Stück in anderer Tonart gespielt - ändert das den Charakter?

  • Ersteller LeoDiLemma
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Meine Lieblingstonarten bewegen sich eindeutig im b-Bereich, auch wenn ich auch alle anderen spiele. aber ich spiele lieber 5b als 3#

Geht mir auch so, und das liegt sicher nicht nur an meinem "Blaskapellen-Hintergrund" ;). Z. B. Es- und As-Dur klingen für mich wärmer als E- und A-Dur.
 
Sollten wir aus dieser Frage einen separaten Faden machen? Das wäre vielleicht interessant.

Wenn man das einen Musiker fragt, ernte ich meist erstmal einen erstaunten Gesichtsausderuck, was die Frage denn überhaupt soll.
Und nach einigem hin und herüberlegen kommt dann meist die entscheidung für b # oder keine Präferenz.
Das könnte man auch in Form einer Abstimmung machen:

Man bräuchte 6 Auswahlfelder:
Ich bin Frau-# Frau-b Frau-nix
ich bin Mann-# Mann-b Mann-nix
 
Geht mir auch so, und das liegt sicher nicht nur an meinem "Blaskapellen-Hintergrund" ;). Z. B. Es- und As-Dur klingen für mich wärmer als E- und A-Dur.
Auch wärmer als Dis-Dur oder Gis-Dur?
 
Würde ein Stück auf derselben Tonhöhe gespielt anders klingen - wenn es mal Kreuz-, mal B-Tonart ist?


Da das durch die enharmonische Verwechslung auf dem Akkordeon die gleichen Tonleitern sind wie Es- und As-Dur, spielt das wohl keine Rolle :nix:.


Haha. das ist wirklich eine clevere Frage.
Also klanglich unterscheidet sich das nicht. Wenn allerdings ein Stück in As steht und es sich tendenziell eher nach oben im Quintenzirkel bewegt (As Es Bb F C) und nur einmal kurz nach unten (Db) dann höre ich es ohne die Noten zu sehen als As.
Wenn es eher nach unten geht, indentifiziere ich Gis. Aber diese Kreuzung gibt es recht selten. Sobald mir das bewußt wird, fühlt es sich anders an, obwohl es sich zB. um die gleiche Aufnahme handelt.
Das macht mich jetzt etwas stutzig. In dem Falle wirken wahrscheinlich Notenleseerfahrungen mit, bzw entscheidet sich das Harmonieverständnis automatisch für die einfacherer und naheliegendere Tonart - also die in der es bequemer ist zu denken.

Übrigens dauert es bei mir auch manchmal Schaltjahre, bis ich das doppelte Vorhandensein bestimmter Bassknöpfe realisiere. Momentan war es ein Vivaldi in As - wie übich mit viel Bellowshake.
Nach Tagen erst kam ich darauf, dass Es auch ein G# im Bass gibt. Schnell durchgecheckt, ob alle Verbindungen auch oben klappen. und bis auf eine Ausnahme geht es.
Dadurch spielt sich das ganze Stück viel leichter, weil man oben mehr Gewalt hat.
Aber einfach so greift man selbstverständlich nach Ab wenn man Ab sieht und es braucht Überwindung, alles in G# zu greifen, weil ich nach wie vor in Ab höre und auch in Ab denke.

Dass mehr Bb Vorzeichen die Sattheit erhöhen würde ich bestätigen. Wärme ist aber glaube ich nicht das richtige Wort dafür.
F# moll und G# moll klingt auch wieder sehr warm und innig.

@morigol ... Du meinst wahrscheinlich Synästhesie.

Farbe war für mich aber nur ein Beispiel zur Veranschaulichung. Es ist eben nicht an eine bestimmte Frequenz gekoppelt, sondern an eine Klangfärbung.
Wenn man eine Oboe hört, weiß man es ist eine Oboe. Es liegt an der Klangfarbe.
Wenn die Violine, Viola, Cello und Bass ein C1 spielen, hört man trotzdem aufgrund der Obertöne heraus, was es ist. Wir glauben ja sogar, Firmen der Akkordeons heraushören zu können.
Das halte ich für eine größere Expertise als die Tonhöhe anhand der Klangfarbe zu erkennen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe mal gelesen dass Frauen eher zu Kreuztonarten, Männer eher zu b-Tonarten tendieren. ich habe dazu mal einige MusikerInnen befragt und das zwar nicht einstimmig, aber doch deutlich bestätigt bekommen.
Dann gehöre ich zu den Ausnahme-Musikerinnen :D - ich bevorzuge eindeutig b-Tonarten

Es- und As-Dur klingen für mich wärmer als E- und A-Dur.
genauso formuliere ich es auch: b-Tonarten klingen wärmer.

