Mollakkord immer eine kleine Terz nach unten -> Was tue ich da?

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Hallöchen, die Überschrift sagt eigentlich schon so ziemlich alles.
Habe gemerkt, dass ich einen ganz bestimmten, mir irgendwie auch bekannten Sound erziele, wenn ich einen Mollakkord ständig eine Terz nach unten verschiebe
Beispiel: Cm - Am - Gbm - Ebm - Cm
Was mache ich dort aus theoretishcer Sicht betrachtet? Mir geht es darum, dass mir das ganze ziemlich vertraut vorkommt, weßhalb es mit atonalität und dergleichen ja eigentlcih nicht viel zu tun haben kann oder doch?:confused:
Danke schon mal fürs antworten:)
 
Eigenschaft
 
Neben der klanglichen wWirkung, die Du dabei empfindest gibt es bei dieser Folge auch eine Verwandtschaft - um die Ecke:

Am ist eigentlich die Mollparallele von C-Dur, F#m die Mollparalle von A usw.

Also C > Am > (A) > F#m > (F#) > Ebm (Eb) > Cm

Nur dass hier die Dur-Akorde sozusagen "vermollt sind". Es bleibt dabei dennoch eine Verwandschaft, da der Grundton des einen Akkords immer zur Terz des Folgeakkords wird:

Cm: C - Eb - G
Am: A - C - E
F#m: F# A - C#
Ebm: Eb - F# - Bb
Cm: C - Eb - G
 
Okay das klingt schon mal ganz logisch und wie verhalten sich die Tonleitern währenddessen? Moduliere ich dort?
Befinde ichmich also z.B zum Zeit punkt des Cm in der Tonart CM und beim Am dann in der Tonart Am usw oder was mache ich dort Tonleitermäßig betrachtet?
Und danke, hast mir schon mal sehr geholfen :):great:
 
Für mich klingt das wie "harmonisches Niemandsland". Keiner der Akkorde wird als Tonika gefestigt. Es bleibt schwebend.

Die stimmigste Tonleiter für die Akkorde ist für mich die jeweilige melodisch Moll-Tonleiter. Die Begründung ist auch recht einfach. Die beiden erhöhten Stufen VI und VII entsprechen jeweils Grundton und große Sekunde der nächsten Tonleiter. Man bereitet also schon den nächsten Akkord vor:

Cm mit C-MM = c d eb f g a b => Am mit A-MM a b c d e f# g#
(b=h)

Gruß
 
Für mich bleibt alles auf der Tonikaebene. Das hierfür passende Werkzeug nennt sich Kleinterzmediantik...
 
... wenn ich einen Mollakkord ständig eine Terz nach unten verschiebe
Beispiel: Cm - Am - Gbm - Ebm - Cm
Was mache ich dort aus theoretishcer Sicht betrachtet?
Nun, was tust Du da? Ganz einfach, Du sequenzierst, und zwar REAL. siehe mein Beitrag---> https://www.musiker-board.de/vb/harmonielehre/303280-reale-modulierende-sequenzen.html

Auch Chopin brachte Dein Modell schon zur Anwendung. Schau mal hier.
Für auf die Ohren: Hier, und zwar bei etwa 2:28

Das ganze läuft unter dem Namen Distanzharmonik, bzw. spezieller ausgedrückt, Kleinterzmediantik, wie PVaults schon erwähnte.
Die Funktionsanalyse ist hier außer Kraft gesetzt, da reale Sequenzen den Rahmen der Diatonik sprengen. F.J. Fetis verwendete dafür den Begriff "pluritonie". Nicht schlecht, oder? Es war eine Aufbruchsstimmung im Impressionismus. Von der Unitonie über die Pluritonie zur Omnitonie. Es kam aber, wie so oft, alles ganz anders ...

Distanzharmonik ist seit dem Bestandteil der zeitgenössisch tonalen Musik.
 
Eine andere Herangehensweise an diese Akkordfolge:

Es gibt ja im 12-Tonsystem nur insgesamt 3 verschiedene Klassen von verminderten Vierklängen. Ein verminderter Vierklang besteht aus Grundton, kleiner Terz, verminderter Quinte (Tritonus) und großer Sechste. Es geht quasi innerhalb eines solchen Vierklangs immer eine kleine Terz weiter, bis man wieder beim Grundton ist.

