(Warum) Technik getrennt von der Musik üben?

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Anm. d. Mod.: Da sich zu diesem Thema eine rege Diskussion unabhängig von "50 plus" entwickelt hat, habe ich die Beiträge in einen separaten Thread ausgelagert.
Gruß, Wil Riker


Darf ich mal eine Frage dazwischen stellen?
Kann mir jemand wirklich plausibel erklären, warum man Technik getrennt von der Musik üben sollte?
Einerseits höre ich von den guten Schulen aus Russland, Finnland und Frankreich usw. von "Drill". Möglichst frühzeitig werden wirklich trockene Übungen gemacht. Die Ergebnisse der Spieler aus diesen Ländern sind oft fantastisch.
Andererseits habe ich selbst nie Technik extra geübt, sondern höchstens aus den Problem-Stellen Übungen gebastelt, meistens aber nur oft wiederholt, bis das klangliche Ergebnis und das Tempo passte. Schon dabei muß man aufpassen, dass man sich nicht überlastet.

Einer meiner Schüler um die 50 Jahre möchte nun aus privaten Gründen unbedingt vorankommen!!! Er bekam von mir ein wirklich vielseitiges Repertoire, das alle Bereiche abdeckt. Ein musikalisches Rundum-Bildungspaket... Sogar auch Stücke, die fast vordergründig zum Techniktraining geeignet sind. Palmer Huges "Easy does it" z.B. ist voller Dreiklangsbrechungen und Licks, die oft wiederkehren. Andererseits aber auch Mozart Menuette, in denen 5 Töne in F Dur als Sechzehntel hintereinander kommen. Gerade auch Klassik besteht oft aus vielen theoretischen Technik-Versatzstücken.
Was klemmt ist in dem Falle z.B. der 4. Finger - noch dazu auf Bb! Mich wundert das nicht, ist es bei mir doch genauso, blos auf einem anderen Niveau, dass man es in dem Zusammenhang nicht merken würde.
Jedenfalls kommt er nun nach zwei Jahren und verlangt von mir Technik-Übungen, die ihm da drüber helfen sollen. Dabei haben wir schon Übungen gebastelt. Es ist doch einfach eine Frage der Disziplin (sicher auf beiden Seiten), um diese Dinge nicht durchgehen zu lassen oder nicht?
Was ändert es daran, ob er nun im Mozart einen Ausschnitt einer g moll Tonleiter abwärts in Achteln gegen eine Tonleiter in Viertel in umgekehrter Richtung spielt, oder ob ich ihn eine waschechte Tonleiter in F Dur im Verhältnis 1:2 mit Gegenbewegung im Bass spielen lasse?

Vorteil der gesonderten Technik: Man hasst am Ende vielleicht nicht Mozart sondern nur die Tonleiter solange es nicht klappt. Außerdem trainiert man mehr als man muß.
Nachteil: Man trainiert mehr als man muß und es ist nicht exakt das, was im Stück vorkommt.

Ich habe Angst, dass er sich eine Krankheit zuzieht und normalerweise kann man als Lehrer solcherlei Übungen kaum jemanden zumuten. Ich glaube, dass derjenige der ehrgeizig genug ist, selbst eine Strategie entwickelt, wie er am besten zu seinem gewünschten Resultat kommt. Oder seht ihr das anders? Ich finde Fehler machen und aus Fehlern lernen viel wichtiger als das Befolgen von Ratschlägen (des Lehrers oder der Tonleiter als Lehrmeister)

Ich finde, er spielt nämlich garnicht schlecht und ich weiß nicht, wie weit man in der Sache und in dem Alter noch entwicklungsfähig ist? Bitte nicht falsch verstehen!!!
Ich meine - als Vergleich: Er läuft seine 7 km mit 50 Jahren noch in 30 Minuten, das ist doch fantastisch! Soll ich und kann er von sich selbst erwarten, mit 55 Jahren dann 7 km in 20 Minuten zu schaffen?
Sollte ich nicht eher darauf Wert legen, Fähigkeiten jenseits dieser Technik zu verbessern?
 
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[FONT=&amp]Hallo Klangbutter,[/FONT]
[FONT=&amp]da ich selber erst seit ca. einem guten Jahr Akkordeon mit dem Lehrbuch Spiel-Akkordeon von Peter M. Haas lerne, kann ich nicht plausibel erklären, warum man Technik getrennt von Musik lernen sollte. Ein gutes Lehrbuch führt doch Stück für Stück anhand der Musikstücke in die Technik und Musik ein, oder? Sonst taugt das Werk nichts! Wenn jemand meint die Technik getrennt lernen zu wollen/müssen, dann soll er es tun, wobei ich keinen ernsthaften Sinn darin sehe. [/FONT]
[FONT=&amp]Ich selbst trainiere meine Finger mit den dargebotenen Musikstücken, egal ob Mussette, Blues, Rock etc. Da gibt es so viele Trainingseinheiten, in denen Technik und Musik miteinander verzahnt sind. Falls erfoderlich nehme ich schwere Takte aus einem Musikstück heraus und über es intensiv bis meine Finger (und mein Gehirn) wissen, wohin sie sollen. Und das klappt und reicht vollständig aus.[/FONT]
[FONT=&amp]Falls sich jemand „drillen“ lassen möchte kann er ja in Russland etc. einen Drillkurs besuchen. Ob es zum erwarteten Erfolg führt, sei dahingestellt.[/FONT]
[FONT=&amp]Ältere Schüler, ich selbst mit einbezogen, neigen gerne dazu alles schnell lernen zu wollen. Vielleicht haben ältere Schüler etwas mehr Zeit und möchten das Versäumte in kurzer Zeit nachholen?! Auch ich ertappe mich oft dabei, dass ich „verbissen“ meine Musikstücke erarbeite bis diese sitzen und gut klingen. Und so können 2 bis 3 Stunden täglich zusammen kommen. [/FONT]
[FONT=&amp]Durch übersteigertes Training eine Krankheit sich zuzuziehen ist eigendlich nicht möglich. Vorstelllbar sind vielleicht eine Sehnenentzündung in den Armen oder Rückenprobleme duch falsche Körperhaltung beim Spiel. [/FONT]

[FONT=&amp]Deiner Abwägung:[/FONT]

Vorteil der gesonderten Technik: Man hasst am Ende vielleicht nicht Mozart sondern nur die Tonleiter solange es nicht klappt. Außerdem trainiert man mehr als man muß.
Nachteil: Man trainiert mehr als man muß und es ist nicht exakt das, was im Stück vorkommt.

