Hallo zusammen,
nachdem in mehreren Antworten die Tendenz erkennbar wird, die unterschiedlichen Charakeristika der Tonarten ins Reich der Esoterik oder Mystik zu schicken, andere den Effekt wiederum wahrnehmen, aber nicht erklären können, hier die wissenschaftliche Erklärung, warum die Andersartigkeit der Tonarten sehr wohl vorhanden und schon sehr lange bekannt ist (Komponisten wählen auch bestimmte Tonarten, um einen bestimmten Eindruck/Effekt zu erzielen) und warum die heute gebräuchliche "wohltemperierte" Stimmung keinesfalls durchgehend gleichschwebend ist.
Die Ursache ist ein physikalisches Phänomen, das sich "pythagoreisches Komma" nennt. Dieses Phänomen tritt zu Tage, wenn man in Quintsprüngen aufwärts geht und alle Quinten sukzessiv rein und schwebungslos zueinander stimmt. Wenn man am Ende oben angekommen ist, wird man feststellen, dass z.B. das oberste C höher klingt, als das unterste. Zwölf reine Quinten (2:3) ergeben 8423,46
Cent, sieben Oktaven dagegen nur 8400 Cent.
Ein Instrument (wie die modernen Tasteninstrumente), das pro Oktave zwölf verschiedene Töne erzeugen kann, lässt sich nicht so stimmen, dass es in allen Tonarten mit absolut
reinen Intervallen gespielt werden kann. Einerseits gibt es verschieden große
Ganztöne, die sich um ein
syntonisches Komma unterscheiden, andererseits unterscheiden sich zwölf Quinten von sieben Oktaven um das pythagoreische Komma. In der Praxis wird versucht, beim Stimmen von Tasteninstrumenten das
syntonische und das
pythagoreische Komma möglichst sinnvoll auf alle Töne zu verteilen. Nach verschiedenen Theorien ergeben sich dann die verschiedenen musikalischen
Stimmungen. Es gab auch Versuche mit Tasteninstrumenten, deren Oktave mehr als zwölf Töne umfasst (z. B.
geteilte schwarze Tasten). Damit sich in
gleichstufig-temperierter Stimmung die
Quintenspirale nach sieben Oktaven zum
Quintenzirkel schließt, muss das
pythagoreische Komma beim Stimmen auf die zwölf Quinten verteilt werden. Damit wird die reine Quinte von 701,9550 Cent nur geringfügig um 1,9550 Cent auf 700 Cent verkleinert. Und dieser Effekt ist hörbar. Die um nur 2 Cent verstimmten Quinten hört man durch ihre Schwebungen etwas „gefärbt“, die immerhin um 14 Cent erhöhte große Terz wird als „geschärft“ notgedrungen in Kauf genommen.
Das ist der Grund, warum der Startpunkt einer Tonart/Tonleiter ganz entscheidend deren Klangeindruck bestimmt: die "scharf" und "gemindert" gestimmten Intervalle liegen an unterschiedlichen Stellen je nach Tonart/Tonleiter, so dass der Eindruck teilweise drastisch unterschiedlich ist. Vergleicht z.B. auf einem Klavier C-Dur mit H-Dur. C-Dur klingt scharf und unruhig, H-Dur dagegen sehr weich und wohltönend.
Übrigens bin ich zu diesem Thema gekommen, weil ich mein Cembalo selber stimme. Neben der üblichen gleichschwebenden Stimmung (die nicht gleichschwebend ist!) habe ich fünf weitere Stimmungen ausprobiert, die jedoch bestimmte Tonarten gar nicht erlauben. Mein Cembalo ist seit mehr als 10 Jahren dauerhaft nach "Kirnberger III"-Methode gestimmt. Einige Rand-Tonlagen sind fast nicht verwendbar (dissonante Intervalle), dafür klingen die "gängigen" Tonarten viel schöner als in der (vermeintlich) gleichschwebenden Stimmung.
Viele Grüße,
Tobias