Hier die drei möglichen Klassen von verminderten Vierklängen:

1. c es ges a
2. c# e g a#
3. d f g# h

Bei jeder dieser Klassen kann man zwischen 4 Grundtönen wählen, um einen bestimmten Akkord zu erstellen.

Nun der Bezug zu der Akkordfolge: Hier wandern die Grundtöne in kleinen Terzen. Nimmt man sie alle zusammen, ergibt sich eine bestimmte Klasse von verminderten Vierklängen. Da es Moll-Akkorde mit kleiner Terz sind, enthalten sie jeweils noch einen weiteren Ton aus der Klasse. In Bezug auf Grundton und kleine Terz bleibt man bei der Verschiebung also innerhalb dieser Klasse.

Die anderen Töne ausserhalb der Klasse (z.B. Quinte und ggf. Septime im Moll-Akkord) wandern durch die Akkord-Verschiebung auch in kleinen Terzen und können somit in Bezug gesetzt werden zu einer der anderen zwei Klassen der verminderten Vierklänge.

Zugegeben man hört zu jedem Zeitpunkt immer nur einen Ausschnitt aus den Klassen, aber insgesamt kann man diese Sichtweise durchaus anwenden, um damit zu arbeiten.
 
Ich habe mal eine Tabelle erstellt, in der ich alle möglichen Dreiklangswechsel von Dur oder Moll-Akkorden in 19 Symmetrieklassen zusammengefasst habe, und geschaut in welchen verbreiteten Tonarten die Akkordpaare der einzelnen Symmetrieklassen auftauchen (ich denke, ich werde dazu in den nächsten Tagen mal einen eigenen Thread öffnen).

Die Verschiebung eines Moll-Dreiklangs um 3 Halbtöne taucht dabei nur in Harmonisch Moll (durch enharmonische Verwechslung) und in der Halbton-Ganzton-Leiter (HTGT) auf, nicht aber in den anderen von mir berücksichtigten Tonleitersystemen (Dur / Moll, Melodisch Moll, Zigeunermoll, Harmonisch Dur, symmetrische 3-1-Skala). Das andere Akkordpaar dieser Symmetriegruppe - zwei Dur-Dreiklänge im Abstand von 3 Halbtönen - ist eine Spiegelung unseres Falles in der Tonhöhe, und taucht deshalb nur in den Spiegelungen der genannten Tonleitersysteme auf (Harmonisch Dur - ebenfalls über enharmonische Verwechslung, und HTGT, welches in sich spiegelsymmetrisch bzgl. der Tonhöhe ist). Wie auch immer die Interpretation der Molldreiklangsverschiebungen ausfällt, sie sollte tonhöhensymmetrisch zur Durdreiklangsverschiebung ausfallen.


Zu HTGT wäre zu sagen, dass Dur- und Moll-Dreiklänge immer auf den Grundtönen von HTGT liegen, aber nie auf Grundtönen von GTHT (dort gibt es nämlich keine reine Quinte). Grundtöne von HTGT liegen immer ein Vielfaches von 3 Halbtönen auseinander - man kann in dieser Tonleiter also Dur- und Moll-Dreiklänge um beliebige Vielfache von 3 Halbtönen entfernt spielen. Das ist zwar nicht direkt eine harmonische Erklärung, hilft aber evtl. doch zur Zuordnung einer Tonleiter - insbesondere wenn die Verschiebung öfter angewendet wird.


In Harmonisch Moll taucht dieser Akkordwechsel zwischen der IV. und der (durch enharmonische Verwechslung) vermollten VI. Stufe auf - in A-Moll Harmonisch wären dies Dm (D F A) und "Fm" (F G# C - enh. verwechselt für F Ab C).

Harmonisch betrachtet erscheint die Interpretation G# zumindest auf den ersten Blick unsinnig - der Ton würde zu allen anderen Tönen außer A ein vermindertes bzw. übermäßiges Intervall bilden. Ein Ab dagegen würde nur zu D und A ein vermindertes / übermäßiges Intervall bilden, und zu D lässt sich dies sowieso nicht verhindern (-> Tritonus). Es herrschen also einfache Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Tönen, mit Ausnahme von D - Ab und A - Ab, die allerdings nicht gleichzeitig erklingen, weswegen der chromatische Wechsel von A nach Ab reibungslos abläuft (dazu wurde ja schon vorher einiges geschrieben, siehe auch die Interpretation von Hans mit dem Wechsel von Melodisch Moll-Tonarten).