[FONT=&amp]kann ich vollkommen zustimmen und bedarf keinem weiterm Kommentar.[/FONT]

[FONT=&amp]Trotz fortgeschrittenem Alter ist mancher noch gut entwicklungsfähig, aber es sind nun mal altersbedingte Grenzen gesetzt (Dein Vergleich Maratonlauf). Bei älteren Musikschülern glaube ich, dass diese nicht den Profimusiker anstreben, sondern lediglich Freude an der Musik und an einem Musikinstrument haben wollen. Ein besonderer Genuss ist auch das Spiel in einem Orchester, auch wenn es „nur“ Senioren sind.[/FONT]

[FONT=&amp]Liebe Grüße[/FONT]
[FONT=&amp]Klaus[/FONT]
 
Naja, eine Antwort hast Du Dir schon selbst gegeben: Man hasst am Ende nicht die Musik, sondern die Übungen.

Carl Czerny hat in seiner "Schule der Geläufigkeit" alle möglichen Probleme des Klavierspiels aufgegriffen und dazu Etuden (also Übungsstücke) geschrieben. Als Klavierschüler mußte ich diese Etuden spielen und habe Czerny gehaßt. Ich gestehe aber zu, daß mich diese Übungen weiter gebracht haben.

Reine Technik-Übungen verlagern die Konzentration von der Musik auf die technischen Abläufe.
Es ist da ja egal, wie sich das Ganze anhört, es geht alleine darum den Ablauf so zu beherrschen, daß alle Töne in jeder Lage gleich lang, gleich laut, gleich schnell usw. kommen.

Bei Übungen, die in ein Musik-Stück eingebettet sind, steht, jedenfalls für mich, die schöne Interpretation des Stücks im Vordergrund, das lenkt vielfach vom konsequenten Üben der jeweiligen Technik ab.

Aber, ich bin Musiker, als solcher möchte ich Musik machen, keine Fingerakrobatik. Also übe ich ein Musikstück, und mach fingerakrobatische Technikübungen nur, wenn ich Passagen meiner Musik anders nicht in den Griff bekomme. So bin ich wohl nie perfekt, aber häufig zufrieden und voller Freude über das erreichte.

Davon abgesehen habe ich mit beinahe 60 Jahren auch nicht mehr die Beweglichkeit der Hände für eine Virtuose Technik und auch nicht mehr die Zeit zum Virtuosen zu werden.

Ich finde, er spielt nämlich garnicht schlecht und ich weiß nicht, wie weit man in der Sache und in dem Alter noch entwicklungsfähig ist?
Entwicklungsfähig ist eigentlich jeder, man muß aber bedenken, daß mit zunehmendem Alter das Lerntempo langsamer wird und, wie schon erwähnt, die Beweglichkeit zurückgeht. Irgendwann wird es daher nicht mehr darum gehen, immer besser zu werden, sondern das Nachlassen zu verhindern oder zu verlangsamen.

Ich habe erst mit knapp unter 50 angefangen Akkordeon zu lernen, dabei habe ich mich, auch wenn es unbescheiden klingt, bis heute ganz schön fort entwickelt.
Ich merke aber auch, daß ich an Grenzen komme die ich vermutlich nicht mehr überwinden werde. Dann geht es eben da nicht weiter, ich werde jedenfalls nicht meine Freude an der Musik auf dem Altar des Ehrgeizes opfern.

Gruß
Reini2
 
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Hallo Uwe,

eine spannende Frage, die ich auch gerade diese Woche mit meinem Lehrer besprochen habe. Ich bin 44 und habe seit etwas mehr als einem Jahr wieder Unterricht. Ich dachte eigentlich auch, dass mir die Technik in meinen aktuellen Übungsstücken reicht, wobei da schon einiges zusammenkommt, da ich bestimmt an 10 Stücken (natürlich nicht im Unterricht) parallel übe, wo in jedem genügend Stellen für vertiefende Technik-Übungen sind.

Kürzlich hat mein Lehrer die Meinung, dass es Sinn macht Übungen aus dem Czerny beispielsweise zum Aufwärmen zu spielen, mit Metronom, um mein Timing zu verbessern. Ich finde schon auch, dass es manchmal ein bißchen autistisch ist die Czerny Etüden zu üben aber entwickle dann auch eine gewisse Freude daran, wenn ich merke, wie ich sicherer werde. Allerdings bin ich auch nicht so superkonsequent, dass ich es täglich mache.
Ein Vorteil für mich ist, dass dort die Fingersätze schon mal notiert sind und ich habe die Hoffnung, dass ich so im Laufe der Zeit einen besseren Instinkt für Fingersätze bei bestimmten Läufen entwickle.

Außerdem sind die Etüden ja so ausgelegt, dass bestimmte Abläufe auch in verschiedenen Lagen eingeübt werden, und wenn man sich dann noch Gedanken macht was, man da gerade übt und welche Akkorde dazu passen könnten, finde ich das nicht so unangenehm. Eher, wie Fingertraining mit Theorietraining zusammen, was mir möglicherweise mal in ferner Zukunft ein größeres Hintergrundwissen beim Improvisieren verschafft.

Ärger ist bei den Technikübungen eigentlich kein Thema für mich, wenn es mal nicht so klappt, so what ? sind ja nur Übungen, dann mach ich halt morgen weiter. Da finde ich es unangenehmer bei Stücken, die ich ganz ganz toll finde (bestes Beispiel Blues en Mineur) hängen zu bleiben, obwohl ich da auch bestimmte Läufe schon seit 6 Monaten übe.

Der Sportvergleich ist doch super, wenn er mit 55 die 7 km in 20 min. schaffen möchte und dabei und auf dem Weg dahin also beim Training glücklich ist, dann ist die Welt doch in Ordnung. Wenn es mit 55 dann 25 min. sind ist das doch toll.

Ich ahne zum Beispiel auch, dass ich gewisse musikalische Ziele nie erreichen werde, trotzdem macht es mir Spaß, so zu üben als wäre es möglich und wer weiß, vielleicht klappt ja manches doch noch :)
Zur Zeit bin ich also moderat pro Czerny als Ergänzung zu den technischen Abläufen, die ich in meinen Stücken vorfinde. Manches überlappt sich in der Tat auch und wenn dann mal ein neues Stück auftaucht, wo ich merke, dass ich bestimmte Abläufe wiedererkenne oder einordnen kann, macht mich das froh.

Gruß aus München
Ben
 
Ich dachte eigentlich auch, dass mir die Technik in meinen aktuellen Übungsstücken reicht, wobei da schon einiges zusammenkommt, da ich bestimmt an 10 Stücken (natürlich nicht im Unterricht) parallel übe, wo in jedem genügend Stellen für vertiefende Technik-Übungen sind.
Das ist beachtlich, wo nimmst Du die Zeit her?

Ich finde schon auch, dass es manchmal ein bißchen autistisch ist die Czerny Etüden zu üben aber entwickle dann auch eine gewisse Freude daran, wenn ich merke, wie ich sicherer werde.
Ok, aber ist es nicht das gleiche, wenn es Stellen aus dem Stück sind? Muß es Czerny sein oder ein anderes Stück? Warum nicht direkt?