F# moll und G# moll klingt auch wieder sehr warm und innig.
jetzt hast Du mich erwischt: ich spiele ein Stück (ok, gemeinsam mit @chnöpfleri), das von Ges-Dur nach fis-Moll und zurück wechselt. Und der fis-Moll-Teil klingt für mich jetzt weder kälter noch härter als der Ges-Dur-Teil (ob der Dur-Moll-Wechsel da mit reinspielt, mag ich nicht beurteilen). Und das nicht nur bei unserem gleichstufigen Akkordeon, sondern auch auf der Geige (fis-Moll von ca. 1:47 - 2:33):
 
Ich empfinde verschiedene Tonarten unterschiedlich.
Eine interessante Diskussion habt ihr da in der Urlaubszeit angefangen. Mir geht es genauso. Ich empfinde Tonarten als unterschiedlich. Manchmal ziehe ich ziemlich alte Noten aus meinem Ordner. Dann denke ich: Ganz nett, passte damals, war spieltechnisch machbar, aber falsche Tonart. Ich setze die Tonart um und bin dann zufrieden. Insofern kann ich euch nur zustimmen. Tonarten klingen anders.

Freilich frage ich mich, was das genau für ein Phänomen ist. Ist das universell so? Oder handelt es sich um eine zeitgebundene Erfahrung, die man etwa ab dem 19./20. Jahrhundert machen kann? Soweit ich weiß, klang das Kammerton-A früher um einiges tiefer. Würde man manche alten Klaviere oder Cembalos an der 440 Hz-Marke orientieren, gingen sie kaputt. Die Rahmen hielten schlichtweg die Spannung der Saiten nicht aus. Dasselbe passierte mit manchen berühmten alten italienischen Geigen, wenn man sie nicht mechanisch aufgerüstet hätte. Also ist das Tonart-Empfinden zeitgebunden? Hat Johann Sebastian Bach also die Tonart C-Dur, die er zum Beispiel bewusst für den Choral "Vom Himmel hoch" gewählt hat, genauso gehört wie wir? Ich zweifle. Ich glaube zurzeit daran, dass die Empfindung der Charakteristik einer Tonart zeitgebunden ist.

Keine größere Rolle scheint das Thema Tonartwahl übrigens beim Flamenco zu spielen. Der Charakter eines Stückes wird nach Meinung der Flamencisten nicht durch die Tonart, sondern durch Metrik und Rhythmus des gespielten Tanzes bestimmt. Die vorherrschende Tonarten der verschiedenen Flamenco-Stile sind sehr ähnlich. Oft findet man e phrygisch - meist dem Instrument Gitarre geschuldet. Man kann Flamenco-Gitarre ohne Kapodaster nicht in allen möglichen Tonarten spielen. Die Sache mit dem Flamenco erinnert mich an "Das wohltemperierte Gehirn". Das Buch sagt, dass Musik drei Komponenten enthält: Melodie, Harmonie und Rhythmus. Könnte es sein, dass unser Tonartempfinden nicht nur eine zeitlich gebundene Erfahrung, sondern auch eine kulturell gebundene Erfahrung ist, weil ja in unserer westlich-europäischen Kultur Melodie wichtiger als Harmonie und Rhythmik zu sein scheint?
 
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Freilich frage ich mich, was das genau für ein Phänomen ist. Ist das universell so

da zweifle ich immer wieder, ob ich einer akustischen Täuschung ausitze oder obs tatsächlich eine Unterschied macht. Mein Problem ist dass ich den direkten Vergleich so ja eigentlich nicht ziehen kann. Hör ich das Stück direkt hintereinander in verschiedenen Tonarten, dann habe ich ja noch die andere Fassung im Kopf und vergleiche mit der - bin also schon mal nicht mehr neutral.
Höre ich mit weitem Abstand z.B. an verschiedenen Tagen, kann das, was mir tagsüber alles begegent ist, meinen Eindruck beeinflussen - also auch nicht objektiv...

