wer singt noch deutsche Volkslieder?

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also, ich hab sie als Kind ja rauf und runter gesungen. Zum Glück hatte ich eine Vorschulbetreuerin, die kannte sie alle vorwärts und rückwärts. Auch in der Grundschule haben wir Volkslieder gesungen. Heute scheint mir, daß das ausstirbt.

Wie kann man diesen Schatz wieder heben, ohne geich als "ewig gestrig" oder noch schlimmer - in Deutschland beliebt - als "Nazi" verdächtigt zu werden? Und auch ohne sich mit pseudo-Jugendsprache und technoverwursteter Begleitung anzubiedern?

Ich schreibe gerade ein ganzes Heft mit zweistimmigen Volksliedsätzen - und zwar melodisch anspruchsvoll. Weit ab von Heumann und Konsorten. Sie eignen sich für zwei Melodieinstumente oder Klavier. Wie würdet Ihr die unter die Leute bringen, ohne sie zu erschrecken? Viele denken ja bei "Volkslied" nicht an gute Musik, sondern an das Volksmutantenstadl...
 
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Also, ich singe sie!

Allerdings bin ich frei vom erwähnten historischen Ballast, da ich Migrant bin. ;) Und zwar aus Irland, wo ich in den 1960ern - der Zeit von Luke Kelly, Tommy Makem und den Dubliners - meine heimischen Volkslieder zum 5-string-banjo sang. Während eines Studienjahres im Rheinland (1968!) kaufte ich mir eine Wandervogellaute und ein kleines Buch mit deutschen Volksliedern (Texte, Melodien und Akkordsymbole) und ließ mich kurz von einem älteren deutschen Nachbarn in seine Gitarrenspieltechnik einweisen.
Nach Irland zurückgekehrt würzte ich meine Auftritte fortan mit deutschen Liedern, die beim Publikum stets sehr gut ankamen.
Jetzt lebe ich seit vielen Jahren wieder in Deutschland und bin quasi dazu verdammt, immer nur irische Lieder zu singen. Das änderte sich allerdings, als ich meiner Schwiegermutter im Altenheim auf meiner neu erworbenen Waldzither vorspielte. Als ich eins der altbekannten Volkslieder anspielte, fingen die herumsitzenden alten Damen an, zu singen. Ich kramte alle meine 60er-Jahre deutsche Lieder aus - Auf zum fröhlichen Jagen, Muss i denn, Horch, was kommt von draußen 'rein, usw. - und wir hatten viel Spaß - und einen frappierenden therapeutischen Erfolg! Jetzt darf ich ohne Waldzither nicht erst im Altersheim erscheinen ...:great:
Ich singe sogar ab und zu bei unserer offenen Bühne ein deutsches Volkslied - und werde nicht ausgebuht oder sonst angefeindet.

Aber jeztz kommt das Kuriose: Als ich eine mit-sing-CD mit diesen Liedern für meine "Freundinnen" in Altersheim im Medienladen suchte , fand ich zunächst nichts. Heino, ja, Volkstümliches, ja; Volkslieder, nein! Ich fragte einen Verkäufer nach Volkslied CDs. "So wie Hoch auf dem gelben Wagen?" fragte er. "Ja!" sagte ich. "Abteilung Klassik!" sagte er. Und da waren sie auch. Allerdings allesamt "zu Tode arrangiert", von Tenören und Sängerknaben geträllert, jede Strophe mit einer anderen Kombination aus Orchesterinstrumenten besetzt. Weit und breit keine natürliche, markante oder hübsche Stimme mit Klampfe, bei der "wir, das Volk" hätten mitsingen können!

Es scheint mir, dass das deutsche Volkslied ins Museum versetzt worden ist. Das traditionelle Material dient nur noch als Quelle für soft-klassik-Arrangeure und nicht mehr als Stoff für die Unterhaltung von Freunden durch Freunde.
Das finde ich schade, aber andererseits hoffnungsvoll. Denn auch das traditionelle irische Lied musste von der Straße in den Salon geholt und "anständig" für Tenor und Klavier arrangiert werden, um es für meine Generation mit ihrem "erdigeren" Ansatz zu erhalten.