In der reinen Stimmung betrachtet macht allerdings auch die Interpretation D F A - F G# C durchaus Sinn, wenn man sich nicht unnötig durch konservative Dogmen einschränkt. Entgegen verbreiteter Meinung sind nämlich übermäßige / verminderte Intervalle i.d.R. nicht wirklich dissonant, sondern liegen meist nur 8 Cent neben einem septimalen Intervall mit reinem Stimmungsverhältnis (100 Cent = 1 Halbton, septimales Intervall = Intervall, in dessen Verhältnis der größte Primfaktor 7 ist). Dazu ist zu bemerken, dass die Terzen und Sexten in unserer 12-Stufigen Stimmung um etwa 14-16 Cent von den entsprechenden Intervallen mit reinem Stimmungsverhältnissen abweichen, und sie gelten trotzdem i.d.R. als konsonant.

Die übermäßige Sekunde (F - G#) z.B. liegt in der reinen Stimmung sehr nah an der septimalen kleinen Terz 7:6, und die verminderte Quarte (G# C) an der septimalen großen Terz 9:7*. Setzt man F G# C also mit dem septimalen Dreiklang F Ab- C gleich ("-" = ein Leipziger Komma 64:63 tiefer spielen), so würde Ab- mit D und F zusammen einen verminderten Dreiklang mit reinem Verhältnis 5:6:7 bilden, so wie er in der Obertonreihe auftaucht**, und trotzdem ist gleichzeitig die Interpretation A - G# möglich, mit einer gewöhnlichen kleinen Sekunde 16:15 dazwischen, und man muss die Tonart (Harmonisch Moll) nicht einmal verlassen, damit es gut klingt.

* wer einen septimalen Moll-Dreiklang hören will und eine Gitarre zur Hand hat, der kann ja mal die Flageolet-Töne im 31., etwas unter dem 34. und im 38. Bund spielen ;)
** dazu Flageolet-Töne im 28., 31. und knapp unter dem 34. Bund spielen
 
Klein-Terz-Rückungen haben was. Warum, dafür haben wir hier jetzt viele zutreffende Erklärungen gehört.

Wer Lust hat, kann sich mal ein Stück von mir anhören, an dem ich gerade bastle (ist noch nicht die Endversion, die Rhythmusgitarre soll noch etwas cleaner, das Solo besser und der Schluss anders werden).

Hier: eDHa - Lydian Voyage (Vorab-Version)

Da kommen auch mehrmals Klein-Terz-Rückungen nach unten und oben vor und ein Zwischenteil, wo es klein-terzig abwärts geht bis der Ausgangsgrundton wieder erreicht wird. Ich finde MaBa hat recht mit dem schwebenden Charakter. Passt hier auch gut zu der schwebenden lydischen Harmonik von meinem Stück.
Nach meinem Empfinden hängt der Effekt der Klein-Terz-Rückungen auch mit der Beziehung zu dem verminderten Septakkord, z.B. C-Eb-Gb-Bbb(=A) zusammen, ein symmetrischer geschlechtsloser schwebender neutraler Akkord, der sich beliebig umkehren lässt und beliebig enharmonisch verwechselt werden kann.
 
Nach meinem Empfinden hängt der Effekt der Klein-Terz-Rückungen auch mit der Beziehung zu dem verminderten Septakkord, z.B. C-Eb-Gb-Bbb(=A) zusammen, ein symmetrischer geschlechtsloser schwebender neutraler Akkord, der sich beliebig umkehren lässt und beliebig enharmonisch verwechselt werden kann.

Ich denke, es hängt eher mit der Parallelverwandtschaft bzw. dem Tongeschlechtswechsel zusammen:

C-Am => A-F#m => F#-Ebm => Eb-Cm bzw. umgekehrt.

Das ist also die Ebene, von der ich sprach. Funktioniert natürlich auch bei reinen Moll oder reinen Dur-Akkorden, auch bei Erweiterungen aller Art.

Der verminderte Akkord wird von den wenigsten Menschen als "harmonisch" empfunden, man stellt sich da eher etwas wie ein Dur oder Moll-Akkord vor...
 
