die Sache mit der Sprache

aluco
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Hallo ihr Lieben,

seit einer ganzen Weile schon trage ich so eine kleine Frage mit mir herum, und habe noch keine wirkliche Antwort dazu gefunden. Die ist vielleicht ein wenig dĂ€mlich, aber eine Antwort darauf wĂŒrde mich ehrlich interessieren. Und zwar geht es dabei um die Wechselwirkungen zwischen der Sprache eines Liedes und dem Klang der Stimme. Man merkt das ja eigentlich schon beim Sprechen: Die deutsche Sprache sitzt eher hinten Richtung Rachen, das NiederlĂ€ndisch dagegen fast vorne auf der Zungenspitze, und Englisch irgendwo dazwischen. Beim Singen jedoch empfinde ich diesen Unterschied irgendwie extremer, so als nutze der Klang unterschiedliche RĂ€ume zur Entfaltung, und dass er dadurch ganz andere Charakteristika erhĂ€lt. Weiß jemand dazu etwas Genaueres? Und die zweite Frage dazu: Ist es so, dass man in einer Sprache "besser"
singen kann als in anderen, oder ist das davon unabhÀngig?

Vielen Dank schonmal & beste GrĂŒĂŸe,
Marielle
 
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Ganz frĂŒher - in der Klassik - hieß es: Italienisch ist die einzig wahre Sprache fĂŒr die Oper. SpĂ€ter wurden aber auch Opern in andere Sprachen ĂŒbersetzt und es funktionierte dennoch.

Bei Rockmusik hieß es ebenso lange: Rock muss englisch sein. Udo Lindenberg hat bewiesen, dass man Rock Deutsch singen kann, ohne ins Schlagerloch zu fallen.

Bei Soul hieß es auch etliche Jahrzehnte: nur englisch. Mittlerweile sind deutsche SoulsĂ€nger nix Besonderes mehr.

Ich denke, es kommt gar nicht so sehr auf die Sprache an. Man muss nur fĂŒr jede Musik die richtigen Worte finden und eine passende Form, jene auch in seiner Sprache adĂ€quat zu artikulieren. Man darf natĂŒrlich nicht so singen, wie man spricht. Das ist ja das Tolle an Musik und Gesang: Man kann einem Wort mit winzigen Manipulationen unglaublich viele verschiedene Facettten verliehen.
 
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Man muss nur fĂŒr jede Musik die richtigen Worte finden und eine passende Form, jene auch in seiner adĂ€quat Sprache zu artikulieren. Man darf natĂŒrlich nicht so singen, wie man spricht. Das ist ja das Tolle an Musik und Gesang.

Oh ja, und es gibt leider echt viele deutsche interpreten, die das mal so gar nicht drauf haben. Ich wĂŒrde auch nicht sagen, dass man in einer bestimmten Sprache besser singen kann, als in einer anderen. Die SensibilitĂ€t, mit der manche (mich eingeschlossen) auf deutsche Texte reagieren, liegt wohl eher daran, dass wir Muttersprachler sind und sprachlich Unansprechendes intuitiv wahrnehmen. Ich persönlich kann mir zum Beispielbei Revolverheld, Rosenstolz oder Roger Cicero nicht anhören, weil ich die Texte - vom Inhalt eh mal abgesehen - total klobig und unmusikalisch finde. Wenn man sich dagegen zB Herbert Grönemeyer oder Pascal Finkenauer anhört, hat das schon wieder eine ganz andere QualitĂ€t, weil diese Leute auch mit der Phonetik kreativ umgehen können. Vielen (nicht allen) neueren deutschen Popsongs fehlt diese Komponente meiner Meinung nach.
 