Ein Vorteil für mich ist, dass dort die Fingersätze schon mal notiert sind und ich habe die Hoffnung, dass ich so im Laufe der Zeit einen besseren Instinkt für Fingersätze bei bestimmten Läufen entwickle.
Gehen wir mal davon aus, dass die Fingersätze auch im Originalstück ausgeklügelt sind. Wo ist der Unterschied, wenn man einen Ablauf im Minor Blues aus einem Bach oder aus Czerny wieder erkennt?

Außerdem sind die Etüden ja so ausgelegt, dass bestimmte Abläufe auch in verschiedenen Lagen eingeübt werden, und wenn man sich dann noch Gedanken macht was, man da gerade übt und welche Akkorde dazu passen könnten, finde ich das nicht so unangenehm. Eher, wie Fingertraining mit Theorietraining zusammen, was mir möglicherweise mal in ferner Zukunft ein größeres Hintergrundwissen beim Improvisieren verschafft.
Gilt das nicht für JEDES Stück? Nicht nur bei Czerny kann man Sequenzen erkennen, auch bei den Beatles oder bei Ligeti oder wenn in einem Schlager am Ende alles noch dreimal einen Halbton höher wiederholt wird. Es setzt nur die Analyse voraus, dann erkennt man Muster und findet sie woanders wieder. Ich sehe da keinen besonderen Vorteil in Technikübungen.

Da finde ich es unangenehmer bei Stücken, die ich ganz ganz toll finde (bestes Beispiel Blues en Mineur) hängen zu bleiben, obwohl ich da auch bestimmte Läufe schon seit 6 Monaten übe.
Das sehe ich in gewisser Weise ein. Würdest Du dann aber sagen, das Stück ist zu schwer für Dich? Legst Du es dann weg, bis Du in einem Jahr mit den Technikübungen so weit gekommen bist, dass es in einem von Dir selbst vorgegebenen knappen Zeitraum und einem überschaubaren Arbeitsaufwand zu schaffen ist? Ist es nicht größere Motivation, die Stellen aus dem Stück zu Üben eben weil Du es endlich drauf haben willst?
Das ist wahrscheinlich auch einer meiner großen Irrtümer. Begehrte Musik scheint nicht Anreiz genug zu sein, um ehrgeizig und zielgerichtet zu üben. Das habe ich schon oft erlebt.

@ reini:
Du schreibst "Reine Technik-Übungen verlagern die Konzentration von der Musik auf die technischen Abläufe."
Völlig richtig. Übungen aus dem Stück tun das aber genauso.

außerdem schreibst Du: "Bei Übungen, die in ein Musik-Stück eingebettet sind, steht, jedenfalls für mich, die schöne Interpretation des Stücks im Vordergrund, das lenkt vielfach vom konsequenten Üben der jeweiligen Technik ab."

Das ist lediglich eine Disziplinfrage. Wenn etwas nicht klappt, koppele ich die Stelle verdammt nochmal aus und betrachte sie extra. Es ist dann vorübergehend eine emotionslose Technikübung. Da ist nichts schönes dabei, aber bald darauf achte ich wieder auf deren Ästhetik. Schöner Klang verlangt eine bestimmte Technik, das gehört doch unmittelbar zusammen oder nicht? Wenn ich also Czerny beherrsche, muß Prokofjew nicht automatisch gut klingen, auch wenn Czerny und Prokofjew wiedererkennbare Elemente enthalten.

"Aber, ich bin Musiker, als solcher möchte ich Musik machen, keine Fingerakrobatik. Also übe ich ein Musikstück, und mach fingerakrobatische Technikübungen nur, wenn ich Passagen meiner Musik anders nicht in den Griff bekomme. So bin ich wohl nie perfekt, aber häufig zufrieden und voller Freude über das erreichte."

Verstehe ich nicht. Wenn es nicht so ist wie ich es will, bin ich nicht zufrieden. Wie kriegst Du das zusammen? Da würde ich gern meine Einstellung ändern und von Dir lernen. Die ständige Unzufriedenheit mit sich selbst ist nämlich quälend.

Außerdem bin ich Dir sehr dankbar für Deine letzten Zeilen. Das bestätigt ja meine Meinung, dass technisch ab einem unbestimmten höheren Alter nicht mehr viel zu entwickeln ist, man aber trotzdem Freude an der Musik haben kann. Das klingt gut und weise.

Wahrscheinlich haben wir wirklich seine Stücke falsch ausgesucht... andererseits will er aber auch beweisen, was für ein toller Hecht er noch ist. Dazu gehört seiner Meinung nach eine gewisse Sportlichkeit, für die ich ihm nun losgelöste "Basics" geben soll. Ich habe ihm gleich widerwillig etwas aufgeschrieben und hätte ihm am liebsten gesagt, er möge das mit Metronom bis Tempo X üben und sich nicht wieder blicken lassen bevor das nicht sauber klappt. Dann würde ich ihn vielleicht nie wieder sehen...

Dabei ist das seine eigene Idee. Ich würde nie so vorgehen. Bestimmte Sachen sind einfach sehr persönlich. Vielleicht ist das seine persönliche Strategie und ich muß ihm nur helfen...
 
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Ein interessantes Thema.


Auch ich muss seit einigen Wochen Etüden üben. Es sind die Stücke aus dem CAM Musikverlag von Arno Hupprich (falls die jemand kennt) und mir unbekannte ( da lose Blattsammlung) Klavieretüden, die meine Lehrerin für die linke Hand umgeschrieben hat.


Am Anfang legte ich sie auf's Notenpult und dachte dabei: Schon wieder dieser Mist. Mittlerweile sage ich mir, dass ich da einfach durch muss. Über das WARUM habe ich mir bisher aber keine Gedanken gemacht und deswegen auch Danke für dieses Thema, dass eine Auslagerung verdient hätte.


Möglicherweise sind Etüden wirklich antiquarisch einzustufen. Viele klassische Stücke haben gewisse musikalische Abläufe, die eine grifftechnische Beherrschung voraussetzen. So ist mir ein älteres Notenheft in Erinnerung, in dem am Anfang eines klassischen Stückes zuerst einige Übungen kamen. Da hieß es dann in etwa, dass diese Übungen beherrscht werden müssten um das nachfolgende Stück spielen zu können. Es kommt dann automatisch der Gedanke, dass man das doch im Stück selbst lernt. Wieso braucht es eine Vorübung?


Von einem Berufsmusiker weiß ich, dass er täglich alle Tonleitern und etliche Etüden spielt. Würde er diese Etüden weg lassen, müsste er die schwierigen Passagen aller ihm bekannten Stücke auf gesonderte Blätter kopieren und diese üben. So bleibt er also bei seinen Etüden.


