapernde Ketten gebunden und selbst auf der Flöte einfache Melodien gespielt und das MĂ€dchen sollte immer wenn sie meinte es wĂŒrde passen mit der Kette zur Melodie klappern.

Wie gesagt: wichtig wÀre zu wissen, ob das MÀdchen ohne jedes SprachverstÀndnis auf Musik reagiert hat oder ob sie verbalen Instruktionen des Dozenten gefolgt ist (und durch die Musik lediglich die Motivation zur Interaktion erhöht wurde).

So therapierte er sie Jahr fĂŒr Jahr und nach gut 3-4 Jahren war das MĂ€dchen motorisch wieder fast normal.

Über 3-4 Jahre ist da aber sicherlich auch physiotherapeutisch gearbeitet worden, oder? Zumindest mĂŒsste das MĂ€dchen regelmĂ€ĂŸig passiv durchbewegt worden sein, damit die Beweglichkeit des Körpers grundsĂ€tzlich (also unabhĂ€ngig von der eigenen motorischen SteuerfĂ€higkeit) erhalten bleibt.
 
ich habe vor ca. 20 Jahren mit einer Spastikerin percusiv gearbeitet (auf den speziellen Grund und die UmstÀnde möchte ich nicht nÀher eingehen! danke).

Eine gute Freundin von mir hat sie physotherapeutisch betreut und hatte mir mal zufĂ€llig beim Üben zugesehen - daraus hat sie die Idee entwickelt, daß einige der BewegungsablĂ€ufe meiner Conga-Übungen auch fĂŒr ihre Patientin förderlich sein könnten.

Also habe ich quasi versucht der jungen Frau einige BewegungsablĂ€ufe und Schlagtechniken auf der Conga nĂ€herzubringen - was letztendlich nicht funktioniert hat, besonders deshalb, weil sie immer Schmerzen in der Hand/den Fingern hatte, vom "Zuschlagen", die auch nicht zu ĂŒberwinden waren.
Eher zufĂ€llig habe ich auch mal ein Gummipad und Sticks mitgenommen - und das war der große Urknall!! Das Handling der Sticks, die Kontrolle der Sticks, die Kontrolle des Rebounds hatten die erhoffte Wirkung, er wurden Muskeln, Sehnen, BĂ€nder in den Armen und im Schulterbereich angesprochen, die schon lange Zeit passiv waren, diese konnten quasi erweckt, wieder animiert werden.

Durch diese körperliche Voraussetzung war es dann weiter möglich durch gezielte sportliche BetĂ€tigung weitere Körperpartien anzusprechen und in Bewegung zu bringen - ungeahnter Nebeneffekt, die spastischen AnfĂ€lle kamen nicht mehr so willkĂŒrlich, waren etwas (wenn auch wenig, fĂŒr mich als Außenstehender) steuerbar.

Heute ist die Frau 40 sitzt immer noch im Rollstuhl, hat immer noch Probleme durch spastische AnfĂ€lle, kann aber selbststĂ€ndig, eigenstĂ€ndig, alleine (unbetreut!) leben, hatte große Erfolge im Kampfsport und bildet inzwischen junge behinderte Frauen im Kampfsport aus!
 
Yamato sind eine Percussion-Gruppe aus Japan. Ich hab sie mal Live gesehen und es hat mich umgehauen. Mal davon abgesehen, dass die große Trommel mit was ist das in Zoll... naja 2 Meter Durchmesser hatte die schon (wĂ€ren dann in etwa 80") umgehauen hat durch die Schwingung die durch das draufhauen mit dem dicken HolzknĂŒppel entstand.

Man schaue sich mein Avatar-Bild an. Es ist eine Trommlerin der japanischen Gruppe Tao, sie ich mir im MĂ€rz angesehen hatte. Elf Japaner haben sich dem Taiko verschrieben, der traditionellen Trommelkunst ihrer Heimat.
Die Bekannteste Gruppe dieser Kunst ist "Yamato", die durch die ganze Welt tourt.

Nichts ist improvisiert, jeder Schlag durchdacht, achtsam und prĂ€zise ausgefĂŒhrt. Lieder aus Rhythmus, jederzeit wiederholbar. Teilweise sahen die Trommler/innen wie in AusfĂŒhrung eines Kampfsportes aus... Einfach alles perfekt, Körperbeherrschung der obersten Liga!!