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Ich bin zweisprachig (Migrationshintergrund ;) ) und singe in Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Portugiesisch und neuerdings auch mit Begeisterung Italienisch (was fĂŒr eine wunderschöne Sprache!)
Und ich finde, es macht bei Pop und Rock nahezu keinen Unterschied, in welcher Sprache man singt.
Bei spezifischen Genres hingegen ist die Sprache entscheidend. Ein Bossanova klingt in Portugiesisch wunderschön, in Englisch verliert er schon einiges an Zauber und in Deutsch kann ich ihn mir nicht so recht vorstellen.
 
Ich hab schon in Englisch, Deutsch, Finnisch, Französisch und ich glaub irgendwann mal auch was Spanisches gesungen. Gehen tut alles, ich sehe es aber Ă€hnlich wie Zottelviech, es kommt sehr stark auf die Texte an. Deutsch ist meiner Ansicht nach ein sehr schöne Sprache, weil sie so unglaublich prĂ€zise sein kann. WĂ€hrend man bei uns 47 Worte fĂŒr ein und dasselbe hat, gibt's im Englischen ein Wort, das 47 verschiedene Dinge beschreibt - und ich bin immer wieder erstaunt, woher die Amis ĂŒberhaupt wissen, welche Bedeutung grade gemeint ist... Das Deutsche ist oftmals kantig, sperrig, eckig, ungelenk und man lĂ€uft Gefahr, sich zu verzetteln. Wenn man dann noch nur auf die Bedeutung achtet (worin wir ja sehr gut sind) und den Klang außer Acht lĂ€ĂŸt (worin wir vermutlich noch besser sind), dann kommen solche Ausgeburten heraus, die Zottelviech wohl auch meint. Es gibt keinen Fluß mehr, nichts Ă€sthetisches, sondern nur ausgekotzte Legosteinbrocken, pfui Deibel :igitt:.
Deswegen ziehe ich das Englische vor, dort fließt alles, alles ist recht simpel und wenn mal was nicht gut klingt, muß man es nur schlampiger singen :rock:

Wie gesagt, gehen tut alles. Da man ja nicht so singt wie man spricht, kann man durchaus auch Einfluß darauf nehmen, wo die Laute geformt werden. Man kann das Englische weiter nach vorne setzen, das Deutsche auch - und andere Sprachen sicher auch weiter nach innen, so man das möchte. Bis zu einem gewissen Grad ist alles machbar. In der Klassik sieht das wohl anders aus, da glaube ich schon, daß gewisse Sprachen ungeeignet sind, da man eben weniger FlexibilitĂ€t hat.
 
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Jetzt mal aus rein technischer Sicht ist deutsch tatsĂ€chlich schwierig. In der deutschen Sprache sind die harten Konsonanten sehr wichtig und fĂŒr das VerstĂ€ndnis entscheidend. Die Vokale hingegen sind deutlich weniger wichtig und oft auch weniger betont als in anderen Sprachen. Dadurch ist die deutsche Sprache weniger "weich" und "klingend", was sie schwieriger zu singen macht. Zum Beispiel hört sich das lange aushalten von Noten (= Vokalen) in der deutschen Sprache selten wirklich ĂŒberzeugend an.

Anders ist z.B. das Italienische, welches aus gutem Grund schon immer als gute "Singsprache" gilt. Im Italienischen sind die Vokale wesentlich wichtiger und meistens betont. Viele Worte enden auch auf Vokalen. Bei den Konsonanten sind die weichen wichtiger als die harten. Das sind technisch gesehen allesamt bessere Voraussetzungen zum Singen.

In Sachen Stimmsitz sind Italienisch und Französisch recht gĂŒnstig, weil sie eine gewisse "NasalitĂ€t" besitzen, die einen gĂŒnstigeren Stimmsitz bewirkt. Schlecht ist hier v.a. das HollĂ€ndische mit seinen ganzen kehlig sitzenden "ch"-Lauten.

Aber letztendlich ist es ohnehin so wie Antipasti schon schrieb: Man singt eben nicht so wie man spricht und man muss die Sprache, in der man singt, an seinen prÀferierten Stimmsitz und seine prÀferierte VokalfÀrbung anpassen und nicht umgekehrt.

