Was ist denn jetzt Twang?

Shana, ich stimme Dir generell ja völlig zu. Wir mĂŒssen zwischen der Unterrichtssituation und Lehre/Forschung unterscheiden,

Ganz genau und das ist sehr wichtig.
Andererseits: WofĂŒr wird Forschung betrieben? Um des reinen Wissens willen? Oder um einen Zuwachs an Kompetenz fĂŒr diejenigen zu erarbeiten, die in der Praxis stehen? In der Praxis ist es aber wenig hilfreich, wenn bestimmte Begriffe mehrfach benannt werden.
In der Praxis hilft es, wenn ich die Möglichkeiten, die der SchĂŒler nutzen und erlernen kann auch einfach und klar benennen kann. Und rein praktisch gesehen ist es auch gar kein Problem, Belting von Twang oder Kopfstimme zu unterscheiden. Gelehrt wird es je nach SchĂŒlerIn und Unterrichtssituation ganz individuell: Der einen hilft der praktizierte Twang (also nicht der "Twang" in AnfĂŒhrungszeichen als Begrifflichkeit) leichter mit den Höhen umzugehen, fĂŒr die andere ist es vielleicht ein Weg zu mehr Vordersitz und fĂŒr die dritte vielleicjht einfach eine zusĂ€tzliche KlangfĂ€rbung, die in Songs eingesetzt werden kann.

Und wozu? Um sich als SĂ€ngerin und KĂŒnstlerin bestmöglich ausdrĂŒcken zu können. Um Variationsmöglichkeiten zu haben fĂŒr die Musik, die man machen möchte. Um zu berĂŒhren mit Gesang (sich selber und andere).



In den meisten Studien geht's um TragfÀhigkeit DURCH den SÀngerformanten, und was physiologisch abgeht wenn gewisse akustische PhÀnomene ablesbar sind

Aha. Interessant.
Da fĂ€llt mir ein: Kann es vielleicht mit der Eigenart der englischen Sprache zun tun haben, daß der Begriff "Twang" im Zusammenhang mit diesen Themen auftaucht? "Twang" heisst ja eigentlich nĂ€seln - und ist nicht die englische/amerikanische Sprechweise tatsĂ€chlich nasaler als das deutsche?
 
Nichts gegen Forschung und Theorie und schon gar nichts gegen eine lingua franca.
Ich liebe die englische Sprache sowieso.
Es gibt aber viele LĂ€nder - mein Heimatland, der gesamte lateinamerikanische Kontinent, auch andere Regionen - in denen Englisch kaum eine Rolle spielt, weil es von den allermeisten Einwohnern nicht oder nur unzureichend beherrscht wird. Und auch dort leben und arbeiten GesangspĂ€dagogen. Ich möchte doch arg bezweifeln, daß die alle hinterm Mond leben oder Dinge von vor 200 Jahren unterrichten.
Ich kenne eine andalusische Gesangslehrerin aus Jerez, die Flamencogesang unterrichtet. Sie spricht (und liest) kein Wort Englisch, und jede Wette, daß sie weder von Estill noch von Sadolin je etwas gehört hat. Dabei twangt (und beltet) sie, was das Zeug hĂ€lt, und ebenso ihre SchĂŒler, denn im Flamenco wird eben getwangt und gebeltet, was das Zeug hĂ€lt. Schon seit eh und je, schon vor hundert Jahren wurde das so gemacht.
Es ist ein Klang. Er entsteht durch extremen Vordersitz, wenn man das obere Ansatzrohr kontrahiert, um eben diesen Klang zu erzeugen. Mehr kann ich beim besten Willen nicht darin sehen. Die Notwendigkeit, wissenschaftlich valide Erkenntnisse daraus abzuleiten, hat wohl eher mit der Verschulung und Akademisierung des Populargesangs zu tun, vor allem durch das Musicalgenre.
 
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Achso, falls jemand die CVT-Nomenklatur kennt. Der Modus, den ich hier anfangs als Belting bezeichnet habe (und von nun an Shouting nennen werde), heißt bei CVT "Overdrive". Da trĂ€gt der Modus eine gewisse Verzerrung quasi schon im Namen.
 
Die Notwendigkeit, wissenschaftlich valide Erkenntnisse daraus abzuleiten, hat wohl eher mit der Verschulung und Akademisierung des Populargesangs zu tun, vor allem durch das Musicalgenre.

Hat das was mit dem Musicalgenre zu tun? Es sind doch weder Sadolin noch Estill MusicalsÀngerinnen, oder irre ich mich?
Im ĂŒbrigen braucht man, um Musical singen zu können eine alltagstaugliche, ökonomische und sehr sichere Technik. Alles praktische Tugenden.
 