Ein Konzert, das mich schwer beeindruckte und absolut empfehlenswert ist :great:

Schöne GrĂŒĂŸe,
think.funny
 
... Die Bekannteste Gruppe dieser Kunst ist "Yamato", die durch die ganze Welt tourt ...
die Ă€lteste und wohl auch bekannteste (weltweit) ist "Kodo" - alle anderen sind Kopien davon... - die Trommler leben auf einer Insel in Gemeinschaft, arbeiten und meditieren, trainieren und spielen Konzerte..., das ist Ă€hnlich einem Orden aufgebaut, daher die rituellen Auftritte. Nur wer "reif" dafĂŒr ist, darf auch öffentlich trommeln
 
DrumCircles haben auf jeden Fall eine große meist positive Wirkung auf Menschen. Meine Erahrungen werde ich gerne in den nĂ€chsten Tagenposten.

Wie verstehst du den Begriff "Therapeutischer Kontext"? Ich denke du meinst "alles was das innere eines Menschen bewegt" und nicht "Therapie" als geschĂŒtzter Begriff ;). (Die Diskussion sollte aber eigentlich im Musiktheorieteil gefĂŒhrt werden.)

GrĂŒĂŸe vom SonderpĂ€dagogen - Fach Musik.
 
Mann, da ist ja richtig was passiert – klasse! Und schon wieder ist es so spĂ€t – deshalb erstmal nur was zu folgendem:

Wie verstehst du den Begriff "Therapeutischer Kontext"? Ich denke du meinst "alles was das innere eines Menschen bewegt" und nicht "Therapie" als geschĂŒtzter Begriff ;).

Genau. Die Wirkung als solche, und zwar in mehrfacher Hinsicht:

  1. physisch, a) wenn ich trommle und b) wenn ich Rhythmus (und die verschiedenen KlÀnge) wahrnehme

  2. psychisch, a) wenn ich trommle, b) wenn ich mit anderen trommle (die psycho-soziale Dimension) und c) wenn ich Rhythmus wahrnehme

"Therapeutischer Kontext" nur als Beispiel dafĂŒr, dass man aus den Schlussfolgerungen widerum ein Setting (man könnte auch sagen: eine optimale Situation) ableitet. Mein Interesse ist da sehr breit gestreut: gerne auch auf spezielle Krankheitsbilder bezogen (wie ja schon von dem einen und anderen beigesteuert), aber eben auch Theorien zu den ggf. neurologischen und anthropologischen(?) Voraussetzungen dafĂŒr, dass Rhythmus auf uns zu wirken vermag.

Definitionen finde ich auch spannend, wie z.B. folgende aus dem Jahr 1949: "Rhythmus ist die Ordnung im Verlauf gegliederter Gestalten, die darauf angelegt ist, durch regelmĂ€ĂŸige Wiederkehr wesentlicher ZĂŒge ein Einschwingungsstreben zu erwecken und zu befriedigen."

Ist das nicht toll formuliert: "ein Einschwingungsstreben erwecken und befriedigen". Im Anhang ein lÀngerer Textauszug, damit das nicht so unvermittelt bleibt.

(Die Diskussion sollte aber eigentlich im Musiktheorieteil gefĂŒhrt werden.)

Hm!? – Was schlĂ€gst Du vor?

GrĂŒĂŸe vom SonderpĂ€dagogen - Fach Musik.

Super! Bin gespannt.

GrĂŒĂŸe, olliB.
 

AnhÀnge

  • Jost-Trier_Rhythmus.pdf
    113,3 KB · Aufrufe: 698
ich habe vor ca. 20 Jahren mit einer Spastikerin percusiv gearbeitet (…) Eher zufĂ€llig habe ich auch mal ein Gummipad und Sticks mitgenommen - und das war der große Urknall!! Das Handling der Sticks, die Kontrolle der Sticks, die Kontrolle des Rebounds hatten die erhoffte Wirkung (…) … ungeahnter Nebeneffekt, die spastischen AnfĂ€lle kamen nicht mehr so willkĂŒrlich, waren etwas (wenn auch wenig, fĂŒr mich als Außenstehender) steuerbar.
(…)
Heute ist die Frau 40 sitzt immer noch im Rollstuhl, hat immer noch Probleme durch spastische AnfÀlle, kann aber selbststÀndig, eigenstÀndig, alleine (unbetreut!) leben

Das finde ich interessant: Stickkontrolle hat ja was mit regelmĂ€ĂŸiger Spannung und Entspannung zu tun (spezielles neuromuskulĂ€res Zusammenspiel von Agonist und Antagonist). Wichtig zu wissen wĂ€re, was eine Spastik eigentlich ist, wodurch sie ausgelöst wird. Ich mĂŒsste es eigentlich noch auf der Pfanne haben, aber … :redface:. (Ist inzwischen ja auch noch spĂ€ter geworden).

Gute Nacht, olliB.
 