Vom Texten her schreibe ich lieber auf Englisch. Im deutschen hat man tatsĂ€chlich das schon angesprochene Problem, dass es sich sehr schnell holprig anhört, wenn man sich etwas "gewĂ€hlter" ausdrĂŒckt. Wenn man aber bewusst eher knackige Schlagworte verwendet, ist man ganz ganz schnell auf der Hirnlos-Schlager-Schiene.
 
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Aber bei den italienischen Belcantisten heißt es doch: si canta come si parla (man singt, wie man spricht).
Und nuÂŽ?
 
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Ich denke schon, dass es Unterschiede gibt, aber das hÀngt von so vielen Faktoren ab, dass man das glaube ich nur individuell sehen kann.

NatĂŒrlich gibt es phonetische Unterschiede, die sich auch auf den Gesang auswirken. Die kann man u.U. ausgleichen, wenn man weiss wie, aber ein nasaler Laut z.B. bleibt ein nasaler Laut, anderenfalls geht halt das TextverstĂ€ndnis flöten. Inwiefern das dann wieder ein Problem ist, hĂ€ngt vom musikalischen Stil ab. Und ob es uns Probleme macht, in bestimmten Sprachen zu singen, hĂ€ngt auch davon ab, wie geschickt wir darin sind, unseren Vokaltrakt anzupassen. Manche können das gut, andere gar nicht, und es klingt entweder furchtbar, oder es fĂ€llt Ihnen schwer (oder beides ;)).


Ich bin voll zweisprachig/bilingual (Deutsch/Englisch), finde Englisch gesangstechnisch aber einfacher als Deutsch. Ich finde auch Französisch einfacher als Deutsch, wÀhrend manche SÀnger das ganz furchtbar und "eng" finden. Ich habe auch schon in Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, GÀlisch (Gaeilge & Gàidhlig), HebrÀisch und Arabisch gesungen und finde selbst die oft weniger "sperrig" als Deutsch, wenn's nur um Phonetik geht (gerade Russisch zum Beispiel finde ich sehr angenehm).


Aaaaber, und das ist ganz entscheidend: Singen ist eben nicht nur Phonetik, Sprachfluss und Vokaltraktanpassung. Es hat vor allem mit Emotion und der Verbindung mit dem Zuhörer zu tun. Und wenn man die Sprache, in der man singt, nur sinngemÀss versteht, ist es immer schwieriger als mit einer Sprache, die man WIRKLICH versteht.
Ich wĂŒrde von mir persönlich z.B. sagen, dass ich nur in Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch so sicher bin, dass ich wirklich Wort fĂŒr Wort verstehe, was ich da singe, ohne stĂ€ndig Vokabeln nachzuschlagen. Spanisch und Portugiesisch gehen so gerade ĂŒber die "romanische BrĂŒcke", da hĂ€ngt's aber bisweilen schon. Alle anderen Sprachen muss ich mir Wort fĂŒr Wort ĂŒbersetzen. Selbst wenn ich wahrscheinlich behaupten kann, dass ich phonetisch begabt bin, muss ich doch gestehen, dass es wesentlich schwieriger ist, in einer Fremdsprache die selbe Emotion rĂŒberzubringen wie in der Muttersprache (oder zumindest einer Zweitsprache, die man voll beherrscht, und nicht nur so la la).


An Aussprache kann man arbeiten (und ich wĂŒrde mir manchmal wĂŒnschen, dass der eine oder andere deutschsprachige SĂ€nger, der meint, in Englisch singen zu mĂŒssen, das tĂ€te). Mit der emotionalen Verbindung ist das imho schon schwieriger, die hat man oder nicht...
 