In etlichen C- und auch B-Orchestern gibt es, wie z.B. bei den Streichern "Luftspieler" der älteren Generation die schwierige Abläufe fingertechnisch einfach nicht mehr beherrschen.
Für mich stellt sich somit die Frage, wie weit ich mit meinem Spiel noch kommen will. Zuerst einmal möchte ich sehr gut werden und übe daher auch Etüden. Und wenn es sein muss, dann autistisch wie Ben schreibt. Es darf aber nie von einem gesunden Stress in den krankhaften ausarten und so gibt mir dieser Unterschied, der individuell ist, schon bekannt, wo meine Grenzen liegen.



Gruß
Horst
 
Hm, vielleicht kann man gar nicht so grundsätzlich sagen, ob es besser ist, Technik getrennt oder anhand der Stücke, die man sowieso spielt, zu üben.

Begehrte Musik scheint nicht Anreiz genug zu sein, um ehrgeizig und zielgerichtet zu üben. Das habe ich schon oft erlebt.
Das finde ich sehr schade. Für mich besteht der Anreiz zum disziplinierten Üben eigentlich nur darin, begehrte Musik selber so spielen zu können, dass ich das, was ich dabei empfinde, dann eben auch so ausdrücken kann, wie ich es möchte. Weiterer Anreiz ist das Zusammenspiel mit anderen, da geht es nicht immer um wirklich begehrte Musik, aber um das Mitmachen können.
Beim Akkordeon habe ich noch nie getrennte technische Übungen gemacht, aber ich hatte z. B. mal einen Klarinettenlehrer, bei dem ich ständig Etüden und Tonleitern spielen mußte. Mich hat das total gelangweilt und ich konnte da auch nicht "dran" bleiben und habe das oft sehr halbherzig gemacht.

Offensichtlich geht es anderen aber anders, die Vorlieben sind verschieden und die Motivation zum Üben wird aus unterschiedlichen Quellen gespeist. Also geht es vielleicht darum, diese unterschiedlichen "Lerntypen" zu berücksichtigen.

Den Einwand mit den "Krankheiten" finde ich allerdings wichtig. Ich mußte etwas grinsen über die Bemerkung, dass ja höchstens Sehnenscheidenentzündungen und Rückenprobleme entstehen können. Klar, eine lebensgefährliche Krankheit kriegt man von technischen Übungen nicht, aber chronische Entzündungen oder Reizungen von Sehnen, Bändern und Muskeln, wie sie durch immer gleiche Bewegungsabläufe entstehen können ("Repetitive Strain Injury") können einem das Spielen unmöglich machen.
 
Zitat von benprofane
Ich dachte eigentlich auch, dass mir die Technik in meinen aktuellen Übungsstücken reicht, wobei da schon einiges zusammenkommt, da ich bestimmt an 10 Stücken (natürlich nicht im Unterricht) parallel übe, wo in jedem genügend Stellen für vertiefende Technik-Übungen sind.



Das ist beachtlich, wo nimmst Du die Zeit her?
das ist ja auch eine Formulierungsfrage, wann spricht man von spielen und wann von üben ? Ich empfinde eigentlich jedes Stück, das ich spiele auch als üben, da es immer Stellen gibt, die ich verbessern möchte. Das war jetzt einfach mal eine Schätzung, das ich so um die 10 Stücke pro Woche zum Klingen bringe und mir da gezielt Stellen zum verbessern raussuche. Da gehe ich auch nach dem Lustprinzip vor, was mir gerade Spaß macht. Ich habe ja keine Verpflichtung bis dann und dann etwas perfektionieren zu müssen. Klar sind es nur 3-4 die richtig intensiv und täglich dran sind.

Ok, aber ist es nicht das gleiche, wenn es Stellen aus dem Stück sind? Muß es Czerny sein oder ein anderes Stück? Warum nicht direkt?

natürlich auch direkt aber ich sehe die Etüden oder Technikübungen eher als Variante und Abwechslung. Ich spiele ja nicht den Czerny durch und sage wenn ich Seite 13 kann ist Seite 14 dran sondern suche mir schon Übungen für mich die passen. Klar könnte ich mir auch selbst was überlegen, aber wenn es da schon was gibt, warum nicht. Ich habe leider auch nicht den musikalischen Überblick, um zu wissen, welche anderen Stücke bestimmte Techniken vertiefen oder trainieren würden.

noch ein Sportvergleich: ein Hundertmeterläufer, trainiert ja auch Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Dehnübungen und sagt nicht jeden Tag "jetzt lauf ich 50x die 100m" oder noch besser "heute konzentrier ich mich auf Abschnitt 70m-80m" - möglicherweise ist es doch auch so in der Musik, wenn ich mich zu sehr auf eine kritische Stelle fokussiere verkrampfe ich irgendwann und wenn ich dann trotzdem noch Lust und Zeit habe weiter an diesem Projekt zu bleiben, bringe ich Varianten ins Spiel und da finde ich bereits existierende Übungen für mich ganz hilfreich.

Würdest Du dann aber sagen, das Stück ist zu schwer für Dich? Legst Du es dann weg, bis Du in einem Jahr mit den Technikübungen so weit gekommen bist, dass es in einem von Dir selbst vorgegebenen knappen Zeitraum und einem überschaubaren Arbeitsaufwand zu schaffen ist? Ist es nicht größere Motivation, die Stellen aus dem Stück zu Üben eben weil Du es endlich drauf haben willst?
Wenn ich es toll finde, lege ich es nicht weg, deshalb sind es ja so viele Stücke an denen ich übe. Solange ich die Hoffnung habe, da könnte was draus werden, bleibe ich schon dabei aber natürlich muss ich auch Schwerpunkte setzen, da ich nicht unbegrenzt Zeit habe und ein bißchen Fokus ist ja dann auch nicht so schlecht.

fröhlichen Gruß
Ben
 
Hallo zusammen,

es geht hier wohl um das richtige Verhältnis zwischen reinen Technik-Übungen und dem Einüben von Spielstücken.

Ich will mal folgenden Vergleich machen: wenn jemand eine Fremdsprache erlernen und bis zu einem gewissen Punkt beherrschen möchte, hat er ein ähnliches Problem wie jemand, der Akkordeon erlernen und bis zu einem gewissen Punkt beherrschen möchte. Eine Fremdsprache erlernt niemand, der ausschließlich Wörter und Grammitk paukt. Er wird dann zwar die Regeln rauf- und runterdeklinieren oder -konjugieren können - der "theoretische" Zugang -, aber richtig umgehen wird er mit der Sprache nicht können. Ebensowenig wird jemand, der nur einzelne Texte oder ganz spezielle Unterhaltungen in einer Fremdsprache einübt - der "praktische" Zugang -, diese zwar mehr oder weniger beherrschen. Er bleibt aber unflexibel in der Sprache und bei einem neuen Text, in einer neuen Situation fängt alles wieder fast von vorne an, und man macht immer wieder dieselben Fehler. Deshalb hat sich in den Fremdsprachen unstrittig bewährt, dass man beides tut, also sowohl Wörter und Grammatik (die Theorie) lernt als auch Anwendungen der Sprache (die Praxis) einübt - ich vernachlässige mal den manchmal propagierten Versuch, eine Fremdsprache ohne Grammatikübungen zu lernen, das führt doch bestenfalls dazu, am Strand ein Eis oder ein Bier in der Landessprache zu ordern. Um klarzustellen ich bin kein Fremdsprachenlehrer, ich habe lediglich Fremdsprachenunterricht genossen/ erlitten. Ich hätte auch das Beispiel mit dem alltäglichen Rechnen und dem (kleinen) Einmaleins machen können.