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Hat das was mit dem Musicalgenre zu tun? Es sind doch weder Sadolin noch Estill MusicalsÀngerinnen, oder irre ich mich?
Im ĂŒbrigen braucht man, um Musical singen zu können eine alltagstaugliche, ökonomische und sehr sichere Technik. Alles praktische Tugenden.

Du weißt, ich bin alles andere als eine Musical-Expertin, ich bin mit dem Genre nie wirklich warm geworden.
Aber auffallend ist schon, daß mit dem Boom der MusicalbĂŒhnen und dem Aufkommen von Musicalschulen auch das Contemporary Singing verschult wurde, zumindest in weit grĂ¶ĂŸerem Ausmaß als vorher, als Musicalgesang noch icht so en vogue war...
Aber vielleicht irre ich mich ja auch und die zeitliche Übereinstimmung ist Zufall.
 
Sinn der Stimmforschung ist m.E. natĂŒrlich, neueste Erkenntnisse in die Praxis zu ĂŒberfĂŒhren und anwendbar zu machen. Dass das vorrangig "dem kĂŒnstlerischen Ausdruck dient" ist sekundĂ€r natĂŒrlich wahr, allerdings nur ein kleiner Teil des grossen Ganzen.

Was man nicht vergessen darf ist, dass viele professionelle SĂ€nger heute ganz anderen Anforderungen gewachsen sein mĂŒssen als noch vor 100 (oder sogar 50) Jahren - vor allem, was stimmliche Belastung, Anzahl von Auftritten und musikalisches Umfeld/Instrumentierung angeht.

Ein grosser Anteil der Stimmforschung wird eben nicht aus vorrangig kĂŒnstlerischen, sondern aus stimmhygienischen/-medizinischen GrĂŒnden durchgefĂŒhrt (Stichwort Rehabilitation, oder Vermeidung derselben auf lĂ€ngere Sicht). Und da kommt Physiologie nun mal zuerst, ob uns das nun persönlich passt oder nicht. Ich sehe das als vorrangigen Grund an, kann damit aber natĂŒrlich falsch liegen.

Das muss ja nicht heissen, dass wir in unserer eigenen Praxis genauso viel Wert auf Physiologie legen (tue ich auch nicht). Wie Bell so schön sagt: Gesungen wurde immer schon, das kann man auch ganz ohne technisches Hintergrundwissen.
Eine professionelle Gesangskarriere mit bis zu 8 Auftritten die Woche (und die Betreuung solcher Musiker) ist aber m.E. doch was anderes, und da schadet es mit Sicherheit nicht. Klar gibt's da auch InstinktsĂ€nger, die alles richtig machen (aus eigener Erfahrung wĂŒrde ich aber sagen, die sind eher selten). Ein professioneller MusicalsĂ€nger im Engagement z.B. muss schon alles SEHR richtig machen, weil ein technischer Fehler, der bei 'nem Weekendgig hier und da keinen dauerhaften Schaden anrichtet, ganz, ganz schnell in den Stimmexitus fĂŒhren kann. DarĂŒber hinaus sind tĂ€gliche Auftritte auch fĂŒr den technisch besten SĂ€nger eine Belastung.

Die EinschĂ€tzung, dass StimmFORSCHER aus gewissen LĂ€ndern (z.B. Lateinamerika) nichts von Estill oder Sadolin wissen, teile ich deswegen nicht, weil ich weiss, dass es nicht stimmt ;) . Die publizieren ihre eigenen Ergebnisse dann aber auch oft in ihrer Muttersprache - somit sind sie den GesangspĂ€dagogen vor Ort sehr wohl zugĂ€nglich (das heisst natĂŒrlich nicht, dass jeder sie auch liest).
Die EinschĂ€tzung, dass etliche GesangsLEHRER Sadolin und Co. nicht kennen (und auch nicht zwangslĂ€ufig kennen mĂŒssen), teile ich also sehr wohl.
Viele Wege fĂŒhren nach Rom, Gesang unterrichten kann man auf viele unterschiedliche Weisen, und letzten Endes gibt der Erfolg einem Recht.

Sadolin ist von Haus aus eher RocksĂ€ngerin, Estill war klassisch ausgebildet, hat viele Konzerte gesungen, war aber dem Musical immer sehr verbunden. Persönlich wĂŒrde ich sagen, sie war, was wir so gerne "legit" nennen ;)

"Twang" heisst im Englischen nicht nur "NÀseln", sondern wird auch im gleichen Sinne wie "piercing" benutzt (also scharf, durchdringend). Ich persönlich empfinde Englisch generell nicht unbedingt als nasaler - manche Dialekte sicherlich, aber die Sprache an sich - nö. Deutsch und Englisch haben in etwa die gleiche Anzahl nasalierter Laute, das tut sich m.E. nicht viel.