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Jetzt mal aus rein technischer Sicht ist deutsch tatsĂ€chlich schwierig. In der deutschen Sprache sind die harten Konsonanten sehr wichtig und fĂŒr das VerstĂ€ndnis entscheidend. Die Vokale hingegen sind deutlich weniger wichtig und oft auch weniger betont als in anderen Sprachen. Dadurch ist die deutsche Sprache weniger "weich" und "klingend", was sie schwieriger zu singen macht. Zum Beispiel hört sich das lange aushalten von Noten (= Vokalen) in der deutschen Sprache selten wirklich ĂŒberzeugend an.

[...] Im deutschen hat man tatsĂ€chlich das schon angesprochene Problem, dass es sich sehr schnell holprig anhört, wenn man sich etwas "gewĂ€hlter" ausdrĂŒckt. Wenn man aber bewusst eher knackige Schlagworte verwendet, ist man ganz ganz schnell auf der Hirnlos-Schlager-Schiene.

Das, was du ansprichst, geht in eine Ă€hnliche Richtung wie das, was ich beschrieben habe. Allerdings bin ich der Meinung, dass es hierbei weniger darum geht, dass eine Sprache schwierig zu singen sei, sondern vielmehr um die "kompositorische QualitĂ€t" des Textes. Wenn ich weiß, dass bestimmte Betonungen Murks sind, dann muss ich eben meinen Text so umformulieren, dass Sprachrhythmus und Gesangsmelodie zueinander passen. Deswegen passt der Spruch "Man singt, wie man spricht" auch im Deutschen, blos muss man eben auch so schreiben können, dass diese QualitĂ€t erhalten bleibt. So wird der Text ganz automatisch gut singbar und es entsteht nicht dieses seltsame DiskrepanzgefĂŒhl zwischen Sprache und Musik. Dass man mit allzu schmalzigen Inhalten aufpassen muss, ist auch klar, aber das sind eben die Bereiche, in denen sich kĂŒnstlerisches Talent auszahlt. Wenn mir ein deutscher Text klanglich missfĂ€llt, suche ich den Grund nicht in der Sprache, sondern im Umgang mit ihr, sprich beim Unvermögen des Verfassers.
 
In der Klassik sieht das wohl anders aus, da glaube ich schon, daß gewisse Sprachen ungeeignet sind

Ja, zumindest ich empfinde es so.

Die Sprachen in denen ich (immer klassisch) schon gesungen habe: Italienisch, Deutsch, Russisch, Tschechisch, Englisch, Französisch, Lateinisch (und Schweizerdeutsch).

Mein Favorit ist ganz eindeutig Italienisch, dicht gefolgt von Russisch. Italienisch ist einfach perfekt, und auch Russisch, das schon gesprochen sehr weich und melodisch ist, ist sehr angenehm. Russisch ist zudem die Sprache wo ich mit Abstand am besten öffne, dafĂŒr ist es hier gefĂ€hrlich, den Vordersitz zu verlieren.
Bei Deutsch finde ich, ist der Sitz leichter zu halten, aber es ist nach meinem Geschmack definitiv zu konsonantenlastig. Man kann die Konsonanten manchmal zwar auch wie ein Sprungbrett nutzen um freie gut schwingende Töne zu singen, aber trotzdem: bei keiner anderen Sprache habe ich im GU soviel Kritik bekommen wie Deutsch, das war wirklich ganz harte Arbeit. Mittlerweile geht es halbwegs, aber ich singe nach wie vor viel weniger gerne Deutsch als Italienisch oder Russisch. Und: es gibt scheinbar ganz viele - ansonsten sehr gute - Profis, die wegen der deutschen Sprache einen grossen Bogen um Lied machen.
Englisch fand ich lange ganz schrecklich, bis ich den Purzel (Ă€h Purcell ;)) entdeckt habe. Aber dort sind halt oft viele Koloraturen drin und da spielt die Sprache keine so grosse Rolle mehr.
Französisch finde ich, geht gar nicht (wie ĂŒbrigens auch Schweizerdeutsch).
Lateinisch gefÀllt mir sosolala, d.h. im Chor finde ich es ganz ok, solistisch mag ich es nicht so.