Also warte ich nicht darauf, sondern singe und spiele die alten deutschen Lieder mit den einfachen Mitteln des Wandervogels. Mir gefallen sie so - anderen anscheinend auch!

Cheers,
Jed
 
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Ich hab natürlich in meiner Kindheit viel alte Volkslieder gehört und gelernt, sei es durch die Voksschule (wie sie damals noch hieß) oder durch meine Eltern und Großeltern.

Für mich wiederentdeckt habe ich sie, nachdem ich mit der Gitarre angefangen hatte und durch Freunde Zupfgeigenhansl, Hein und Oss etc. kennenlernte.
Ich liebe diese Lieder immer noch und spiele und höre sie auch heute noch gerne.

Wobei ich immer versuche, deutlich zwischen "Volksmusik = Musik des Volks" und "volkstümlicher Musik = Musik für das Volk" zu unterscheiden!
 
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Wobei ich immer versuche, deutlich zwischen "Volksmusik = Musik des Volks" und "volkstümlicher Musik = Musik für das Volk" zu unterscheiden!

Volle Zustimmung! :great:

Mein damaliger Gitarrenlehrer ging dadrauf tierisch ab. Kenne mich daher auf dem Gebiet relativ gut aus. Singen tuh ich so etwas allerdings nicht.

(War nicht ganz leicht, wenn man als 15/16 jähriger mit nem Irokesen & Co. solche Lieder spielen musste und er selbstverständlich frei raus dazu gesungen hat :rofl: ) Der Irokese ist lange weg; die Lieder ebenso...
 
ach, den Beitrag von Jed finde ich ja sehr erfrischend. Wo ist denn das Altenheim? Es soll so ein Projekt geben, da gehen sie mit Kindern ins Altenheim und singen gemeinsam Lieder.

Ansonsten kann ich eigentlich nur zustimmen. Das Deutsche Volkslied hat eine unterbrochene Tradition und verstaubt deshalb im Museum. Daß das in Irland auch so war, erstaunt mich. Ich dachte, daß diese Musik gerade deshalb so beliebt und lebendig ist, weil die Tradition durchgehend ist und immer junge Leute nachwachsen, die die Musik stetig etwas erneuern.
 
ach, den Beitrag von Jed finde ich ja sehr erfrischend. Wo ist denn das Altenheim?

Ich dachte, daß diese (die irische) Musik gerade deshalb so beliebt und lebendig ist, weil die Tradition durchgehend ist und immer junge Leute nachwachsen, die die Musik stetig etwas erneuern.

Erstens: das Altersheim könnte überall sein! Man muss nur den Zugang finden, z.B. indem ein Verwandter dort "einsitzt". Andererseits ist die Leitung des nächstgelegenen Heims bestimmt aufgeschlossen, wenn du deine Dienste anbietest. Wichtig scheint mir, die alten Leute zum gemeinsamen Singen zu animieren. Im Fall meiner Schwiegermutter und Genossinnen war das Singen das erste, was sie gemeinsam machten, und das Erlebnis stellte persönliche Verbindungen her und holte sie aus der gemeinsamen Einsamkeit. Darum singe ich ihnen nicht vor, sondern stimme Lieder an, begleite sie auf der Waldzither und singe leise mit, um ihnen über evtl. unklaren Textpassagen hinwegzuhelfen.

Zweitens: die irische Tradition ist durchgängig! Es ist nur so, das das tradierte Material, welches lediglich aus Texten und Melodien besteht, stets mit den musikalischen Mitteln jeder Epoche und jeder sozialen Gruppe realisiert wurde. Als die ländliche Bevölkerung das Lied noch als gesungene Erzählung ohne Begleitinstrumente kannte, hatte die Bourgeoisie schon das Klavier und den Gesangsunterricht und betrachtete das Volkslied als "nationales Kunstlied". Später kamen die 1960er Jahre, die Gitarre schwappte von den USA über den Atlantik, und schon war das Volkslied ein "folk-song" a la Joan Baez oder Pete Seeger.
Der Ire an sich, ob alt, jung, bäuerlich, bürgerlich oder proletarisch, ist Ire und stolz darauf, und die Texte und eingängige Melodien der alten Lieder zelebrieren diese gemeinsame Identität. Dass jede Generation den Geschmack der Vorgeneration ablehnt und es "besser" machen will, tut keinen Abbruch. Wir können immer Text und Melodie aus den "komischen" Arrangements unserer Eltern herausdestillieren und mit zeitgemäßen Mitteln wiederverwenden.