Schon wieder so lang ;)
 
Ein grosser Anteil der Stimmforschung wird eben nicht aus vorrangig kĂŒnstlerischen, sondern aus stimmhygienischen/-medizinischen GrĂŒnden durchgefĂŒhrt (Stichwort Rehabilitation, oder Vermeidung derselben auf lĂ€ngere Sicht). Und da kommt Physiologie nun mal zuerst,

Ja, guter Grund.

Das muss ja nicht heissen, dass wir in unserer eigenen Praxis genauso viel Wert auf Physiologie legen (tue ich auch nicht). Wie Bell so schön sagt: Gesungen wurde immer schon, das kann man auch ganz ohne technisches Hintergrundwissen.

Ich lege Wert auf Physiologie und Hintergrundwissen und selbstverstĂ€ndlich auch auf eine sehr gute Technik. Heisst aber nicht, daß es in meinem Unterricht TheorievortrĂ€ge oder irgendwelche terminologischen Verwirrungen gibt. Wer singen lernen will (und nicht selber unterrichten oder Forscher werden) braucht das alles meines Erachtens ĂŒberhaupt nicht. Ich erlebe es auch so gut wie nie, daß SchĂŒlerInnen viel physiologisches Detailwissen haben wollen. Eigentlich kommen sogar alle ErlĂ€uterungen, die ich gebe, von mir aus ohne daß ich explizit gefragt werden wĂŒrde.


Ein professioneller MusicalsĂ€nger im Engagement z.B. muss schon alles SEHR richtig machen, weil ein technischer Fehler, der bei 'nem Weekendgig hier und da keinen dauerhaften Schaden anrichtet, ganz, ganz schnell in den Stimmexitus fĂŒhren kann. DarĂŒber hinaus sind tĂ€gliche Auftritte auch fĂŒr den technisch besten SĂ€nger eine Belastung.

Das sehe ich genau so. Entsprechend "streng" und genau bin ich mit angehenden MusicalsĂ€ngerInnen was deren Technik und Stilsicherheit betrifft. Gerade wurde eine meiner SchĂŒlerinnen mit großem Lob (explizit fĂŒr ihre Technik) an der "Stage" angenommen. FĂŒr Physiologie hat sie sich nie interessiert. Die ZusammenhĂ€nge zu kennen und methodisch fit zu sein ist Sache der Lehrerin. Eine BĂŒhnendarstellerin muss mit ihrer Stimme klarkommen, die physiologische Theorie kann ihr egal sein.


"Twang" heisst im Englischen nicht nur "NĂ€seln", sondern wird auch im gleichen Sinne wie "piercing" benutzt (also scharf, durchdringend).

Ah, das passt doch.

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Du weißt, ich bin alles andere als eine Musical-Expertin, ich bin mit dem Genre nie wirklich warm geworden.
Aber auffallend ist schon, daß mit dem Boom der MusicalbĂŒhnen und dem Aufkommen von Musicalschulen auch das Contemporary Singing verschult wurde, zumindest in weit grĂ¶ĂŸerem Ausmaß als vorher, als Musicalgesang noch icht so en vogue war...
Aber vielleicht irre ich mich ja auch und die zeitliche Übereinstimmung ist Zufall.


Ich glaube nicht, daß da ein direkter Zusammenhang besteht. Es gibt doch heute auch Akademien fĂŒr Pop-, oder Jazzgesang und entsprechdene StudiengĂ€nge an den Hochschulen. Ich kann mich nicht erinnern, daß es das gegeben hĂ€tte als ich 18 war.
 
Als Homo Ingenieuricus kann ich nur meinem Erstaunen Ausdruck verleihen, dass es offenbar keine einheitliche Nomenklatur gibt. Um es mal ganz deutlich zu machen: allein die Tatsache, dass selbst die physiologischen VorgĂ€nge nicht einheitlich benannt werden, ist im höchsten Maße unwissenschaftlich. Hier einer "Schule" begrifflich nachzueifern halte ich dementsprechend fĂŒr gewagt.

Gesetzt den Fall, wir ĂŒbertragen die Diskussion auf etwas allgemein bekanntes, wie z.B. Radfahren. Und Experten unterschiedlicher Herkunft wĂŒrden nicht nur das Fahrrad teils anders beschreiben, sondern vor allem Begriffe wie "treten", "Gleichgewicht" wĂŒrden von jeder "Schule" ein bisschen anders benannt. Manche nennen "Gleichgewicht" dann "Lenken", oder sagen "Kurbeln" statt "treten". Verwirrung perfekt fĂŒr jeden, der sich Rat suchend an ein Forum wendet, um zu erfragen, wie man denn Radfahren lernt....