Bzw. ob es sowohl ein fĂŒr alle gĂŒltiges Erleben als auch individuelle PrĂ€gungen gibt. Die Frage wĂ€re dann fĂŒr mich vor allem, ob der Fötus im Mutterleib schon so etwas wie individuellen Stress entwickeln kann – also quasi als eigenstĂ€ndige Reaktion auf das Befinden der Mutter. Oder ob er die Empfindungen (und ihre Schwankungen) der Mutter immer "ĂŒbernimmt", weil er hormonell halt da mit dranhĂ€ngt.

Es könnte aber auch durchaus sein, dass z.B. im Zusammenhang mit Stress, den die Mutter empfindet, irgendetwas auf der GerÀusch- und Rhythmus-Ebene passiert, was beim Kind eine PrÀgung bewirkt, die spÀter auch Einfluss auf sein Musikerleben hat.



D.h. sie konnte nicht selber sprechen? Oder konnte Sie gesprochene Sprache verstehen – hat der Dozent ihr erzahlen können, was er von ihr wollte bzw. was ihre Aufgabe dabei sein sollte?



Wie gesagt: wichtig wÀre zu wissen, ob das MÀdchen ohne jedes SprachverstÀndnis auf Musik reagiert hat oder ob sie verbalen Instruktionen des Dozenten gefolgt ist (und durch die Musik lediglich die Motivation zur Interaktion erhöht wurde).



Über 3-4 Jahre ist da aber sicherlich auch physiotherapeutisch gearbeitet worden, oder? Zumindest mĂŒsste das MĂ€dchen regelmĂ€ĂŸig passiv durchbewegt worden sein, damit die Beweglichkeit des Körpers grundsĂ€tzlich (also unabhĂ€ngig von der eigenen motorischen SteuerfĂ€higkeit) erhalten bleibt.

Kann ich jetzt nicht genau sagen, ob sie auch physiologisch betreut wurde aber ich gehe mal stark davon aus. Der Kurs liegt schon ein halbes Jahr zurĂŒck und wir haben uns das Video nur 1x angesehen.
Also soweit ich es in erinnerung habe, konnte das MĂ€dchen nicht sprechen, aber alles verstehen. Sie wirkte zwar wie geistig Behindert, aber angeblich soll sie klar bei Verstand gewesen sein.
 
  1. physisch, a) wenn ich trommle und b) wenn ich Rhythmus (und die verschiedenen KlÀnge) wahrnehme
  1. c) wenn ich mich im Kontext Trommeln bewege (Beispiel RhythmCircles)
[*]psychisch, a) wenn ich trommle, b) wenn ich mit anderen trommle (die psycho-soziale Dimension) und c) wenn ich Rhythmus wahrnehme
[*]


Ich selber habe verschiedene Erfahrungen mit RhythmCircles gemacht. Teils als Teilnehmer in Gruppen ohne Menschen mit Behinderungen, teils als TN in Gruppen mit Menschen mit Behinderungen und teils als "Initiator" und "Regulator" in beiden Arten von Gruppen.
Das integrative Moment dieser Art des gemeinsamen Musizierens ist enorm. Grade in grĂ¶ĂŸeren Gruppen gibt es Erfolgserlebnisse fĂŒr ALLE, die sonst im Umgang auch innerhalb "geschlossener Systeme von Menschen mit und ohne Behinderung" kaum erreicht werden können. Wird nicht auf den Menschen im Zentrum des Kreises von allen direkt reagiert, beeinflussen aufmerksame TN doch sehr schnell die anderen Musizierenden. So werden selbst kleinste Bewegungen gewaltig.
Hier bin ich mir sicher, dass auch ĂŒber die psychische Dimension die Physis verĂ€ndert wird -> meine ErgĂ€nzung 1c).

"Therapeutischer Kontext" nur als Beispiel dafĂŒr...
Definitionen finde ich auch spannend, wie z.B. folgende aus dem Jahr 1949: "Rhythmus ist die Ordnung im Verlauf gegliederter Gestalten, die darauf angelegt ist, durch regelmĂ€ĂŸige Wiederkehr wesentlicher ZĂŒge ein Einschwingungsstreben zu erwecken und zu befriedigen."

Ich meinte eher diese Diskussion fĂŒr das Musiktheorie-UF:
"Wo handelt es sich im Musiktherapie, wo um eine Therapieform mit Musik, wo um einen psycologisch-sozial reflektierten Umgang mit Musi, wo um einen pÀdagogischen Kontext?"
War es Antholz, der dieses mehrfach diskutiert hat? Ist ein sehr von Vorurteieln einzelner Berufsgruppen besetztes Thema. Therapeuten <-> Lehrer <-> Dipl. PĂ€dagogen <-> Psychologen <-> ...

Ich wĂŒrde hier gerne unter der PrĂ€misse mitdiskutieren, dass der Begriff "Therapeutischer Kontext" sehr weit - weiter als in der Literatur - gesehen wird. Ich denke und hoffe, dass dieses hier akzeptiert wird ;).