Bei "Volkslied" steckt "Volk" drin, und die Beliebtheit des Volksliedes hängt sehr mit dem Nationalgefühl zusammen.

Cheers,
Jed
 
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Erstens: das Altersheim könnte überall sein! Man muss nur den Zugang finden, z.B. indem ein Verwandter dort "einsitzt". Andererseits ist die Leitung des nächstgelegenen Heims bestimmt aufgeschlossen, wenn du deine Dienste anbietest.
Also, meine Ausgangsfrage ging ja eher dahin, wie man diese Musik weitertragen kann. Nix gegen Alte, aber die (gerade im Heim) tragen die Musik nicht mehr weiter, sondern nehmen sie mit ins Grab. Und gerade dieses Weitergeben ist den Iren ja gut gelungen. Da nehmen alle Teil - Alt und Jung. Hier stößt man bei den Jungen auf Ablehnung und Vorurteile.
 
Also, meine Ausgangsfrage ging ja eher dahin, wie man diese Musik weitertragen kann. Nix gegen Alte, aber die (gerade im Heim) tragen die Musik nicht mehr weiter, sondern nehmen sie mit ins Grab. Und gerade dieses Weitergeben ist den Iren ja gut gelungen. Da nehmen alle Teil - Alt und Jung. Hier stößt man bei den Jungen auf Ablehnung und Vorurteile.

Analyseberater,
ich muss klar stellen, dass ich den Alten im Heim keine Lieder beibringe! Eher der Gegenteil ist der Fall.
Es ist aber nicht so, dass die Alten Texte oder Textvarianten kennen, die ich nicht in meinem umfangreichen Liederbuchsammlung fände. Der Mehrwert für mich ist, dass ich einen Einblick in das tradierte Repertoire bekomme. Von den hunderten gesammelten und gedruckten Volkslieder sind manche (auch unter alten Menschen) kaum bekannt; andere sind weiter verbreitet; und noch andere kennt praktisch jeder über-80er. Wenn ich die Volkslieder weiterreichen will, ist es für mich wichtig zu wissen, welche Lieder das "Volk" besonders angenommen und gepflegt hat. Denn das sind die Lieder, die die Gedanken, Empfindungen und Haltungen unserer Vorfahren wiederspiegeln.

Cheers,
Jed
 
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@Jed Analyseberater wird hier nicht mehr antworten ... er hat sich aus dem Board zurückgezogen ... :)
 
Hallo,

ich bin seit vielen Jahren in der Volkstanz- und Trachtenszene (nein, nicht in Bayern ;)) zu Hause, und dort wird das Singen von deutschen Volksliedern nach wie vor gepflegt - sei es locker in geselliger Runde oder bei speziellen Trachtenchören, gerne auch in der regionalen Mundart.
 
Ich wurde in den 80ern durch die ostdeutsche Folkszene um Gruppen wie Wacholder, Folkländer, Landluper usw. "angefixt", bin dann auch auf Zupfgeigenhansel, Hannes Wader oder Liederjan gestoßen. Die singen ja viele der unbekannteren Volkslieder. Aber diese "Welle" ist wohl spätestens in den 90ern verebbt, befürchte ich.
Allerdings habe ich mir daraus ein gewisses Repertoire v.a. aus frechen Liebes-, Gesellen- oder auch Saufliedern angeeignet, damit kann man durchaus mal am Lagerfeuer oder als Straßenmusiker punkten.
Das schönste Erlebnis seit Langem hatte ich zu einem Stadtfest, als ich auf der Burgruine beim Mittelaltermarkt ein paar solcher Lieder zur Wandervogellaute vortrug, völlig unverstärkt. Es blieben wirklich viele Leute stehen, um zuzuhören. Ein paar junge Leute setzten sich hin und waren richtig traurig, als ich irgendwann eine längere Pause machen wollte - weil die Beschallung durch die anderen Bühnen in der Stadt zu laut wurde.