Und wenn man die Sprache, in der man singt, nur sinngemÀss versteht, ist es immer schwieriger als mit einer Sprache, die man WIRKLICH versteht.

FĂŒr mich halte ich es so: egal welche Sprache ich gerade singe, es ist absolut notwendig, dass ich bei jedem einzelnen Wort weiss, was es bedeutet. Nur sinngemĂ€sse Übersetzungen wĂŒrden mir deshalb nie genĂŒgen.
 
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wow, vielen Dank fĂŒr all diese vielfĂ€ltigen und aufschlussreichen Antworten! Und irgendwie bin ich sehr beeindruckt, was ihr da alles in eurem Sprachrepertoire habt! Ich sing ja irgendwie nur in den Sprachen, die ich auch beherrsche (wobei ich Latein jetzt noch nicht probiert habe).

Wie gesagt, gehen tut alles. Da man ja nicht so singt wie man spricht, kann man durchaus auch Einfluß darauf nehmen, wo die Laute geformt werden. Man kann das Englische weiter nach vorne setzen, das Deutsche auch - und andere Sprachen sicher auch weiter nach innen, so man das möchte. Bis zu einem gewissen Grad ist alles machbar. In der Klassik sieht das wohl anders aus, da glaube ich schon, daß gewisse Sprachen ungeeignet sind, da man eben weniger FlexibilitĂ€t hat.
Daran hatte ich auch schon gedacht, bzw. es ausprobiert. Allerdings hab ich das mit dem Stimmsitz noch nicht so gut raus, dass das wirklich funktioniert. Da wĂ€re ich mal sehr neugierig drauf, das richtig auszuprobieren! Vielleicht kam mein ursprĂŒnglicher subjektiver Eindruck (dass NiederlĂ€ndisch am Besten klingt) ja dadurch zustande, weil es von Natur aus vorne gesprochen wird, und ich da dann am ehesten einen vorderlastigen Stimmsitz hinbekommen habe... WĂ€re zumindest eine ErklĂ€rung ;)

Das Deutsche ist oftmals kantig, sperrig, eckig, ungelenk und man lÀuft Gefahr, sich zu verzetteln.
Aber es ist auch nicht umsonst die Sprache der Dichter ;)

Danke euch allen!
 
Interessantes Thema...
Hab irgendwo mal gehört, man singt in der Muttersprache am besten - find ich jetz so gar nicht, ich find ich sing am besten in Englisch - was aber auch daran liegen könnte, dass ich ja von klein auf Musik immer eher in Englisch gehört habe... Deutsch geht irgendwie gar nicht, außer und das ist das interessante - es ist in meinem Dialekt, also könnt was an der Sache mit der Muttersprache doch dran sein ^^

Aber ich denke auch, das Wichtigste an der ganzen Sache ist, dass man weiß was man da singt - egal in welcher Sprache!