Die Wirkung dieser Akkordfolge hängt sicher mit vielen Faktoren zusammen, und der verminderte Septakkord hat natürlich auch seine Bedeutung, wenn man sequenziert und den gleichen Akkord wiederholt um 3 Halbtöne verschiebt. Bei einer einzelnen Verschiebung jedoch sehe ich nicht zu viele Ähnlichkeiten, und den schwebenden Charakter würde ich eher mit dem eines m7b5 vergleichen (vermind. Dreiklang mit kleiner Septime), so wie er zustande kommt wenn man alle Akkordtöne von Am und Cm zusammenschmeißt, und den Ton E wegfallen lässt (-> Am7b5 = A C Eb G).

Ich schätze dein Vergleich zu Lydisch kommt daher, dass Am7b5 eine Umkehrung von Eb 6/b5 ist (eigentlich #4/omit 5 statt b5) -> Eb Lydisch. Man könnte den Akkord allerdings auch zu Cm6 (-> C Dorisch) umkehren. Der Klangcharakter ist also durchaus mit dem von Lydisch, Dorisch oder Lokrisch vergleichbar, wenn man diese Akkordtöne hervorhebt.
 
@PVaults und Hellrazor (tut mir leid, kann deinen Namen leider nicht richtig schreiben;)):
Versteht mich bitte nicht falsch. Ich meine auch, dass die Wirkung der Klein-Terz-Rückung auf vielen Faktoren beruht, und dass alle hier gegebenen Erklärungen irgendwo ihre Richtigkeit haben. Den wesentlichsten Punkt sehe ich auch in der Parallelverwandschaft.
Der Vergleich mit dem verminderten Septakkord kommt dann zum Tragen, wenn es sich um eine mehrfache Folge von Rückungen handelt, die man dann ja beliebig fortsetzen kann, hier ensteht dann m.E. schon eine atonale schwebende Wirkung.
Den verminderten Septakkord empfinde ich auch nicht als harmonisch, sondern als unnatürlich, eben wegen seiner Symmetrie, die Natur liebt eben mehr die Asymmetrie (wie Dur- und Moll-Akkorde). Andererseits kann das auch durchaus mal beabsichtigt sein.
Den Vergleich mit Lydisch ("schwebender" Charakter) meinte ich auch nicht direkt harmoniebezogen sondern mehr so: Der verminderte Septakkord hat keinen klaren Bezug zu einer eindeutigen Tonika, ähnlich wie es schwierig ist, eine lydische Tonika zu etablieren.
 
Ah, dann hatte ich wohl etwas missverstanden - danke für die Erläuterung!

Den verminderten Septakkord empfinde ich auch nicht als harmonisch, sondern als unnatürlich, eben wegen seiner Symmetrie, die Natur liebt eben mehr die Asymmetrie (wie Dur- und Moll-Akkorde). Andererseits kann das auch durchaus mal beabsichtigt sein.
Naja, so ganz stimmt das nicht wie du das ausgedrückt hast: Dur- und Moll-Dreiklänge können durchaus symmetrisch sein, je nachdem wie man sie betrachtet. In der logarithmischen Darstellung (-> Melodik) sind sie im Gegensatz zum verminderten Septakkord nicht symmetrisch, aber man erhält den Dur-Dreiklang durch arithmetische Teilung der Quinte in der Frequenzdarstellung (-> Harmonik / Obertonreihe), während man den Moll-Dreiklang durch arithmetische Teilung in der umgekehrt proportionalen Darstellung zur Frequenz (Schwingungsdauer, Länge der schwingenden Saite / Luftsäule) erhält (-> Harmonik / Untertonreihe). Und das sind längst nicht die einzigen Symmetrien in der Natur - schau dir zum Beispiel mal den menschlichen Körper an. ;) Allerdings hast du schon nicht unrecht, wenn es um Symmetrien im melodischen / logarithmischen Bereich geht - die haben in erster Linie nicht so viel mit Harmonie zu tun.


Wen's interessiert:

Arithmetisches Mittel von a und b: (a + b)/2
(der Punkt, der genau in der Mitte zwischen a und b liegt)

Zur Symmetrie des Dur-Dreiklangs:
Zwischen den Frequenzen f und (3/2)f liegt eine reine Quinte (Verhältnis 3:2). Die arithmetische Teilung dieser Quinte beträgt (f + (3/2)f)/2 = (5/4)f, der resultierende Ton liegt also eine große Terz (5:4) über dem Ausgangston mit Frequenz f, und wir erhalten einen Dur-Dreiklang. Zum Beispiel liegt zwischen 400Hz und 600Hz eine Quinte, und genau in der Mitte, bei 500Hz, liegt die Terz des Dur-Dreiklangs.