Also letztenendes keine verlässliche Vergleichsmöglichkeit - aber dennoch meine ich (oder bilde es mir zumindest ganz stark ein) dass ich ein Stück in andere Tonart gespielt anders empfinde.


Die Kammertonverschiebung macht sicherlich im Kleinen auch was aus, aber obs wirklch soviel ist, das glaube ich eher weniger. Da muss man wohl wirklich schon weit zurückgehen. Irgendwo hab ich mal gelesen von einer Orgel, deren Kammerton a auf 419 Hz gestimmt war. Das ist tatsächlich schon fast ein Gis (415,3 Hz) Aber die Unterschiede von 435 Hz oder 443 Hz bezogen auf a=440 Hz würde ich noch nicht als soooo weit weg betrachten, dass es einen merklichen Unterschied ausmacht.

Aber da sind wir beim Akkordeon ja sowieso nicht sonderlich exakt - genaugenommen stimmt das Akkordeon ja sowieso nicht, schon alleine wegen der Tondrift bei vielen Stimmzungen über den Lautstärkebereich. Da vermute ich, sind wir normale Akkordeonisten eh nicht sonderlich sensibel - da müsste man eher mal Musiker fragen, die den Ton genauer spielen können - z.B. Geiger.
 
Hallo zusammen,

nachdem in mehreren Antworten die Tendenz erkennbar wird, die unterschiedlichen Charakeristika der Tonarten ins Reich der Esoterik oder Mystik zu schicken, andere den Effekt wiederum wahrnehmen, aber nicht erklären können, hier die wissenschaftliche Erklärung, warum die Andersartigkeit der Tonarten sehr wohl vorhanden und schon sehr lange bekannt ist (Komponisten wählen auch bestimmte Tonarten, um einen bestimmten Eindruck/Effekt zu erzielen) und warum die heute gebräuchliche "wohltemperierte" Stimmung keinesfalls durchgehend gleichschwebend ist.

Die Ursache ist ein physikalisches Phänomen, das sich "pythagoreisches Komma" nennt. Dieses Phänomen tritt zu Tage, wenn man in Quintsprüngen aufwärts geht und alle Quinten sukzessiv rein und schwebungslos zueinander stimmt. Wenn man am Ende oben angekommen ist, wird man feststellen, dass z.B. das oberste C höher klingt, als das unterste. Zwölf reine Quinten (2:3) ergeben 8423,46 Cent, sieben Oktaven dagegen nur 8400 Cent.

Ein Instrument (wie die modernen Tasteninstrumente), das pro Oktave zwölf verschiedene Töne erzeugen kann, lässt sich nicht so stimmen, dass es in allen Tonarten mit absolut reinen Intervallen gespielt werden kann. Einerseits gibt es verschieden große Ganztöne, die sich um ein syntonisches Komma unterscheiden, andererseits unterscheiden sich zwölf Quinten von sieben Oktaven um das pythagoreische Komma. In der Praxis wird versucht, beim Stimmen von Tasteninstrumenten das syntonische und das pythagoreische Komma möglichst sinnvoll auf alle Töne zu verteilen. Nach verschiedenen Theorien ergeben sich dann die verschiedenen musikalischen Stimmungen. Es gab auch Versuche mit Tasteninstrumenten, deren Oktave mehr als zwölf Töne umfasst (z. B. geteilte schwarze Tasten). Damit sich in gleichstufig-temperierter Stimmung die Quintenspirale nach sieben Oktaven zum Quintenzirkel schließt, muss das pythagoreische Komma beim Stimmen auf die zwölf Quinten verteilt werden. Damit wird die reine Quinte von 701,9550 Cent nur geringfügig um 1,9550 Cent auf 700 Cent verkleinert. Und dieser Effekt ist hörbar. Die um nur 2 Cent verstimmten Quinten hört man durch ihre Schwebungen etwas „gefärbt“, die immerhin um 14 Cent erhöhte große Terz wird als „geschärft“ notgedrungen in Kauf genommen.