Lg Lyra
 
Hallo Bell,

wieviel solche Redewendungen wert sind, kannst Du vielleicht an deren beliebiger Auslegung ermessen: wie oft hab ich den Spruch "Wie man schafft, so soll man auch essen" von Leuten sagen hören, die fĂŒr die Mengen an verschlungener Nahrungsmittel gigantische Arbeitsleistungen erbracht haben mĂŒĂŸten (wĂ€hrend meistens eher das Gegenteil der Fall ist!).
TatsĂ€chlich hat mir meine Gesangslehrerin empfohlen, ganz besonders auf die Konsonanten zu achten, was zunĂ€chst logischer Weise zu einer besseren VerstĂ€ndlichkeit gefĂŒhrt hat. Vor allem aber war ich plötzlich nicht mehr so sehr damit beschĂ€ftigt, ob ich die Höhen sauber bringe. Das ist auf einmal ganz nebenbei passiert. Man kann so auch einen vermeindlichen Nachteil als Vorteil zu eigen machen. DarĂŒber hinaus bin ich der Meinung, daß unsere Hörgewohnheiten mittlerweile so sehr vom englischen Liedgut geprĂ€gt sind, daß es manchen echt am Selbstbewußtsein mangelt, Deutsch gesanglich so einzusetzen, daß das ganze auch noch zu verstehen ist. Im Fall H. Grönemeyer geht das aber (meiner Meinung nach) absolut zu Lasten des vorher geschriebenen...GlĂŒck hat, wer das Booklet besitzt! Wer sich die MĂŒhe macht, von Laith Al Deen* oder Glashaus mehr als nur das anzuhören, was im Radio gespielt wird, kann sich davon ĂŒberzeugen, daß es wirklich lohnend ist, sich mit unserer Sprache auseinander zu setzen. Beachtlich, sind das doch Musiker mit so genanntem Migrationshintergrund, die uns zeigen, wie gut es auch "auf Deutsch" funktioniert. Wer (wie ich) Max Raabe mag, der kann sich auch an der ironischen Seite der deutschen Sprache erfreuen. In unserer Band haben zum GlĂŒck beide Sprachen ihren Platz, Englisch und Deutsch. Jede hat Vor- aber auch Nachteile !
Was ich aber weder in der deutschen, noch in der englischen Sprache mag, sind peinliche Versuche, durch eine schlampige Ausprache einen gewissen Slang vorzugeben, bemĂŒht zwar um irgendwelcher AutentizitĂ€t (bis auf die eigene!), entlarvt sich dies am Ende doch nur als billige Effektheischerei, oder schlimmer noch, wenn es gilt, das eigen zusammengereimte und/oder sprachliche Unvermögen zu kaschieren. Ob sich so jemand Gedanken macht, daß es Menschen gibt, denen es deswegen aufstoßen könnte, halte ich fĂŒr weniger Wahrscheinlich ! Das, was ich zum Erbrechen finde, nennen dann manche dreist "style" und bald schon formiert sich eine Schar von AnhĂ€ngern (pardon: "FĂ€hndz") um es ihrem Vorbild (sorry: "Aidl") gleich zu tun.
Womit sich der Kreis letzendlich wieder schließt: Es mĂŒĂŸte aber vielleicht anders herum heißen: "Man spricht, wie man singt (...rappt, brabbelt, etc.) !"

Jedoch: zu Beginn hatte ich auch schon geschrieben, wie ich das so mit den Redewendungen sehe...


*Bei dem Lied "Meilenweit"(CD "FĂŒr Alle") sagt, als die Musik ausblendet, die SĂ€ngerin Zoe noch: "Deutsch ist komisch, ey, yeah !" So geht es vielen...
 
Hm...

Also ich finde Deutsch klingt einfach schnell recht "unelegant" weil es, wie schon gesagt, sehr auf die (harten) Konsonanten ankommt, da rollt nix, man hat phonetisch gesehen wenig Spielraum. Die Sprache der Dichter und Denker eben: prĂ€zise, auf den Punkt, aber vielleicht etwas kantig (wer den Witz findet, darf ihn behalten). Zum Dichten oder Philosophieren eignet sich Deutsch durch seine große Bandbreite eigentlich sehr gut, aber sobald es dann ums Singen, eben hauptsĂ€chlich Vokale, geht, habe ich schon das GefĂŒhl, dass dort die Gefahr groß ist, etwas starksig zu wirken.

Das heißt nicht, dass Deutsch nicht schön ist. Aber ich zumindest empfinde es eben als geistiger, verkopfter, nicht so leidenschaftlich wie Französisch, Italienisch, Russisch - oder sogar auch Schwedisch oder Norwegisch. Selbst bei den "kĂŒhlen Vikingern" rollt in der Sprache mehr, als im Deutschen.