Dabei machen am Ende alle im Prinzip das Gleiche. OK, manche tragen enge BĂŒxen und nehmen komische Substanzen, bevor sie im Höllentempo durchs Land rasen, andere wiederum turnen eher auf dem GerĂ€t als dass sie von A nach B fahren, manchen fĂ€llt es sehr leicht und anderen schwerer.

Wir sind hier eine große Gemeinschaft und sollten uns wenigstens hier auf eine einheitliche Sprachregelung einigen. Notfalls mit "Übersetzungshilfe". Die Grundlagen dazu sind ja schon einmal gelegt worden. WĂ€re klasse, wir könnten das mit Leben fĂŒllen.

Beste GrĂŒĂŸe,
6f

PS: Der Ausdruck "Es ist erstaunlich" heißt in gutachterlichen Stellungnahmen soviel wie "Wer zum Geier ist fĂŒr diesen grandiosen Schwachsinn verantwortlich!?...
 
Was man nicht vergessen darf ist, dass viele professionelle SĂ€nger heute ganz anderen Anforderungen gewachsen sein mĂŒssen als noch vor 100 (oder sogar 50) Jahren - vor allem, was stimmliche Belastung, Anzahl von Auftritten und musikalisches Umfeld/Instrumentierung angeht.

Ein grosser Anteil der Stimmforschung wird eben nicht aus vorrangig kĂŒnstlerischen, sondern aus stimmhygienischen/-medizinischen GrĂŒnden durchgefĂŒhrt (Stichwort Rehabilitation, oder Vermeidung derselben auf lĂ€ngere Sicht). Und da kommt Physiologie nun mal zuerst, ob uns das nun persönlich passt oder nicht.

Ein professioneller MusicalsĂ€nger im Engagement z.B. muss schon alles SEHR richtig machen, weil ein technischer Fehler, der bei 'nem Weekendgig hier und da keinen dauerhaften Schaden anrichtet, ganz, ganz schnell in den Stimmexitus fĂŒhren kann. DarĂŒber hinaus sind tĂ€gliche Auftritte auch fĂŒr den technisch besten SĂ€nger eine Belastung.

Eben. Und vor dieser Belastung kann dich die beste Technk der Welt nicht zuverlĂ€ssig, dauerhaft oder gar hundertprozentig schĂŒtzen. Die Branche an sich, bzw. ihre Anforderungen, sind mörderisch, zumindest nach dem zu urteilen, was ich hier bei uns so mitbekomme.

Die EinschÀtzung, dass StimmFORSCHER aus gewissen LÀndern (z.B. Lateinamerika) nichts von Estill oder Sadolin wissen, teile ich deswegen nicht, weil ich weiss, dass es nicht stimmt ;) .

Das hat aber auch niemand behauptet.
Ich fĂŒr meinen Teil sprach von den ganz normalen Feld-, Wald- und Wiesen-Gesangslehrern ;) Und da Spanisch meine Muttersprache ist, ich mich oft in meinem Heimatland aufhalte und dort auch einige Leute kenne, die Gesang unterrichten, weiß ich wiederum, daß sie Sadolin, Estill & Co. nicht kennen (ebensowenig wie den Begriff Twang oder Belt, obwohl sie es anwenden) bzw. daß die fĂŒr ihre Arbeit irrelevant sind.
Ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, daß man so an Stile wie z.B. Flamenco oder Tango herangehen könnte - die sind per se nicht stimmschonend, sie können und wollen es auch nicht sein, sonst wĂŒrden ihre ExpressivitĂ€t und SpontaneitĂ€t darunter leiden und genau davon lebt aber dieser Gesang.
Brasilianische Musik ist wieder was ganz anderes, aber die ist von Natur aus stimmschonend ;) Ich kann jedenfalls tagelang Bossanova und Samba singen ohne den geringsten Stimmverschleiß.
Aber, wie gesagt... bei den Anfordungen, die heutzutage a professionelle MusicalsĂ€nger gestellt werden, dĂŒrften die BemĂŒhungen um Stimmgesundheit hinterherhinken. Das ist Ă€hnlich wie beim Profifußball: ich kann noch so gut trainiert sein, die Verletzungsgefahr ist hoch und ich kann jederzeit wochenlang ausfallen.
 