Das ist der Grund, warum der Startpunkt einer Tonart/Tonleiter ganz entscheidend deren Klangeindruck bestimmt: die "scharf" und "gemindert" gestimmten Intervalle liegen an unterschiedlichen Stellen je nach Tonart/Tonleiter, so dass der Eindruck teilweise drastisch unterschiedlich ist. Vergleicht z.B. auf einem Klavier C-Dur mit H-Dur. C-Dur klingt scharf und unruhig, H-Dur dagegen sehr weich und wohltönend.

Übrigens bin ich zu diesem Thema gekommen, weil ich mein Cembalo selber stimme. Neben der üblichen gleichschwebenden Stimmung (die nicht gleichschwebend ist!) habe ich fünf weitere Stimmungen ausprobiert, die jedoch bestimmte Tonarten gar nicht erlauben. Mein Cembalo ist seit mehr als 10 Jahren dauerhaft nach "Kirnberger III"-Methode gestimmt. Einige Rand-Tonlagen sind fast nicht verwendbar (dissonante Intervalle), dafür klingen die "gängigen" Tonarten viel schöner als in der (vermeintlich) gleichschwebenden Stimmung.

Viele Grüße,
Tobias
 
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Die Kammertonverschiebung macht sicherlich im Kleinen auch was aus, aber obs wirklch soviel ist, das glaube ich eher weniger.

Da liegen Welten dazwischen. Musikwissenschaftler schätzen die historische Schwankungsbreite zwischen einem und anderthalb Tönen ein. Vgl. dazu z.B. den Vortrag von Tremmel, einem Musikinstrumentenkundler. Spitzensatz: "Historische Extremwerte für die absolute Tonhöhe von a1 sind überliefert zwischen 374 Hz (Lille, fr. 18. Jhd.) und 496 Hz (Rendsburg, vermutlich eine Chortonhöhe)." Zum Thema insgesamt http://www.greifenberger-institut.de/dt/vortraege_artikel/Historische-Stimmtonhoehen.pdf

Meine Frau hatte einmal ein Klavier aus dem 19. Jahrhundert. Das Ding musste man einen dreiviertel Ton tiefer stimmen, sonst hätten die Saiten den kompletten Rahmen und damit das ganze Instrument zerstört. 440 Hz waren also bauartbedingt unmöglich. Selbstzerstörung durch Anpassung an die 440Hz passierte vor einigen Jahrzehnten übrigens mit ein paar Stradivaris. Richtig lustig ist es auch, Saiten aus echtem Naturdarm auf Geigen oder Lauten aufzuziehen und sie dann an den 440 Hz zu orientieren. Funktioniert nicht, wenn die Saiten nach traditionellem Verfahren hergestellt wurden.
 
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Das Ding musste man einen dreiviertel Ton tiefer stimmen, sonst hätten die Saiten den kompletten Rahmen und damit das ganze Instrument zerstört.

Die Cembali klingen mit -1 Halbton (415Hz) oder gar mit -1 Ganzton sogar deutlich besser, da der Resonanzboden durch die niedrigere Saitenspannung weniger Anpressdruck erfährt und den Klang anders entfaltet. Mein Instrument habe ich dauerhaft auf 415 Hz gestimmt.
 
Die Kammertonverschiebung macht sicherlich im Kleinen auch was aus, aber obs wirklch soviel ist, das glaube ich eher weniger.

Ich habe in meiner langjährigen Chorgesangszeit Stücke sowohl in "Normalstimmung" (a' = 440) als auch in alter Stimmung (a' = 415) gesungen. Der Unterschied macht doch ½ Ton aus.
Die tiefe Stimmung ist für den Sopran angenehm, Altistinnen hauchen jedoch irgendwo im tiefen Keller umher - Koloraturen in den Lagen vom g bis e' sind in der alten Stimmung noch unangenehmer zu singen als sonst, besonders im Forte.

Die Stücke selbst fallen dann je nach ihrem sonstigen Charakter auch mehr oder weniger glanzvoll aus.

Gruss

chnöpfleri
 
Das pythagoraische Komma ist heute meistens gleichmäßig verteilt. Daran liegt es nicht mehr. trotzdem klingen die tonarten unterschiedlich.
 