Beim Erlernen des Akkordeonspiels ist das m.E. ganz ähnlich. Ohne Etüden/ systematische Übungen entsteht kein solider Grundstock an Fähigkeiten. Bei jedem neuen Spielstück entstehen ohne diesen Grundstock immer wieder ähnliche Probleme, ohne dass man die Zusammenhänge kennt. Also muss jeder seinen eigenen Kompromiss an Zeitaufwand für das Einüben von Etüden einerseits und das von Spielstücken andererseits definieren. Und was den Lustfaktor angeht, auch Czerny-Etüden können sehr schön musikalisch sein, wenn man diese einigermaßen beherrscht. Jedenfalls behaupte ich hier einmal frank und frei, dass man ohne gezielte Technikübungen auf einem Musikinstrument meistens nicht weit kommt. Es mag Ausnahmen geben, aber die sind selten, und man sollte für sich selbst nicht von vornherein annehmen, dass man zu den Ausnahmen gehört.

Mein persönlicher Kompromiss besteht darin, dass ich etwa zur Hälfte der Zeit am Akkordeon Technikübungen mache und zur anderen Hälfte mich mit Spielstücken beschäftige.

Gruß

morino47
 
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Das Einzige, was ich an technischen Übungen bisher gemacht habe waren Tonleitern und so 1,2,3 bzw.1,3,5 Finger Übungen in der rechten Hand begleitet mit einem Bass. Das musste ich aber auch zu meiner Prüfung spielen. Ich habe das immer beim Üben vorweg zum Einspielen gemacht, beherrschte es damit recht gut und es hat mich nicht genervt, weil zu fad.
Aber ich stehe ja auch noch recht am Anfang.

Ich denke auch, dass die einzelnen Lieder aufbauend sind. Ich habe Lieder, die sind links recht einfach, haben es dafür rechts in sich und umgekehrt. Stellen, die mir sehr schwer fallen übe ich dann immer separat noch zusätzlich. Oder auch ganze Passagen, die mir schwer fallen spiele ich öfters.

Aber ist da nicht jeder unterschiedlich? Ich denke es sollte jeder so machen, wie es ihm gefällt, bzw. wie es ihn weiter bringt.
Wenn ich übe spiele ich auch immer Lieder, die ich gut kann und die mir gefallen, weil ich einfach Spaß daran habe und weil ich die ja auch nicht wieder verlernen will.

Wohin mich das Ganze mal bringen wird, weiß ich nicht, ich kann auch nicht sagen wo ich noch hin will. Ich weiß nur eins, ich habe noch gaaaanz viel zu Lernen und ich will noch viel lernen. Und ich mache weiter, denn es macht Spaß und das ist mir wichtig.

Gruß grollimolli
 
Guten Morgen Uwe,

zunächst antworte ich mal auf Deinen Beitrag #5

Das letzte zuerst: Du bist sein Lehrer, damit hat Dein Schüler bestimmte Ansprüche an Dich. Entweder hat er Dich als Lehrer ausgewählt, weil er Dich und Dein Akkordeonspiel bewundert und deshalb idealerweise einmal so spielen können möchte wie Du. Für Dich wäre das der einfachste Fall, Du mußt mit Ihm theoretisch "nur" Deine Ausbildung kopieren, Deine eigenen Erkenntnisse hinzu fügen und Dein Schüler entwickelt sich in die von Ihm gewünschte Richtung. Natürlich sind da etliche Faktoren, wie Musikalität, Alter usw nicht berücksichtigt. Ich weiß, dass das nur sehr vereinfacht dargestellt ist, es geht mir aber nur um den grundsätzlichen Weg.
Oder aber er hat selbst feste Vorstellungen von seinen Zielen und dem Unterricht, der dahin führen soll. Das ist für Dich ungleich schwieriger. Dein Schüler erwartet jetzt evtl. jetzt einen Unterricht von Dir, der Deinem Konzept nicht entspricht. So ein Schüler bin ich vermutlich.
Meine Ansprüche an meinen Lehrer waren und sind: Der Lehrer soll mir helfen Musik auf dem Akkordeon spielen zu lernen, die mir gefällt, und die ich gerne spielen können möchte. Technische Übungen gehören da ausdrücklich nicht zu. Ich spiele also nur Stücke, die ich mir aussuche, mein Lehrer erkennt meine Vorlieben und schlägt dann und wann auch Stücke vor, die sehe ich mir an und finde Freude daran oder verwerfe sie.
Meine Ablehnung rein technischer Übungen bringen mir gewiß auch Nachteile ein, ich muß mir manch schwierige Stelle mühsamer erarbeiten, als wenn ich die Bewegungsabläufe vorher schon mit allgemein gültigen Technik-Übungen erlernt hätte. In dem Zusammenhang schreibst Du:
Das ist lediglich eine Disziplinfrage. Wenn etwas nicht klappt, koppele ich die Stelle verdammt nochmal aus und betrachte sie extra.
Natürlich ist das eine Frage der Disziplin, wie alles konsequente Üben, aber da gibt es so unterschiedliche Charaktäre wie Menschen. Nicht jeder ist so diszipliniert. Nicht umsonst beherrscht Du Dein Instrument viel besser als ich meines, obwohl Du genauso wenig mit dem Akkordeon im Arm auf die Welt gekommen bist, wie ich. Es gibt also offensichtlich sehr unterschiedliche Lern- und Übungsweisen und Deine Aufgabe als Lehrer sehe ich so, den Lerntyp Deines Schülers versuchen zu erkennen und ihm auf diesem Weg weiter zu helfen. Die meisten Lehrer, die ich kennen gelernt habe machen das anders, sie versuchen dem Schüler Ihre Methode über zu stülpen.

"Aber, ich bin Musiker, als solcher möchte ich Musik machen, keine Fingerakrobatik. Also übe ich ein Musikstück, und mach fingerakrobatische Technikübungen nur, wenn ich Passagen meiner Musik anders nicht in den Griff bekomme. So bin ich wohl nie perfekt, aber häufig zufrieden und voller Freude über das erreichte."