Zur Symmetrie des Moll-Dreiklangs:
Man spielt auf einer Saite zwei Töne, so dass beim ersten Ton die Länge der schwingenden Saite l ist, beim zweiten Ton (3/2)l. Da die Länge der schwingenden Saite umgekehrt proportional zur Frequenz ist, liegt der zweite Ton eine Quinte unter dem ersten. Spielt man einen Ton genau auf halber Distanz zwischen diesen beiden Tönen, so liegt er bei (l + (3/2)l)/2 = (5/4)l; 5/4 mal so lang wie die Länge der schwingenden Saite des oberen Tons, also von der Frequenz her um den Faktor 4/5 verkleinert (ergibt von dem oberen Ton aus eine große Terz nach unten). Das heißt in der Praxis, dass man an einer beliebigen Stelle auf einer Saite zwei Töne im Quintabstand spielen kann, und genau in der Mitte liegt die Terz des Moll-Dreiklangs. ;)
 
Eine Anmerkung zu der Betrachtung der Obertonreihe. Der Moll-Dreiklang ist nicht nur in der Untertonreihe enthalten, sondern er auch in der Obertonreihe: Obertöne neun, elf und vierzehn mit den Schwingungsverhältnissen 10:12 = 5:6 kl. Terz, 12:15 = 4:5 gr. Terz sowie 10:15 = 2:3 Quinte.
 
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Eine Anmerkung zu der Betrachtung der Obertonreihe. Der Moll-Dreiklang ist nicht nur in der Untertonreihe enthalten, sondern er auch in der Obertonreihe: Obertöne neun, elf und vierzehn mit den Schwingungsverhältnissen 10:12 = 5:6 kl. Terz, 12:15 = 4:5 gr. Terz sowie 10:15 = 2:3 Quinte.
Ja genau, das trifft aber auf jeden reinstimmigen Akkord zu, dass er sowohl in der Obertonreihe, als auch in der Untertonreihe irgendwo auftaucht (den Dur-Dreiklang könnte man z.B. in der Untertonreihe als 1/15:1/12:1/10 darstellen, Multiplikation mit 60 führt zur Obertondarstellung 4:5:6). Allerdings ist immer die Frage, inwiefern eine bestimmte Darstellung Sinn macht.


Die Interpretation des Moll-Dreiklangs als Teil der Obertonreihe (10:12:15) würde implizieren, dass es sich um einen maj7-Dreiklang ohne Grundton handelt. Diese Interpretation mag in manchen Fällen zutreffen (insbesondere als Tg = Tonika-Gegenklang), ist in der Regel aber m.M.n. einfach irreführend. Würde man bei einem Grundton (hier: F'') mit Obertonreihe die Töne rauswerfen, die keine Oktavierungen dieses Moll-Dreiklangs sind, so käme z.B. folgendes heraus: C A c a c' e'. Das klingt zwar hübsch, aber eher nach einem Fmaj7 ohne Grundton als nach einem eigenständigen Klang. Weiterhin stellt sich hier die Frage, warum man nicht den septimalen Moll-Dreiklang verwendet hat, wo er doch mit 6:7:9 (mit etwas tieferer kleiner Terz als der übliche Moll-Dreiklang) früher in der Obertonreihe auftaucht.