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Als Homo Ingenieuricus kann ich nur meinem Erstaunen Ausdruck verleihen, dass es offenbar keine einheitliche Nomenklatur gibt. Um es mal ganz deutlich zu machen: allein die Tatsache, dass selbst die physiologischen VorgĂ€nge nicht einheitlich benannt werden, ist im höchsten Maße unwissenschaftlich. Hier einer "Schule" begrifflich nachzueifern halte ich dementsprechend fĂŒr gewagt...
Zu dieser Begriffsverwirrung mal eine kleine Geschichte. Das soll jetzt keine Rechtfertigung sein, aber einen kleinen Einblick geben, wie es zu dem Durcheinander kommen konnte:

Die Stimme wird ja hÀufig mit einem Instrument verglichen. Genau genommen ist das aber zu vereinfachend, denn die Stimme ist ungleich komplexer als andere Instrumente. Es wÀre vielleicht passender, die Stimme mit einer Band zu vergleichen.

In der FrĂŒhzeit des Gesangs wusste man im Prinzip nichts ĂŒber diese Band, weder ĂŒber ihre Mitglieder noch ĂŒber ihre Spieltechnik. Deshalb beschrĂ€nkte man sich darauf, die Musikstile, die diese Band spielte, ihrem Klang nach zu kategorisieren. Dabei gab es die Spielstile "klassische Musik", "moderne Musik" und "Trompetenmusik", die jeweils ihren charakteristischen Klang hatten.

Im Laufe der Zeit fand man mehr ĂŒber die Zusammensetzung der Band heraus. Sie bestand im wesentlichen aus 3 Mitgliedern, die ihre Instrumente bedienten. Eines davon spielte besonders laut und penetrant in der Trompetenmusik, weshalb man ihm den Namen "Trompete" gab. Neben der Trompete identifizierte man eine "Gitarre" als zweites Mitglied. Das dritte Mitglied war ein "Soundmensch", der am Mischpult saß und die Regler bediente.

Schließlich forschte man weiter nach, um herauszubekommen, wie die verschiedenen Stile, die man schon lange kannte, technisch gesehen gespielt werden. Was sich dabei herausstellte war, dass spieltechnisch gesehen eigentlich alle 3 Stile gleich gespielt wurden, es war immer nur der Soundmensch, der seine Bandpassfilter anders einstellte. In der Trompetenmusik blieb der Soundmensch im Wesentlichen untĂ€tig, weshalb viele diesen Stil als den grundlegendsten der 3 Stile ansahen, da er auch nur mit 2 Mitgliedern gespielt werden konnte.

Diese Geschichte hat zu einer Situation gefĂŒhrt, in der es sowohl die traditionelle "Trompetenmusik" im klanglichen Sinne gibt, als auch das Instrument "Trompete" und dessen Spieltechnik. Schließlich gibt es noch Leute, die sagen: rein technisch gesehen sind sowieso alle Gesangsstile Trompetenmusik mit jeweils anders eingestelltem EQ. Gleichzeitig empfehlen immer mehr Musiklehrer deshalb, die Spieltechnik der eigenen Band auf der Trompetenmusik aufzubauen, weil man dann erstmal nur mit 2 Mitgliedern spielen kann, was einfacher ist als gleich mit 3.
 
Ich habe keine Ahnung wie ein sehr positiv besetzter Begriff aus unserem (Gitarren-)Bereich hier so hohe Wellen schlagen kann. Es ist sehr irritierend - und ich denke, dass ich da fĂŒr sehr viele Gitarristen spreche - immer wieder diesen Thread auftauchen zu sehen. Ich habe ihn mir jetzt mal durchgelesen und verstehe echt nicht, worum es geht und warum man das, was man meint definieren zu mĂŒssen (und selbst da ist man sich hier ja nicht einig) den Namen Twang gibt.

Ich wollte vor einer Weile schon den Antrag stellen, "Twang" in die Liste der verpönten, weil nicht eindeutig definierten, Worte aufzunehmen. Ich lese es in letzter Zeit immer hÀufiger hier - die Verwendung verwirrt mich aber zunehmend :weird:
Diesem Antrag wĂŒrde ich hier im Sangesforum sofort zustimmen :)

Aber unter "Twang" dafĂŒr mehr? :confused:

Twang ist laut Recherche erstmal ein Begriff aus der Country-Music, der sich auf einen Gitarrensound oder eine Spieltechnik bezieht...
Das könnte man im Groben so stehen lassen ;)
Es gibt hier im MB sehr viele Threads, die sich mit dem Twang befassen. Twang bei Pickups, Teles, Strats, etc

Zu dieser Begriffsverwirrung mal eine kleine Geschichte. Das soll jetzt keine Rechtfertigung sein, aber einen kleinen Einblick geben, wie es zu dem Durcheinander kommen konnte:...
Was ist das denn fĂŒr eine Geschichte? Wer hat sie erzĂ€hlt? Klassische Musik, moderne Musik, Trompetenmusik?

Ich bin echt sprachlos. Das kann doch alles nicht euer Ernst sein, oder?
 