Verstehe ich nicht. Wenn es nicht so ist wie ich es will, bin ich nicht zufrieden. Wie kriegst Du das zusammen? Da würde ich gern meine Einstellung ändern und von Dir lernen

Es ehrt mich, dass Du von mir lernen möchtest, aber ich kann Dir da nur wenig weiterhelfen.
Ich bin oft sehr unzufrieden mit dem was ich spiele, das Tempo stimmt nicht, es hakelt bei Läufen, ich kann bestimmte Akkorde nicht greifen usw., und dann kommt jemand, der mir zugehört hat und sagt mir: das möchte ich auch können, oder, das war aber schön, oder (ein wirklich guter Saxophonist), wie kommst du nur mit den vielen Tasten und Knöpfen zurecht? Dann wird mir klar, wie viel ich schon erreicht habe und wie viele Menschen ich erreiche. Ich merke aber auch, dass es nicht selbstverständlich ist, dass ich die Begabung der Musikalität besitze, und ich lerne, dass es nicht lauter beste Akkordeonisten gibt, es gibt viele, die deutlich besser spielen als ich und solche denen ich (spieltechnisch) etwas beibringen kann.
Zurück zu Deiner Frage: Wenn Du, wenigstens teilweise, Deine Zufriedenheit darauf gründen könntest, daß Du Dich unbändig über die vielen Menschen freust, die Deiner Musik gerne und häufig zuhören (ich bin einer von denen), wärst Du einen sehr großen Schritt weiter gekommen.

Gruß
Reini2
 
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ich würde gerne noch mal den Blick von einer anderen Seite werfen. Und das muß kein allgemeingültiger sein, war und ist aber mein Weg seit über 50 Jahren.

Technikübungen sind Technikübungen, die dann auch richtig geübt werden sollen/müssen (Fingersatz, ergonomische Haltung, Timing per Metromom, Erfassen von Notierung, etc.), das Ziel ist erstens das Beherrschen der Technik und zweitens das Bereitstellen von Standards, die allgemeingültig sind. Und das soll (aus meiner Sicht) auch steril sein und mit Musik wenig bis gar nichts zu tun haben.

Wenn ich dann an die Musik gehe, greife ich auf diese Standards zurück und fange an, diese Standards zu "verbiegen", sie der Musik zu opfern, vor allem lebendige Musik daraus zu machen - und das kann ich nur, wenn ich weiß, was ich mache.
Mal als willkürliches Beispiel, wenn ich weiß und spielerisch abrufen kann, wie ein Stück Musik nach dem Metronom hätte gespielt werden können, dann kann ich gezielt und vor allem auch bewußt eingreifen und das Mikrotiming so anlegen, daß die Musik auch lebt. Gerade rythymisch erlebt man doch viele Beliebigkeiten (die oftmals noch nicht mal eine Konstanz haben) wenn man sich das Musikschaffen der Mitmenschen anhört...

Ja, ich weiß, es gibt unzählige Naturtalente, die das auch alles immer richtig machen, ohne daß sie Ahnung hätten, was gerade überhaupt passiert.
 
Danke ihr für Eure ausführlichen und lieben Antworten.
An Morino: ich denke es geht wirklich (wie ich schon schrieb) am meisten darum, wirklich ehrlich und hart zu beurteilen was man gerade hört. Das Verhältnis zwischen Musik und Technik ist schon die zweite Frage.

Was ich mir oder der Lehrer im Allgemeinen selbst anheften muß: Wenn bestimmte Sachen im Stück nicht klingen, muß man sensibel herausfinden, woran das liegt. Eigentlich wissen wir beide, dass es unter anderem an der Technik klemmt. Das Herausfinden der Übungsmethode wollte ich eigentlich dem Schüler überlassen, denn er ist Erwachsen und ich weiß, er ist sogar Technik Freak. Er sprach mich gleich anfangs vor zwei Jahren darauf an. Ich selbst sehe aber meine Aufgabe nicht darin, stupide Übungen zu verteilen, diese abzufragen und auch noch zu bewerten und einem Erwachsenen gegenüber irgendwelche Sanktionen zu verpassen (auch so ein Thema). Mehr noch, er will ja, dass wir diese Dinge in der Stunde trainieren! Dazu bin ich mir eigentlich zu schade und der Schüler tut mir leid. Das kann doch nicht Inhalt des Musikunterrichts sein? Das ist Drill und Sport!

Wenn ich noch weiter denke: Das Thema stand ja ursprünglich bei "Akkordeon lernen mit 50 plus" ... Ich habe ehrlich gesagt keine Hoffnung, dass sein Ziel wirklich erreichbar ist. Man sieht das sogar an Kindern oder an sich selbst.:
Einer hat eine kleine Hand - diese wird nie groß werden, man kann nur Dehnungsübungen machen.
Jemand hat eine weiche Hand, er kann nur Spannungsübungen angehen.
Jemand hat eine steife Hand, er muß Gymnastikübungen machen.
Einer verkrampft, der muß sich lockern, der nächste ist zu schlapperig, der muß Kraft entwickeln...

Aber: Die Anlagen für das Handicap sind einfach da, es sind Veranlagungen, die man nie los wird. Besonders nicht, wenn man schon über 50 ist.
Meine Befürchtung ist wirklich, wir gehen diese trockenen Übungen an, bleiben sogar hart und fair dabei, aber es wird nicht besser. Nebenbei machen wir im Unterricht keine Musik mehr. Das Thema des Unterrichts verlagert sich von musikalischen zu physiologischen, psychologischen und medizinischen Inhalten. Wenn ich ein Problem erkannt habe "Es liegt an einem steifen 4. Finger", kommt die folgerichtige Reaktion, wir brauchen Übungen für den 4. Finger. Wenn es dann nicht besser wird, verlagert sich das Thema noch weiter ins Innere - was weiß ich, da sind Muskeln von Hyper H1 nach Unterarm an Sehne Z 25. Wenn Du also da nicht weiterkommst, brauchst Du Tabletten oder einen Lasereingriff. Das ist jetzt natürlich maßlos übertrieben, aber ich hoffe ihr versteht was ich meine, wo soll man da die Grenze ziehen?

Andererseits sehe ich ein, dass es erforderlich ist und ich muß gerade einsehen, dass ich den Schüler auch wenn er erwachsen ist, damit nicht allein lassen kann. Er will es nunmal gründlich anpacken und ich wollte den 3. Schritt vor dem ersten tun.
Ich setzte unbewußt immer voraus, dass eigentlich jeder (auch Kinder) selbst in der Lage sind, erstens zu erkennen, dass die Wohnung dreckig ist, zweitens sich zu überwinden sie sauber zu machen, drittens selbst einen Staubsauger auszusuchen und zu kaufen, das richtige Wischwasser anzurühren und den Wischmopp in effektiven und eleganten Zügen zu führen.
Ich wollte nur immer zeigen, wie man die Wohnung schön einrichtet ... und habe höchstens mal gesagt, dass hier und da noch die Fenster besudelt sind. Das ist wahrscheinlich doch zu wenig.