Englisch ist vom Lautbild her betrachtet jetzt auch nicht unbedingt eine wohlklingende Sprache, aber sie ist eben "cool", hat sich hauptsĂ€chlich aufgrund der politischen Konstellationen eben durchgesetzt und bietet wie schon gesagt viel InterprĂ€tationsspielraum - was fĂŒrs Texten wiederrum ganz spannend sein kann.
 
Daß die Emotion und die FĂ€higkeit, seine Zuhörer zu erreichen, das A und O des Gesangs (und viel wichtiger als z.B. Phonetik) sind, darĂŒber brauchen wir wohl nicht zu diskutieren.
Ich singe ab und an auch auf Deutsch und finde das wunderbar, solange ich eine emotionale Verbindung zum Song habe - wie bei jeder anderen Sprache auch. Es gibt in meiner Muttersprache jede Menge Songs, die ich entweder dĂ€mlich finde oder mit denen ich nix anfangen kann - dann klingen die auch nicht ĂŒberzeugend. Obwohl ich jedes Wort und jede Wendung verstehe. Manche Songs bleiben ein Fremdkörper.
Wenn ich aber eine emotionale Verbindung zu einem Song habe, brauche ich nicht jedes Wort zu verstehen oder zu ĂŒbersetzen. Meine (russische) Pianistin hat mir mal ein russisches Lied beigebracht, bei dem uich nur ungefĂ€hr wusste, worum es geht. Aber ich hatte sofort einen Zugang dazu, meine eigenen Bilder, eine Geschichte. Es hat super funktioniert, wir haben es auch live gespielt.
"Si canta come si parla" habe ich im klassischen Unterricht gelernt und finde es sehr hilfreich. Immer wenn ich an einem Vokal herumgemurkst habe, daß er schon total unnatĂŒrlich wurde, sagte meine damalige GL: sprich den Vokal. Wenn ich das ein paar Male getan hatte, durfte ich ihn wieder singen.
 
Meine GĂŒte, was könnt ihr alles fĂŒr Sprachen.
Ich singe (und spreche) genau zwei Sprachen: Deutsch und Englisch.
Mehr nicht, leider.
Obwohl ich meine eigenen Songs in Englisch schreibe singe ich sehr gerne Deutsch. Vor allem Musical. Die großen Emotionen sind im deutschen einfach besser spĂŒrbar fĂŒr mich.
 
Also ich kann nicht unbedingt alle Sprachen auch tatsĂ€chlich sprechen, auf denen ich singen kann. Solange mir ein Muttersprachler vorspricht, wie genau man es artikulieren muss und ich eine 1:1 Übersetzung habe, geht es aber meistens.

Wenn du denkst, Russisch sei schwer, probier mal auf Tschechisch zu singen. :eek::D
 
Ich habe Deutsch gerade wieder schĂ€tzen gelernt - allerdings nur fĂŒr eigene Songs.

Auch, wenn ich recht gut englisch spreche: Es stehen einem in der Muttersprache einfach viel mehr Möglichkeiten zur VerfĂŒgung - besonders Deutsch bietet unendlich viele Facetten.

Zu singen finde ich es momentan noch etwas gewöhnungsbedĂŒftig, denn ich singe die eigenen deutschen Texte halt völlig anders als zb englische oder italienische Coversongs. Viel brĂŒchiger und zurĂŒckhaltender. Aber die HĂŒrde nehm ich gern in Kauf.
 
Noch mal zum Thema Emotionen:
Beim Singen haben wir natĂŒrlich auch immer die Ebene "Emotion durch Musik", nicht nur "Emotion durch Sprache". Anderenfalls hĂ€tte sowas wie Idioglossia (denkt mal an Lisa Gerrard oder SĂ­gur Ros), oder auch Rachmaninovs Vocalise, keinen Effekt. Und das man nicht ĂŒberzeugend in Musik ist, zu der man keinen Zugang hat, ist auch klar.