Was ist das denn fĂŒr eine Geschichte? Wer hat sie erzĂ€hlt? Klassische Musik, moderne Musik, Trompetenmusik?

Ich bin echt sprachlos. Das kann doch alles nicht euer Ernst sein, oder?
Das ist nur eine Analogie, die kannst du im Prinzip nicht verstehen, wenn du den Thread nicht komplett verfolgt hast bzw. wenn du nicht weißt, was unter Twang im Bereich der Stimmforschung verstanden wird. Kurz verstĂ€ndlich ĂŒbersetzt bedeutet diese Analogie folgendes:

1. UrsprĂŒnglich war "Twang" in GerĂ€usch, z.B. auch durch die Gitarre erzeugt, das besonders "penetrant" oder "schneidend" ist
2. Menschen können ein Àhnliches GerÀusch mit der Stimme erzeugen im Sinne von "Penetranz"
3. Irgendwann hat man rausgefunden, welche anatomischen Komponenten beim Menschen dieses GerÀusch erzeugen und man nannte diese anatomische Struktur "Twanger". Plötzlich war "Twang" nicht mehr nur ein GerÀusch, sondern gleichzeitig auch ein physiologischer Vorgang im Vokaltrakt.
4. Dann wiederum wurde herausgefunden, dass dieser physiologische Vorgang in nahezu jeder Form von Gesang enthalten ist. Auch Teile des "penetranten" GerÀusches sind in jeder Form von Gesang enthalten und werden dann "SÀngerformant" genannt.
5. Was dann noch dazukam ist, dass man herausgefunden hat, dass dieser physiologische Vorgang gleichzeitig noch Einfluss auf die Stimmlippen nimmt, also neben einer klanglichen auch noch technische Bewandtnis hat.

All das zusammen hat zu einer starken Universalisierung des Begriffs "Twang" innerhalb der Gesangswelt gefĂŒhrt und im Prinzip kommt es auf den Kontext an, was gerade gemeint ist, je nachdem, ob man gerade ĂŒber technische Aspekte, klangliche Aspekte oder ĂŒber Gitarrentechnik spricht ;)
 
Sorry, diese Analogie kann ich nicht nachvollziehen. Und scheinbar gibt es ja noch ein paar andere, die mit diesem Begriff ihre Schwierigkeiten haben. Ich habe im ĂŒbrigen den kompletten Thread gelesen und es trotzdem nicht verstanden. Ich kenne sehr viele SĂ€nger/innen und werde mal eine persönliche Umfrage zu diesem Thema starten. Irgendwie interessiert mich das, weil ich partout keine Verbindung zwischen dem, was man bei der Gitarre unter Twang versteht und dem was das beim Gesang angeblich bedeuten soll.
 
Irgendwie interessiert mich das, weil ich partout keine Verbindung zwischen dem, was man bei der Gitarre unter Twang versteht und dem was das beim Gesang angeblich bedeuten soll.

Das verstehe ich jetzt aber auch nicht. Warum kommen hier auf einmal Gitarristen rein, um sich ĂŒber die UnverstĂ€ndlichkeit in diesem thread zu "beschweren"? ;-) Das wĂŒrde mir umgekehrt nicht einfallen. Hier geht es um Gesang bzw. Stimmphysiologische Forschungen und nicht um die Gitarre. Es gibt auch andere Begriffe, die in unterschiedlichen Disziplinen verschiedenes bedeuten. Gitarrensaiten bespielsweise heissen "strings", oder? ;-) Naja, den Begriff gibt es ja wohl auch in anderem Kontext bis hin zur theoretischen Physik und niemand kann sich darĂŒber beschweren :))

Den Begriff "Twang" gibt es in der Gesangstechnik und GesangspĂ€dagogik sehr wohl und eigentlich weiß man ja auch was darunter zu verstehen ist und wie es klingt und wie man es unterrichten kann.

Das Problem mit den Begriffen im Bereich Stimmwissenschaften bzw. GesangspÀdagogik wurde aber von 6thfoot sehr gut beschrieben finde ich.

Es scheint also so zu sein, daß hier GesangspĂ€dagogen und Stimmphysiologen/Wissenschaftler unterschiedliche Terminologien verwenden und die Bezeichnung "Twang" daher fĂŒr diejenigen, die damit tagtĂ€glich umgehen etwas anderes bedeutet als fĂŒr diejenigen, die verstehen und erklĂ€ren wollen.