Wir müssen beide lernen uns selbst zu sagen, hey da ist noch Dreck, versuchs doch mal mit nem Spachtel. ;-) Wenn er das so braucht ... dann soll es so sein.
 
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Mal als willkürliches Beispiel, wenn ich weiß und spielerisch abrufen kann, wie ein Stück Musik nach dem Metronom hätte gespielt werden können, dann kann ich gezielt und vor allem auch bewußt eingreifen und das Mikrotiming so anlegen, daß die Musik auch lebt.

Ich greife das Beispiel mal auf, da es m. E. gerade FÜR das Üben der Technik am Stück selber spricht.
Ich neige z. B. dazu, bei manchen Walzern die Drei zu verlängern. Aber eben nicht generell, sondern nur bei manchen Walzern, das hängt vom Melodieverlauf ab.
Wenn ich also jetzt eine Übung im Dreivierteltakt mit Metronom spielen würde, um rhythmisch saubere Dreiertakte zu spielen, würde das mir glaube ich wenig helfen, ich muß genau die Walzer, bei denen mir das passiert, zeitweise mit Metronom üben, um gerade bei dieser konkreten Melodie ein Gefühl für das korrekte Timing zu bekommen.
Rhthmische Unsauberkeiten haben zwar nicht nur, aber glaube ich häufig etwas damit zu tun, mit einer Melodie mitzugehen. Deshalb kann man das m. E. nur sehr schwer unabhängig von einem konkreten Stück üben, bzw. wenn man es in einer Übung sauber hinkriegt, heißt das noch lange nicht, dass es sich auf ein bestimmtes Stück auch übertragen lässt.
 
na ja, dann kannst Du am Ende dieses eine Stück und verfügst nicht über die Standards um ein breiteres Repertoire anzugehen. Es macht keinen Sinn jedesmal das Rad neu zu erfinden.
 
Das was sie (Seelchen) an dem Stück lernt, erkennt sie aber in anderen Stücken auch wieder. Warum soll sich eine Technikübung auf alles übertragen lassen, eine technische Anwendung in der Musik aber nicht übertragbar sein?

Es macht sehr wohl Sinn, zwei verschiedene Walzer mit verschiedenen Feelings zu versehen, sonst hast Du am Ende eine Parade von Kopien.
Wenn sie mit der Melodie mitgeht ist das doch schön, es darf nur nicht zu unbewußten Schludereien kommen.

Aber wie man das Bewußtsein schult, ist eine persönliche Frage. Wenn Du es schaffst, die gleichmäßigen Viertel aus der Übung zu nehmen und im Stück gegen sich abwechselnde Triolen und Achtel und Sechzehntel sowie Griffen durchzuhalten... wunderbar.
Wenn die technische Übung aber ausgerechnet diese Kombination nicht behandelt hat, mußt Du diese Sache wohl oder übel speziell im Stück behandeln und das Rad neu erfinden. Dann nehme ich mir einen anderen Walzer und ich möchte ihn anders klingen lassen. Vielleicht ist es ein englischer Walzer, mit Fermaten vor der drei. Mir nutzt die Übung dann nichts. Ich muß und will das erforderliche dann speziell am Stück üben sonst komme ich aus dem Techniksumpf nicht heraus.

Bei anderen ist das vielleicht anders. So what...
 
Andererseits sehe ich ein, dass es erforderlich ist und ich muß gerade einsehen, dass ich den Schüler auch wenn er erwachsen ist, damit nicht allein lassen kann. Er will es nunmal gründlich anpacken und ich wollte den 3. Schritt vor dem ersten tun.
Ich setzte unbewußt immer voraus, dass eigentlich jeder (auch Kinder) selbst in der Lage sind, erstens zu erkennen, dass die Wohnung dreckig ist, zweitens sich zu überwinden sie sauber zu machen, drittens selbst einen Staubsauger auszusuchen und zu kaufen, das richtige Wischwasser anzurühren und den Wischmopp in effektiven und eleganten Zügen zu führen.
Ich wollte nur immer zeigen, wie man die Wohnung schön einrichtet ... und habe höchstens mal gesagt, dass hier und da noch die Fenster besudelt sind. Das ist wahrscheinlich doch zu wenig.

Ich würde sagen: das ist das Ziel, den Schüler so weit zu bringen, dass er selbständig üben kann. Mit den meisten Schülern muss man aber immer mal wieder in der Stunde richtig üben, damit sie verstehen, wie es eigentlich geht. Natürlich ist das für den Lehrer anstrengend und auch ein bisschen langweilig, man möchte viel lieber musikalische Feinarbeit machen.

Rein technische Übungen, also völlig losgelöst von musikalischen Inhalten, halte ich größtenteils für eher schädlich. Allerdings mit Ausnahmen: Grundlegende Basics müssen irgendwann gelegt werden, also etwa wenn man gerade ein traditionelles Stück in Es-Dur spielt sollten parallel dazu auch ein bisschen Es-Durtonleiter, Arpeggien und Kadenzen geübt werden. Eine weitere Ausnahme fällt mir ein: wer schon länger Akkordeon spielt und nun z.B. zusätzlich Melodiebass erlernen möchte fährt gut damit, dass Griffbrett durch sture Trockenübungen schneller kennenzulernen, also z.B. wie spielt man kleine Terzen, Dreiklänge, wie geht es in Halbtonschritten aufwärts etc. Gleiches gilt für Umsteiger von Taste auf Knopf.
 
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Ich selbst sehe aber meine Aufgabe nicht darin, stupide Übungen zu verteilen, diese abzufragen und auch noch zu bewerten und einem Erwachsenen gegenüber irgendwelche Sanktionen zu verpassen (auch so ein Thema). Mehr noch, er will ja, dass wir diese Dinge in der Stunde trainieren! Dazu bin ich mir eigentlich zu schade und der Schüler tut mir leid. Das kann doch nicht Inhalt des Musikunterrichts sein? Das ist Drill und Sport!

Andererseits sehe ich ein, dass es erforderlich ist und ich muß gerade einsehen, dass ich den Schüler auch wenn er erwachsen ist, damit nicht allein lassen kann. Er will es nunmal gründlich anpacken und ich wollte den 3. Schritt vor dem ersten tun.

Ich wollte nur immer zeigen, wie man die Wohnung schön einrichtet ... und habe höchstens mal gesagt, dass hier und da noch die Fenster besudelt sind. Das ist wahrscheinlich doch zu wenig.

Wir müssen beide lernen uns selbst zu sagen, hey da ist noch Dreck, versuchs doch mal mit nem Spachtel. ;-) Wenn er das so braucht ... dann soll es so sein.

Ich glaube, Du solltest Dir auch die Frage stellen, ob er ein Schüler ist, den Du haben möchtest.