Ich denke schon, dass es auch Jüngere gibt, denen das gefällt. Wahrscheinlich wird die Zielgruppe wohl wie in den 70ern bzw. 80ern wohl ein Gemisch aus Studenten, Ökos, Aussteigern, Pfadfindern, Laienmusikern usw. sein. Sicher spricht das eine oder andere Lied auch eher irgendwelche Rechte oder Rechtskonservative an, die ja scheinbar stark im Kommen sind in diesem Land... aber für die will ich eigentlich eher nicht spielen...
 
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Falls es noch einer nicht kennt, es gab vor wenigen Jahren eine wunderschöne Reihe von der Zeit zum Thema Volkslieder: http://www.zeit.de/themen/kultur/volkslieder/index

So bin ich wieder an die Volksmusik gekommen. Ich kannte einige Lieder noch aus meiner Kindheit, hab aber die längste Zeit bei "Volksmusik" an den Musikantenstadl gedacht. Wie die meisten jungen Leute halt...

Als ich "Ähnchen von Tharau", "Loreley" und "O Täler weit o Höhen" aus der Zeit Reihe gespielt habe habe ich erst begriffen wie schön und wertvoll diese Lieder teilweise sind...
Man kann an ihnen wirklich alle musikalischen Grundlagen lernen. Vom Notenlesen und Gehörbildung bis zu harmonischer Analyse und Improvisation. :)
 
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Wie kann man diesen Schatz wieder heben, ohne geich als "ewig gestrig" oder noch schlimmer - in Deutschland beliebt - als "Nazi" verdächtigt zu werden? Und auch ohne sich mit pseudo-Jugendsprache und technoverwursteter Begleitung anzubiedern?

Ich schreibe gerade ein ganzes Heft mit zweistimmigen Volksliedsätzen - und zwar melodisch anspruchsvoll. Weit ab von Heumann und Konsorten. Sie eignen sich für zwei Melodieinstumente oder Klavier. Wie würdet Ihr die unter die Leute bringen, ohne sie zu erschrecken? Viele denken ja bei "Volkslied" nicht an gute Musik, sondern an das Volksmutantenstadl...

Gibt ja nun schon ein paar Bands, die das recht erfrischend rüberbringen. Z.B. "Bube Dame König":



Oder "Hüsch":



...und damit das weiterführen, was Liederjan und Zupfgeigenhansel in den 70ern begonnen hatten.

Glaube dass es mit dieser typischen Folk-Spielweise heute besser funktioniert als mit Rock/Pop-Arrangements, wie z.B. Achim Reichel oder Dieter Falk es probierten - bei denen wirkte es etwas künstlich. Auch tremoliernde Klassik-Interpreten treffen nicht so recht die Seele dessen, was über Jahrhunderte in der häuslichen Stube erklang - obschon ich z.B. die Aufnahmen von Peter Schreier zur Gitarre sehr schön finde.

Durch den Schrott den die uns heute im Fernsehen als Volksmusik verkaufen wollen, ist wahrlich der Begriff Volkslied zu einem Synonym für schönfärbende, schunkelnde Bierseeligkeit verkommen - das ist wirklich schade. Besser aufgenommen wird das was heute oft als "Volxmusik" bezeichnet wird, und mitunter jazzig bis punkig klingt.

Durch die jüngere deutsche Vergangenheit wird das Volkslied hiesig oft als verstaubt und antiquiert empfunden, und wenn man mal in den typischen Liederbüchern der Zeit von 1800 -1945 herumblättert, begegnet einem ja auch meist massig Deutschtümelndes bis Kriegsverherrlichendes. Das war eben "Mode" und ergab sich aus der Situation der Zersplitterung in Königreiche und Fürstentümer wie Preußen, Bayern... Es herrschte ein Bedürfnis nach "Einigkeit und Recht und Freiheit" - so ist dann der alte Text den Hoffmann von Fallersleben 1841 verfasste auch zeitgenössisch gar nicht mal so nationalistisch als "Deutschland über alles" im Sinne von "über anderen Staaten", sondern viel mehr so zu verstehen, dass die "(Ver)Einigkeit" der Deutschen an erster Stelle steht.