Das pythagoraische Komma ist heute meistens gleichmäßig verteilt.

Ich muss Euch widersprechen. Es gibt zwar grundsätzlich diese gleichstufige Stimmung, sie setzt sich aber seit nun mehr gut 150 Jahren nicht auf breiter Basis durch, da sie musikalisch nicht vollends überzeugend ist und gerade die harmonische "Reibung" vermissen lässt, die den Tonarten ihre spezifischen Klangfarben gibt. Speziell das völlige Fehlen einiger reiner Intervalle macht die gleichstufige Stimmung harmonisch flach und farblos.

Aber ja: im gleichstufigen System hat keine Tonart mehr eine spezifische Klangfarbe und es gibt keine Unterschiede mehr zwischen z.B. C-Dur und H-Dur!

Aber gerade die Klangfarben der nach wie vor verbreiteteren ungleichstufigen Stimmungen (wozu auch die gängige "wohltemperierte Stimmung gehört) machen einen großen musikalischen Reiz aus und geben auch den Komponisten andere Möglichkeiten.

Ich kenne aus meinem recht großen musikalischen Bekanntenkreis übrigens kein einziges Tasteninstrument, das gleichstufig gestimmt ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vergleicht z.B. auf einem Klavier C-Dur mit H-Dur. C-Dur klingt scharf und unruhig, H-Dur dagegen sehr weich und wohltönend.

Hallo,

a propos gleichstufige Stimmung: Mir schwirrt jetzt der Kopf nach dem, was ich hier über Musiktheorie gelesen habe. Es geht dabei nicht um die konkrete Realisierung auf dem Akkordeon oder anderen Instrumenten, sondern es geht um die gleichstufige Stimmung als solche.

Ich bin bisher davon ausgegangen, dass die Oktave c'-c'' rein (=schwebungsfrei) ist genauso wie alle anderen Oktaven, also auch die Oktave h-h'. Jede Oktave ist in 12 gleichgroße Halbtöne aufgeteilt zu je 100 Cent. Deshalb sind die Töne der Quint c'-g' genauso 700 Cent verschieden wie die Töne der Quint h-fis'. In der gleichstufigen Stimmung sind alle Quinten demnach unrein (=schwebungsbehaftet), was für Tonhöhen-feste Instrumente wie Akkordeon oder Klavier allgemein akzeptiert ist, nachdem man im 18. und 19. Jahrhundert lange darum gerungen hat. Das pythagoreische Komma hat in der gleichstufigen Stimmung seine Bedeutung verloren, alle Oktaven sind rein, alle Quinten unrein, konstruktionsbedingt schließt sich der Quintenzirkel.

Bei einem gleichstufig gestimmten Instrument ist die der Unreinheit geschuldete Schwebung in der Quint h-fis' geringfügung langsamer als die der Quint c'-g'. Das liegt an der niedrigeren Tonhöhe von h und fis' im Vergleich zu c' und g'. Wenn das zur Schärfe von C-Dur im Vergleich mit H-Dur führt, um wieviel schärfer müsste dann Des-Dur klingen?

Ich zitiere aus einem Standardwerk, Ziegenrücker, Allgemeine Musiklehre, 6. Auflage 2009, S.18: "Seit Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich zunehmend die gleichstufige Temperatur durch. ... Da nun (bei gleichstufiger Stimmung, von mir ergänzt) in allen Tonarten gleiche Intervallverhältnisse herrschen, verliert die Tonartensymbolik an Bedeutung." Das heißt, Tonarten unterscheiden sich nur noch durch ihre Tonhöhe, weitere Unterscheidungsmerkmale gibt es nicht mehr. Gleichstufigkeit bedeutet Tonart-Neutralität.

Wenn also H-Dur anders als C-Dur empfunden wird bei einem gleichstufig gestimmten Instrument, dann kann man das sicher nicht allgemein sagen. Keinesfalls liegt es an der gleichstufigen Stimmung. Ein naheliegender Grund ist, dass die Eigenfrequenzen eines speziellen Instruments auf H-Dur-Anregung anders antworten als auf C-Dur. Ein anderes Instrument reagiert vielleicht auf Es-Dur ganz besonders.