Du warst offensichtlich der Lehrer, den ER haben wollte, sonst hätte er Dich nicht gefragt. Und Du bist immer noch der Lehrer, den er haben möchte, sonst wäre er nicht noch bei Dir. Aber warum wollte bzw. will er genau Dich? Weil er Dich für einen tollen Spieler hält? Weil er Dich für einen tollen Lehrer hält? Weil Du ihm empfohlen wurdest? Weil Du der einzige Akkordeonlehrer innerhalb seiner Mobilitätsgrenze bist? Alle (bis auf die letzte) Möglichkeiten sind natürlich letztlich eine Ehre für Dich.

Und trotzdem frage ich Dich: ist er der Schüler, den Du haben möchtest? Er hat andere Vorstellungen als Du über den Ablauf der Unterrichtsstunde, er hat andere Vorstellungen als Du über die Vorgehensweise, er möchte (so ist zumindest mein Eindruck) irgendwie immer genau das Gegenteil von Dir. Klar, anfangs müssen sich Lehrer und Schüler, erst recht erwachsene Schüler, zusammenraufen. Aber das sollte doch keine zwei Jahre dauern.

Natürlich kann man sagen, ein guter Lehrer muss mit jedem Schüler zurechtkommen. Aber vielleicht macht ihm nicht jeder Schüler gleich viel Spaß? Und bei Dir kann ich mir nicht vorstellen, dass Du dazu gezwungen bist, jeden Schüler anzunehmen (egal, aus welchem Grund, sei er finanziell oder wegen des Renommees oder ...). Ich finde, das Leben ist zu kurz, um es sich mit unangenehmen Sachen zu vermiesen. Klar, manche Arbeiten lassen sich nicht vermeiden, auch wenn sie keinen Spaß machen. Aber da, wo man Einfluss darauf nehmen kann ...?

Damit möchte ich nichts gegen Deinen Schüler sagen. Aber ich habe halt das Gefühl dass Ihr von den musikalischen Zielsetzungen und möglicherweise auch menschlich nicht miteinander harmoniert. Vielleicht wäre ja er auch mit einem anderen Lehrer glücklicher?

Gruß,
INge
 
Hallo, Uwe,


Das Herausfinden der Übungsmethode wollte ich eigentlich dem Schüler überlassen, denn er ist Erwachsen

Das halte ich auch für gut und richtig, allein, wenn Du als Lehrer aus Deiner Erfahrung Übungen kennst, die dem Schüler weiterhelfen, solltest Du ihm diese natürlich zeigen.

Ich selbst sehe aber meine Aufgabe nicht darin, stupide Übungen zu verteilen,

das hängt davon ab, was Du mit dem Schüler vereinbart hast, ich würde allerdings heute einen Unterricht, der sich überwiegend aus stupiden Übungen zusammensetzt sehr schnell kündigen.

diese abzufragen und auch noch zu bewerten und einem Erwachsenen gegenüber irgendwelche Sanktionen zu verpassen

tut mir leid, das halte ich unter Erwachsenen für albern. Der Schüler kommt zum Unterricht, weil er etwas lernen will, dass da Üben (natürlich außerhalb der Unterrichtsstunde) zu gehört, muß er wissen. Andererseits muß der Lehrer akzeptieren, dass es auch mal Zeiten gibt, in denen nicht mit der nötigen Intensität geübt werden kann, weil es der Beruf oder andere Zwänge gerade nicht hergeben.
Wenn der Schüler Sanktionen benötigt um voran zu kommen, ist er vielleicht in einem Sado-Maso-Studio besser aufgehoben.

Mehr noch, er will ja, dass wir diese Dinge in der Stunde trainieren
Dann unterrichtest Du offenbar zu preiswert.

Das Thema des Unterrichts verlagert sich von musikalischen zu physiologischen, psychologischen und medizinischen Inhalten. Wenn ich ein Problem erkannt habe "Es liegt an einem steifen 4. Finger", kommt die folgerichtige Reaktion, wir brauchen Übungen für den 4. Finger. Wenn es….
Du bist Musik- und Akkordeonlehrer, nicht Psychiater, oder Orthopäde. Abgesehen von der Tatsache, dass im Musikunterricht Musik unterrichtet wird, musst und kannst Du nicht in orthopädischen Fragen auch noch kompetent sein.

Jeder, der in fortgeschrittenem Erwachsenenalter noch ein Musikinstrument erlernt, muß sich eigentlich darüber klar sein, dass er es unmöglich noch zum Virtuosen schaffen kann, nicht nur, weil ihn vielfältige körperliche Gebrechen daran hindern werden, sondern es fehlt auch ganz simpel die Zeit. Die meisten Virtuosen haben 2-3 Jahrzehnte Praxis hinter sich, in denen sie sich entwickelt haben. Ausnahmen mögen da die Regel bestätigen.

Gruß
Reini2
 
Das ich auf meinen Lehrer gekommen bin, ist reiner Zufall und dass wir prima harmonieren reines Glück? Er weiß mittlerweile wie ich ticke, kennt meine Stärken uns Schwächen.
Ich wünsche mir auch mal ein Lied von ihm, oder bring entsprechende Noten mit, das machen wir dann. Aber meist bringt er die Lieder. Ich denke er weiß schon wie man am besten aufbaut.
Ich habe Lieder quer durch den Garten und das gefällt mir. Dadurch bekomme ich auch in Musikstile einen Einblick, mit denen ich eigentlich nichts anfangen konnte. Aber ich denke ich konnte damit nichts anfangen, weil ich dazu nie Kontakt hatte. Und mir gefallen heute Lieder, vor denen ich vor einigen Jahren noch weg gelaufen wäre.
Ich weiß ja nicht ob das nur mir so geht oder anderen auch.

Wenn ich an einer Stelle mal ein ganz massives Problem habe übt er das mit mir und gibt mir noch den ein oder anderen Tip dazu. Auch wenn das auch mal stupide ist.
Grundsätzlich sehe ich das so, der Lehrer schickt mich auf den richtigen Weg, gehen muss ich alleine (üben, üben,üben) Wenn ich vom weg abkomme schubst er mich wieder zurück, das passiert wenn ich ein Lied 1 Woche lang falsch übe und es nicht merke, weil ich es mir "schön" gehört habe.
Und wenn mein Leben mal nicht rund läuft, muss er damit leben, dass ich nur wenig geübt habe. Das passiert mir äusserst selten, aber es ist schon passiert. Ich sage das dann auch gleich, weil ob ich viel oder wenig geübt habe hört er sowieso.

Ich denke auch Lehrer und Schüler müssen passen. Denn als Akkordeonschüler habe ich die Möglichkeit mir den Lehrer aus zu suchen, nicht so wie in der Schule, wo man den vorgesetzt bekommt und wenn man mit dem nicht kann, hat man ewig Kampf und schlechte Noten.

Ich weiß auch nicht ob ein erwachsener Schüler noch so hoch hinaus will, wenn er davon träumt sollte man ihm den Zahn vielleicht gleich ziehen.

Gruß grollimolli
 

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