Die tiefere Verbindung zur Muttersprache kann man aber nicht wegdiskutieren, wenn alle anderen Faktoren gleich sind. Es geht ja nicht um den Vergleich "Lied, das ich nicht mag, in Muttersprache" und "Lied, das ich mag, in Zweitsprache/Sprache die ich nicht wirklich verstehe".
Klar kann ich ein Lied in GĂ€lisch ĂŒberzeugender bringen, wenn ich musikalisch gesehen emotionalen Zugang habe, als ein Lied in Deutsch, das ich bescheuert oder musikalisch nicht ansprechend finde. Das ist aber kein "level playing field". Man muss da schon Gleiches mit Gleichem vergleichen, und das wird ja im Bereich Sprachforschung, Neurowissenschaften und Psychologie/Psychotherapie/Psycholinguistik auch gemacht. EmotionalitĂ€t in einer Zweitsprache, egal wie gut man sie spricht, ist im Vergleich zur Erstsprache immer reduziert (wird z.B. oft ĂŒber Hautleitwerte und EEGs nachgewiesen).



Die Frage ist also eher: Singe ich das gleiche Lied in meiner Muttersprache und einer Zweitsprache (kommt ja im Bereich Musical hĂ€ufig vor), Ă€ndert sich mein emotionaler Zugang? Und einen Schritt weiter: Wie sieht's auf der EmpfĂ€ngerseite aus? Auch der Zuhörer wird durch eine gute Performance in einer Sprache, die nicht seine Muttersprache ist, berĂŒhrt sein. Ist der Effekt aber prĂ€gnanter, wenn er das gleiche Lied in seiner Muttersprache hört?
Ich denke, das funktioniert im positiven (echte emotionale Verbindung) wie im negativen (schlechte Übersetzung, Kitsch) Sinne, aber ich glaube schon, dass wir eine tiefere Verbindung zur Muttersprache haben - all other things being equal ;)
 
Ganz so einfach ist es nicht :).
GrundsĂ€tzlich stimme ich mit dir völlig ĂŒberein, aber ich wĂŒrde auf jeden Fall noch einen Faktor dazunehmen: die PrĂ€gung. NatĂŒrlich hat man zur Muttersprache einen tieferen Bezug als zu jeder spĂ€ter erlernten Sprache. Wie ist das aber, wenn man immer nur englische Musik gehört hat? FĂŒr mich z.B. ist Deutsch die Muttersprache, dennoch ist mir in der Musik eigentlich fast nur das Englische begegnet, das war damals einfach so. Somit wurde ich entsprechend geprĂ€gt und wĂŒrde behaupten, daß ich einen Unterschied mache zwischen gesprochenen und gesungenen Worten. Deutscher Gesang klingt fĂŒr mich einfach ein bißchen seltsam, komisch, ungewohnt, schrĂ€g. Das gilt interessanterweise nicht fĂŒr Rap-Gesang - dort paßt deutsch hervorragend wie ich finde, vor allem durch den harten, perkussiven Charakter und die vielen Konsonanten, aus denen man coole rhythmische Spielereien herausholen kann. Schade nur, daß unsere Rapper grĂ¶ĂŸtenteils ziemliche Dumpfbacken zu sein scheinen, da ließe sich einiges mehr rausholen - aber vielleicht kenn ich die wirklich guten nur nicht...

Denselben Effekt bemerke ich auch bei Filmen. Seit EinfĂŒhrung der DVD kucke ich Filme grundsĂ€tzlich in der Ausgangssprache (selbst wenn ich kein Wort verstehe, neulich z.B. Mandarin :p) und das hat mittlerweile dazu gefĂŒhrt, daß ich nichts synchronisiertes mehr anschauen kann, ohne Übelkeit zu verspĂŒren. Die PrĂ€gung ist also unbedingt ein Argument, da unser Hirn auf jeden Fall in der Lage ist, reine Sprechkommunikation von Musik zu unterscheiden.
 
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