Durch den Nachgeschmack der Nazi-Herrschaft und deren Verbrechen kam man dann verständlicher Weise davon weg. Leider färbte das auch auf die Lieder ab, die gar nichts mit diesem ganzen Irrsinn zu tun hatten, und Heimatverbundenheit wird seither oft mit Nationalismus gleichgesetzt.

In anderen Ländern wäre das kaum vorstellbar. Als Liederjan einst im Vorprogramm von den Dubliners noch Irish Folk spielten, wurden sie von ihnen anschließend gefragt: "Warum spielt Ihr eigentlich unsere Volkslieder, habt Ihr keine eigenen?" ...erst dann begannen sie hier alte Schätze zu heben, und fanden dabei einiges was in den offiziellen Liederbüchern früherer Zeiten nicht zu finden war: Systemkritisches und Pazifistisches Liedgut.
 
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Gibt ja nun schon ein paar Bands, die das recht erfrischend rüberbringen. Z.B. "Bube Dame König":
Oder "Hüsch":
...und damit das weiterführen, was Liederjan und Zupfgeigenhansel in den 70ern begonnen hatten.

Glaube dass es mit dieser typischen Folk-Spielweise heute besser funktioniert als mit Rock/Pop-Arrangements ... auch tremoliernde Klassik-Interpreten treffen nicht so recht die Seele dessen, was über Jahrhunderte in der häuslichen Stube erklang ...

Das sehe ich auch so. Schließlich ist ein Volksliedtext kein Pop-Balladentext und auch kein Kunstliedtext, und die musikalische Umsetzung sollte m.E. dem Charakter des Textes entsprechen.

Andererseits sehe ich es als eine Art Hommage an das Volkslied an, dass Rock- und klassische Musiker dessen Material - Texte und Melodien - in ihren jeweiligen Musikrichtungen verarbeiten.
Für mich bleibt das Volkslied jedoch eine Kleinkunstform, die mit einfachsten Mitteln unter Freunden gepflegt wird. Für deutsche Volkslieder reicht eine "Klampfe" (Gitarre oder Waldzither) als Begleitung vollkommen aus, und wo keine Mehrzweckhalle im Spiel ist, braucht es keine elektronische Verstärkung. Diese Vorstellung mag etwas romantisch sein, ist aber nicht ganz aus der Welt. Ich trete regelmäßig in ein paar Locations auf, wo die vllt. 20-30 Zuhörer locker ohne Anlage meine Stimme und Instrument hören können.
Wenn ich in die harte Realität einer lauten Kneipe oder eines großen Saales zurückkomme, habe ich kein Problem damit, mich hinter ein Mikrofon zu stellen und sogar ein Instrument mit Tonabnehmer zu verwenden!

Nairolfix schrieb:
In anderen Ländern wäre das kaum vorstellbar. Als Liederjan einst im Vorprogramm von den Dubliners noch Irish Folk spielten, wurden sie von ihnen anschließend gefragt: "Warum spielt Ihr eigentlich unsere Volkslieder, habt Ihr keine eigenen?" ...erst dann begannen sie hier alte Schätze zu heben, und fanden dabei einiges was in den offiziellen Liederbüchern früherer Zeiten nicht zu finden war: Systemkritisches und Pazifistisches Liedgut.

Absolut! Während eines Bootsurlaub in England geriet ich mit meiner deutschen Crew in eine Session in einem Canal-Pub. Als ruchbar wurde, dass wir aus Deutschland kamen, wurde wir sofort gebeten, deutsche Lieder zu singen. Namentlich wurde "Die Lorelei" gewünscht!

Klar, ein bißchen Recherche fördert auch im deutschen Liedgut Skurriles, Politisches und Gesellschaftskritisches zutage. Zur Zeit als das, was wir Volkslieder nennen, entstanden, hatten einfache Menschen in ganz Europa die gleichen Ideale, Wünsche und Erfahrungen. Die Lieder stellen eine sinnvolle Ergänzung zum Geschichtsbuch dar.
Ein interessanter Musiker in diesem Sinne ist Uli Otto (http://uliotto.de/)

Cheers,
Jed
 
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Ich wurde in den 80ern durch die ostdeutsche Folkszene um Gruppen wie Wacholder, Folkländer, Landluper usw. "angefixt", bin dann auch auf Zupfgeigenhansel, Hannes Wader oder Liederjan gestoßen.