GrĂŒĂŸe von Cello und Bass
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Wie wÀrs wenn man den Bass/die BÀsse,
als basale Stimulation sieht?


So far.
Lg vom Behindertenbetreuer ;)
 
Das integrative Moment dieser Art des gemeinsamen Musizierens ist enorm. Grade in grĂ¶ĂŸeren Gruppen gibt es Erfolgserlebnisse fĂŒr ALLE, die sonst im Umgang auch innerhalb "geschlossener Systeme von Menschen mit und ohne Behinderung" kaum erreicht werden können. Wird nicht auf den Menschen im Zentrum des Kreises von allen direkt reagiert, beeinflussen aufmerksame TN doch sehr schnell die anderen Musizierenden. So werden selbst kleinste Bewegungen gewaltig.
Mich hat vor etwa 2 Jahren eine Bekannte mal gefragt, ob ich nicht an einer selbstzusammengestellten Samba-Truppe aus Menschen mit (eher geistig, weniger körperlich) sowie ohne Behinderung fĂŒr einen großen Auftritt einer Veranstaltung fĂŒr einen guten Zweck auftreten kann. Da ich an dem Termin und einer Probe vorher Zeit hatte, hab ich einfach spontan ja gesagt.

Das ganze war höchst interresant:
Das Menschen mit geistiger Behinderung oft gut an Musikinstrumenten sind, ist bekannt - mich hat aber fasziniert, mit wieviel Freude die das getan haben. => Um diese Freude aufrecht zu halten hat die Leiterin dieser bunten Truppe diverse Soli fĂŒr die jeweiligen Instrumente eingebaut gehabt, an denen sich die (klingt jetzt blöd irgendwie, naja) "normalen" Menschen zurĂŒckgehalten haben. NatĂŒrlich wurden beim Auftritt einige Fehler in diesen Soli eingebaut und auch Temposchwankungen waren drin, aber das hat ĂŒberhaupt nichts ausgemacht. Desweiteren ist mir noch aufgefallen, dass sich alle Spieler des Instruments welches ich spielte sich an mir als (da ist dieses blöde Wort schon wieder) "normalen" Menschen orientiert haben, mich quasi als ihr Vorbild genommen hatten - das hat mich schon bewegt, irgendwie... positiv!


GrĂŒĂŸe,
mb :)
 
Ich hab letztes Jahr mal Betreuer in einem zu HĂ€lfte geistig und körperlich behinderten Kindern und zur HĂ€lfte normalen Kindern. Bei ebenjenen Ferienlager gehörte auch ein Trommler zum Programm. Es war interessant zu beobachten, dass selbst schwer geistig behinderte Kinder beim Trommeln aus sich rausgekommen sind. Und teilweise klang es bei den Behinderten auch besser, weil ich denke dass diese mehr auf ihr GefĂŒhl vertraut haben und nicht soviel nachgedacht haben. So hat Trommeln auf jedenfall eine gewisse therapeutische Wirkung, wahrscheinlich weil Rhythmen in irgendeiner Weise entspannen.

TRommel

P.S. Der Trommler der das Angebot angeboten hat, hatte auch einen kleinen 1-jÀhrigen Sohn. War lustig wie er immer zwischen den ganzen Trommeln rumgelaufen ist und drauf rumtrommelt hat.:great:
 
TRommelmann schrieb:
So hat Trommeln auf jedenfall eine gewisse therapeutische Wirkung, wahrscheinlich weil Rhythmen in irgendeiner Weise entspannen.
Ja, einerseits, andererseits können Rhythmen auch fesseln u. anspornen. Ich denke da nur an meine Putzorgien als Teenager... wenn ich wieder mal rann musste, dann hab ich tierisch laut fetzige Musik durchs Haus jubeln lassen und alles ging wie von selbst.

KĂŒrzlich freundete ich mich mit einem 12jĂ€hrigen Jungen auf einem Geburtstagsgig an, der das Down-Syndrom hatte. Er wollte unbedingt trommeln und so ließen wir ihn in einer Pause an's Schlagzeug ran, was er mit viel Elan spielte. Er war so begeistert, dass er den ganzen Abend erst vor der BĂŒhne stehend, dann seitlich auf der BĂŒhne sitzend, uns beobachtete und mir andauernd gestikulierte, er wolle mitspielen :).

Er will mich mal besuchen kommen, um in aller Ruhe trommeln zu können und ich hoffe, dass er bei sich in der Gegend die Möglichkeit findet, therapeutisch oder auch kursmĂ€ĂŸig aus der Euphorie fĂŒr sich etwas zu machen.
 

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