Und das ist in der Tat sehr Àrgerlich und auch unklug von Seiten der Wissenschaftler, die Terminologien so gewÀhlt zu haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, das kann ich verstehen und möchte ich hiermit gerne machen.
Vielen Dank! Ganz ehrlich, ich glaube wir ersparen uns so einfach einige ermĂŒdende Kommunikationsprobleme. Und das ist ja fĂŒr alle die angenehmere Variante. :)

Und sorry, falls mein letztes Posting harsch rĂŒberkam, aber irgendwie hat diese immer wieder auftauchende Im-Kreis-Debatte mich echt abgenervt. ;)

Ich suche aber nach wie vor nach einem Begriff fĂŒr folgenden Vorgang, den ich fĂŒr sehr wichtig halte, weil er mir sehr geholfen hat, Fortschritte beim Singen zu machen, insbesondere beim Trennen von "Technik" und "Klangformung". Der Vorgang besitzt halt 2 charakteristische physiologische Eigenschaften:

1. Eine Kontraktion der AE-Falte, die den oben genannten SĂ€ngerformanten erzeugt
2. Eine Adduktion der Stimmlippen, die das Singen mit verringerter Masse erlaubt

OK, ich sehe das Problem. Die Estill-Begrifflichkeit "AES Kontrolle" geht dir vermutlich nicht weit genug, wenn du auf die Kombination mit dem Stimmlippenschluss wert legst?

Irgendwie interessiert mich das, weil ich partout keine Verbindung zwischen dem, was man bei der Gitarre unter Twang versteht und dem was das beim Gesang angeblich bedeuten soll.
UrsprĂŒnglich bezeichnet Twang auch im Gesang einfach nur eine "schnarrende" Klangfarbe, da lĂ€sst sich durchaus eine BrĂŒcke zu dem entsprechend Klang auf Gitarre schlagen. :)
 
Irgendwie habe ich immer mehr den Eindruck, daß es sich um ein Kommunikationsproblem zwischen Praktikern (GesangspĂ€dagogen) und Theoretikern (Stimmforschern) handelt.
Alle die in der Praxis arbeiten und ihr Handwerk verstehen wissen wie gebeltet wird, wie die klassische Kopfstimme klingt und angewendet wird oder wie man in einen Twang kommt. Das ist Alltag.
Theorie soll ja eigentlich den Alltag auf einer distanzierteren Ebene erklÀrbar, verstehbar und damit kommunizierbar machen.
Da frage ich mich, warum das im Bereich Stimmforschung anscheinend so wenig gelingt oder so anfÀllig ist?
 
OK, ich sehe das Problem. Die Estill-Begrifflichkeit "AES Kontrolle" geht dir vermutlich nicht weit genug, wenn du auf die Kombination mit dem Stimmlippenschluss wert legst?
Ja, genau das ist immer das Problem. Das es eben zum einen einen klanglichen Effekt gibt und zum anderen einen technischen, die beide irgendwie wichtig sind. Aber im Prinzip ist AES-Kontrolle zumindest mal der Auslöser fĂŒr beides, also wĂŒrde es eigentlich passen. Vielleicht sollte ich das verwenden.
 
Ich persönlich fĂ€nde es albern, wenn ich jetzt im Unterricht plötzlich mit dem Begriff "Twang" um mich werfen wĂŒrde, nur weil er hier im Forum inflationĂ€r gebraucht wird. Bisher habe ich ihn nicht verwendet, aber nicht weil ich ihn verweigern wollte, sondern weil ich ihn schlicht nicht gebraucht habe.
Und bevor keine einheitliche, verstĂ€ndlche und vor allem praxistaugliche Definition daherkommt, werde ich auch kĂŒnftig ohne ihn auskommen.
 
Irgendwie habe ich immer mehr den Eindruck, daß es sich um ein Kommunikationsproblem zwischen Praktikern (GesangspĂ€dagogen) und Theoretikern (Stimmforschern) handelt.
Alle die in der Praxis arbeiten und ihr Handwerk verstehen wissen wie gebeltet wird, wie die klassische Kopfstimme klingt und angewendet wird oder wie man in einen Twang kommt. Das ist Alltag.
Theorie soll ja eigentlich den Alltag auf einer distanzierteren Ebene erklÀrbar, verstehbar und damit kommunizierbar machen.
Da frage ich mich, warum das im Bereich Stimmforschung anscheinend so wenig gelingt oder so anfÀllig ist?
Ja, das wĂ€re super. Das Problem ist glaub ich immer, dass man in der Forschung erstmal nicht weiß, ob man ĂŒberhaupt die richtigen Dinge misst und theoretisiert. Ich hab ja schonmal ĂŒber dieses Randstimme/Vollstimme-Chaos was geschrieben. Da war ja eigentlich das Ziel, die schon lange in der Praxis ĂŒblichen Begriffe "Bruststimme" und "Kopfstimme" zu erklĂ€ren, also tatsĂ€chlich den Alltag. Was dabei rausgekommen ist, ist aber, dass die Schwingungsmodi, die da gemessen wurden, gar nicht korrespondieren mit den Begriffen, die in der Praxis vorkommen.