Eine ganz andere Frage ist, welche Art von Stimmung man wählen muss, damit bestimmte Tonarten besonders gut wirken. Der Preis für solches Tun ist aber, dass man die chromatische Eigenschaft seines Instruments aufgibt. Aber wie schon gesagt, mir geht es hier nur um die gleichstufige Stimmung.

Viele Grüße

morino47
 
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Mir schwirrt jetzt der Kopf nach dem, was ich hier über Musiktheorie gelesen habe.
Interessant, interessant. Mir schwirrt der Kopf auch, weil es so viele Aspekte gibt, die eine Rolle zu spielen scheinen und hier diskutiert werden.

Schön wäre es, wenn wir Butter zu den Fischen packen könnten. Soviel ich weiß, kann man ein Roland-Akkordeon wohltemperiert, nach Kirnberger oder auch nach Werckmeister stimmen. Interessant wäre es für mich, ein kurzes Audiobeispiel -vielleicht von einem langsamen Stück aus dem Barock- zu hören - in den oben genannten Stimmungen wie in verschiedenen Tonhöhen. Dann könnten wir uns einen Eindruck verschaffen und über unsere Eindrücke sprechen. Leider habe ich selber kein V-Akkordeon parat, aber vielleicht möchte sich ja jemand die Mühe machen...
 
Schön wäre es, wenn wir Butter zu den Fischen packen könnten. Soviel ich weiß, kann man ein Roland-Akkordeon wohltemperiert, nach Kirnberger oder auch nach Werckmeister stimmen. Interessant wäre es für mich, ein kurzes Audiobeispiel -vielleicht von einem langsamen Stück aus dem Barock- zu hören - in den oben genannten Stimmungen wie in verschiedenen Tonhöhen. Dann könnten wir uns einen Eindruck verschaffen und über unsere Eindrücke sprechen. Leider habe ich selber kein V-Akkordeon parat, aber vielleicht möchte sich ja jemand die Mühe machen...
Die Beispiele der verschiedenen Temperaturen sind eigentlich nicht nötig. Die Unterschiede zwischen verschiedenen Tonarten sind in den verschiedenen nicht gleichstufig verstimmten Stimmungen sehr gut hörbar. Dafür gibt's auch schon Beispiele auf Youtube.

Was die gleichstufige Verstimmung angeht: Damit nicht schon der Spieler des Stücks beim Einspielen von seinen Ansichten über etwaige Tonartencharaktere irregeführt wird, müsste das Stück am besten aus dem Sequenzer kommen und nur die Tonhöhe angepasst werden. (Wenn man das durch einen Synthesizer laufen ließe, könnte man zusätzlich auch noch die verschiedenen Stimmungen simulieren, scheint mir aber überflüssig und eher verwirrend.)
 
Ich glaube, wir sollen diesen Faden entwissenschaftlichen und dafür mehr psycho-akustisieren.

Das Wort Person bedeutet soviel wie "durchklingen" - also sind wir auch hinter einem Vorhang oder im Dunkeln "erkennbar" mit unserer Stimme. Dementsprechend sind unsere Sinne extrem geschult und aufmerksam, was den Klang der menschlichen Stimme betrifft. Tonhöhen und spektrale Zusammensetzungen (und noch viel mehr) stellen uns höchstens dann vor ein Problem, wenn wir es in Worte fassen sollen.

Genau aus diesem Grunde mögen wir es, wenn Stimmungen und Gefühle in Töne verpackt werden. Die absolute Tonhöhe ist dabei von großer Bedeutung (auch abhängig von kulturellen Prägungen).

Viele Melodien klingen nur bei einer bestimmten Tonhöhe so wie es sich die Komponisten gedacht haben. Mein persönliches Gehör ist nicht so gut, dass ich ein Eb/E/F auf dem Akkordeon erkennen könnte - aber ich kann eine Gitarre ziemlich genau (unter 5 cent) ohne Zuhilfenahme von Stimmgerät oder Referenztöne stimmen (habe ich natürlich geübt). Es funktioniert nur bei der Gitarre, weil mir der klanglich Gesamteindruck so vertraut ist wie eine vertraute Person.

Dashalb versuche ich in der Regel die 'amtliche' Tonart zu spielen und finde, es klingt meist am besten so.

Grüße, Leo
 
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