Der Harmonische Dualismus gibt die Antwort, dass dem Aufbau von Dur- und Moll-Dreiklängen unterschiedliche Prinzipien zugrunde liegen: Der Dur-Dreiklang wird als Teil einer Obertonreihe betrachtet, so dass man ihn (je nach Lage der Töne) fast wie einen einzigen Ton wahrnimmt. Der Moll-Dreiklang dagegen wird als Teil der Untertonreihe interpretiert - quasi eine Obertonreihe in umgekehrter Richtung. Während die Obertonreihe die Töne mit 1-, 2-, 3-, 4-, 5-facher Frequenz usw. der Grundfrequenz enthält, enthält die Untertonreihe die Töne mit 1-, 1/2-, 1/3-, 1/4-, 1/5- facher Frequenz eines Referenztons. Im Gegensatz zur Obertonreihe schwingen die Töne der Untertonreihe zwar nicht mit der Grundfrequenz eines Tones mit (oder nur leise, wenn man gewissen Quellen glauben darf), allerdings hat sie trotzdem eine wichtige akustische und historische Bedeutung: Die akustische Bedeutung ist die, dass jeder Ton der Untertonreihe den Referenzton als Oberton besitzt, wodurch sich Obertöne überlagern. Durch dieses Prinzip lassen sich also mehrere Töne so zu Akkorden zusammenfassen, dass es relativ wenig Schwebungen zwischen den Obertönen gibt, da sich viele Obertöne überlagern, statt chaotisch verstreut zu sein. Weniger Schwebungen bedeuten weniger Dissonanzen. Die historische Bedeutung liegt darin, dass sich durch äquidistante Teilung einer Saite oder Luftsäule der Anfang einer Untertonreihe erzeugen lässt: Teilt man eine Saite in n gleiche Teile, so haben die einzelnen Töne die n/n-, ... , n/5-, n/4-, n/3-, n/2-, n/1-fache Frequenz der Leersaite. Betrachtet man dabei den Ton mit der n-fachen Frequenz der Leersaite (den höchsten Ton) als Referenzton, so haben die Töne zu diesem das Verhältnis 1/1, 1/2, 1/3, 1/4, 1/5, ... , 1/n. Kurz gesagt: Teilt man eine Saite in n gleiche Teile ein, so ergibt sich vom höchsten Ton aus eine n-tönige Untertonreihe, und die Leersaite ist der n-te Ton dieser Reihe. Somit kommt man über einfache symmetrische Einteilung einer Saite / Luftsäule zur Untertonreihe, was die Bedeutung der Untertonreihe in einfachen Kulturen erklärt.

Der Moll-Dreiklang lässt sich als Akkord aus der Untertonreihe mit Verhältnis 1/6:1/5:1/4 ausdrücken, womit betont wird, dass alle Töne in relativ einfachem Verhältnis zum ersten gemeinsamen Oberton liegen, der 2 Oktaven über der Quinte liegt. Vom Aufbauprinzip her sind der Dur- und der Moll-Dreiklang nach dem harmonischen Dualismus also spiegelsymmetrisch in der Tonhöhe der Grundfrequenzen der Töne (Dur: große Terz und Quinte aufwärts, Moll: große Terz und Quinte abwärts). Das Obertonklangspektrum der Akkordtöne selbst wird dadurch natürlich nicht gespiegelt, weswegen die Symmetrie nicht absolut ist. ;)

Ein kleines Beispiel zu dieser Symmetrie: Ein Dur-Dreiklang ist besonders rein und harmonisch, wenn man ihn so spielt, wie er in der Obertonreihe vorkommt. Dazu kann man z.B. die Töne aus dem Anfang der Obertonreihe von C' betrachten, die Oktavierungen des Dur-Dreiklangs sind: C' C G c e g c'. Die spiegelsymmetrische Entsprechung in Moll: C' F' Ab' C F c c'. Klingt zwar sehr harmonisch, aber in der Klassik (Barock etc. eingeschlossen) hat man den Dreiklang dann doch lieber als Dur-Dreiklang mit kleiner Terz gespielt (C' C G c eb g c') - was will man auch mit zwei harmonischen Tongeschlechtern, wenn man ein fröhliches und ein trauriges haben kann? :D Weiterhin hat man auch die Subdominate in Moll nicht als dualistisches Gegestück zur Dominante in Dur erkannt, und statt dessen die Dominante in Moll verdurt (was wiederum die dualistische Entsprechung einer vermollten Subdominante in Dur ist, siehe Harmonisch Dur). Und auch der Dominantseptakkord auf der V. Stufe in Dur hätte in Moll seine dualistische Entsprechung als m7b5 auf der II. Stufe (ein Moll-Dreiklang mit kleiner Septime unter dem höchsten Ton). Nicht dass ich mich beschweren wollte - ich habe nichts gegen das mehr oder weniger dissonante Moll in barocken Orgelstücken, ganz im Gegenteil! Aber ich denke schon, dass man sich ein wenig einschränkt durch diese veralteten Ansichten, und interessante Möglichkeiten auslässt.

P.S.: Wenn ihr weiter über das ursprüngliche Thema diskutieren wollt, dann tut dies einfach, und ignoriert mich ;)
 
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