In einer dieser Gruppen habe ich 11 Jahre musiziert, bis 1993.
Und genau diese Diskussion wurde damals schon geführt. Volkstümelnde Musik und Volksmusik waren ein großer Unterschied, schon damals.
Wir haben uns eigentlich dagegen gewehrt, den Begriff Folklore zu eng auszulegen. Unter anderem stand auch später ein Syntheziser auf der Bühne.
Mein persönlicher Standpunkt war, dass eigentlich alles Folklore ist, was im Volk gehört und für gut befunden wurde, bis hin zu den Beatles und den Stones.

Die historischen Texte hatten zuweilen einen erschreckend aktuellen Bezug. Das sehe ich als Zeichen dafür, dass uns bestimmte Probleme durch die Jahrhunderte begleiten.
Allerdings hatten wir mit diesen historischen Texten ein wunderbares "historisches Alibi". So konnten wir Aussagen treffen, für die jeder Liedermacher gewaltigen Ärger bekommen hätte.
Z. Bsp.: Wenn wir Mitte der 80ger, als in meiner Familie und meinem Freundes-und Bekanntenkreis ein Großteil Ausreiseanträge hatten oder schon weg war
http://de.wikipedia.org/wiki/Ein_stolzes_Schiff spielten, war ja wohl jedem klar, was damit gemeint war.
...und reine Folklore oder Folk war es bei uns auch nicht immer.
Da könnte ich aber noch zig andere Beispiele nennen.
Wenn wir nur einen Text fanden, der geeignet erschien, aber keine Musik dazu, wurde dieser Text von uns vertont.

Wir hätten jedes Jahr ein bis zwei Schallplatten veröffentlichen können, hätte das Monopol darauf nicht in staatlicher Hand gelegen. So haben wir es gerade mal auf 2 LPs bis zur Wende gebracht.
Die zweite LP ist leider in den Wirren der Wende "untergegangen".
 
Zuletzt bearbeitet:
sehr zu empfehlen finde ich hier den film "sound of heimat", aus dem weiter oben schon ein ausschnitt zu sehen ist.

hervorhebenswert ist daras für mich das "kellerkommando":
 
.. kann auch noch viele alte
* Volks -
* Fahrten -
* Heimat - Lieder
singen,
lehre Sie auch meinen Kindern ja Jahrhunderte da altes Kulturgut, ...
 
Bei "Volkslied" steckt "Volk" drin, und die Beliebtheit des Volksliedes hängt sehr mit dem Nationalgefühl zusammen.

Cheers,
Jed
Ja, da seid ihr Iren gut dran, ihr wurdet seit Jahrhunderten unterdrückt. Euere Volksmusik hat die Welt nicht mit Soldatenstiefeln erobert. Sie wurde nie von "kurzbehosten todgeklampft" (damit ist die Hitlerjugend gemeint.)
 
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Ja, da seid ihr Iren gut dran, ihr wurdet seit Jahrhunderten unterdrückt. Euere Volksmusik hat die Welt nicht mit Soldatenstiefeln erobert. Sie wurde nie von "kurzbehosten todgeklampft" (damit ist die Hitlerjugend gemeint.)

Wobei die Hitlerjugend eher nicht die alten Volkslieder sang, sondern vorwiegend Propagandalieder im strammen Marschtakt. Die ebenso kurzbehosten Wandervögel der 1910er bis '30er Jahre stimmten hingegen gerne Volkslieder zu Klampfe und Zupfgeige an. Sie wurden allerdings von den Nazis als "links" eingestuft und kurzerhand verboten.

Das Volkslied als Ausdruck von Nationalgefühl finde ich hingegen nicht so repräsentativ - es ist doch eher eine Art "Heimatverbundenheit" die da zum Ausdrucke kommt. Mehr die Menschen, Städte, Dörfer, Felder und Wälder als das Strammstehen, Salutieren und Fahnenschwenken.
 

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