Trotzdem fanden offensichtlich einige Praktiker diese Einteilung gut, weil sie vielleicht ein paar BrĂŒche erklĂ€ren konnte, die neben der Brust- und Kopfstimme noch da waren (Foxx hat ja z.B. auch geschrieben, dass er Rand- und Vollstimme stĂ€rker wahrnimmt als Brust- und Kopfstimme). Die neuen Begriffe wurden also zumindest von Teilen der Praktiker akzeptiert. Da stĂŒrzt sich die Forschung dann natĂŒrlich drauf und die neuen Begriffe gelten als neuer Standard bzw. als neue Basis fĂŒr weitergehende Forschungen. Das lĂ€sst aber natĂŒrlich die Tatsache außen vor, dass es nach wie vor Praktiker gibt, die die Einteilung in Brust- und Kopfstimme sinnvoller finden und besser wahrnehmen. Und genau da fĂ€ngt das Problem quasi an: Ein neues Forschungsergebnis wird im Alltag akzeptiert und damit zur Basis fĂŒr weitere Forschungen. Dadurch ist die Basis fĂŒr diese weitere Forschung aber nicht mehr der Alltag, sondern die vorangegangene Forschung. Wenn man das ein paar Stufen weiter verfolgt, kann es sein, dass sich die Forschung quasi beliebig weit vom Alltag entfernt.

Aber dadurch, dass es auf jeder Stufe immer wieder zumindest einige Praktiker gibt, die die neuen Ergebnisse fĂŒr praktisch verwendbar halten, geht das ganze immer so weiter und die Schere zwischen den Praktikern, die immer wieder neue Forschungsergebnisse in ihre Praxis aufnehmen, und denen, die nach wie vor mit den aus der Praxis entstandenen Begriffen arbeiten, klafft immer weiter auseinander.

Und das grundsĂ€tzliche Problem bleibt natĂŒrlich bestehen. Nicht alles, was im Alltag wichtig ist, ist mit der heutigen Technik messbar, z.B. der berĂŒhmte Vordersitz, der in so ziemlich allen Gesangsstilen quasi zwingend und super-wichtig ist, aber wissenschaftlich bisher nicht erklĂ€rt.
 
Aber dadurch, dass es auf jeder Stufe immer wieder zumindest einige Praktiker gibt, die die neuen Ergebnisse fĂŒr praktisch verwendbar halten, geht das ganze immer so weiter und die Schere zwischen den Praktikern, die immer wieder neue Forschungsergebnisse in ihre Praxis aufnehmen, und denen, die nach wie vor mit den aus der Praxis entstandenen Begriffen arbeiten, klafft immer weiter auseinander.

Ich lese schon ab und zu mit, was die Forschung schreibt, auch wenn ich ehrlich zugebe, daß mich Physiologie-/Register-/Begriffsdiskussionen ab einem gewissen Punkt unendlich langweilen und ich mich aus "berufsethischen" GrĂŒnden dazu zwinge, mich damit zu befassen. Ist halt so.... ich bin zu sehr Praktikerin, arbeite natĂŒrlich auch klangorientiert, das aber gern auch intuitiv.
Wenn alle letztlich dasselbe erreichen - eine gesunde, variable und belastbare Stimme, eine sichere und vor allem wohlklingende Höhe - dann ist doch sowieso alles paletti, oder nicht ? Auch im Instrumentalunterricht existieren doch verschiedenste pĂ€dagogische AnsĂ€tze. Und wenn einem Klavierlehrer ein bestimmter Ansatz gar nicht liegt, auch wenn es der letzte Schrei ist, dann wird er doch nicht nach ihm unterrichten, es sei denn, die SchĂŒler laufen ihm weg, weil alle nur noch das wollen. Und in dem Fall macht er es zwar notgedrungen, aber bestimmt nicht gut.

Und ich bin sicher, daß ich auch nicht gut unterrichten wĂŒrde, wenn ich nach funktional-physiologischen Methoden arbeiten mĂŒĂŸte. Ich kann schon rein physisch nichts damit anfangen, und ich arbeite auch mit meinen SchĂŒlern sehr körperorientiert - was z.B. auch aktive AusatemĂŒbungen beinhaltet, die bei den Funktionalen anscheinend verpönt sind. Ich kann aber nicht anders, ich singe selbst so und fahre seit vielen Jahren gut damit. Alle Versuche, mir etwas ĂŒberzustĂŒlpen, das mir weder einleuchtet noch entspricht, können doch nur im Fiasko enden. Und wer tut seinen SchĂŒlern freiwillig so etwas an ?
 
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